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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190106222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19010622
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19010622
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-22
- Monat1901-06
- Jahr1901
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1901
- Autor
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10O Schwager wollte indessen nachsehen, ob einige Esel zu bekommen seien, falls die Tarnen zu reiten wünschten. Ich verabschiedete mich und eilte aus mein Bureau, Abends auf der Reunion trafen wir wieder zusammen. Ter große Kurhaussaal war bei meinem Eintritt schon sehr gefüllt. Herr Sokoss hatte mir neben sich einen Stuhl gesichert und wir konnten von unseren Plätzen aus den ganzen Raum bequem übersehen. Fräulein Wera in der neuen, sehr eleganten Toilette strahlte vor Vergnügen, Toch außer einer Anstandstour mit dein älteren Herrn Rheden tanzte sie nicht. Iwan dagegen sah finster und mürrisch vor sich hin und befand sich in ausnehmend schlechter Laune. Tie zwei Stunden flogen in gemüthlichem Geplauder rasch dahin. Im Allgemeinen wurde wenig getanzt, und zumerst schlecht. Am Meisten fesselte unsere Aufmerksam keit eine kleine Gesellschaft Amerikaner, unter diesen ins besondere ein junges Mädchen von siebzehn bis achtzehn Jahren, welches mit außerordentlicher Grazie jede Be wegung ausführte. Tas junge Mädchen, sehr geschmack voll, wenngleich ein wenig bizarr gekleidet, war die eigent liche Königin des Abends. Am hübschesten führten die Amerikaner die Francaise aus, wobei sie ein eigenes Caree bildeten, »fahrend gerade bei diesem Tanz die Deut schen noch weniger exzellirten, als bei allen anderen. Fortsetzung folgt. vermischte*. Wie vor 4ÜÜ Jahren junge Kaufleute aus gebildet wurden, zehen folgende Regeln aus jener Zeit, welche wir der Zeitschrift .Ried-rscchsen" (Jahrgang VI. Nr. 13) entnehmen: .Ist dir an aine Kundin was gelegen, so mache dich gesellig, sage daß sie schönlribla jeye und du Wohlgefallen an Jr findest, sie wild geblendet sain und kannst du aus oor- theilhasten Berkau» sicher sain. auch wenn die Wriber häßlich und narbig sind, thue ihnen Schon es priagt Nutz. Anderes. Ist dir an eine hübsche Kundin gelegen, so mache dich geü-llig, mache den Zeigefinger naß, greife w damit auf die Bake oder HalSkiauS, siche als hättest du ain Ungeziefer gefangen, werfe es auf die Erde und trette darauf, sie wir- dir danken sür den freiadschaftlichrn Dienst, dm du tr getan, brtnat dir Nutz An der-. Wenn di ain Raths Herr, oder oiner von der Geistlich keit etwa- »ach Ele oder Gewicht abkaufe: lhut, oder gar nach Mäßleiu, so laß alle Borrheilhastigkeiten weg, diese galante Herren Im» alles nachwiegen und messen und werden dich darob lob»n und sonderlich rren. Regu! I. Forst du auf Jarmark durch Heru Gauen oder Wald, nimm klain- Rad an dain Wagen, und hüte dich, daß du kaine Grur.druhr za^-: muß:, sonst ist dain Gewinn verloren. (Die Kaufleute mußten damals ihren mit Waarea bevackten Wa-„n nur kleine N er geben, damit die Wagen auf dm schlecht erhabenen Straßen nicht umwarsen. Kaufmannsgüter, welche den Boden des Fahrweges berührt hatten, gb-gen näv lich schon durch daS Berühren d-s Bodens allein in da- Eigmthum deS Grundbesitzers über.) Rrgul II. Hast du daiue Warr gut aus dm Ma.k grpracht, hite dich vor 2 Jbeln, fir Markdibb« und fir Megdelrin .... Regul III. Deine Gröschele und Pfmnige trage fleißig in dain Leibgurt und laß nicht merken, daß du ainen solchen haft, so du eine Brennsuppe kaufest, gebe nur «in 2 Pfennigstück zum AuSwechsrln, daß man käst» Gelt bei dir g'aubct. Guudiebe sind üb wall. Wirst du selbststendiger Krämer, so gehe alle Woche 2mal zur Messe und alle 14 Tage zur Peichte, aber nur in dain Sprengel, wo du alS ansentlicher Kaufherr wirst geert werden, und kain pvser Leumund brdrgt dir Schaden. Auch ein grines Käplein ist dir auzurathen. M Prosit!. Die Sitte des AnstoßenS beim Trinken ist ein eigmartiger Brauch, über dm gewiß schon Mancher nochge- dacht habm mag, ohne daß er sich eine befriedigende Antwort hätte gebm könnm. Jedenfalls ist er aus der Sitte, andern zuzutrinken, hervorgegangm. Diese nun scheint uralt zu sein; denn schon Propheten deS altm Testamentes, wie JeremiaS, er wählen die Sitte bei Trankopfern und redm von Trostbechern, di: bet Leichenschmäusm den Trauernden zugetrunken wurden. Die römischen Jünglinge brachten Trinkopfer ihren Bräuten und bei dm altgermanischen Trinkgelagen wanderte der Becher von Mund zu Mund, und Jeder trank auf die Gesundheit seiner Zechzenossen. Dieses Trinken nahm aber so gewaltige Ausdehn ungen an, daß ein f ärkischer Dichter aus der Zeit Chlodwig- berichtet man Halle sich glücklich preisen müssen, nach dem Ge lage noch zu leben. Das Trinken auf die Gesundheit artete im Lause der Zeil zum Wetttrinken aus, und dieses wurde zur all gemeinen Unsitte, namentlich in deutschen Landen. So verstehen wir auch die Forderung Karls deS Großen an die Grafen seines Reiches, daß sie, wenn sie zu Gericht saßen, nüchtern sein soll ten und die Frage der Päpste an di« deutschen Könige, wenn sie in Rom den Segen empfingen, ob sie mit Gottes Hilfe sich nüchtern halten wollten. Luther eiferte in strengen Worten gegen die Unsitte des deutschen Volkes, .noch eins zu trinken'. Der Weinschlauch ist ihm der Teufel seines Volkes. Kurfürst Fried rich der Weise er ieß eine Verordnung gegen das Zutrinken, das in der ersten Halste des 16. Jahrhunderts zu einem Laster geworden war, welches weder Maß noch Ziel kannte. Andere Fürsten folgten dem Beispiele des sächsischen Kurfürsten; der Erfolg trat aber nur allmählich ein Zu dem Zutrinken gesellte sich das Anstoßen, sobald die Trinkgefäße nicht mehr zum größ ten Theile aus klanglosen Stoffen, sondern allgemeiner auS HlaS hergestrllt wurden. DaS Geklirr war geeignet, die fröhliche Stimmung zu erhöhen, und so verbreitete sich die Sitte des AnstoßenS immer mehr. Johannistag. Sernct Johannis! horch, es rüsten Unsere Tobten, wie mir scheint, Sich zum Sommerfest, als wüßten Sie sich heut' mit uns vereint. Schauend, wie am thaugeküßten Grabe stumm die Liebe weint. Seht nur, wie in ernstem Schweigen, Toch zum Opfertod bereit. Sich der Rosen Häupter neigen, Tenn erfüllt ist ihre Zeit, Und sie sterben, uns zu zeigen, Taß auch wir dem Tod geweiht. Ja, sie lehren uns im Scheiden, Wie so kurz des Lebens Frist, Wie den letzten Tag bescheiden Alle Ihr erwarten müßt. Und was sie für Euch jetzt leiden, Einst auch Euer Schicksal ist. Toch uns tröstet der Gedanke: Ob der Leib auch muß vergeh'n. Wird befreit von irdscher Schranke, Unsre Seele aufersteh'n; Taß der Glaube nie uns wanke, Sorgt und hofft ein Wiedcrseh'n! Staub muß ja dem Staub sich einen. Und was irdisch war, zerstiebt. Toch wir schau'n, eh wir's vermeinen, Wieder einst, was wir geliebt, Wo es keine Leiden, keinen Bitt'ren Trennungsschmerz mehr giebt. Gusit Md v«l«q von Langer t Biuterlich dl Riesa. — Kür V« Redaktion verarttworüich: Hermann Schmidt dl Riesa. CrKhler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage znm „Riesaer Tageblatt". Rr. «i. Ein modernes Aschenbrödel. Bon M. Adelmi. Nachdruck verboten. Gern und häufig sprach ich in dem Hause Philipp Mäders vor. Er war ein älterer, für seine Verhältnisse sehr gebildeter Mann, ein kleiner Landwirth. Er besaß drunten in Oberweiler*) ein nettes Häuschen, woran ein wohlgepflegter kleiner Garten stieß. Weiter unten im Torf hatte er einige Aecker und ein Stück Weinberg von ganz vorzüglicher Sorte. Toneben bekleidete er noch ein kleines Amt mit großer Gewissenhaftigkeit und Treue. Er war überall beliebt und gern gesehen, selbst über die Kreise hinaus, denen er angehörte. Weniger war das von seiner Frau zu sagen. Sie galt allgemein für hochmüthig, zän kisch und sehr leidenschaftlich. Sie hatten vier reizende Kinder, zwei Knaben und zwei Mädchen. Außerdem war noch eine Tochter erster Ehe da, ein siebzehnjähriges Mäd chen, Charlotte. ' Charlotte war über alle Beschreibung hübsch. Sie war etwas über Mittelgröße, schlank, von trefflicher Haltung und sehr graziöser Bewegung. Von ihrem üppig gold blonden Mellenhaar stachen die tiefbraunen großen Augen wunderbar ab. Ihre Züge waren für ein Landmädchen auffallend fein und hätten einem Künstler zum Modell dienen können. Tabei war sie bescheiden und fleißig und wußte vielleicht kaum, wie hübsch sie war. Ter Vater hatte sie nach Mühlheim in Schule geschickt. Derselben ent wachsen, war sie ein Jahr in der französischen Schweiz gewesen, um die dortige Sprache zu lernen; doch nicht in einem Institut, wie so manche ihrer bevorzugten Mit schülerinnen, sondern in einer einfachen Bürgersfami lie, wo sie als Ersatz sich im Haushalt und bei der War tung der Kinder nützlich gemacht. Seit einem Jahre etwa war sie nun wieder zu Hause, unermüdlich emsig. Bei jeder Arbeit war sie die erste, sei's am Herd oder am Waschfaß — beim Flickkorb oder draußen im Garten und Feld. Charlotte war des Vaters Stolz und Liebling. In desto geringerer Gunst stand sie dafür bei der Mutter. War es, weil sie Stiefkind war, oder um jenes Vorzuges willen, den der Vater ihr erwies, ich habe es nie er- erfahren, Zeuge lieblos rauher Behandlung, hämisch ge- ringschätzend beleidigender Worte war ich häufig. Tas junge Mädchen klagte mir bisweilen ihr Leid. Sie hatte großes Zutrauen zu mir und ich bemühte mich redlich, sie zu trösten, auch hie und da, bei passender Gelegenheit, ein mahnendes Wort gegen die Mutter fal len zu lassen. Ter sonst so vortreffliche Vater stand ein wenig unter dem Pantoffel und vermochte nur wenig für seinen Liebling zu thun. Zudem war er stets viel fach beschäftigt und hatte nur wenig Zeit, sich um häusliche Angelegenheiten zu kümmern. In letzter Zeit hatte er angefangen, zu kränkeln. Charlotte, die ihn innig liebte, pflegte ihn mit zärtlicher Sorgfalt. Aber gegen den Tod ist kein Kräutlein gewachsen. Er starb unerwartet schnell und weinend umstanden Gattin und Kinder des allzu früh Geschiedenen Grab. ') Oberweiler liegt fünf Minuten unterhalb Badenweiler; während der Sa'ion von Fremden vielfach besucht den.n ein sttll-rer AusenihallS- ert erwünscht «st. Jetzt begann für Charlotte eine gar traurige Artz. Tie Stiefmutter ließ sie ihre Abhängigkeit bitter fühlen. Tas vorhandene Vermögen kam von ihr. Charlotten- verstorbene Mutter hatte nichts mit in die Ehe gebracht und Philipp Mäder kein eigenes Vermögen besessen. So viel das arme Kind auch hoffte und im Interesse der Ihrigen sich abplagte, nie erhielt es einen Tank, nie ein freundliches Wort. Tie kleinen Geschwister hielten es natürlich mit der Mutter. Weil diese die Stieftochter fortwährend schalt und schmähte, glaubten sie ein glei ches Recht zu haben; und ohne eigentlich von Herzen bös zu sein, wirkte doch das schlechte Beispiel nachtheittg ge nug auf ihre jungen Seelen. Bei ihren Kenntnissen und ihrem Fleiß hätte Char lotte überall ihr Brot gefunden. Die Leute wunderten sich auch, daß sie blieb und sich nicht lieber eine Sttlle suchte. Und sie wäre auch gern gegangen, nur zu gern! Aber nicht fort in die Fremde, in die ferne wette Wett! Nur wenn sich im Torfe oder in der nächsten Nähe etwas gefunden hätte. — Das hatte seinen besonderen Grund- Charlotte hatte einen Schatz, den hübschesten Burschen im ganzen Weilerthal, dem sie mit innigster Licke zugethan war. Tiefe Liebe war ihr Glück, ihr Trost. Aber auch über ihr hingen drohende Wolken. Joseph war nicht nur der hübscheste Bursch, er war zugleich der einzige Sohn des reichsten Bauern, und nimmermehr wollten die Ettern es zugeben, daß ihr Erbe ein so blutarmes Mädchen als Schwiegertochter ins Haus bringe. „Aber ich lasse nicht von Tir," hatte er ihr zu tausend Malen versichert. „Wir sind ja noch jung und Kinnen warten. Inzwischen kommt uns viüleicht ein glücklicher Zufall zu Hilfe." „Ich will sehen, ob ich nicht über den Sommer eine Stelle bei einer Herrschaft in Badenweiler finden kann," sagte Charlotte. „ES kommen so viele reiche und vor nehme Fremde, die gut bezahlen. Ich will dann recht sparen, damit ich es wenigstens zu etwas bringe." „Ja, Schatz, das wäre herrlich!" rief Joseph. „Wenn Tu nur eine keine Aussteuer zusamMenbrächtest. Wenns nur tausend Mark wären! — Ich glaube, dann würden die Eltern sich zufrieden geben." „Tausend Mark!" wiederholte das arme Kind in Ge danken, das war für sie eine schwer unerschwingliche Summe. — Aber schon mancher hat klein angesangen und es zu Großem gebracht. Vielleicht war auch ihr da- Glück hold — sie wollte es wenigstens versuchen. Ihr nächster Gang war zu mir, dem sie^ wie schon so oft, ihr liebevolles Herz ausschüttete und um Rath und Beistand bat. Ich versprach mein Mögliches zu thun, und sie vox- kommenden Falls warm zu empfehlen. Sie dankte mir innig und verließ mich mit froher Hoffnung. Es war gegen Ende Mai. Tie Saison hatte erst kurz begonnen, vom schöneren Wetter angelockt, waren ab« schon viele Fremde eingetroffen. In dem Hotel „Zur Stadt Karlsruhe" lvgirte eine russische Familie, deren Be^ kanntschaft ich im Kurgarten gemacht und eifrig fort gesetzt. Tas Haupt der Familie war Alexander Sokoss, ein reicher Pelzhändler aus Petersburg, ein Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, groß, breitschulterig, schwarz
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