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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-09
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Ämlsvkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«.Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reclamra unter dem Redactton-strtch (4 gespalten) 7S vor den Familiennach» richten (S gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannohme LS H (excl. Porto). Ertra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Jinnahmeschlnß für Änzeigen: Abend-SluSgabe: Vormittag- lO Uhr. Morgen»AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» j» eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Trink und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 628. Montag den 9. December 1901. 85. Jahrgang. Zankt Jakob, der erste ctirvcrlctbte Vorort Leipzigs. Heber die ehemalige Leipziger Jakobskirche vor dem Rem städter Thor und die dazu gehörige kleine Jakobsparochie ist schon mancherlei geschrieben worden; aber das wenige Richtige davon ist sehr unzulänglich. Die nachfolgende Darstellung be ruht durchweg auf urkundlichem, zum guten Thcil auf bisher un bekanntem urkundlichem Material. Die Jakobskirche war eine Gründung des Erfurter Schotten klosters. Die Erfurter Schottenmönche beteiligten sich an der Christianisirung des den Slawen wieder abgenommenen Landes und gründeten u. a. an der über Erfurt nach dem Osten führen den Straße dicht vor Leipzig eine Colonie. Wann das ge schehen ist, läßt sich nicht sagen; auf keinen Fall vor der Mitte des 11. Jahrhunderts, denn das Erfurter Schottenkloster wurde selbst erst 1036 gegründet. Damit ist zugleich die Dermuthung abgethan, daß die Kirche zu Leipzig, die Bischof Thietmar von Merseburg in seiner Chronik unter dem Jahre 1017 erwähnt, die Jakobskirche gewesen sein könne. Die Ansiedelung bildete eine selbständige kleine Gemeinde, die mit Leipzig nicht zusammcnhing, sondern gelegentlich mit der mächtigen Nachbarin sogar in Streit gerieth. Es hatten sich in der Gemeinde drei Handwerker niedergelassen, Vertreter der beiden wichtigsten Gewerbe, die es gab, derer, die für Kleidung und Nahrung sorgten: zwei Wollenweber (Tuchmacher) und ein Bäcker. Das wollten die Leipziger nicht leiden. Handwerke durften nur von Bürgern ausgeübt werden, die innerhalb der Ringmauer wohnten. Nach längerem Streit zwischen dem Abt des Erfurter Schottenklosters und der Leipziger Bürgerschaft kam es aber doch 1288 durch Vermittelung des Thomasklosters zu einem Vergleich, worin den drei Handwerkern zugestanden wurde, ihr Gewerbe ebenso auszuüben, wie die innerhalb der Stadt wohnenden Handwerker; auch sollten sic ohne Abgabe kaufen und verkaufen dürfen, wie die Leipziger. Jahrhunderte lang blieb die Jakobsparochie von dem Er furter Schottenkloster abhängig. Die Pfarrer, die angestellt wurden, mußten dem Abt in Erfurt geloben, ihm gehorsam zu sein, di« Gebäude der Parochie in gutem baulichem Zustande zu kalten (prui-oekinm rwckjüeiis et strueturis amenckurs) und di« Gemeinde nicht zu beschweren, sondern auf jede We.se zu fördernd Im Jahre 1483 klagte nun der Abt bei dem herzog lichen Amtmann in Leipzig, daß der Leipziger Rath den Pfarrer .„in fein Gericht gehalten (gefallen?) und seine Leute ungehorsam gemacht haben" sollte. Wohl infolge dieses Zwistes, aus dem hervorgeht, daß die kleine Gemeinde unmittelbar neben der großen Stadt auf die Dauer «in Unding war, reifte bei dem Erfurter Schottenkloster der Entschluß, sich der Leipziger Jakobsparochie ganz zu entledigen. Das Kloster selbst war in bedenklicher Weise in den baulichen Zustand gerathen, dessen Ver hütung es seinem Caplan zu St. Jakob bei Leipzig stets zur Pflicht machte, und da cs ihm an Mitteln zum Bauen fehlte, so verkaufte der Abt am 17. März 1484 mit Zustimmung des Bischofs von Merseburg und des Generalcapitels der Schotten klöster alle seine Rechte auf die Leipziger Jakobsparochie an den Rath der Stadt Leipzig. Zum 18. März wurden der Pfarrer, der Küster und sämmtliche Besitzer und Besitzerinnen der zur Parochie gehörigen Häuser auf das Rathhaus beschicken, und hier entließ sie der Abgesandt« des Erfurter Klosters feierlich vor versammeltem Rath ihrer geleisteten Eide. In Zukunft sollte der Rath die Pfarre besetzen. Vom Jahre 1485 an kamen nun alljährlich am Sonntag Quasimodogeniti einige Rathsherren mit dem Stadtschrciber in die Jakobsparochie, um in Gegenwart des Pfarrers und der ver sammelten „Nachbarn" den beiden Kirchvätern die Jahrcsrcch- nung abzunchmen. Dann wurden die Kirchväter aufs neue be stätigt und der neue Richter ernannt. Das Richteramt ging vei den Nachbarn reihum; kam es an eine Witwe, so wurde ein Stellvertreter bestimmt. Der Richter hatte aber nur „über ge ringe Sachen, als Scheltwort und andre kleine Sachen" zu richten; begab sich etwas, „das die Obergerichte belangte und peinlich strafwürdig war", hatte er dem Rath Anzeige zu machen. Außerdem hatte er noch darauf zu achten, daß die Feuermauern in gutem Stande wären, und daß niemand in der Nachbarschaft ..lose Leute" oder „ungäbc Leute" halte, er hatte also auch die P-lizeigewalt. 1488 einigte sich noch der Rath mit dem da maligen Pfarrer über die Lehnsreichung. Bisher hatte der Pfarrer die Lehen in der Parochie vergeben; von nun an sollten die Abgesandten des Raths, wenn sie die Rechnung der Kirch väter prüften, in Gegenwart des Pfarrers die Lehen thun; doch sollte der gegenwärtige Pfarrer, so lange ec lebe, noch die „Lehnware" erhalten. Wo lag aber nun eigentlich die Parochie, unv wie groß war sie? Nach dem Kaufvertrag umfaßte sie außer dec Kirche unv den zugehörigen Gebäuden fünfzehn Höfe; die Besitzer werden alle mit Namen genannt. Der Platz der Kirche läßt sich nicht mit völliger Sicherheit nachweisen. So ofl sie auch urkundlich erwähnt wird, und so oft auch bei der Ortsangabe anderer Ge bäude auf die Kirche Bezug genommen wird, kann man doch nur so viel sagen, daß die Ansiedelung die linke Seite — nur die linke! — des heutigen Remstädter Steinwegs bildete, von der Pleiße bis an den Elsrermühlgraben, und daß die Kirche nicht vorn am Anfang, sondern hinten am Ende dieser Häuserreihe gestanden hat. Das geht schon aus cincr Entscheidung hervor, die 1239 der Bischof von Merseburg über einen Streit traf, der Jahre lang zwischen dem Thomaskloster und der Jakobsparochie geführt worden war, nämlich über die Parochialgrenzen. In dieser Entscheidung heißt es, zur Parochie sollten gehören — wie sich von selbst verstand — die Höfe zwischen der Ostseite des Jakobslirchhofs und der Stadt Leipzig (ourisv srve ursao, inter orientalem partem cimeterii et oppickum luprlc sunt sitae). Diese Häuserreihe hieß die Schottengasse (platea 8eottoruna), später auch die Jakobsgasse. Die rechte Seite des heutigen Ran- städter Steinweges, der sogenannte Mühlgraben, hatte nichts mit der Jakobsparochie zu thün, ebenso wenig anfangs das hinter der Schottenaafse gelegene Naundörfchen. Schottengasse, Mühl graben und Naundörfchen waren — so dickt sie auch beieinander lagen — drei getrennte Gemeinden. Erst 1492 erscheinen bei der jährlichen Rcchnungsablegung statt der „ganzen Nachbarschaft", die in frühcrn Jahren immer genannt wird, die „beiden Nach barschaften", nämlich die am Steinwege (an der allen Schotten gaffe) und die im Naundörfchen. Das Naundörfchen hatte sich also jetzt der Jakobsparochie angeschloffen. Es bildete aber noch weiter eine selbständige politische Gemriudr und behielt seinen eignen Richter. Daher hatte der Rath von nun an alljährlich zwei neue Richter zu bestätigen. Der Jakobskirchhof aber mit Kirche, Pfarre und Schule lag am Ende der Schottengaffe am Elster- mühlgrabkn. In der ältesten Leipziger Weichbildbeziehuna, die sich erhalten hat (aus dem Ende des 16. Jahrhunderts), beißt cs, die Kirche habe gestanden, „da itzo Paul Lauen, Fleischers, und seines Nachbarn Haus stehet". Leider läßt sich auch nicht nachweisen, wo Laues Haus gestanden hat. Daß aber der Kirchhof am Elstermühlgraben lag, darüber kann kein Zweifel sein. Schon 1384 wird bei einem Streit zwischen dem Barfuß müller und dem Angermüller unter anderm die Entscheidung ge troffen daß ,.dcr Fachbaum der Fluthrinne bei St. Jakose" dem der Angermühle gleich liegen solle. 1519 muß die Gemeinde dem Zimmermann 11 Schock zahlen „vom Ufer zu fassen". 1526 gestattet der Rath einem Bürger, eine Backstätte zu errichten „bei S. Jakoff jcnseit dem Durchstich", und noch 1539 schenkt der Rath dem Kirchspiel Pfähle und eichene Bretter „zur Besserung des Ufers am Kirchhofe, der am Wasser liegt". Nach der Einführung der Reformation in Leipzig (Pfingsten 1539) wurde, wie andere Kirchen, auch die Jakobskirche bald ge schloffen. Sie hatte auch in den paar Jahrzehnten, seit sie an die Stadt gekommen war, ein kümmerliches Dasein geführt. Ihre geringen Einkünfte wurden zum größten Theil erbettelt; sic betrugen anfangs gegen 20 Schock Groschen im Jahre, nahmen aber immer mehr ab und reichten schließlich kaum noch aus, dem Pfarrer seinen dürftigen Sold zu bezahlen. 1518 schenkte einmal der Rath der Nachbarschaft zehn lederne Feuereimer unter der Bedingung, daß sie selbst jedes Jahr zwei dazu kaufic. Das erste Jahr thaten sic es auch, aber daun nie wieder; der Richter versicherte, sie wären nicht dazu zu bewcgcn. Infolge dessen wurde es immer schwieriger, die Kirchväter bei ihrem Amte zu halten. 1525 klagte der Pfarrer geradezu: „Es will niemand mehr Kirchvater sein, denn die Kirche habe kein Einkommen, so werde ihnen auch so wenig gegeben, daß sie die Kirche damit nit erhalten können, denn sie haben allbereit zu Enthalt derselben aufgcborgt, das sie nit bezahlen mögen." Einen Beweis in Zahlen für die Kleinheit der Parochie kann folgendes geben. Als 1534 in der Osterzeit die Communi- canten in Leipzig gezählt wurden, um festzustellen, wer noch zur alten Lehre holte und das Abendmahl unter cincr Ge stalt nehme, und wer nicht, ergab die Zählung an der Nicolai- kirche 3120, an der Thomaskirche 3600, an der Jakobskirche 250 Communicanten. Daher baten die beiden Nachbarschaften (die am Steinwege und die im Naundörfchen) 1532 den Rath, er möge doch die Nachbarn auf dem Mühlgraben und auf „S. Georgs Gaffe" mit zur Parochie schlagen. Das geschah auch, aber erst kurz vor Einführung der Reformation. Am 16. März 1538 verkaufte das Thomaskloster seinen Fischzoll, den es seit Jahrhunderten von der Leipziger Fischerinnung und von den auswärtigen Fischern, die ihre Waare nach Leipzig zu Markte brachten, erhoben hatte, an dcn Rath. Dabei wurde die Be stimmung getroffen, daß das Georgenhospital sammt den ihm gegenüber liegenden Häusern (v. h. die oben erwähnte „Georgs- gasse"). ferner die S> Jakob gegenüber wohnenden Fischer (d. h. die Leute auf dem Mühlgraben), endlich die Leute auf der Altenburg (der heutigen Lorhingstvaße), Vie sämmtlich bisher theils zu S. Thomas, theils zu S. Johannes cingepfarrt ge wesen waren, „forthin zu ewiger Zeit" in S. Jakobs Pfarre cingepfarrt sein und bleiben sollten, weil die bisherige Einrich tung „den armen Leuten hochbeschwcrlich" gewesen sei, „sonder lich Winters Zeit und so bei Nach:, da die Thore beschlossen, man der Kinder Tauf und anderer hochwürdigen Sacrament benöthiget". Und so erscheinen denn im Jahre 1539 bei der Abnahme der Kirchrechnung zum ersten mal anstatt der bis herigen zwei Gemeinden deren fünf: der Stcinweg, das Naun dörfchen, der Mühlgraben, die HUtergaffe (die hier an Stelle der Gcorgsgaffe genannt wird) und die Altenburg. Von nun an sorgt« der Rath auch für die jährliche Besetzung der Richierstelle am Mühlgraben. Einiges war ja immerhin unter dem Regiment des Raths für Ki'che und Pfarre geschehen. 1507 scheint einmal die Kirche erneuert worden zu sein, denn dec Rath beschließt in diesem Jahre, sein Wappen am Gewölbe der Kirche anbringen zu lassen. 1514 kaufen die Kirchväter ein Haus „auf S. Jakobs Kirchhof", um es abzubrechen und das Pfarrhaus zu ver größern. Doch unterblieb das Vorhaben. 1534 klagen die Nachbarn über Baufälligkeit der Pfarre und der Schule und bitten den Rath, ihnen mit Steinen und andern: zum Bauen Röthigen behilflich zu sein. Endlich nach Einführung der Reformation, im Jahre 1541, ließ der Rath ein neues, größeres Pfarrhaus hauen; die Zimmerarbeit daran lieferte Hans Rosen hain, »er Bürgermeister von Lr.usigk, für 120 Gulden. Es wurde sogar für zwei Geistliche eingerichtet, für den Pfarrer und einen Caplan. Aber sie sollten sich der Wohlthat des neuen Pfarrhauses nicht lange erfreuen. Der letzte Pfarrer, der 1538 angestellt worden war, war Mg. Georg Lissenus. Ihm war im April 1539 ein Caplan beigegcben worden, der zunächst im Georgenhospital beköstigt wurde. Im Juli 1543 aber wurde die Jakobsparochie aufgehoben — die „Ewigkeit" von 1538 hatte also gerade fünf Jahre gedauert —, alle, die bisher zur Parochie gehört hatten, wurden zur Thomasparochie geschlagen, ihr Begräbniß, das sie bisher auf dem Jakobskirchhof gehabt hatten, sollten sie in Zukunft zu C. Johannes haben. Mg. Lissenus mußte sein Amt niederlegeu und wurde ans Georgen hospital versetzt, „den armen Leuten das Evangelium mit der Auslegung zu predigen". Er bekam im Hospital Wohnung und vierteljährlich 15 Gulden Gehalt, auch behielt sich der Rath vor, ihn weiter zu verwenden. Die Schule verkaufte der Rath für 100 Gulden an den Bäcker Erhärt Junge, das neue Pfarr haus kaufte im August 1544 im Auftrage der Wittwe Sixtus Oclbafes für 800 Gulden Hieronvmus Lotter. Die Kirche wurde abgebrochen, das Baumaterial wahrscheinlich mit zum FestnngSban verwendet-« Als im April 1799 mit dem städtischen Lazareth am Rosenthal ein klinisches Universitätsinstitut verbunden wurde, mag irgend jemand das Bedürfnis) gefühlt baden, dem Lazareth einen vornehmeren Namen zu geben, und indem man sich daran erinnerte, daß in aller Zeit einmal in der Nähe eine Jakobs- kirch: gestanden habe, griff man zu Jakobshospital. Unter diesem Namen erscheint das Larareth zum ersten male im Leip ziger Adreßbuch für das Jahr 1800, und ebenso nun auch die Lazaretbkircke als St. Jakobskirche- Natürlich war das aber nur eine äußerliche Uebcrtragung des Namens; irgend welcher innere Zusammenhang zwischen der heutigen und der alten Jakobskirche besteht nicht. 0. 1)'. LünMake von 0. L). Beyer k Zohn. Tie uainenllich kunstgewerbliche "Arbeiten pflegende Firma Beper ch Sohn hat jetzt in ihrem Lbcrlicbtsaal eine Ausstellung von Scherrebcker Webereien und künstlerischer Handarbeiten veranstaltet. Was die Echerrebekrr Webereien so werthvoll und interessant macht, ist der Umstand, daß sie Blüthen einer zu neuem Leben erwachten Volkskunst sind. Producte eine- Jahrhunderte alten HaussleißcS, der, mit schlichtem Empfinden jur decorative Wirkungen gepaart, in einfacher Technik sich mannigfach bethätigl. Ein weiterer Vorzug der Scherrebcker Kunstwebschule ist da vorzügliche Material, das ihre Teppiche, aus reiner Schaf, wolle in einer eigenen Spinnerei gesponnen und ausschließlich mit unvertilgbarkn Pflanzenfarbcn gefärbt, so überaus dauerhaft macht, wie etwa die handgeknüpften alten Perserteppiche. Jede Herstellung durch Maschinen ist in Scherrebek ausgeschlossen. Die Teppiche werden aus dem uralten senkrechten Webstuhle, wie er auch in Skandinavien im 17. und 18. Jahrhundert noch allenthalben heimisch war, ohne jede mechanische Vorrichtung und ohne Webschiffchen hergeslellt. Eine möglichst groß« manuelle Geschick- lichkeit der Weberin — die Webereien werden bei den nordischen Völkern im Gegensatz zu dem Orient nur von weiblichen Händen ausgesührt — ist daher die erste Vorbedingung für da- Gelingen eines derartigen, von hervorragenden Künstlern entworfenen Stückes. Die Ausstellung, welche jetzt in der Kunsthalle von Beyer öd Sohn veranstaltet ist, enthält die Mehrzahl der bereits in Scherrebek aut- gesührten Webereien. Ubbebohde zeigt einen EykluS Bilder mit Darstellungen aus deutschen Märchen, Eckmann ist mit seinem be- kannten Schwanenteppich, sowie einen Hahnenteppich neueren Ur- wrungs und verschiedenen andereu Stücken vertreten. Christiansen zeigt u. A. einen koloristisch sehr feinen Wandbehang mit einem Reigen junger Mädchen in einer Frühling-- landschast, Mohrbn tter bietet verschiedene humorvolle Genrescenen, Thibaut stimmungsvolle Landschaften und Wi nkler-Wohler- Bauerutypen. Als ein Zeichen, wie daS künstlerische Empfinden nnd künstlerischer Geschmack immer weitere Kreise zieht, sind die kunstvollen Handarbeiten anzusehen, welche in Form von Stickereien, Klöppelarbeiten und dergleichen immer mehr Ausnahme finden, klüter den Verfertigern solcher Arbeiten, die theils zum täg lichen Gebrauch, theils als reiner dekorativer Schmuck gedacht sind, sind auch verschiedene Leipziger Künstler bez. Künstlerinnen vertreten. Neben Rent sch, der dies Gebiet zu seinen« Specialfach erwählt hat nnd kostbare in Seidenstickerei und Aufnäharbeit auSgeführte Decken, Waiidbchänge und Kiffen ausgestellt hat, ist Elsa Michael und H. Keilberg mit geschmackvollen Arbeiten gleichen Charakter- zu -nennen. Mit formschönen farbigen Seidenstickereien auf weißem Leinen, in Gestalt von Tischdecke«« und Läufern, hat sich der Münchner Pankok betheiligt, wahrend Lesker« München höchst geschmackvolle Klöppelarbeiteu (Kragen re.) bietet. Weiter sind noch zu erwähnen die ansprechenden Stücke von Behmer, Podlrysky, Funke und Just. Ernst Kiesling. Gerichtsverhandlungen. Königliches Schwurgericht. XXII. Sitzung. (s. Leipzig, 7. Teeembcr. In letzter Sitzung verhaudelic das Königliche Schwurgericht in der vierten Qücrrralsperiode gegen den Kürschner Orromar Heinrich Herrrich aus Niedertrebra bei Apolda wegen v o r s atz l i ch c r B r a n d sti f r u n g. Die Srrafsachc stand bereits für >den 26. November an, wurde aber damals abgcsctzt, tveil au« Antrag seines Vcrrheidigers, des Herrn Rechtsanwall Or. Leo, der Angeklagte «durch Herrn Gerichtsarzt Or. Thümmler auf seinen Geisteszustand untersucht werden, sollte. Nachdem dies in der Zwischenzeit gc schehen ist und ergeben hat, daff Hertrich zwar geistig minder- werthig ist, aber keincSivegö in willcnsunfreicm Zustand ge handelt har, hat sich Hcrlrich nunmehr wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Brandstiftung zu verautworren. Ter Gerichts hof bestand ans den Herren Landgcrichrsdircetor Or. Müller (als Vorsitzendem^, Landrichter i)r. Dnchcöne nnd Assessor l)r. Bernhardt (als Beisitzern). Die Anklage vertrat Herr Staatsanwalt Or. Kunze, die Vertheidigung des Angeklagten hatte Herr Rechtsanwalt Or. Leo übernommen. Als Ge- schwenvne fuugirteu die Herren Kaufmann Rocca--Leipzig, Bür gcrschuldirccior a. D. Pohout-Leipzig, Kaufmann Keil-Leipzig. Fabrikbesitzer Reiter Leipzig. Rittergutsbesitzer Händel-Saal Hausen, Fabrikbesitzer Or. Will-clmi-Lcipzig. Reudnitz. Kaut mann Barschdorf Leipzig, Lekonoinieiinpecror MiruS-Wahrcn. Kaufmann Hchdenrcich Leipzig, Kaufmann Wurhcnow-Leipzig, Kaufmann Brück-Leipzig nnd Rentier Schlimper-Grimma. Herrrich ist am I. März 1570 geboren, unbestraft, verheirarber Die „Waisenfrtlmde". Wcihnachisnovelle von Johannes Proelß. Nachdruck r.rdoUn. (Schluß.) Der Brief aber, dcn Frau Agathe vorgefunden hatte, Ivar aus Garmisch von ihrer Schwägerin Ida. Der Inhalt versetzte das Gemüth der ohnehin bewegten Frau in mächtig: Erregung. „Du Liebe!" schrieb die junge Malerin. „Was wirst Du zu der Neuigkeit sagen, die ich Dir noch heut: aus überquellen- bcir Herzen kundthun muß? Agathe, liebste Schwägerin, mir Schwester und Mutter zugleich, ich habe mich verlobt! Vielleicht hast Du Weitschauende das Glück schon kommen sehen, als Du nach Bruder Oswald's Abreise mit Karl die kurze Zeit hier warst?! Der junge Architekt Hans Hofen, der so oft bei Brauns verkehrte und sich wiederholt unseren damaligen Aus flügen anschloß, dieser Hans Hofen, her Euch so gut gefiel, ist mein Bräutigam! Und nun laß Dir erzählen, wie es zur Verlobung kam! Denke Dir: das herzige kleine Mävle, dessen Vater beim Abstieg von der Zugspitze verunglückte, und dessen Mutter diesem so bald ins Grab nachfolgen mußte, dir Waltmd Aeschcr, Vie Du am liebsten gleich nach dem ersten Sehen ckdoptirt hättest, wurde Veranlassung, daß Hans sich mir erklärte. Ich hatte durch mein tägliches angestrengtes Mal«n an meinem Bild und durch das gesellige Leben im Braun'schen Haus das arme, kleine Ding beinahe aus »dem Gedächtniß verloren, als ich heute Nachmittag, von Hans begleitet, nach Partenkirchen hincingmg, um mir dort beim Krämer etwas Terpentinöl für die Farben zu kaufen. Als wir bei dem Kirchhofe vorbei kamen, machte mir Hans d:n Vor schlag, einzutreten; die alten Gräber mit ihrem Blumen- und Baumschmuck und dem erhabenen Hintergrund des Gebirges müsse ich mir einmal ansohen! Als wir zum Grab: von Waltrud's Eltern kamen — Tu be suchtest cs damals mit mir, nachdem wir von dem ergreifenden Schicksal gehört hatten —, fanden wir die Kleine im Gebet vor dem Rosenstock knien, den Du vom Todtengräber auf das Grab pflanzen ließest. Ich erkannte sie gleich an den großen, dunklen Augrn, die so ernst und zaghaft aus dein jungen, zarten Gesicht hcvausschauen, über das jetzt die Thränen rannen. Unser Kommen hatte sie aufgestört. Ich tonnte mir nicht lotsen, gab Herrn Hofen ein Zeichen, er möchte allein weiter gehen und in einiger Entfernung auf mich warten, ging auf Waltrud zu, kniete neben ihr nieder und schloß die Schluchzende an mein Herz. Dann redete ich ihr beruhigend zu, sprach von der Seligkeit, die ihre Eltern im Himmel nun droben gemeinsam genössen, dies aber nicht in Ruhe könnten, wenn ihr Kino auf Erven nicht wieder fröhlich und munter würde, wie es doch früher daheim gewesen sei! Da schluchzte das Mädchen tief auf: „Ich will hinauf zu ihnen", stieß sie hervor. Dann sah sie mit einem Blick, der mir in di« Seele schnitt, mit einem Blick voll tiefster Sehnsucht, in dem sich zugleich heimliches Graue» aussprach, über die Gräber hin in die ferne Glctscherwelt des Gebirges; ein Schauer über lief sie und ihre Lippen bebten, als sie mir zuflüsterte: „Bald wird er kommen und holt mich auch!" Sie meinte den Geist des Gebirge-, der ihren zärtlich geliebten Vater dort oben im Eis« ans dem Leben gerafft, der ihr« Mutter dann von ihr wegg-holt batte, um sie zu dem Einsamen zu bringen. Ach, Agathe, als dies mir klar ward, !va empfand ich, wi: lliecht Du damals hattest mit der Erklärung, das liebe Kind müsse aus ihrer jetzigen Um gebung heraus und in eine andere Welt versetzt werden, wo die schreckliche Erinnerung an den Tod der Eltern verblassen kann!" Frau Agathe mußte das Lesen unterbrechen. Schwere Thränen trübten ihren Blick. Ihr tiefstes, geheimstes Empfindungslaben war im Aufruhr. Sie hatte vorhin an dem Eßtisch auf de: Veranda Platz genommen; jetzt erhob sie sich, schob eines der Verandafenster empor unv bog das Haupt in di: Abendtiihle hinaus. Die Wehmuth, die sic von dem Abendgange aufs Gütle, durch die Gärten voll Kinderlnst, mit heimgebracht batte, überwältigte sie. Was stürmte diesen Abend nicht Alles auf sie ein! Ida, die eben so heißentbehrte gute Kameradin in Freud und Leid des Hauswesens — bereits verlobt! Verlobt mit einem braven tüchtigen Mann, der ihr auch ungewöhnlich gefiel, der ihr sie aber rauben würde für immer! Ach, daß sie keine reine Freude haben tonnte über das große, hohe, reine Glück veL ihr so theurcn Mädchens! Schneller, als sie geahnt, er füllte sich das Geschick, dessen Herannahen sie gefühlt hatte. Und nun weckt: Jda's Brief gleichzeitig in ihr die Erinnerung an das stürmische Verlangen, dem armen verwaisten Lehrers kind, dessen rührende Schönheit ihr so ins Herz gegriffen, die Mutter zu ersetzen! Sie sah es im Geiste vor sich, wie cö mit einem gleichaltrigen flacksl-aarigen, sonnenbraunen Dorflind vor ihr durch die Wiesen gegangen war, die dunkle Lockenfülle zum Reit aufgesteckt, zierlich in jeder Bewegung, einen Strauß von weißen Blumen pflückend für das Grab ihrer Eltern. Nur weiße Blumen hatte das Kind gesucht — das war ihr ausgefallen! So hatte sie mit den Kindern das Gespräch angekuüpft, aus dem sie das traurige Schicksal der Eltern Waltrud's erfuhr. Der Vater, ein Lehrer aus einem Städtchen in Steiermark, war auf einer Erholungsreise beim Abstieg von dec Zugspitze zum Eibsee verunglückt. Die Mutter war auf die Nachricht mit dem einzigen Kinde hcrbeigeeilt. Als sie iin Gasthof am Eibsee ankam, fand sie de» Gatten nur noch als verstümmelte Leiche vor. Nach furchtbaren Tagen, in welchen das neunjährige Kind Entsetzliches mit der Mutter erlebte, deren Schmerzensaus brüche sich bis zur Raserei steigerten, verfiel die gemarterte Frau in ein hitziges Neroenfiever, aus dem sie der Tod bald erlöste. Eine mitleidige Wittfran in Partenkirchen, die ein Kind in gleichem Alter hatte, nahm sich der Verwaisten an, während das Partenkirchner Bürgermeistcramr vergeblich in der Heimath der Eltern nach Verwandten forschte, die bereit wären, das Reise geld zur Heimfahrt der Kleinen zu zahlen. Der Brust der sinnenden Fran entrang sich ein Seufzer. Sie hatte cs ja längst verwunden, daß ihr sonst so zartfühlender Mann ihrem Wunsche damals fast schroff entgegeugetcetcn war; aber es waren der Resignation schmerzliche Stünden vor- ausgegangen. Seitdem hatte sie eingcsehen, daß seine Ein würfe und Wünsche nicht unberechtigt gewesen waren. Was wußte man von der Familie des Lehrers Aescher und seiner Fran? Wie leicht tonnte das Kind nur Sorge und Kummer ins Hans bringe»! Und hatte Karl nicht Recht, sich einen männlichen Erbe» zur Wetterführung des blühenden Geschäft seiner Väter zu wünsche»? Sie wandte sich wieder dein Tische ;u, beruhigter. Die Svannnng auf das, was Ida noch weiter schrieb, gewann die Oberhand. Voll Eifers, mit der Lectüre zu End: zu kommen, noch ehe der Gatte eintrete» würde, nahm sic den letzten Bogen auf. „Während ich mit Waltrud sprach uns mich avmühtc, sie zu trösten", fuhr Iva in ihrer Beichte fort, „hatte ich nicht be achtet, daß mein Begleiter unS immer näher getreten war. Ai da,. Kind ibn bemerkte, wurde es wiever scheu; doch er Halle eine so sichere Art, es vertraulich zu machen, daß Waltruv sich von ihn: auf der anderen Seite ganz ruhig führen ließ, als wir sie nun in das Haus ihrer jetzigen Pflegemutter brachten. Das Erlebniß hatte uns Beide weich gemacht. Auf dem Rückweg nach Garmisch, den wir durch die Wiesen nahmen, sprach Hans dann ganz gerührt über mein warmes Gefühl für das fremde Kind; jetzt erst könne er sich Vörstetten, wie ich, die er bisher nur an der Staffelei ooer in gesellschaftlichem Verkehr beobachtet habe, einmal als Hausmütterchen sein werde'. Jetzt fühle er
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