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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020321028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-21
- Monat1902-03
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Haupt-Filiale in Berlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Abend-Ausgabe. Amtslikalt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Anzeigen »Prei- die 6 gespaltene Pelitzeile 25 H. Rec kam en unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bornnttags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. M. Freitag den 21. März 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Englisches Unterhaus. * London, 20. März. Bcrathung der Appropriations lau. C a m p b c l l B a n n e r m a n n bittet nm Auskunft I^ber die Lage der Dinge in Südafrika und sagt, die iMglieder der Opposition würden, wann immer sie an I.ic Regierung Anfragen hinsichtlich des Krieges richteten, Mw-Boeren und Freunde der Feinde des Landes genannt. Derartige Bezeichnungen seien böswillige Verläum- »ungen. Redner weist auf die Zahl der Mannschaften hin, »ic aus der Capcolvuic zu den Bvcren gestoßen Micn, nnd deutet an, daß die Ursache hierfür tn der Art luid Weise zu suchen sei, in der die Regierung die Angc- Mücnheiten der Eolvnic behandele. Staatssekretär für die Molonien, Chamberlain, wendet sich gegen die Aus- »„hrungcn des Vorredners, und cs kommt zwischen Beiden lii einem heißen Wortgefecht über den Vorwurf des letzteren hinsichtlich der mangelhaften Mittheilungen über I.ic Angelegenheiten in Südafrika. Im Lause dieses Wort- Igcscchtcs citirt Chamberlain die von Banncrmann ge brauchte Redensart „böswillige Berläumdung". Der I-prccher unterbricht ihn und bemerkt, der Ausdruck sei I-nparlamentarisch gewesen, worauf Campbell Banucr- Inann ihn zurücknimmt. Chamberlain sagt, ich ziehe meine lentgegnung ebenfalls zurück. sBeifatt. Gelächter.) Cham- Ikrlain bestreitet sodanu mit Nachdruck den Borwurf, I.^y die Negierung mit Mittheilungen über den Fortgang I.cr Operationen zurückgehaltcn habe, nnd sagt, dicZahl IKr im Felde befindlichen Bocrcn kverde Irufctwa 9000 geschätzt. Die Regierung habe Grund I;u der Annahme, daß die Zahl Derjenigen, die beim lickten Einfalle der Boeren in die Capcolonie zu diesen I„cstoßen find, gering sei. Die Frage der Paeificirnng des 1,'audes und seiner Zukunft nach Beendigung des Krieges iMlde von der Regierung beständig erwogen. Er schaue lcptimistisch indicZukunft und befürchte keine schlimmen Folgen aus dem Raflegrfühl, wenn ast einmal die britische Vorherrschaft feststchc. Eine Anzahl Burg Hers hätten auf :ug lisch er Seite gefochten und mit den lmglündern mehrere bedeutende Generale und Com- mudos gefangen genommen. Redner meist auf einen Zi c f B i l v n e l 's a n DcWet hin, in dem cs heißt, :e wahren Feinde des Landes seien die Männer, die )cu hoffnungslosen Kampf fortsctztcn. Dillon untcr- micht ihn nnd ruft: „Vilvncl ist ein Verräther! Er hat cm Land verratheu!" Chamberlain entgegnet: Tas chrenivcrthc Mitglied ist ein guter Richter über verräther!" Beifall bei den Ministerielle«, Widerspruch bci den Iren. Dillott fragt den Sprecher, ob das ein parlamentarischer Ausdruck sei'? Der Sprecher erwidert, as chrenivcrthc Mitglied selbst habe ihn unterbrochen )urch den Ausruf, daß die Soldaten, die unter der britischen >ehnc dienen, Verräther seien. Er mißbillige diese Un- rcrbrechungcn und Entgegnungen ausdrücklich. Dillvn cmcrkt, sich zu Chamberlain wendend: „Ich wünsche zu sagen, daß der sehr ehre nwerthc Gentleman cin vcrdammtcrLügncr ist." Der Sprecher ver langt, daß Dillon den Ausdruck zurücknimmt. Dillon i'erwcigcrt dies, worauf der Sprecher ihn zur Ordnung n,st. B a l f o u r b c a n t r a g t die Ausschließung äillon's für eine Woche. Dieser Antrag wird mit :!8 gegen 48 Stimmen angenommen: nur Iren und cinige Radicale stimmen dagegen. Hierauf verläßt Tillon unter Beifallsrufen der Iren den Saal. Gründe englischer Schlappen. Von einer mit den südafrikanischen Verhältnissen ver trauten Seite wird der „Schlesischen Zeitung" geschrieben: Auch die Bemäntelung der englischen Schlappen durch Erzählungen von heftigem Attackircn, Ucberreitcn u. s. w. vermag für Ten, der die englischen Truppen auf dem Marsche gesehen hat, die wahre Thatsache nicht zu ver schleiern oder zu entschuldigen. Während der Engländer im Kampfe selbst im Allgemeinen einen hohen Grad von Bravvnr beweist, giebt er sich auf dem Marsche einer geradezu erstaunlichen, für einen deutschen Soldaten un verständlichen Vertrauensseligkeit hin. Diese und der Mangel an Diseiplin tragen in erster Reihe die Schuld an den Niederlagen. Es fehlt aber an Erziehung, Schulung und vor Allem an geeigneten Führern, denn die Zahl tüch tiger Ossicicre ist bereits auf cin Minimum herabgesunkcn: wie auch aus den Verlustberichten hcrvorgeht, haben cs die Boeren nun einmal hauptsächlich auf die Führer ab gesehen: dann aber sind auch die Ossieierc genöthigt, sich der größten Gefahr anszusetzen, um die Leute überhaupt zusammcnzuhaltcn. Die Ossicicre sind wahrlich nicht zu beneiden, ihr Einfluß ist oft gleich Null. Das kann man am besten bci Marscheolonnen beobachten. Dafür ein Beispiel: Gelegentlich sah ich eine Brigade auf einer Straße zwischen rechts nnd links etwa je 1000 Metern entfernten Hügelketten marschircn. Der Zug war 5 bis 6 Kilometer lang. Vorn ritten ein paar Leute, Ossicicre und Voluu- tccrs, daun kam ordnuugslos cin Trupp Infanterie: Ge päck und Waffen l!) lagen zum Theil auf den berühmten Maulthierwagcn, die also nicht nur, wie die Berichte scheinen lassen, mitgenommen werden, damit sie durchgehen und die Niederlagen durch Verwirrung rechtfertigen. Dann kamen CapceaS und sonstige Kutschen, theilS leer, theils besetzt von höheren Osficieren: dann Wagen mit Proviant und Pferdcfutter: einige Soldaten setzten sich gemüthlich an den Wegrand nnd frühstückten, nm sich dem Ende des Zuges wieder anzuschließen n. s. w. Kein Zusammen hang, keine Ordnung, kein Officicr bei seinen Leuten, Jeder nur mit dem einen Pfiichtempsindcn, mitznkommcn. Zn beiden Seiten ritten, 200 bis 400 Nieter entfernt, noch nicht am Fuße der Hügel, die Sailvrpatrvuillcn sinn- und zwecklos, da sie doch nicht durch die Hügel durchsetzen konnten. Biele englische Ossicicre selbst staunen über diese naiven Kricgszügc. Ein solcher versuchte in ähnlichem Falle, die Patrouillcnsührer von der Unsinnigkeit dieser Deckung zu überzeugen, und empfahl, daß sie wenigstens auf den Hügeln reiten mochten. Das ginge nicht, wurde ihm erklärt, wegen der Gefahr, daß sie abgcschnittcn und gefangen würden. Unter solchen Umständen gehört gar nicht einmal große Geschicklichkeit dazu, eiucr solchen Cvlvune eine Schlappe beizubringcn. Wenn man sich dann noch die Soldaten selbst ansieht, wie sie durch Ablegen der Khakijackcn im Wollhemd die Uniform der Boeren nachahmen, nnd gleich- giltig, nur um ihren Sold nicht zu verscherzen, mittrottcr», dann könnte man sich eher wundern, daß Kitckencr nickt noch öfter schlimme Botschaften zu melden hat, bezw. nicht unterdrücken kann. Zum Glück für die englische Regier hört er, trotz der ausgezeichneten Verwendung von Hclio- graphisch-Mcldcdicnst, von vielen Schlappen oft erst so spät, daß sie unterschlagen werden können. * Melbourne, 20. März. („Ncutcr's Bureau.") Ta die Reichsregierung mitgethcilt hat, 2000 weitere Mann fürSüdafrika würden mit Dank a n - gcno m m e n , hat die Negierung des Australischen Bun desstaates beschlossen, die gewünschten Verstärkungen ab- zuscnden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. März. Gestern wiesen wir darauf hin, daß das Wahlergebnis im Neichslagswablkreise Nastenburg-Gerdauen eine ein dringliche Mahnung an die Couservativen sowohl des Reichstages als auch deS preußischen Abgeordnetenhauses vor weiterer Unterstützung der Zollansprücke der „Uebcr- agrarier" bedeute; beute liegt aus Düsseldorf eine Meldung vor, die den Beweis liefert, daß auch das Centrum ein gewagtes Spiel treibt, wenn es im Reichstage sich auf den Antrag Herold versteift und im preußischen Abgeordnetenhaus? den Versuch unternimmt, die Regierung zu nöthigen, durch Vertretung dieses Antrags im BundeSrathe sich in Gegensatz zu sich selbst, zur Krone, dem Reichskanzler und den übrigen Negierung zu setzen. In dem industriellen Kreise Düsseldorf bat sich nämlick in den Reihen der katholischen Arbeiterschaft eine io scharfe Opposition gegen die parlamentarische Action der Eentrumspartei erhoben, daß der Hauptvorstand der CentrumSpartci für den Kreis sich genöthigt gesehen hat, eine Erklärung gegen die „Abtrünnigen" im nltramontanen „Düsseldorfer Vollsblatte" abzugeben. Darauf haben nun die Abtrünnigen ihrerseits m dem gleichfalls christlich katholischen „Hansschatz" eine sehr scharfe Gegenerklärung erlassen in der cs u. a. heißt: „Tie Unterzeichner der sogenannten Erklärung (des Antrags Herold) haben offenbar nicht die geringste Fühlung mit dem arbeitenden Volke in Stadt und Land. Es sind denn auch lediglich Rechtsanwälte, Amtsrichter, große Gutsbesitzer und dergleichen oder Rentner . . . Diese „Führer" wagen es, die Interessen Les arbeitenden Volkes in der gröblichsten Weise zu vernachlässigen. Kein einziger Arbeiter steht denn auch unter dieser Erklärung . . . Will man den Kampf, wir nehmen ihn auf." In einem zweiten Artikel deS „HauSschatz" wird als nothwendige Folge des Vorgehens der CeutrumSpartei vorausgesagt: „Tie volksfeindliche Politik deS „Bolksblatles" arbeitet der Socialdemokratie dircct in die Hände und führt mit unfehlbarer Sicherheit dahin, unseren Wahlkreis schon bei der nächsten Wahl der Socialdemokratie auszuliefern." Bci den letzten allgemeinen Wahlen hat das Centrum freilich noch in der Hauptwahl eine Mehrheit von 7000 und in der Stichwahl sogar eine solche von 10,000 Stimmen gegenüber der Socialdemokratie gehabt, aber damit ist durch aus nicht gesagt, baß die Prophezeibung des „HausschatzeS" nicht eintreffen könnte. Denn das Centrum hat sich bisher in Düsseldorf und anderen industriellen Kreisen des Nhein landes nur dadurch behaupten können, daß es au der orzanisirten katholischen Arbeiterschaft eine starke Stütze hatte. Wenn dir kirchlich-katholischen Arbeiter nicht einmal zur Socialdemokratie übergehen, sondern nur sich der Stimme entkalken, so ist der Verlust einer Anzahl rheinischer Wahl kreise für daS Centrum sicher. Dafür, daß auch in dem zweiten großen preußischen Centrumsgebiete, in Oberschlesien, die agrarische Haltung deS CentrumS für die Partei gefährlich ist, haben bereits die letzten Wahlen Zeugniß abgelegt. Die socialdemokratischen Stimmenziffern in Beuthcn und Kattowitz werden sicherlich durch die Haltung des Centrums in der Zvllfraze keine Minderung erfahren. Vor einigen Tagen wurde gemeldet, daß die Eommissiou für Arbcitcrstatistik ihre letzte Sitzung abgehalten habe. Im Ganzen hat die Commission gerade zehn Jahre gewirkt. Ihre Einsetzung war seiner Zeit erfolgt auf Wunsch des Reichstags zu dem Zweck, bei den statistischen Erhebungen, die zur Ausführung des neuen Arbeiterschutzgesetzes vom 1. Juni 1890 nölhig waren, mitzuwirken. Unter ihren ersten Vorsitzenden, den Unterstaatssekretären v. Rottenburg und Lohmann, ging die Commission mit großem Eifer und Erfolg an ihre Aufgaben. Ihr verdanken wir die Untersuchungen über die Arbeitsverhältnisse in Bäckereien und Conditoreien, im Handelsgewerbe, in Gast» und Schankwirtbschaslen, in Getreidemühlen, in der Kleider- und Wäschefabrikalion; die für diese Gewerbsgebiete erlassenen BundesrathSverorvnungen und Gesetzesbestimmungen beruhen auf den durch die Erhebungen der Commission geschaffenen Grundlagen, deren wissenschaftlicher Werth hoch zu bcwertbcn ist. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre aber be gannen sich die Mängel in der Organisation der Commission stark fühlbar zu machen. Ihre Aufgabe war nach ihrem Regulativ auf ein sehr enges Gebiet beschränkt, sie hing gänz lich ron der Initiative der Reichsregierung ab und entbehrte deS dauernden Fundaments. Ihre Sitzungen wurden immer seltener und kürzer, ihre Arbeiten verzögerten sich mehr und mehr. Erst in den letzten beiden Jahren ist wieder eine etwas regere Thäligkeit eingetreten. Aber inzwischen hatte sich die Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit der ganzen Institution in immer weiteren Kreisen verbreitet und be festigt, der Ruf nach einem Reichs - Arbeitsamt mit einem ArbeitSbeirath wurde lauter und dringender, bis endlich auch die Negierung sich entlchlossen hat, auf der Bahn zu einem Reichs-Arbeitsamt einen Schritt vorwärts zu thun, indem sie im diesjährigen Etat die Mittel für die Erweite rung des kaiserlichen statistischen Amtes forderte; wie be kannt, wird unter dem neuen Präsidenten, Geheimen Ober- Negierungsrath Wilhelmi, eine eigene Abtheilung für Arbeiterstatistik errichtet und ein Beirath aus Beamten und NeichstagSmitgliedern eingesetzt. Die „Sociale Praxis" erinnert daran, daß von den Erhebungen der Commission verschiedene noch nicht abgeschlossen sind und daher an die neue Institution übergehen. So bat die letzte Sitzung die enogillige Festsetzung der Fragebogen über die Arbeits zeit der Gehilfen und Lehrlinge im Fleischergewerbe und über die Arbeitszeit im FnbrwerkSbetriebe vorgenommen. Die Fragebogen über die Arbeitszeit in der Binnenschiff- fahrl sollen später sestgestellt, die Ergebnisse der Erhebung über die Arbeitszeit in Contoren und BureauS demnächst veröffentlicht werden. Unter der neuen Organisation darf zuversichtlich ein erweiterter und gesteigerter Ausbau der Arbeiterstatistik und damit ein unentbehrliches Material für die Fortführung der socialreformerischen Arbeiten und einen wirksamen Arbeiterschutz erwartet werden. Uebcr den zweiten Zlvcibund in Lstasien schreibt man uns noch: Die Ausdehnung deS französisch-russischen Bündnisses auf Ostasien ist die erste Antwort auf das englisch-japanische Bündniß, dessen Zustandekommen in Eng land mit so großer Genugthuung begrüßt wurde. Gleich Feuilleton. iS, Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck vcrbdlkn. Plötzlich wurde sie doch aufmerksam. Da ging ja jemand! „Schon zurück, Papa Leuc?" rief sic und steckte den Kopf hinaus. Ta staud ein baumlanger Mensch in einem weiten Havelock, den großen Schlapphut in s Gesicht gedrückt, und lachte sic an, daß die weißen Zähne unter dem -chnurrbart blitzten. Zwei Arme streckten sich ihr ent gegen. „Liebe, liebe Frau Paula!" Sie stieß einen erstickten Freudenschrei aus und reichte ihm ihre zitternde Hand, die er fest mit der seinen umschloß. „Wir haben Sic viel später erwartet . . . Wir wußten bic Zeit nicht .... Ihr Vater ist nicht da; er besorgt Abcndbrod für Sie", so schwatzte sie in ihrer glückseligen Verwirrung durcheinander. Wie er sie ansah! . . . Sic wurde immer verlegener, -eine Augen, die gar nicht düster blickten, wie sic gedacht, sondern strahlend leuchteten, wichen nicht von ihrem Besicht. „Liebe Frau Paula, wie habe ich mich nach dieser Minute gesehnt! So hatte ich's mir äuSgemalt; aber cS i't noch schöner, noch viel schöner. Und Cie — Sic sind auch schöner geworden, Paüla . . . wahrhaftig!" „Sic sind gewiß recht müde?" lenkte die junge Frau, lief crröthcud, ab. Aber auch sic wendete keinen Blick von hinein Gesicht. Ach, wie wohlbekannt, wie vertraut war cS ihr, ob wohl cs mit den tieferen Falten seine Nichtigkeit hatte. „Und hungrig werden Sie sein", lächelte sie verwirrt und glücklich, „und Ihr Vater will Alles in Ordnung liabeu, wenn er kommt. Sehen Sic, da geht das Feuer Scradc ans!" Sie befreite energisch ihre Hände von den seinen, die uc noch immer umklammerten, und stürzte sich mit über- iricbcncm Eifer hastig in dkc Arbeit. Sv fühlte sie sich freier und konnte ihre Freude ohne Verlegenheit genießen. Kray- fetzte sich auf das Eimerbänkchen — dcnrj sic befanden sich noch in der Küche — und folgte mit den Augen jeder ihrer Bewegungen. Er erzählte von seiner Reise, von seinen Arbeiten und Aussichten, sic klagte über ihr Hiersein. Fragen und Antworten überstürzten sich, wie immer, wenn zwei Menschen sich so viel zu sagen habfkn. Paula vergaß ganz, daß man sic zu Hause erwarte. Es war ihr, als könne ihr nun nichts mehr geschehen. Stets hatte sic sich in seiner Nähe so geborgen und sicher gefühlt. Und gar heute, wo er so siegesbewußt aussah. Aus jedem seiner Worte, aus der Schilderung seiner Arbeiten, seiner Erfolge hörte sie cin Etwas klingen, das sie beseligte. Ihre Briese hätten ihn ausgestachclt . . . Sic aus Rohrbach fortholcn zu können, sei sein Bestreben gewesen . . . Ihrer Freund schaft Ehre zu machen, das hätte ihm Kraft und Muth gegeben. Sich selbst und immer nur sich hörte sic aus seiner Rede. Eine staunende Freude fluthctc durch ihr Herz; und sic wehrte ihm nicht, als er aufsprang und voll warmer Herzlichkeit von Neuem ihre Hände in die seinen schloß. Pava Leuc that, als bemerke er nichts, da er das Paar gerade dabei überraschte. Er hatte in der Krone gehört, daß der letzte Zug bereits durch war, der Franzl also schon daheim sein müsse. „Grüß' Dich Gott, Franzl!" keuchte er. „Gelt, da schaust, was i jetzt für eine Haushälterin hab'? Ich hab's mir halt ang'schafft, weil i mi sonst rechtschaffen langweilen thu'. — Aber, Frau Paula, heim müssen Sic jetzt! Laufen s so schnell, als 's mir können! Die Tante Theres, die alte Schachtel, und der Bürgermeister suchen Jhna. Laufcn's um die Stadt herum, damit's Ihnen nct be gegnen, und sagen s nur, Sic waren noch in der Capellen und haben bet', daß die Lieb' zum Mcingart in Sic fahren möcht'! — Na, Franzl, Du darfst nct mitgeh'n!" Der Alte konnte aber doch nicht verhindern, daß Franz, als könne es gar nicht anders sein, seinen Schlapphut aufstülpte und ihr voranging. Errüthcnd reichte Frau Paula dem Alten die Hand zum Abschied, der sic eben falls — es schien das in der Familie zu liegen — ein Weilchen in seiner faltigen, verarbeiteten Pratze behielt nnd die kleine Fran dabei verschmitzt anblicktc. Dann lief sic schnell in die hier draußen am Ende der Stadt durch keinerlei künstliche Bclcnchtnng gestörte Tuukclhcit hinaus, wo Franz ihrer schon harrte. Der Schnstcr sah ihnen mit einem Lächeln nach, schloß die Hausthür, humpelte dann an seinen Drcivetnschcmcl, nahm sich den bcsohlungsbedürftigcn Stiefel wieder her vor — denn er hatte ihn zu morgen früh versprochen — und brummelte dabei kopfschüttelnd vor sich hin. Scchsundzwanzigstes Capitel. Die Nachricht von Franz Leuc's Ankunft verbreitete sich bereits am anderen Morgen in Rohrbach. Man wollte sich ja nicht weiter nm ihn kümmern, schon um bei den maßgebenden Gewalten nicht anzustvßcn; aber als Gesprächsstoff war er doch recht interessant. Die Schnäbc- lin hatte ihn ganz früh vorbeikvmmen scheu und in ihren Spiegeln jedes Tüpfelchen von ihm untersucht. Nun, seine Kleider waren anständig, oh ja, und auch nicht sehr auffällig, — bis auf die Stiefel, die vorn ganz verrückte Spitzen hatten, und bis auf den schwarzen Scidengürtel, den er sich statt einer soliden Weste um den Leib gebunden hatte. In Rohrbach trug man natürlich so etwas nicht. Sonst aber, wie gesagt, sah er recht an ständig und nicht einmal sehr verhungert aus. Also ganz schlecht schien cs ihm nicht zu gehen; sonst hätte er ja anch nicht zu Besuch Herreisen können. Als sie so weit gekommen, machte Frau Schnäbelin eine gchcimnißvollc Miene. Uebcr das Gesicht des jungen Leuc, über das wolle sic lieber schweigen. Sic möchte sich nicht weiter anssprcchcu; aber in dem Gesicht könne man wie in einem Buche lesen, wenn man sich auf die „Fieso- logic" verstünde. Sic verstünde sich darauf; sie könne Jedem bis auf den Magen schauen. Das Gesicht bedeute nichts Gutes. Die Falten am Mund bci einem so jungen Menschen zeigten Leidenschaften an, wilde Leidenschaften . . . Und diese Augen! Anarchistenaugcn, in denen geschrieben stand: „Ich scher' mich weder nm Gott, noch nm den Teufel, noch um die Rvhrbachcr!" Ia, man könnt ihr s glanbcn — spöttische und freche Augen hatte der und sicher nichts Gutes im Sinne. Wo mochte er zum Beispiel so früh hingegaugeu sein ? Sie halte ihn» natürlich nachgeschant, das heißt, auch ein bischen nachgegangcn war sie ihm. Draußen beim Bürgcrmcistcrshans halte er sich beinahe den Hals abgc- drcht. Warnni das? Wegen der Wittivc natürlich! Und richtig, er schwenkte seinen Hut; also hatte die Wittivc hcrausqcschant. Da würde man was erleben! Sic, die Schnäbelin, hatte sich dann zurückgezogen, um nicht aufzusallen. Aber ein sträfliches LicbcSverhältniß hatten die Beiden ganz sicher. Denn was hätten sic sich denn sonst in den zwei Jahren so viel zu schreiben gehabt? Da mußte mau recht aufpasscn; so etwas durfte in Rohr bach nicht geduldet werden. Paula erwachte am frühen Morgen mit einem freudigen Gefühl, aber einem dumpfe» Druck im Gehirn. Das kam Alles von der Angst gestern Abend. Ach, wie hatten sie sic gescholten über ihr Fortblcibcu. Der Bürgermeister ahnte natürlich den Zusammenhang. Gewiß würde er nun heute jeden ihrer Schritte bewachen und die Tante als Aufpasserin mitschickcn, wenn sie wcgging. Sie hoffte aber dennoch, entwischen zn können. Lächelnd trat sic ans Fenster, um die frische Morgen luft einzuathmcu. Tie Lonne strahlte vom tiefblauen Himmel und hatte die Nässe des gestrigen Regens schon aufgctrocknct. Das schien Paula als cin gutes Omen. Auch in ihrem Herzen war die Lonne. Iubilircn und singen hätte sie mögen. Ach, was war das Leben schön, wie schön und beglückend war die Freundschaft. Unwillkürlich beugte sie sich weit zum Fenster hinaus, gegen das Schusterhaus zu. Nun war er hier, der Freund, nicht mehr ivcit fort im fernen Berlin. Er schlief jedenfalls noch, müde von der langen Reise. Und in wenigen Stunden, da würde sic ihn Wiedersehen. Plötzlich crröthctc sie vor Freude. Da war er wahr haftig schon hcransspaziert, der lauge Mensch, frisch und lustig! Was ging nur in ihm vor, daß er den düsteren, vergrämten Franz so ganz hatte abstrcifen können?! Schon sah er sic und seine Augen leuchteten. Wahr haftig, sie leuchteten! Der gute Mensch, auch er fühlte sich verlassen nnd einsam ohne sie. Mit verklärtem Gesicht nickte sic ihm zu, als er fröhlich den Schlapphut schwang. Ach, jetzt hinausdürfcu und an seinem Arm in den grünen Wald laufen, wie wäre das schön! Sic trat vom Fenster zurück, und Franz spazierte am Hause vorbei, nach dem Walde zu. Denn da hinten spivnirte die dicke Schnäbelin, die Stadtschwätzerin. Nach einem Weilchen, als sic endlich verschwunden war, kehrte Franz zurück nnd machte ihr cin Zeichen. Sie spannte alle ihre Sinuc an, nm ihn zu verstehen. Jetzt deutete er mit dem Daumen nach hinten, nach dem Obstgarten, nnd bog dann in den schmalen Seitenweg ein, dcr au des Bürgermeisters Anwesen vorbei in den Wald führte. Oh, dcr Schlaue. Sie lachte verschmitzt. Nun konnte sic scheinbar Himbeeren pflücken und über die Hecke weg mit ihm schwatzen. Kam dann jemand, zog er sich hinter die Bäume zurück.
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