Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190205086
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020508
- OAI-Identifier
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-08
- Monat1902-05
- Jahr1902
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .st 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 231. Donnerstag den 8. Mai 1902. 98. Jahrgang. Vie Larielle und die deutschen Gerichte. L. Seit der zweiten Hälfte des verflossenen Jahr» Hunderts kennen wir Cartellc. Die ersten bedeutenden waren: Das Salineucartcll, das Wcißblcch-Syndicat und das Schicncncartcll. Ucbcr die Entstehung des letzteren l18Et) wird eine höchst charakteristische Geschichte erzählt. Dasselbe soll nämlich im Vorzimmer des österreichischen Vcrkchrsministers geschloffen sein, wo die Directoren von Lchieuenfabriken zusammeutrafen, um auf eine erfolgte Ausschreibung ihre Preise abzuaeben und hierbei natürlich sich gegenseitig zu unterbieten. Dort kam ihnen der rettende Gedanke, daß cs doch geschetdter sei, wenn, statt den Nutzen auf das äußerste cinzuschränken und nur einem einziaen zu verschaffen, sic sich gegenseitig verständigten und stimmt» lich die Lieferung, jedes Werk zu dem seiner Größe ent» sprechenden Theile, zu einem angemessenen Preise über nähmen. — Daö Cartell besteht noch heute und der preu ßische Minister der öffentlichen Arbeiten hat wiederholt im Abgeordnetenhaus«: und auch sonst seine Anerkennung über dessen Wirksamkeit geäußert. Er meint, daß ohne das Cartell die Eisenbahnen ihre Materialien nicht zu so mäßigen und beständigen Preisen wie bisher sich hätten beschaffen können, sondern der Gefahr der steten Aus nutzung -er Conjnnctur zu Preistreibereien ausgesetzt sein würden. Ohne das Eartcll würde die Eisenbahnverwaltung auch nicht immer in -er Lage gewesen sein, ihre Bestellungen vollständig im Jnlande machen zu können. Tas Cartell besteht noch heute und hat sich inzwischen zu einem Syn - dieat entwickelt. Darunter versteht man solche Cartellc, welche eine ge meinsame Verkaufsstelle eingerichtet haben, die allein die Erzeugnisse verkauft und die eingehenden Aufträge an die zugehörigen Werke verthcilt. Diese Syudtcate haben Ein richtungen zum Besten der ihnen angehörigen (syndicirteu) Industrie getroffen, vor Allem Berluchsstationen, welche einschlägige neue Erfindungen prüfen oder auch selbst ver- anlafscn, neue Arbeitsmethoden untersuchen und Rohstoffe prüfen. Eine häufige Aufgabe besteht auch in einer eignen Art von Rcclame, welche nicht mehr wie bisher darauf ge richtet ist, eine einzelne Fabrik als besonders leistungs fähig anzupreisen, sondern lediglich darauf den Artikel überhaupt in den bethciligteu Kreisen bekannter zu machen und dadurch dessen Verbrauch im Allgemeinen zu heben. Wem sind z. B. nicht im letzten Jahre die großen Annoncen in mehreren Zeitschriften aufgefallen, welche den Nährwerth des Zuckers hervorheben! Sie sollen verhindern, daß, nachdem dessen Preis gestiegen, die Bevölkerung sich in -essen Verbrauche einschränkt. Die letzte Aufgabe der Cartellc wie der Syndicate ist die Bekämpfung der sich fernhaltcndcn Unternehmungen, der sogenannten Out siders. Die beliebte Methode ist: Ermittelung deren Kun den, Unterbietung selbst unter den eigenen Productions- kosten, um dann später, wenn man die Preise dictiren kann, den Verlust wieder einzuholen. Infolge -er ständigen Zunahme der Cartellc — ihre Zahl beträgt gegenwärtig in Deutschland 240 bis 250 — hat sich die öffentliche Meinung mehrfach mit ihnen be schäftigt. Besonders lebhaft vor 4 Jahren, als plötzlich die Petroleumprcise stiegen infolge der auf Monopolisirung des deutschen Pctrolcumhandels gerichteten Bestrebungen der von dem vielfachen Millionär Rockfeller gegründeten Standard-Oil-Company. Die monopolartige Beherr schung des Marktes ist der letzte Auswuchs des Cartells. In Amerika, wo es schon in zahlreichen Fällen dazu ge kommen ist, haben fast alle Staaten Gesetze gegen die Cartellc erlassen, um, wenn deren Wirkung eine gemein schädliche werde, ihren Satzungen die verbindliche Kraft zu entziehen. Aber die Gesetze sind völlig machtlos gewesen; die Cartellc haben sich dort sogar zu Trusts, d. h. der Ver schmelzung der Einzelunternehmungen in der Hand einer Gesellschaft, ausgebildet. Bei uns hat unlängst der Centralverband deutscher Kaufleute und Industrieller den Reichstag ersucht, das Cartellwesen gesetzlich zu regeln. Zugleich haben die Ab geordneten v. Heyl und Genossen, sowie ähnlich das Ten- trum beantragt, eine Reichsaufsicht über monopo listische Cartelle etnzuführen. Die Reichsregierung hat zunächst eine Enquete angeordnct, welche voraussichtlich erst nach Jahren zum Abschluß gebracht sein wird. Für den Maßstab der Beurtheilung wird die bisherige Stellung der Gerichte von grundlegender Bedeutung sein. Diese Ur- theile sind i« den letzten Jahren zahlreicher ergangen und gehen davon aus, daß die Cartelle nicht über einen Kamm zu schceren seien, sondern stets berücksichtigt werden müsse, ob sie gemeinschädlich wirken oder nicht. Drei oberste Gerichte sind mit der Einklagung von Geld- strafen gegen Cartellgenofsen, die sich entweder Production über das vereinbarte Maß hinaus hatten zu schulden kommen lassen, oder welche unter Umgehung der gemein samen Verkaufsstelle dircct an die Kunden verkauft, oder welche die vereinbarten Preise nicht innegehalten hatten, befaßt worden, nämlich das oberste Landesgericht für Bayern 1888, das OberlandcSgericht Dresden 1893 und mehrfach das Reichsgericht. Grundlegende Ausführungen über die Cartellfrage finden wir in dem Urthetl vom 4. Februar 1897. Es handelt sich um das Syndtcat der sächsischen Holzstoff-Fabrikanten, welches auf 2^4 Jahre abgeschlossen war. Dasselbe hatte 1893 eine gemeinsame Verkaufsstelle errichtet und durfte jedes Mitglied seine Erzeugnisse nur durch diese Stelle ver kaufen, nicht aber direct, bei Vermeidung von hoher Strafe für jede Zuwiderhandlung. Ein Mitglied hatte dessenun geachtet direct an Papierfabriken verkauft und wurden des halb die Strafen von ihm gefordert. Die erste Jnstanz wies die Klage ab, da der abgeschlossene Vertrag eine thetl- weise Aufhebung der gesetzlich eingeführten Gewerbefreihett bedeute. Die zweite Instanz erklärte diese Auffassung für irrig und vcrurtheilte das Mitglied zur Bezahlung der Strafe. Das Reichsgericht schloß sich der letztern Auffassung an. Es führte aus, daß ein Verstoß gegen die Gewerbefreihett nicht vorliegc, weder in persön licher, noch in allgemeiner Beziehung. Die Gc- wcrbefrciheit habe nicht die Bedeutung, daß iedweder freiwillige Pexztcht auf den Betzieü eise« Ge werbes unzulässig sei. Vielmehr habe das Reichsgericht wiederholt und übereinstimmend sich dahin ausgesprochen, daß z. B. die loyale Beschränkung durch Toncurrenzvcr. botc, wie sie bei Dienstverträgen in Handel und Industrie vielfach üblich sind, durchaus zulässig sei. Auch die Rücksicht auf die allgemeine Wohlfahrt, welche der Gesetz geber durch Einführung der Gewerbefreihett habe fördern wollen, rechtfertige nicht, Cartellc allgemein für gesetz widrig zu erklären. Wenn die Preise für eine Waare so tief sinken, daß der gedeihliche Betrieb des Gewerbes un möglich gemacht werde, so würbe eine auSbrechende Krisis der Volkswtrthschaft im Allgemeinen verderblich sein. Um einer solchen vorzubeugen, habe der Gesetzgeber schon öfter Schutzzölle eingeführt. Wenn in einem solchen Falle die Betheiligten sich zusammcnschlöfsen, um Preisunter- btetungeu zu verhindern, so könne das deshalb nicht gesetz- widrig sein. „Verträge der in Rede stehenden Art", so fährt das Reichsgericht fort, „können somit vom Stand- punct des durch die Gewerbefreihett geschützten allgemeinen Interesses aus nur dann beanstandet werden, wenn sich im einzelnen Falle aus besonderen Umständen Bedenken er geben, namentlich, wenn es ersichtlich aus die Herbeiführung eines thatfächlichen Monopols und der w u ch e r is ch e n Ausbeutung der Consumenten abgesehen ist oder diese Folgen doch durch die getroffenen Vereinbarungen und Einrichtungen thatsächlich herbeigeführt werden." Der Krieg in Südafrika. Die englische» Friede«sbeLi»g»«ge». Die Correspondenz „Nederland" schreibt: Man braucht heute nicht erst noch zu beweisen, daß in England nun Alles, selbst die Jingos, nach dem Frieden schmachten. Die ge- wattigen Kräfte des mächtigen Jnselreiches sind ja wohl noch lange nicht erschöpft, aber die unaufhörlichen Verluste an Leben und Gut, die wuchtigen Schläge, denen seine Politik und sein moralisches Prestige fortwährend ausge setzt sind, sind die Ursache, daß auch der wüthendfte Boeren- fresser mit gerecktem Halse nach dem Ende des rühmlosen Krieges ausspäht. Mit fieberhafter Spannung folgt man jedem Berichte und jedem Gerüchte über die sog. Friedens verhandlungen und kommt nicht einen Augenblick aus -er Angst, sie könnten erfolglos verlaufen. Diese Angst ist um so größer, als für England die trost loseste Aussicht besteht, den Krieg erfolgreich weiterzu führen. Fehlt auch das Geld noch nicht, so mangelt es doch bereits an Soldaten. Nach der „Army and Navy Gazette und der „United Service Gazette" fällt es, wie hoch auch die englische Regierung die Verstärkungen, die auf den Kriegsschauplatz gesendet werden sollen, angeben mag, von Tag zu Tag schwerer, die nöthigcn Mannschaften aufzu bringen, so daß die Forderungen an ihre Körperbeschaffen heit, ihre soldatischen Fähigkeiten und ihre KrtegStüchtig- kett immer niedriger gestellt werden müssen. Und trotzdem weist die Werbung stets schlechtere Resultate auf und zwar so, daß bereits im Jahre 1901 für das acttve Heer rund 4000 Mann weniger angeworben werden konnten, als er forderlich waren. Wenn man dann weiter hört, daß die Stärke des englischen Heeres in Südafrika von 230 000 auf 200 000 Mann reducirt werden soll, und gleichzeitig von den Truppen Kenntniß nimmt, die dahin unterwegs sind oder binnen Kurzem dorthin abgehen sollen, dann kann doch diese Verminderung der Heeresstärkc nur dem Um stande zugeschriebcn werden, daß es nicht möglich ist, die verschiedenen Truppentheile auf der or» ganifirten Stärke zu halten. Kein Wunder also, daß, wenn das Volk in seiner Gc- sammthett nach dem Frieden lechzt, auch die Regierung sich gedrängt fühlt, Wasser in den Wein ihrer extremen FriedcnSbedingnngen zu schütten. Den Boeren sollen die größtmöglichen Zugeständnisse gewährt werden, und wenn sie dazu gebracht werden könnten, die Waffen niederzu legen, dann sollten ihnen die günstigsten Bedingungen zu gestanden werben. Dieser Thatsache wird nicht einmal mehr von der englischen Jingoprefse widersprochen und sie braucht deshalb auch von Niemand mehr angezweifelt zu werden. Aber wo bleibt dann die grundsätzliche Forderung der bedingungslosen Unter werfung, wie sie so bestimmt von der Regierung in England und dem damaligen Oberbefehlshaber in Süd afrika, Lord Roberts, verkündet worden ist? DaS ist eine heikle Frage. Werden jetzt Bedingungen zugestanden, die man früher verweigert hat, so liegt der Schluß auf der Hand, daß der Widerstand der Boeren nicht fruchtlos ge wesen ist, und die Bebingitngen -um Frieden den Eng- ländern abgetrotzt worden sind. Der schlechte Eindruck, der darüber entstehen könnte, muß ausgeglichen werden, und die englische Regierungspresse mit den „Times" an der Spitze, gicbt sich nun alle Mühe, dem Volke auSzuredcn, -aß Großbritannien zu Conccsstonen ge zwungen worden sei. Mit einem „gelegentlichen" Correspondenten in Pretoria, der sich über die Zukunft der „neuen Südafrikanischen Republiken" vernehmen läßt, und einem Leitartikel mit einem Commentar darüber besorgen die „Time«" dieses undankbare Geschäft. Der „Torrespondent" schreibt u. A.: „Es ist nicht wahr scheinlich, daß wir loyale Holländer (gemeint sind natür lich loyale britische Unterthanen) durch eine Hungercur be kommen. Die Thatsache — ebensowenig zu leugnen, wie, daß wir im Jahre 19M leben — steht fest, daß von „be- dingungSloser Uebergabe" sprechen heißt: über eine Un möglichkeit debattiren." Aber der Zweck ist dabei nicht, wie man im ersten Mo ment meinen sollte, zu zeigen, baß England sich vergessen hat. als e» unzweideutig bedingungslose Uebergabe heischte. Nein, bedingungslose Uebergabe ist vor Allem deshalb un möglich, weil im Augenblick „keine Boerenrepubltken mehr bestehen, von denen man die Uebergabe fordern könnte." AlS Lord Salisbury seiner Zeit eine solche Uebergabe forderte, da gab e» noch Boerenrepubltken, jetzt aber „sind sie nur britische Colonien, die sich mehr oder minder im Ansrnhr befinden." Der „Korrespondent zu Pretoria" versteift sich daraus, -aß die Briten, „waS bas Volk nicht genügend erfaßt habe", bereits t-atsächsich „eine ganze Najtov gefqzlgen genommen^ getödtet oder verwundet haben." Das Leben einer Nation haben wir bei ihnen (den Boeren) ausgclöscht." Wenn dies -er Fall wäre, so könnte man allerdings nicht mehr von jenen Bedingungen der Uebergabe sprechen. Da mit tröstet sich das Blatt jetzt, wo cs, offictös informirt, wahrscheinlich erfahren hat, daß den Boeren-Ne gic- rungen in der That günsttgc Bedingungen, günstiger als zugegeben wird, angebotcn worben sind. Die „Times" suchen dann mit den bekannten Gemeinplätzen nachzuweisen, daß cs den Boeren selber nur erwünscht sein könne, sich willig den Engländern anzu schließen und gute britische Unterthanen zu werden, und geben zu, daß cs auch im Interesse der Briten gelegen sei, ihnen diesen Ucbergang so viel als möglich zu erleichtern. Darum dürfe man sich auch nicht der Gewährung von Ent schädigungen für die verbrannten Farmen, eines Ersatzes des Viehes und eines Rctriebcapitals an die Boeren, nm ein neues Leben beginnen zu können, widersetzen. Aber der Korrespondent geht noch weiter. Er berührt auch die so kiyltche Frage dcrVcrlethungderparla- mentarischen Regier nngsform an die Boeren. Man wird sich erinnern, daß Lord Salisbury in Aussicht gestellt und erklärt hat, daß Geschlechter über die Verwirklichung dieser Frage hingehcn können, un baß bei den vorjährigen Besprechungen zwischen Kitchener und Botha nur in sehr unbestimmten Ausdrücken von einer solchen Möglichkeit gesprochen worden ist. Unter Anderem wurde seiner Zeit auch von England schroff abgclehnt, einen Termin dafür zu bestimmen. Jetzt wird im Gegensatz dazu in den „Times" die Theorie verkündigt, daß eS nicht weise wäre, allzulange mit der Ein führung e i n c r S e l b str e g ie ru n g zu warten, und sic nennen selbst einen Zeitraum von fünf Jahren, wonach sic wenigstens äußerlich verliehen werden müßte. Dies Alles sieht -och gewiß darnach aus, als ob die Engländer entschlossen seien, sehr viel Wasser in ihren Wein zu thun. Dinge, wie die eben ins Werk gesetzte Angliederung eines Theiles von Transvaal an Natal, der „zufälliger Weise" die eben entdeckte Hauptader des in Be tracht kommenden Goldfeldes birgt, wären dieser fried fertigen und fricdcnShungcrtgen Stimmung gegenüber am Ende ungereimt, wenn sie sich nicht auf derselben Linie be wegten, wie die papicrne Anncctirnng der südafrikanischen Republiken. Was außer England heute schon fast Jedermann weiß, werden nächstens jedenfalls auch die Engländer unzwei deutig erfahren: wie weit sic ihre hochfahrenden und den Frieden direct gefährdenden Bedingungen herunterznscven haben, um auf ihre Annahme durch die Boeren rechnen zu können. Was die Boeren »erlangen, und angesichts der Kriegslage — die jüngsten Berichte aus der Capeolonie, speciell über die Belagerung von Cokicv, beweisen dies wieder auf das Stichhaltigste — auch verlangen können, stimmt noch lange nicht mit dem überein, von dem die Eng länder einen De Wct heute als „billig und cdclmuthig" sprechen lassen. * New Nork, 6. Mai. Die Boeren-Sympathieadresse des deutsch-amerikanischen Na t i 0 n a l b un des wurde mit einer Million Unterschriften dem Congreß eingereicht. Der Bundespräsident Hexamer warnte die Volksvertreter, diese Adresse dem Papierkorbe «inzuverleiben, weil sonst Alle, die die Adresse unterzeichnet hätten, bei der nächsten Wahl oppositionell stimmen und die Irländer sich ihnen anschließen würden. Trotzdem dürfte der Congreß keineswegs in gewünschter Weise auf diese Kund- gebung nagtren. (Berl. Tagebl.) Deutsches Reich. --- Berlin, 7. Mai. Die Hctzegegcndas Straß burger Goethedenkmal wird von dem Organ der Straßburger Netchstagsabgcvrdneteu Dels 0 r und Hauß fortgesetzt, obwohl sogar die klerikale „Köln. Volks zeitung" vor diesem Beginnen klugerweise eindringlich ge warnt hat. Bekämpfte das ultramontanc elsässische Blatt die Errichtung -es Goethe-Denkmals in Straßburg zu nächst deshalb, weil Goethe ein „großer Heide" gewesen, so setzt es sich jetzt sittlich auf das hohe Pferd und wendet gegen die Dcnkmalscrrichtung ein, daß Goethe der Friederike von Sescnhcim nicht die Treue gewahrt habe. Eine solche Strenge ist vom katholischen Standpunkte aus sicher- lich nicht geboten. Bon diesem Standpunctc aus ist ohne Zweifel die Ehrung eines Menschen durch ein Denkmal ge ringer als die Ehrung, die einem Menschen von Seiten der katholischen Kirche durch die Heiligsprechung zu Thetl wird. Unter den Heiligen der katholischen Kirche aber sind nicht wenige, die ein recht sündhaftes Leben führten, ehe sie ihren Tag von Damaskus hatten. Die katholische Kirche nahm keinen Anstand, auch solche durch ein sünd haftes Leben Hindurchgcgangene für heilig zu erklären, nachdem sie bereut. Fehlt cs nun etwa bei Goethe, in Be zug auf die Gestaltung seiner Beziehungen zu Friederike, an jener Reue, die auch in den Augen gläubiger Katholiken eine reinigende Kraft haben müßte? Zum Mindesten eine reinigende Kraft insoweit, daß Goethe der Ehrung durch ein Denkmal nicht für unwürdig erklärt würde? Hören wir, was ein politisch nicht voreingenommener Literar- Historiker, Richard M. Meyer, in seiner Goethe-Biographie hierüber sagt. Meyer wirft die Frage auf, weshalb Goethe Friederike nicht als Gattin nach seiner Vaterstadt heim geführt habe, in deren altbürgerlichcr Anschauung die PfarrerStochterjeder Patriziertochtcr gleichgegolten hätte. „Warum ängstigte Goethe", so schreibt Meyer, „nach seinen eigenen Worten, das leidenschaftliche Vcrhältniß zu Friederike«? Fürchtete er sein kaum wiedergcwonncncs Selbst wieder zu verlieren? Fürchtete er mit der Unbe ständigkeit, die er nun so oft schon an sich selbst erprobt hatte, sie zu verderben? ES war wohl von beiden Gefühlen etwas in jener unklaren, dumpfen Beängstigung, die ibn von ihr jagte. Er fühlte es als Schuld, als er sie verließ; wie von Furten gepeitscht, stürmte „der Wanderer" einher. Lange Zett hat daö schmerzliche Bild des schuldlos ver lassenen Mädchens ihn nicht wieder verlassen: Marie im W- Maxie tvs Llavtgo, Gretchen und Nausikaa, und auch Stella, die ihr Gatte in zielloser Unruhe verläßt — wie sie Denkmale der sanften Dulderin werden, werden sie auch Denkmale seines Schuldbewußtseins. Wer will es entscheiden, ob es zu seinem und zu ihrem Glück gewesen wäre, wen» sic verbunden geblieben wären? Berthold Auerbach hat es versucht, dieses Problem poetisch zu ent scheiden: sein Lorlc, das frische, entzückende Dorfkind, siecht in der Stadt an der Seite des genialen, stürmisch vorwärts dringenden Künstlers dahin und kehrt wieder zurück au, das Land. Jene Erfahrung Goethes läßt glauben, daß auch die Rose von Sesenheim verwelkt wäre. Aber es blieb doch seine Schuld, daß er sie so viel hatte hoffen lassen, daß er ungestüm ihr ganzes Herz erobert hatte, ohne ihr sein ganzes Herz geben zu können. Er hat si ch an g e - k l a g t, e r h a t s i ch st rc n g g e r i ch te t. Wemkäme es da noch zu, pharisäisch sich über den, großen Treulosen zu entsetzen?" * Berlin, 7. Mai. (Leo XIII. über confcssio- nelle P r 0 s c l y t c n m a ch e r e i.) Auf die Glück wünsche, die der römisch-katholische Episkopat Nordamerikas durch dcu Cardinal Gibbons Lev XIII. neulich ausge sprochen hat, hat Leo XIII. diesen Bischöfen in einem Ant wortschreiben reiches Lob für ihre Thätigkeit gespendet. Ein Punct dieser Antwort, der die Stellungnahme Leo'ö XIII. zu einer Seite der bischöflichen Thätigkeit kuud- gicbt, bietet auch für unsere cvufessivncllen Verhältnisse einiges Interesse und veranlaßt daher einen Mitarbeiter der „Köln. Ztg." zu folgender Darlegung: Der Ultramon- taniömus, der, selbst in der Prvsclytenmacherei äußerst srupellos, über Verfolgung jammert, wo ihm zu nahe ge treten wird, klagt besonders lebhaft über die sogenannte Evangclisationsgcsellschast und ihren angeblichen Kampf gegen die katholische Kirche. Zur gleichen Zeit aber, wo er da über ihm geschehenes Unrecht jammert, thut er selbst anderswo das Gleiche, ist stolz darauf und erfreut sich da bei der Anerkennung seines kirchlichen Oberhauptes. Näm lich in Nordamerika besteht seit 1859 eine Abzweigung der Redemptoristen, die sogenannten Paukisten, an ihrer Spitze der als Vater des Amerikanismus so viel gcnaunic I. T. Hecker, eine Cougregation, die ihre besondere Auf gabe in der planmäßigen systematischen Bekehrung der Nichtkatholiken sieht und die das durch ihre sogenannten Missionen für Nichtkatholiken, non «-atholie ini88ioup, zu erreichen sucht. Dieser eigens für die Bekehrung der Nicht katholiken gegründete „Protcstantcn-Apoftvlat" hat nach zuverlässigen römischen Berichten in der That auch große Erfolge aufzuweiscn. Sv haben z. B. diesen non catkolic mi«8i>n8 in Clevelaud «Ohio» im Jahre 1896 allein 35 009 Protestanten beigcwvhnt. Und einem neueren Berichte über die Wirksamkeit von zwei solchen Paulistenvätern — die Paulistcn haben, wie andere Orden, die Gepflogenheit, stets zwei Väter auf Mission zu senden — entnehmen wir, daß bei der im vergangenen Winter in Minneavolis ab gehaltenen non eutüolio nii^iou!« als unmittelbares (so heißt cs eigens in dem Bericht) Ergebniß der Ucbcrtritt von 75 Personen zur römischen Kirche erfolgte. Diese systematische, einen eigenen geistlichen Berufszweig im aus schließlichen Hauptamtc bildende Proselytcnmachcrci hat nun Leo XIII. in genanntem Schreiben feierlich an erkannt und gebilligt, da er schreibt: „Ihr habt für die Andersgläubigen, um sie zu belehren und zur Wahrheit zu bekehren, dadurch gesorgt, daß ihr gelehrte und bewährte Männer aus der Geistlichkeit bestimmter, welche die verschiedenen Gegenden durchziehen und ent weder in den Kirchen oder in anderen Gebäuden öffentlich in einer Art vertraulichen Gesprächs zu den Versammelten sprechen und die aufgeworfenen Schwierigkeiten lösen. Das ist eine vortreffliche Einrichtung, die bereits reichliche Früchte getragen hat." Wir sind sür keinerlei Art ausge prägter eonfcssioucller Proselytcnmachcrci eingenommen. Aber nach dieser feierlichen Anerkennung des Protcstanten- Apostolates und der non onlkolio Mission* durch Leo XIII. dürften doch unsere Ultramontancn in der Bekämpfung der Evangclisationsgescllschast und der Los von Rom-Be wegung etwas mildere Saiten aufzichcn nach dem Grund sätze „Gleiches Recht sür Alle". N Hamburg, 7. Mai. (Telegramm.) In der beutigen BormittagSsitzung beschäftigte sich der Congreß sür ge werblichen Rechtsschutz mit der Frage des unlauteren Wettbewerbs und nahm eine Resolution an, die eine weitere Ausgestaltung des Gesetzes vom 27. Mai 1896 fordert. Ferner wurde eine Resolution beschlossen, in die Gewerbeordnung Bestimmungen aufznnehmen, nach denen die Verleihung von Medaillen von der Ge nehmigung der Behörde abhängig gemacht und die Be nutzung nicht genebmigter Auszeichnungen verboten wird. Angenommen wurde ferner der Antrag, dem 8 8 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes die straf rechtliche Sanction zu geben. (H 8 bandelt von der mißbräuchlichen Benutzung von Namen, Firmen re, die zu Schadenersatz verpflichtet. Red.) * Crefeld, 6. Mai. Auf den, Crefelder Stahl werk, A.-G., legten nach Ankündigung einer 10 — lopro- centigen Lohnkürzung sämmtliche Leute di« Arbeit nieder. („Frkf. Ztg.") * Aus der Lstmark. DaS Untersuchungsverfahren gegen die Lehrer Pape und Glatzel, die angeblich durch über mäßige körperliche Züchtigung den Tod deS Schul knaben Josef Hetmann in Bendzitowo verschuldet haben sollten, ist, wie die Staatsanwaltschaft in Bromberg dem Vater des Verstorbenen mittheilte, nunmehr eingestellt worden, weil sich herauSgestellt hat, daß Josef Hetmann in Folge Verschluckens eines Fruchtkernes seit längerer Zeit an Entzündung der inneren Spri'seorgane litt und dadurch der Tod herbeigesührt wurde. Ein polnischer Abgeordneter hat seinerzeit im Reichstage sich darüber empört, daß Ver Knabe von deutschen Lehrern „todtgeprügelt" worden sei. Ob diese Behauptung, fragt das „Pos. Tagebl." jetzt von dem Herrn an derselben Stelle widerrufen werden wird? 0. Waldenburg, 7. Mai. (Privattelegramm.) Zwei hundert Bergleuten wurde gekündigt, weil sie sich weigerten, statt der bisherigen Zehnstundenschicht eine Zwölfstundeuschicht zu verjähren.
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