01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901123001
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-30
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V288 diesem rinnichtkn. DSese Specificationen sind zum größten Theil noch erhalten und bilden eine äußerst werthvolle Nummer im reichen Bestand« des historischen Museums aus der Zeit Napoleon'- I. und der Freiheitskämpfe, welches Herr Bertsch im Gasthaus zum Napoleonstcin errichtet Hot. Diese Specifi- cationen entstammen dem Actenbestande des „Patrimonalgerichts deS Dorfes Stötteritz, Baurr'schru Antheils". Vorhanden sind noch 35 Specificatione», die höchste laufende Nummer ist 76, es ist also rund di« Hälfte noch vorhanden. Von den 35 Personen, di« di« Specisieattonen «inreichten, haben zwanzig Tabak als abhanden gekommen mit aufgeführt. Daraus kann man einen Schluß ziehen, in welchem Umfange 1813 der Tabakbau in Stötteritz noch getrieben wurde. Das Gewicht des in den Spe- cifirationrn auweführten Tabaks beträgt 146 Centner, cs kommt also im Durchschnitt auf «in» Specification 4'/? Centner. Nimmt man nun an, daß auch diejenigen Personen, deren Spe- cificationen fehlen, eS sind 41, in demselben Umfange den TabakSbau getrieben hätten, so kämen noch 170 Centner hinzu, also in Summa 316 Centner für den Bauer'schen Antheil. Da nun di« andere Gemeinde Stötteritz einen räumlich größeren Be sitz hatte, so ist auch von dieser Tabak im Gewichte von 3U Centner in Ansatz zu bringen, so daß man den Ertrag deS Tabakbaues für Gesammt-Stötteritz 1813 auf 632 Centner an nehmen kann, als Preis wird der Centner mit 9—10 Thaler in Ansatz gebracht. Bon den gemachten Ersatzansprüchen geben die ein zelnen Specificationen ein genaueres Bild, deshalb sollen die selben, soweit sie etwas Besonderes bieten, im Wortlaut folgen. Dem «Nachbar und Einwohner" Carl Gottlieb Wille wurden HauS, Ställe und Planke „ziemlich gänzlich" ruinirt und nieder- gerifssn, di« vbstdäume abgehauen und verbrannt und die Früchte entwendet; außerdem erlitt er an den Effecten noch (inen Schaden von 100 Thaler. In ihrer „pflichtinäßiaen Anzeige deS Nr. 40 in Stötteritz verursachten Ruins" schätzt Marie Elisa beth vorw. Rodin ihre Einbuße auf 510 Thaler. Die Familie Hackert muß zur Zeit der Völkerschlacht in Stötteritz ziemlich seßhaft gewesen sein, es werden in der Specification fünf Träger dieses Namens aufgeführt, die nach ihren Auf zeichnungen einen Verlust von 892 Thaler und 14 Groschen er litten. In weiblicher Bescheidenheit berechnet Susanna Hackert für ein kattunenes Kleid, einen seidenen Frauenrock, einen Spencer von „Colmuck", drei Hemden, einen blaulein- wandenen Ueberzug, fünf Tücher, vier Paar Strümpfe, zwei Paar Schuhe, zwei mit Gold gestickte Tellermützen, zwei baum wollene Schürzen und zwei Paar Pantoffeln nur 36 Thaler. Einen empfindlichen Verlust hatte Johanne Rosine vcrw. Künne; laut ihrer Specification vom 30. Januar 1814 erlitt sie „durch die schreckhafte Plünderung von den Fransoscn", theils ruinirt, theils „mit genommen", einen Schaden von 560 Thaler. Unterm 30. Januar 1814 fertigte auch Johanna Christiane verw. Borick ihre „Specication" „von der Ver wüstung und Blünderung welches von den Krichs-Volcke gescha in dem Dorfe Stötteritz Herr!. Bauerschen Antheils, als daS Schlachtfeld um Leipzig wahr, im Jahre 1813 u. Monath Oct. u. Nov." -In ihrer „Specication" führt sic als verloren an „Bulsier-Stühle, Victualigen, Ertbern" u. s. w. im Werthe von 323 Thaler 16 Groschen. Der Schullehrer Magister Friedrich August Grahmann beziffert seinen Schaden auf 1534 Thaler 6 Groschen. Nebenbei scheint er auch Uhrmacher gewesen zu sein und Handel mit Goldwaaren getrieben zu haben; denn neben Uhren führt er Uhrmacherwerkzeuge, Mikro skope, Loupen, goldene Ketten, Ringe, Henkelducaten, silberne Löffel, Zuckerschalen, Tabaksdosen und dergleichen auf. Be sonder- sind auch erwähnt eine Stainer'sche Bratsche für fünf Thaler und eine Hofmann'sche Violine, mit Fleiß verbessert, für 15 Thaler. Nach den noch vorhandenen Specificationen — es sind deren 35 — und Stötteritz zählte zur Zeit der Völkerschlacht 145 Häuser, beziffert sich der durch die Schlacht in diesen 35 Haus haltungen angerichtete Schaden auf nahezu 14000 Thaler. Ob die Beschädigten eine Entschädigung er halten haben, davon ist nichts bekannt. Am Morgen des 19. October verließen die Franzosen Stötteritz. Die Straße durch den Ort war mit tobten Menschen und Pferden bedeckt; auf der Flucht noch stürzten Menschen und Zugthiere totzt nieder, so daß die Leichen haufenweise anzutreffen waren. Ueber den furcht baren Kampf, der in Stötteritz tobte, berichtet ein Augenzeuge Folgendes: „Einen gräßlichen Anblick habe ich noch in Stötteritz erlebt. Dort lagen und standen in Stötteritz, Gesicht gegen Gesicht und Stirn wider Stirn, das Militär gegen seitig angespießt, so wllthend hatten sie sich angegriffen und an gefallen. — Nie auf meinem ganzen Feldzuge und in allen den gräßlichen Schlachten, wo ich habe mit dabei sein müssen, ist mir das nicht in der Art und so schauerlich vorgekommen, und nirgends so etwas zu sehen gewesen. In den Thürcn hotten sic sich dergestalt widereinander gekehrt und gegenseitig aufgespießt gelegen, und mit Gewalt hatte man ihre erstarrten Leiber aus einander ziehen müssen, als man Raum machte, um sie zu be graben." Während der Schlacht brannten in Stötteritz drei zehn Häuser nieder, einige vierzig waren so verwüstet, daß sie nicht mehr bewohnt werden konnten. Aus der weiteren Geschichte des Ortes ist bis zum Jahre 1855 nichts Besonderes zu berichten; doch ein am 17. März 1855 in Stötteritz verübter Raubmord brachte den Ort in aller Leute Mund. Die Ermordete war die Tochter des berühmten Homöopathen Hahnemann, die Wittwe des Post- bekleidungs-Jnspectors Dellbrück. Allgemein galt die Ermordete als eine wohlhabende Frau, in ihrem Nach laß fanden sich aber nur 5000 Thaler vor. Von einem ver trauten und langjährigen Freunde der Todten ward aber nach gewiesen, daß sie mehr denn 15000 Thaler besessen habe. A l s Mörder ward ein gewisser Schiefer aus Stötteritz ermittelt, er ward dabei festgenommen, wie er in Dresden den Versuch machte, zwei Dritttheile der vermißten Staatspapiere der Ermordeten zu verkaufen. Noch vor Fällung des Urthcils erhängte er sich in seiner Untersuchungszelle. ES fehlte noch ein beträchtlicher Theil des Nachlasses der ermordeten Dellbrück. Der Verdacht, diesen widerrechtlich an sich gebracht zu haben, lenkte sich auf den damaligen Gerichtsdiener Beyer von Stötteritz. Im Laufe der Untersuchung gegen diesen wurde auch der Verdacht rege, daß er am 10. December 1837 einen gewissen Matthäus Schwaricke aus Volkmarsdorf und 1843 den Wucherer Meyer in Stötteritz ermordet habe. Ja, es verbreitete sich sogar das Gerücht, Beyer habe vor Jahren zwei sogenannte Leinwandmänner aus Schlesien in seinem Hause beherbergt, einer von den Beiden habe 500 Thaler bei sich geführt, und dieser sei spurlos verschwunden. Auch hieran sollte Beyer die Schuld tragen. Der vorgekommenen Mord- thaten wegen konnte Beyer nichts nachgewiesen werden, aber wegen Unterschlagung im Amte wurde er zu einer vierjährigen Gefängnißstrafe verurtheilt, die er in Zwickau verbüßte. Stötteritz, das sich vor fünfzig Jahren keines besonderen Rufes erfreute, kam durch dieses Vorkommniß in einen noch übleren Ruf. Daß es aber besser als sein Ruf sei, dieses war den besseren Leipziger Familien wohlbekannt, nicht allein, daß verschiedene derselben hier Landhäuser besaßen, sondern sie kamen auch in großen Schaaren nach Stötteritz heraus, um bei Georginen- oder Kuchen-Schulzen, dem Besitzer des Gasthofes „Zum Deutschen Haus", einige angenehme Stunden zu verleben. In dieser Zeit gehörte es in Leipzig zum guten Ton, ab und zu diesem Gasthause einen Besuch ab zustatten. An manchem Tage, besonders dann, wenn der große Garten in der Blüthenpracht der seltensten Georginen prangte, waren gegen hundert Privatgeschirre und ebensoviele Reiter keine Seltenheit bei Georginen-Schulze. Zum Gasthofe gehörte eine eigene Kuchenbäckerei, in der ein sehr wohlschmeckender Kuchen gebacken ward, den der speculante Wirth um billiges Geld durch ausnehmend schöne Verkäuferinnen an seine Gäst« verkaufen ließ. Schulze war ein äußerst aufmerksamer Wirth, besonders auf merksam War er gegen di« Damen, jeder ankommende und fort gehende Gast wurde von ihm begrüßt, und den Damen über reichte er, so lange sein wohlgepflegter Garten Blumen bot, persönlich beim Abschied ein Sträußchen. Im Winter war das „Deutsche Haus" zu Stötteritz der Zielpunkt vieler Schlitten partien, kam der Schnee zum Schmelzen, dann ließ Schulze den Schnee aus den Straßengraben auf die Fahrbahn der Straße werfen und zeigt« in hen Leipziger Zeitungen, wenn anderwärts die Schlittenbahn bereits zu Ende war, immer noch Schlittenbahn an. Durch sein originelles, freundliches, schlag fertiges und witziges Wesen zog Schulze einen großen Kreis Gäste an sich. Bis zum Jahr« 1871 bestand Stötteritz aus zwei Gemeinden, aus den Ortstheilen Stötteritz oberen und Stötteritz unteren T'heiles. Jeder Ortstheil hatte seine eigen« Gemeindevertretung und sein eigenes Schulwesen. Diese Trennung der wrrthschaftlich aufeinander angewiesenen Ge meinden war mit manchem Nachtheilc verknüpft und führt« des halb nach längeren Verhandlungen zur Verschmelzung beider Gemeinden. Dies geschah am 2. Januar 1871-, Bei der Ver schmelzung betrug die Einwohnerzahl 4208. Ein gemeinsames Band hatte die beiden Gemeinden, das Ivar die K i r ch e; Stötte ritz, obwohl von jeher größer denn Baalsdorf, war Filiale von Baalsdorf. Die Abtrennung erfolgte erst 1887, damit wurde Stötteritz selbstständige Parochic mit einem eigenen Pfarrer, dem setzt noch ein Hilfsgeistlicher zur Seite steht. Von den ehe maligen Schulgebäuden ist noch eins erhalten; es ist das jetzige Armenhaus; gegenwärtig besitzt Stötteritz zwei statt liche Schulgebäude, in denen 1655 Kinder von einem Director und 31 Lehrkräften unterrichtet werden. Bis Ostern 1899 war die Schule eine einfache Volksschule, zu diesem Zeitpuncte ward sie zu einer mittleren Volksschule mit erhöhten Zielen umge- waNdelt. Die Entwickelung von Stötteritz war bis zum Jahre 1890 eine ruhige und stetige, sie blieb aber zurück gegen die Entwickelung der Vororte von Leipzig, di« in annähernd gleicher Entfernung von der Stadt liegen. Als jedoch am 19. October 1887 die Immobilien-Gesellschaft zu Leipzig das Rittergut oberen Theiles käuflich erwarb und den Besitz des selben für Bauzweckc auffchloß, da begann für Stötteritz eine Periode der Entwickelung, di« heute noch lang« nicht zum Ab schluß gekommen ist. Di« rascher« Entwickelung seit jenem Zeit puncte kommt auch in dem Anwachsen derBevölke- rungsziffer zum Ausdruck. Stötteritz hatte 1700 : 811, 1800: 1402, 1834 : 2254, 1871: 4208, 1875 : 4684, 1880 : 4685, 1885 : 4983, 1890 : 5944, 1895 : 6617, 1900 aber 9067 Ein wohner. Die günstige finanzielle Entwickelung in den letzten zwanzig Jahren erkennt man aus der Gegenüberstellung der Ein- schätzungS-rgebnisse zur Einkommensteuer. Im Jahr« 1880 betrug daS Gesammteinkommen der Abgcschätztcn in Stötteritz 1 209 628 mit 7449,50 Einkommensteuer, 1890: 2 071 430 Mark mit 17122,13 1900: 3 980 300 mit 48 781,21 c«, 1901 aber 4 510 685 mit 57 754 c// Einkommensteuer. Seit dem 1. Januar 1894 besitzt Stötteritz eine Gemeinde- Spar c a s s c ; zu Ende 1900 betrugen die Activa 1035 652,02 Mark, die Passiva 982 338,59 -4/, der Reservefonds 53 313,43 Mark. Die Industrie hat sich besonders in den letzt«» zehn Jahren in Stötteritz in sehr vortheilhafter Weise entwickelt. Bis zu Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der 1765 eingeführt« Tabaksbau und die damit zusammen hängende Cigarrensabrikation fast die einzige hier einheimische Industrie. Zur Blüthezeit des Tabakbaues gab cin« Mittelernte circa 1000 Centned Tabak; als aber der Boden mehr und mehr abgebaut war, ging der Ertrag und auch die Güte des Stötteritzer Tabaks zurück. Die Verfeinerung des Geschmacks und die Ein fuhr ausländischer Tabake brachten diesen Industriezweig 1860 zum Erlöschen. Vor rund einhundert Jahren besaß Stötteritz eine Papier mühle, deren Gezeug durch eine holländische Windmühle, die nach der Erfindung des in Dresden verstorbenen Papiermüllers Schuchard erbaut worden tvar, getrieben wurde. Durch Feuer ging die eigenartig« Mühle und damit auch dieser Industrie zweig 1809 zu Grunde. Das Gasthaus „Zur Papiermühle" er innert auch an jenes Unternehmen; der zu der damaligen Papier mühle gehörig« Teich ist erst vor wenigen Jahren ausgefüllt worden. In der Neuzeit machten sich ander« Industriezweige heimisch; als Großbetriebe trifft man jetzt an: Eisengießerei kRud. Herrmann), Bierbrauerei (Gebr. Ulrich), Piano- fortefabrikation (Wilh. Schimm«! L Co.), Schuh- fabrikation (I. C. Burckhardt L Sohn), Dampf ziegelribetrieb von Julius Kornagel. Weit Lb«r die engeren Grenzen unseres Vaterlandes hinaus ist Stötteritz durch die Kaffee-Rösterei und Feigen-Kaffee-Fabrik von Hcrm. Schirmer Nachf., Inhaber Springer, bekannt ge worden. Außerdem sind noch zu erwähnen: Betriebe für Markart binderei, Roßhaarspinnerei, Maschinenfabriken und Schrift gießerei, Zinkornamenten und Metallwaarenfabrik, Handels gärtnereien u. s. w. Das Aufblühen der Gemeinde Stötteritz kommt auch in den Verkehrsziffern des Postvcrkehrs zum Ausdruck. Es kamen an Briefsendungen 1880 an: 45180 Stück; 1890 : 98 540; 1900 : 556 000; Packet« in den entsprechenden Jahren kamen an: 1170; 2856; 13120; 1900 gingen ab 328 978 Briefsendungen und 22 670 Packetsendungen; Postanweisungen kamen an 1880 : 72 mit 19 566 -F; 1890: 170 mit 49 940 1900: 15263 mit 1139 255 -ck/; abgesandt wurden 1011 Anweisungen mit 33 580 Mark; 2846 mit 136 772 1900 aber 10 990 mit 568 479 Die Zahl der ausgegebenen Depeschen betrug 1880: 86; 1900: 1389; di« der angekommenen 118 gegen 1575 im Jahre 1900. Bis zum Jahre 1889 — 1. April — besaß Stötteritz nur eine Postagentur, die zu diesem Zeitpuncte in ein Postamt dritter Class« umqewandelt ward. Ani 1. December 1891 erhielt Stötteritz Güterlodestelle, am 1. Mai 1893 erfolgte die Einführung oes Personenverkehrs. Stötteritz ist durch zwei Linien — Stötteritz-Leipzig-Gohlis und Stötteritz-Baye rischer Bahnhof-Schönefeld — der elektrischenStraßen- bahn mit der Stadt Leipzig und deren Vororten verbunden. Die Eröffnung der elektrischen Straßenbahn erfolgte am 13. Mai 1898. Stötteritz, das noch vor zwanzig Jahren ein beschauliches Stillleben führte, erwachte durch die Erwerbung des Rittergut«? Stötteutz oberen Theiles durch die Immobilien-Gesellschaft zu Leipzig auS diesem Zustande. Eine rege, gesunde Bauthätig- kcit entfaltete sich, Straßen von 18, 20 und 30 Metern Breit« wurden angelegt: alle sind Durchgangsstraßen oder wenigstens als solche projectirt. Einheitliche Bebauungspläne, die den Anforderungen einer gesunden Bauweise genügend Rech nung tragen, liegen der ferneren Bebauung zu Grunde. Für angenehme Unterbrechung der Häusermassen hat die Immobilien- Gesellschaft insofern gesorgt, als nach Bedarf Schmuckplätze eingefugt sind. Alle Straßen sind beschleust und zum größten Theile gepflastert; für gesundes Trinkwasser sorgt die Leipziger Wasserleitung. Die fernere Entwickelung von Stötteritz wird dadurch gefördert, daß die P l a tz p r e! s e verhältnißmäßig noch niedrige sind, weil hier in der Hauptsache nur ein Verkäufer auftritt und dadurch dem Platzwuchcr ein Riegel vorgeschoben ist. Es ist Thatsache, daß Bauplatz« innerhalb der Vier-Kilometer- linie, vom Leipziger Marktplatze aus gerechnet, pirgrnds billiger zu haben sind, als in Stötteritz. Für die weitere Entwickelung von Stötteritz sind also die günstigsten Vorbedingungen vorhanden; möge ei in Zukunft dem Orte nicht an umsichtigin Lootsen fehlen, damit an die blühend« Gegenwart dir Folgezeit sich glück- und segenbringend anschließe! Die rasche Entwickelung im letzten Jahrz<hnt nöthigte Vic Gemeindevertretung, für geeignet«, zeitgemäße Verwaltungs räume besorgt zu sein. Um diese zu beschaffen, verschritt man zum Bau eines Rgthhauses, wclcher Bau einen Kostenaufwand von circa 160 000 erforderte. Außer den Verwaltungsräumen enthält dieser stattliche Bau einige bessere Wohnungen und ein vornehm ausgcstattetcs Restaurant. David Hansemann. ii. Die Aachener Feuerversicherung war nicht die einzige Schöpfung Hansemaou'«. Neben Bankgründunzen beschäftigte ihn das Projekt der Rheinischen Eisenbahn und diesem Pro jekte widmete er einen Theil seine« Lebens. Bei seiner Ver folgung trat er auch Luvolf Campbausen, dem Cbef eines kleinen Kölner Bankhauses, näher, der später sein Ministercollege wurde. Hansemann war als Stell vertreter zum achten rheinischen Provinziallandtage gewählt worden und als vr. Monheim zurücktrat, wurde er am 13. Januar 1845 einberufen. War er, schreibt Bergengrün, durch seine ganze Vergangenheit bereit? zu einer unifaffen- den und sehr gründlichen Kenntniß aller öffentlichen An gelegenheiten gelangt, so bereitete er sich auf diesen Landtag noch besonder« durch Lectüre und Studien vor. Ein Ber- zeichniß seiner nach Coblenz mitgenommenen Bucker weist 125 Nummern auf und enthält neben mehreren encyclopädischen Werken und Gesetzsammlungen eine stattliche Reihe zeit genössischer politischer und nativnalökonomischer Brosckürcn. Die Zeit bis zur Eröffnung der Versammlung am 9. Februar benutzte er, um verschiedene Anträge vorzubereiten. Mehrere von Aachener und Burtscheider Bewohnern ihm für den Landtag mitgegebene Petitionen arbeitete er gleichfalls zu eigenen Jniativanträge» um oder unterstützte mit ihnen die Anträge anderer Abgeordnete». Hansemann'S Anträge, zum Tbeil von ausführlichen Motiven begleitet, umfaßten fast alle die Oeffentlickkeit damals bewegenden politischen Fragen. Sie bezogen sich auf daS Wahlrecht für die Provinzialstände und die Veröffentlichung ihrer Verhandlungen, die Confession der Kinder auS gemischten Eben, Judenemanzipation, Steuer reform, Berathung der Zollvereinsgesetze durch Delegirte ver deutschen Landtage, auch der preußischen Provinzialstände, Einberufung der 1815 verheißenen Reichsstände, Preßfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz. Erinnert man sich deS Um standes, daß die Provinzialstände in erster Linie die Aufgabe hatten, von der Negierung vorgelegte Fragen und Grsetz- emwürfe zu begutachten, und daß ihnen erst in zweiter Linie nebenher das Recht eingeräumt war, eigene Anträge in Form von Petitionen an die Krone zu bringen, so ist ersicht lich, daß dieses Verhältniß sich thatsächlick bereits umgekehrt batte. Denn die Vorlagen der Regierung waren unbedeutend an Zabl und Inhalt. Die Direktive hatte die Regierung schon längst verloren. Um so lächerlicher erschien und um so aufreizender wirkte daS Mißverhältniß zwischen der Bedeut samkeit einer Tagung, in welcher Gegenstände von solcher Tragweite verbandelt wurden, und der Geschäftsordnung, auf welche die Abgeordneten selbst keinen Einfluß hatten und die sie theils wie unverständige Kinder, theils wie unzuverlässige Subjekte behandelte. Wenn Hansemann eine Sache anfaßte, da faßte er sie mit der Zähigkeit eines geborenen Kaufmanns an. Bei seinem Fleiß und seiner Aufopferung konnte eS nicht auSbleiben, daß er sich immer mebr mit Politik beschäftigte und nach Auf gabe seines Wollgeschättes sich beinahe ganz mit dieser ehrbaren Dirne beschäftigte. Wir können hier natürlich nicht auf die politische Laufbahn Hansemann'S eingeben, das muß man in dem Buche nachlesen, dessen reichliche Hälfte davon bandelt. Nur Einiges wollen wir an- sühren. Am 29. März 1848 war Hansemann in daS neu gebildete Ministerium berufen worden. Camphausen übernahm das Präsidium, Hansemann die Finanzen, Schwerin, AucrSwald, Bornemann, Rehber blieben in ihren Aemtern. Das Ministerium wurde mit Begeisterung em pfangen und stürzte sich sofort in die Arbeit. Und es gab unendlich viel zu thun. Hansemann sollte die Finanzen re- formiren, das Bankwesen neu ordnen und er that, was er konnte, denn eine bedenkliche Krise bedrohte das GeschäftS- leben. Mitten in seiner Arbeit als Minister traf ibn ein harter Schlag. Er verlor den größten Tbeil seines Vermögens. Nack Aufgabe seines Geschäfts hatte er einen Tbeil seines GelveS in eine Eupener Wollfabrik gesteckt, die sein Sohn Adolf leitete, mit dem andern Tbeil war er dem Hause Stoltenboff als Commanditär beigetreten. Stoltenboff batte speculirt, die Firma ließ sich nicht halten und fallirte. Hansemanu ertrug den barten Schlag, der ihn bei angestrengter politischer Arbeit traf, mit Würde. So verging ein weiteres Jahr. Freilich batte in diesem Vierteljahr daS Ministerium Vieles gelernt. Es konnte doch nicht so, wie eS wollte; wie zu allen Zeiten machte die Hoicamerilla geheime Opposition. Aber auch die leitenden Persönlichkeiten saben vorerst ein, daß der Negierende von einem anderen Gesichtspunkte auSgeben muß, als der Parlamentarier, dem eS um die Volksgunst und seine Partei zu tbun ist. DaS erfuhr daS Ministerium Camp hausen, als der Antrag Stein zur Berathung stand. Bergen grün erzählt darüber: Am 31. Juli kam eS in Schweidnitz zu einem Zusammen stoß zwischen Militär und Bürgerwehr, bei dem vierzehn Bürgerwehrmänner daS Leben einbüßten und zweiuoddreißig verwundet wurden. Unzweifelhaft hatte das Militär voreilig und ohne genügende Veranlassung von der Waffe Gebrauch gemacht. Der beklagenSwertbe Vorfall wurde zuerst am 4. August in der Nationalversammlung durch den Minister präsidenten selbst zur Sprache gebracht, der eine strenge und unparteiische Untersuchung in Aussicht stellte. Am 9. August fand dann eine erregte Debatte über diese Angelegenheit statt, die mit dem Beschlüsse endete, eine parlamentarische Untrr- snchungScommission nach Schweidnitz zu senden und den KriegSminister aufzufordern, er möge in einem Erlasse die Osficiere vor reactionären Bestrebungen warne» und denjenigen Ossicieren, die eine aufrichtige Mitarbeit an der Verwirk lichung eine- konstitutionellen RechtSzustaudeS mit ihrer Urber- zeugung nicht vereinige» könnten, den Austritt au- der Armee zur Ehrenpflicht machen. Der ursprüngliche Antrag steller war der Abgeordnete Oberlehrer Stein au« BreSlau; der Beschluß über den Au-tritt reaktionär gesinnter Osficiere erfolgte auf einen Zusatzantrag de- Justizconimiffar- Schultz, Abgeordneten für Wanzleben, und wurde nur mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Gegen diesen letzten Theil deS Beschlusses prolestirten sofort 140 Abgeordnete mit der formell abgegebenen Erklärung, daß sie in ihm de» Versuch einer völlig unzulässigen GrwtfseuSerforschuug sehen müßten. Auch per übrige Inhalt der Beschlüsse vom 9. August er- weckte dßr Rechten schwerwiegeyde Bedenken, vor Alftm die, daß der von dem Krieg-Minister gefordert« Erlgß den mili tärischen Sondergcist erst recht Hervorrufen werde und am weuigsteo geeignet sei, eine constitutiopflli Gesinnung in der Armee heimisch zu mache». Di» groß« princjplell« Tragweite des Stein'schen Anträge- sch«i»t ihr »brr nicht zum Brwußt- sein gekommen zu sein. Der Antrag wurde angenommen. Am 7. September kam nun «in neuer Anjrgg Stein, der «S ijir die dringendste Pflicht der Regierung erklärte, den Beschluß vom 9, August qu-jnsetzen. Pen» Ministez-mm war die Schwere d»- Beschlusses fchSsi lange -uf- Herz gefallen und eS suchte nun dle Sache zu ändern. Die Minister sprachen gegen Ssein, auch Hansen,»»» »rhab sich, der trotz eines heftigen Unwohlseins und obgleich er eigentlich das Bett hüten mußte, in der Versammlung erschienen war, um die Maßlosigkeiten der Opposition zurückzuweisen. Er bestätigte seinen Vorrednern, daß die gegenwärtige Debatte die wichtigste der ganzen Session sei. „Ja, sie ist die wichtigste, eS kann au« dem Bischluss«, den Sie in Vieser Debatte fassen, das Wichtigste, da- Größte, das Ge fährlichste erfolgen." Körperlich leibend entschuldigte er sich, wenn er „nicht eine in logischer Form richtige Rede halte, sondern nur auS den gehörten Borträgen Einiges hcrauS- nehme und daran seine Bemerkungen knüpf«." Er hege die entgegengesetzten Ueberzeugungen wie Heer von Unruh unv andere Redner. Die Freiheit und Ehr« d«S Volke- und der Versammlung hängen nicht von der Durchführung der Beschlüsse von, v. August ab. Im Gegrntheil, wenn die Versammlung von dem Grundsätze ansgehe, daß Alle-, wa« sie beschließe — auch in Verwaltungs angelegenheiten — bis in- Detail hinein an-gefiihrl werden müsse, so werde dadurch die Freiheit gefährdet, ja vielleicht zu Grabe geführt. „Nichts ist gefährlicher als der Absolu tismus. Ob aber der Absolutismus in einer Person oder aber in einem Collegium sei, eS ist immer Absolutismus, wenn Niemand (anderes) mitzusprechen hat: denn darin be steht die Freiheit, daß zwei Gewalten miteinander gehr» und miteinander sich vergleichen müssen, um die Gesetze für das Land zur Ausführung zu bringen. Nicht darin bestehl die Freiheit, daß eine Versammlung ihren Willen ohne Weiteres über Alles setzen kann." Dann wandte er sich gegen die Begründung, welche Schultz-Wanzleben seinem Amendement gegeben hatte, daß der äußere Gehorsam der Osficiere nicht genüge, daß eS auch auf konstitutionelle Gesinnung ankomme. „Glauben Sie denn, meine Herren", fragte Hansemann, „daß Sie durch solche Erlasse die inneren Ueberzeugungen ändern können? Glauben Sie, daß derartige Erlasse der Bersammlung bei manchen Ossicieren ein Wohl behagen Hervorrufen werden?... Ich weiß nicht, woher der geebrte Abgeordnete die Meinung schöpft, daß ein von dieser Versammlung ausgehender Erlaß wie ein Glaubens artikel ausgenommen werde. Ich glaube nicht, daß dadurch Ueberzeugungen begründet werden. Haben wir denn von der Armee etwas anderes z» verlangen, al- daß sie ihre Pflicht thue, daß sie gehorche, daß sie keine Handlungen begehe, die gegen das Princip sind, welches jetzt aufgestellt ist?" An der Ver wirklichung des konstitutionellen RechtSzustandes mitzuarbeiten, sei nicht Aufgabe der Osficiere, sondern die Erfüllung ihrer militärischen Pflicht. Dann ging er auf die Borwürfe ein, mit denen das Ministerium wegen seiner Ungeschicktheit überschüttet werde. Nicht so ganz ungeschickt, auch nicht ganz unthätig müsse aber doch ein Ministerium gewesen sein, das trotz der schwierigen Zeitlage und trotz der besonderen Schwierigkeiten, welche ibm die Versammlung bereite, so Vieles geleistet habe. Die ErwerbSthätigkeit habe sich wieder gehoben, die wichtigsten Gesetze seien theils vorgelegt, theil« in Berathung genommen; die Verwaltung werde umzestaltet: die Ueber- zengung, daß das Ministerium etwas geleistet habe — man möge darüber lächeln, oder nicht — beruhige ihn über die Opfer, die er mit Uebernahme seines Amtes gebracht habe. Einen Fehler aber bekenne er: am S. August haben die Minister geschwiegen in der irrigen Voraussetzung, daß die Anträge Stein und Schultz «ine Majorität, auch ohne be sonderen Hinweis auf ihre verderblichen Folgen, nicht finden könnten. Dann kritisirte er den Inhalt der Beschlüsse dieses Tages und zeigte, daß daS Kriegsministerium im Wesent lichen denselben nackgekommen sei. Die Verwaltung aber nach den specielle» Vorschriften der Versammlung zu führen, möge ein künftiges Ministerium versuchen; daS gegenwärtige thue eS nicht. Mit steigender Erregung kam er auf den wiederholt vorgeschützten Ehrenpunct zurück. Die größte Ehre be stehe darin, das Wohl des Landes zu besorgen; nicht in dem eigensinnigen Festhalten an Detailvorschriften, eS möge daraus entstehen, was da wolle; er für seinen Theil gebe in solchen! Falle lieber etwas nach und glaube, daß auch die Versamm lung dem Lande so am besten dienen werde. Man fürchte durch Nachgiebigkeit sein Ansehen vor Deutschland, vor Europa zu schmälern. „Nun, meine Herren, ich habe noch nicht gehört, daß man sich schwächt, wenn man stark ist und sich mäßigt. Sich selbst mäßigen, dies ist die große Kunst nicht bloS einzelner Individuen, die im Glück sind; eS ist auch die große Aufgabe der gesetzgebenden Versammlungen, zumal der constituirenden Versammlungen, die sich, wie bereits angeführt worden, in einer ganz eigcuthümlichen, für alle Ver hältnisse viel gefährlicheren Stellung befinden als die Ver sammlungen nach wirklich eingeführtem konstitutionellen Regierungöwesen. Und diese Mäßigung sollte Ihnen zur Unehre gereichen? Nein, ich will Ihnen etwas anderes sagen »nd daS iss meine innige Ueberzeugung: Preußen wird nicht steigen in der Achtung von Europa, nicht steigen in der Achtung von Deutschland, wenn Sie um einer solchen Kleinig keit (willen), so nenne ich eS, «inen Conflict hcrbeiführen." Er stieß daS Wort „Kleinigkeit" mit leidenschaftlicher Heftig keit hervor. Die Hand voll Zorn gegen die Linke geballt, rief er dieser zum Schluß zu: „Niemals werden Sie auf die vorgeschlagene Weise die Achtung Europas gewinnen; nein, ich sage Ihnen geradezu: Europa, Deutschland wird einen Beschluß, wie Sie ihn von dieser Seite her (der Linken) fassen wollen, nicht für weise halten; Sie werden dadurch die Regierung deS Landes, in welchen Händen sie auch sei, schwächen und in dieser Schwächung der Regierung wird Preußens Einfluß fallen, wird Preußens Stern möglicher Weise sinken." (Bravo von der Rechten, Zischen von der Linken.) Diese Rede war der Schwaneogesaug des Ministeriums Campbausen. E« dankte ab. Hansemann'S Kraft wollte man sich gern erhalten, man machte ihn zum Ches der Preußischen Bank. Zweieinhalb Jahr hat er in dieser damals doroeuvollen Stellung au-gebalten, bis er da- Opfer der Jutriguen wurde; als sechzigjähriger Mann übernahm er die Leitung der von ihn» gegründeten DiScontogesellfchast. Nach und nach machte sich bei ihm das Alter auch bemerkbar. Er konnte keinen rechten Ersatzmann finden und da er sein Werk nicht untergehen lassen wollte, berief er seinen Sohu Adolf zur Leitung der Gesrllschast, der sie beute noch bat und dem sie ihre eigentlich« Größe verdankt. Einige Jahre war Karl Matthey Prokurist des Mblerllllker, Mu8tsrtL8vLvK, Itzlll8tsrwappsn, Mo8torswl8 snspittuml öpsielsssigs fLtmksle. krel8v dllUxst. kxva-^nfsi'vgung u. kspLfklllwvn f. ä. MteiÄein, Xossor- unä böclsrvanrvnkLdrik, jtz Lawstrassv L.
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