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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020306023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-06
- Monat1902-03
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeite 85 L,. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbfförderung X 60.—, mit Postbesörderung ./r 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 1l8. Donnerstag den 6. März 1902. W. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. * Ashtabnla (Ohio), 8. März. Prinz Heinrich ist Vormittags 10 Uhr 85 Minuten hier eingetroffen und setzte nach kurzem Aufenthalte die Meise fort. * Srie, 5. März. Der Zug mit dem Prinzen Heinrich traf Vormittags 11^ Uhr hier ein und nahm einen Aufenthalt von 5 Minuten. Die überaus zahlreich am Bahnhof angesammelte Menge brach in Hochrufe aus. Der Prinz erschien am Fenster und grützte die Menge. * Dnnkirk sOhio), 5. März. Der Zug mit dem Prin zen Heinrich ist heute Nachmittag iVu Uhr hier ein getroffen. 5000 Dtenschen hatten sich auf dem Bahnhöfe eingefunden und bereiteten dem Prinzen stürmische Huldigungen. * Buffalo, 5. März. Prinz Heinrich ist Nach mittag 2^ Uhr hier eingetroffen und am Bahnhof von dem Mayor begrüßt worden. Eine zahllose Menge hatte sich am Bahnhof und in der Umgebung desselben cinge- fnnden. Nach einem viertelstündigen Aufenthalte brach der Prinz nach dem Niagarafall auf. * Niagarafall, 5. März. Prinz Heinrich ist Nach mittag 3^4 Uhr hier eingetroffen und sofort zur Be sichtigung der Fälle aufgebrochen. X. Niagarafall, 6. März. (P r i v a t t e l e g r a m m.) Der heutige Besuch der Niagarafälle verlief aufs Gün stigste. Das Wetter war sehr frisch bei bedecktem Himmel. Auf den Wegen lag Schnee und Eis, und die Fälle, von prächtigen Eiszapfen umgeben, boten ein wundervolles Bild. Auch die Felsen waren mit Eis und Schnee bedeckt; Eis und Schnee verschwinden daselbst erst Anfang Juli. Die heftigen Regengüße der letzten Woche ließen das Wasser nicht ganz klar erscheinen; nichtsdestoweniger machte das prächtige Farbenspiel einen tiefen Eindruck auf den Prinzen, der zuerst auf dem sogenannten Table Rock stand und lange die mächtigen Wasser des HorseshoefallS bewunderte. Die Fahrt nach den Fällen wurde zuerst in vierspännigen Wagen zurückgelegt, nachher fuhr der Prinz mit dem ganzen Gefalge mit -er elektrischen Bahn nach dem unteren Strudel. Während der Fahrt boten bei Sonnenuntergang die Fälle ein wundervolles Farben spiel dar. An den Besuch der Fälle schloß sich eine Besich tigung -er größten Kraftstation der Welt, welche täglich fünfzigtausend Pferdekräftc erzeugt. Buffalo, das 26 Meilen entfernt liegt, erhält von hier Licht und Kraft für die elektrischen Bahnen. Die Kraftstation, der „Niagara lower Company" gehörig, hat 9 Stockwerke, von denen acht unterirdisch sind. Beim Verlassen der Station sprach der Prinz seine volle Befriedigung über das Gesehene aus. — Morgen wird Boston, Freitag Westpoint, Freitag Abend New Uork besucht werden. Der Prinz empfing heute früh in Eleveland einen gewissen Krasch, der hier lebt und die Weltreise des Prinzen auf dem „Prinz Adalbert" mitmachte. N. Niagarasall, 5. März. (Privattelegramm.) Als Admiral Evans aus der Kraftstation herauskam, fühlte er in der Tasche die Hand eines Diebes. Er sagte kühl: „Mein Portemonnaie befindet sich in einer anderen Tasche". Der Dieb entkam, da Evans mit dem Prinzen sofort weiterfuhr. R. Rochester, 5. März. (Privattelegramm.) Beim Eintreffen -eS Prinzen ertönte Kanonendonner und wurde Feuerwerk abgebrannt und Scheinwerfer beleuch teten die an hoch schwebenden Drachen befindlichen deut- schen und amerikanischen Fahnen. Etwa 20 000 Menschen hatten sich zur Begrüßung des Prinzen eingefunden und bereiteten ihm einen enthusiastischen Empfang. Die Capelle des 54. Regiments spielte die „Wacht am Rhein". Zwei Compagnien des 2. Marine-Rescrveregiments waren an beiden Enden des Zuges ausgestellt, konnten aber die begeisterte Menge nicht zurückhaltcn, welche die Truppen bei Seite schob. Im Gedränge wurden mehrere Frauen ohnmächtig. Der betäubende Enthusiasmus machte die Gesangs- und Musikvortrüge unmöglich. Der Prä sident der Handelskammer überreichte dem Prinzen ein Album und einen Kodak, beides Erzeugnisse der Industrie von Rochester. Sodann überbrachten neun junge Damen Blumen und Fruchtkörbchen. Der Prinz dankte kurz für die Ansprachen. Bei der Abfahrt, welche unter Hurrahrufen der Menge erfolgte, wurde der Stcrnenbannermarsch gespielt. 8. Syracuse (Staat New Uork), 5. März. (Privat- telegramm.) Bei seiner heutigen Ankunft wird dem Prinzen Heinrich am Abend voyr Bürgermeister eine Adresse, das Siegel der Stadt in Gold und in einer sil bernen Büchse ruhend, überreicht. Die deutschen Frauen übergeben dem Prinzen für den Kaiser und die Prinzessin Irene je ein Album von Syracuse. Der „Herald" veröffentlicht ein Kabcltelegramm des amerika nischen Botschafters White in Berlin, welches sagt, daß niemals ein edler Plan edler durchgeführt worden sei, als durch den Besuch des Prinzen in Amerika. Nach der Taufe der kaiserlichen Nacht „Meteor" hatte Miß Alice Roosevelt bekanntlich ein Telegramm an Kaiser- Wilhelm gerichtet, das folgenden Wortlaut hatte: „Meteor" ist glücklich vom Stapel gelaufen. Ich gratulire Ihnen, danke Ihnen für die mir erwiesene Liebenswürdigkeit und sende Ihnen meine besten Wünsche. Alice Lee Roosevelt." Die englische Presse hat es als auffällig bezeichnet, daß der Kaiser keine Erwiderung auf die Depesche über den Ocean sandte, und sie wußte auch bereits den Grund für diese „fehlende Antwort" zu nennen. Kaiser Wilhelm sei nämlich über die Form des von Miß Alice an ihn ge drahteten Glückwunsches verstimmt gewesen. . . . Das gerade Gegentheil ist der Fall. Wir können, schreibt der „Berl. Loc.-Anz.", allen den Blättern, welche der Bcr- stimmungsente Raum gaben, die Zusicherung geben, daß Kaiser Wilhelm über das frische, freimüthigc Telegramm der Miß Alice sehr erfreut war und diese seine Freude mehrfach seiner Umgebung gegenüber zum Aus druck gebracht hat. Wenn der Kaiser die Depesche unbeant wortet ließ, so lag das daran, daß ein Anlaß zur Erwide rung überhaupt nicht gegeben war. Denn abgesehen davon, daß Prinz Heinrich an Ort und Stelle reichlich Ge legenheit hatte, den Dank seines kaiserlichen Bruders Miß Alice und deren Eltern zum Ausdruck zu bringen, so darf auch nicht übersehen werden, daß der ganze Tauf vorgang durchaus mehr den Charakter einer privaten, als einer officiellen Veranstaltung trug, daß also förmliche Wünsche und Gegenwünsche von vornherein eine geringere Rolle zu spielen hatten, als ein Händedruck und ein offenes, kurzes, herzliches Dankwort. Der Krieg in Südafrika. Wenn man die Worte, mit denen der Krregsminister Brodrick im englischen Unterhaus« das Ergebniß der letz ten Treibjagd gegen die Boeren mitgethetlt hat, „dieses befriedigende Ergebniß komme dem Jahrestage von Majuba sehr gelegen", sich näher besieht, so kommt man unwillkür lich zu dem Schluffe, daß Kitchener diese Treibjagd so ein gerichtet hat, daß sie am 27. Februar abgelaufen sein konnte. Kitchener, der auch sonst gern in theatralischer Weise posirt, kannte das englische Jingopublicum recht gnt und wußte auch, daß der Name Majuba den imperia listische« Haß gegen die Boeren ins Tausendfache steigert. Denn dieser Name brennt noch heiß auf der Stirne des Engländers, denn kein Geringerer, als Kipling, hat in einem seiner Krtegsliedcr laut gefordert, daß Majuba auf der Tafel der Geschichte ausgelöscht werden müsse. Er ist aber, so wird dem „Schwäb. Mercur" aus Amsterdam ge schrieben, zu tief eingegraben, als daß er durch eine Treib jagd, bei der verschiedene 100 Boeren in die Hände einer zwanzigfach überlegenen britischen Streitmacht fielen und die ihren Hauptzweck, De Wet unschädlich zu machen, -och nicht erreicht hat, ausgewischt werden könnte. Bei Majuba stürmten 80 Boeren, von 3 Felücorneten angeführt, einen von einer dreifachen Uebermacht vertheidigten und von englischen Kerntruppen besetzten, für uneinnehmbar ge haltenen Berg. Der feindliche General Collay mit 50 Engländern fiel und die andern wurden gefangen genom men. Dagegen erblaßt auch Paardcberg, wo sich etwa 3000 Boeren in ungünstiger Stellung und von einer zwanzigfach überlegenen Artillerie beschoffen, mit Frauen und Kindern schließlich der Uebermacht ergeben mußten. Brodrick hätte besser gcthan, von Majuba ganz zu schweigen, denn auf dem Fuße folgte ja die Hiobspost von der Gcfangennehmung der Truppen des Obersten Donop, und was den nach dem Blute Kruitzinger's dürstenden Jingos ebenfalls zn denken geben wird, ist die Thatsache, daß der Boerenführer, otr den Engländern diese Niederlage beigebracht hat, die gefangenen eng lischen Officiere dieses Mal nicht freigelassen, sondern einige mit sich geführt hat, so daß man sich also aus naheliegenden Gründen über das Schicksal Kruitzinger's nicht allzu sehr zu beunruhigen hätte. Die Boerendelegirten in Amerika. * Washington, 5. März. Staatssekretär Hay empfing heute Vormittag die Boerendelegirten Wolmarans und Wessels als Privatleute, sprach mit ihnen freimüthig und versprach, was er ver möchte, zu thun, um die Lage der Boeren in Südafrika zu verbessern; er legte aber dar, in derartigen Angelegen heiten sei der Präsident die maßgebendste Stelle. Später begaben sich die Delegirten in Begleitung Müller's vom Oranje-Freistaat in das Weiße Haus, wurden von dem Präsidenten Roosevelt in der Bibliothek als Privatleute empfangen und verblieben eine Viertelstunde daselbst. Präsident Roosevelt hörte sie aufmerksam an und erklärte, die Vereinigten Staaten kö Unten weder, noch wollten sich in den Kampf ein mischen. * Washington, 5. März. Während der Unterredung mit -em Staatssekretär Hay beklagten sich die Boerendelegirten über die Verschiffung von Pferden, Maulthier en und Lebensmit teln nach Südafrika. Der Staatssekretär ging ausführlich auf die Sache ein und führte Autoritäten und Präcebenzfälle an, nach denen feststehe, daß keine Be hörde Amerikas in der Lage sei, amerikanischen Farmern zu verbieten, Erzeugnisse ihres Ackerbaues oder ihrer Viehzucht «ach irgend einem Theile der Welt hin zu ver schiffen. Der Staatssekretär führte weiter aus, daß die Haltung der Regierung gegenüber der südafrikanischen Frage streng neutral 'gewesen sei, und daß die Negierung nichts gethan habe, um die Verschiffung von Gütern für die Boeren zu verhindern. * London, 5. März. Der „Standard" meldet, Präsi dent Steijn und D e w e t Hütten die N a t a l-B a h n - linie gekreuzt und seien mit Botha im Utrechter Bezirk zu einer Berathung zusammen gekommen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. März. Zäh wechselndes Wetter bezeichnet man seit vielen Jahr hunderten als Aprilwetter; künftig aber wird man vielleicht im deutschen Reiche von „Reichstags wet ter" reden. Gestern wenigstens war diese Bezeichnung am Platze. Derselbe Reichstag, der vor noch nicht langer Zeit die verbündeten Regierungen durch eine Resolution um einen Zuschuß an die deutsche Colonialgesellschaft zur Schaffung einer AuSkuuftSftelle für Auswanderer ersucht hatte, beschloß gestern auf Antrag seiner Budgetcommission, die ge forderte Summe nur für ein Jahr zu bewilligen; ja, eS fehlte nicht viel an der völligen Ablehnung der Forderung. Ob die verbündeten Regierungen auf eine einmalige Bewilligung eingehen werden, wird man erst bei der dritten Lesung erfahren. Schon gestern aber konnte das „hohe HauS" aus einer ironischen Bemerkung des Staatssekretärs v. Richt hofen entnehmen, daß die verbündeten Regierungen eS sich in Zukunft zweimal überlegen werden, bevor sie einer Aufforderung des Reichstags Folge geben, und daß sie, wenn wieder ein mal Klagen über Nichtberücksicktigung der Wünsche des Hauffs erschallen, auf das Schicksal des aus Verlangen der Mehrheit in den ordentlichen Etat eingestellten Postens zur Schaffung einer Auskunftsstelle für Auswanderer verweisen werden. Wenn das geschieht, so hat sich dafür der Reichs tag besonders beim Centrum zu bedanken, denn seine Mit glieder waren eö hauptsächlich, welche die Schwenkung voll zogen. Aus dasselbe Conto kommt die gestrige Ablehnung nicht nur der von der Regierung für die Verlängerung der Usam- barababn bis Mombo geforderten Mittel, sondern auch des diese Forderung um 600 000 kürzenden Vermittelungs antrags der Rechten und der Nationalliberalrn. Ver gebens wieS der Staatssekretär daraus hin, daß die Ab lehnung der Mittel für den bereits durch Material- zufübrung u. s. w. vorbereiteten Bau der nur 40 Kilometer langen Strecke lediglich die Bedeutung einer wirthschaftlich Fsrrillstsn. -j Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck verboten. Siebentes Capitel. Es hatte freilich einen lebhaften Depeschen- und Brief wechsel gegeben zwischen Frankfurr und Berlin; aber schließlich blieb Franz nichts übrig, als sich zu fügen. Natürlich that er es im Grunde gern, so sehr er sich auch äußerlich sträubte. Als die Billets eintrasen, vertheilte er sie an seine Freunde und an die Redaktionen befreun deter Blätter. Der große Absnd war endlich gekommen. „Tout" Frankfurt, wie die Reporter zu sagen pflegen, war ver treten. Eine ganze Horde von Großstadtzigeunern, junge Literaten und Schauspieler, mischten sich im Parket und den Rängen mit den würdigen Beamten und schneidigen Officieren der kleinen Stadt, die sich natürlich Alle unter einander kannten und mit Spott und Verwunderung auf diese nachlässig gekleideten jungen Leute mit ihren „genialen" Frisuren und struppigen Bärten blickten. In den achtziger Jahren war das Gigerlthum für die Künstler noch nicht Mode — höchstens hatten die jungen Mimen, denen es ihre Mittel erlaubten, das Recht, sich elegant zu kleiden. Bon den Berliner Directoren war nur einer anwesend, der im Rufe stand, junge Talente zu protcgiren, wenn er auch nur selten davon Gebrauch machte; dazu in seiner Gesellschaft ein Theateragent, der erfolgreiche Bühnen stücke ankaufte oder gegen einen Gewinnanthetl an die Bühnen vertrieb. Bon der maßgebenden Kritik war nur der kleine, spöttisch blickende Hellrich erschienen, außerdem zwei unbedeutende Hilfsredacteure der beiden Zeitungen, für die Fran- hauptsächlich schrieb. All' die anderen „großen Tlffere^ hatten sich dringender Geschäfte halber entschuldigt. Fran- saß mit Bruno und MIeglitz in der kleinen Parterreloge de- Directors, der sich vorsichtiger Weise hinter den Couliflrn aufhielt. Es summte und schwirrte aufgeregt durcheinander. Die Berliner lachten und schwatzten lauter, als es sonst hier üblich war; und selbst der „Hiesigen" batte sich eine gewisse «e«üs« Premidrenstimmung bemächtigt. Diesmal be kamen sie bas Stück doch „frisch von der Pfanne", statt des aufgewärmtcn Gerichts aus Berlin. Man verstand doch chlteßlich in dieser wohlhabenden Beamten- und Offtcters- tadt auch etwas von der Kunst. Man war entschlossen, ein trenges, aber gerechtes Urthetl zu fällen und sich durch aus nicht von diesen fremden jungen Leuten imponiren oder beeinflussen zu lassen. Der Vorhang hob sich endlich. Der erste Act spielte bei einer reich gewordenen Berliner Gärtncrswittwe, deren Grundstücke ihr Millionen gebracht hatten. Nun hielt sie einen „Salon" und sammelte allerlei zweifelhafte Existenzen um sich. Das Parvenüthum von „ganz unten" wurde hier so treffend verspottet, daß es den Leuten gefiel. Man lachte und applaudirte viel nach den ersten komischen Scenen. Die Alte hatte eine Tochter und eine Nichte, Letztere die Tochter eines Wcrkführers einer Fabrik. Ein verschuldeter Assessor verkehrte im Hause, auf den sich die Tochter spitzte. Die Alte überraschte ihn aber dabei, wie er Helenen, der Nichte, eine Liebeserklärung machte, und wies Beiden die Thür. — Man rief beim Actschluß nach dem Dichter, auf dessen Anblick man neugierig war. Kranz zögerte, dem Rufe Folge zu leisten. Aber da kam schon der Director mit freudestrahlender Miene auf ihn zugestürzt und zog ihn durch die kleine eiserne Thür auf die Bühne. Verneigungen, wüthender Applaus der Freunde, in den daS wohlwollende Publicum einstimmte — viermaliges Erscheinen des Dichters. „Nun, was habe ich Ihnen gesagt, mein lieber, lieber Doctor!" rief Herbart, ihm mit ttberquellender Freund lichkeit die Hand schüttelnd. — „Ich täusche mich nicht so leicht. ... Ja, ja — der Bühnenblick des alten Praktiker«! Das wird ein Bombenerfolg . . ." Bon allen Seiten eilten sic jetzt aus den Couliffen her bei, Männlein und Weiblcin, um ihm zu versichern, daß sie niemals an seinem Erfolge gezweifelt hätten. Das Stück sei aber auch zu reizend und geiyvoll und würde sicher den Weg über alle Bühnen machen. . . . Endlich konnte sich Franz hochaufathüiend zu seinen Freunden in die kleine Loge zurückziehen. Der Theaterdiener öffnete ihm die eiserne Bühnenthür mit einer tiefen Verbeugung. . . . Klingelzeichen . . . tiefe Stille . . . Vorhang hoch . . . zweiter Act! Wohnzimmer beim Vater HelenenS, der Werkführer einer großen Buch- und Kunstdruckerei ist. Eine sogenannte „höhere" Bildung ist ihr zu Theil geworden. Sic kührt nach jenem mißglückten AuSsluge in die Welt dem Vater wieder die Wlrthschaft und ertheilt außerdem Unterricht in Musik und Sprachen. Unter Zustimmung des Vaters hat sie sich mit dem Assessor verlobt — d. h. nicht osficiell; jedenfalls „geht sie mit ihm", wie das der Berliner ebenso flug als treffend bezeichnet. Das gefiel dem Publicum dieser aristokratischen Offi- ciers- und Beamtenstadt nun schon bedeutend weniger. Gegen das „Verhültniß" an sich hatten sie ja nichis ein- zuwcnden; das kam bei den jungen Herren ihrer Kaste ja öfters vor. Aber daß cs die drei Betheiligten so ernst nahmen, das war doch einfach lächerlich — die höchste Unwahrscheinlich keit. Sie schüttelten bedenklich die Köpfe, und es rührte sich keine Frankfurter Hand, um den recht dünnen „Ber liner" Applaus bei -en verschiedenen Abgängen und Scenen zu unterstützen. Und nach der großen Arbeiter scene, der Sitzung des Streikcomitös, ertönten sogar ver einzelte Zischlaute in das Klatschen -er Freunde. Der Schluß des Actes aber setzte doch Allem die Krone auf. Der alte Werkführcr, natürlich ein verkappter Social demokrat, verlangte wirklich, daß der Herr Assessor Ernst machen und das durch seinen Umgang sonst „compro- mittirte" Töchterlein endlich heirathen solle. Ganz ver nünftig setzte ihm der Assessor auseinander, daß dies für jetzt unmöglich sei; er hätte Schulden, stände vor der Be förderung, auch würbe ihn ein Schwiegervater arg com- romtttiren, der sich an die Spitze eines solchen Streikes stellen wolle. Schließlich stellte der Alte dem Töchterchen die Wahl: er oder ich — sonst obligate Verfluchung und Hinauswurf, die auch wirklich erfolgten. Unter Hohngelächter und wüthendcm Meinungskampf, bei dem die Zischer und Pfeifer jedoch die Oberhand be hielten, senkte sich der Vorhang, den man zwar hochzog, aber schleunigst wieder herabließ. In der kleinen Loge gab eS bleiche Gesichter. Diesmal stürzte der Herr Director nicht herbei, um den „lieben" Doctor zu holen; kein Mime gratulirte und kein Theater diener griißtc respektvoll. Hinter den Couliffen tobte der Director und brach schließlich in die classifchen Worte aus: „Na, hab' ich's nicht innncr gesagt? Mit -cm Mist werden wir was erleben! — Da haben Sie „Ihren" Dichter, Schröder!" Dritter Act: Junggescllenheim de« Assessors — einigo Monate später. . . . DaS Verhältnis« hat seinen Fortgang genommen. . . . Helene hat den Vater verlassen. Heute be- sucht sic wieder einmal ihrcn„Bräutigam", der ihr natürlich die Ehe versprochen. Tin Onkel des Assessors, Geheimer RegierungSrath, nebendei ein Lebemann mit den Formen eines Grandseigneurs, kommt nach Berlin, von einem Freunde des Neffen gerufen, um diesen von der Dumm heit abzuhalten, das Mädchen etwa doch zu heirathen. Als der Onkel erfährt, daß die millioncnreiche Gärtncrswittwe wieder aufgetaucht ist, die Wechsel des verschuldeten Assessors aufgckauft und ihm selbst zur Vernichtung über geben hat, ihn dabei dringend zn erneutem Verkehr in ihrem Hause einladend, da beschwört er den Neffen, die dargebotcne grvßmüthige Hand mit den Millionen zn er- greisen. Große Frühstücks- und Lectscene, in der Onkel Geheimrath Helenen zwar mit Galanterie behandelt, die aber einen leichten Beigeschmack hat. Er spricht von ihrem „Freund", sie von ihrem „Bräutigam". Zum Schluß eine große Scene zwischen dem Liebespaar, von stärkster Leiden schaft und doch mit ergreifender Einfachheit und Wahr heit, in der sic ihn beschwört, sein Versprechen zu halten und sie zu seinem Weibe zu machen. Er vertröstet sie auf später. Die Aufnahme des Actes.war eine merkwürdig geiheiite. Das Publicum freute sich sichtlich über die fein gezeichnete Figur des Onkels, über die lustspielarttge Jiinggesellcn- atmosphärc. Aber die Wahrheit der Figur und die Si tuation mar -och zu erschreckend für die Leute einer Zeit, in -er man an die treue Lebensspiegelung der eigenen Züge noch nicht gewöhnt war. Und dann ärgerte man sich über die „Berliner Zigeuner", die den Erfolg gewaltsam erzwingen wollten und in der vorigen Panse die Lauge ihres Hohnes in lauten Spottrcden über diese „bornirten Banausen und Philister" ausgegofsen hatten. Es war zu Rempeleien gekommen, und man hatte sich sogar gegen seitig Ohrfeigen angetragen. Man zischte daher um so lauter, je mehr die „Berliner" applaudirten. Der letzte Act spielte wieder im „Salon" der Gärtners- wittwe, wo die Verlobung des reuig zurückgekehrten Assessors mit der Millionenerbin gefeiert wurde. Beinahe hätte die letzte Scene durch ihre verblüffende Neuheit das Publicum umgestimmt. Helenens Vater, der von den Fabrikanten boycottirt worden war, sich aber auch mit seiner Partei überworfen hatte, empfängt eine Unter stützung von seiner reichen Schwägerin. Vater und Tochter treffen nun hier nach vielen Monaten zusammen. Helene kommt, nicht den Dolch, aber eine Pistole tm Ge wände, um sich an ihrem Verführer zu rächen und -er Verlobung ein blutiges Ende zu machen. Der Vater ent deckte es, zugleich auch das Publicum, daS mit der ganzen Grausamkeit mißgestimmter Prcmivrcnbesucher in Hohn-
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