Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030130027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-30
- Monat1903-01
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezuflS-Prei- t» der HlMptexpedttton oder deren AuSgabo- stelle« abgeholt: vierteljährlich 8.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch, land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrige» Länder laut ZeitungSpreiSüste. Lrdaktion und LrpeditionL JohanniSgaffe 8. Fernsprecher i53 und 222. Fitialevprditionr« r Alfred Hahn, Buchhandlg., UntversitätSstr.8, L. Löscht, Katharinenstr. 14, u. KöuigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Gtrehlener Straße S. Fernsprecher Amt l Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlin: Earl vuncker, Herzgl. Bahr. Hofbvchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr 4808. Abend-Ausgabe. KipWtr TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespattene Petitzeile 2b Lj. Reklamen unter dem Redaktion-ftrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 80.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition z» richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 54. Freitag den 30. Januar l903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Januar. TaS zerschnittene Tischtuch. Nicht im Reichstage, obgleich dieser die Neuwahl seines Präsidenten vvrzunehmen hatte, lag gestern das Schwergewicht der parlamentarischen Verhandlungen, sondern im preußischen Abgeordnetenhause, wo es schon vorgestern zu scharfen Zusammenstößen zwischen Führern desBundesderLandwirte und dem Landwirtschaftsminister v. Podbielski gekommen war und wo gestern zwischen diesem und dem Bunde das Tischtuch zerschnitten wurde. Ein parlamenta rischer Berichterstatter schildert diesen Vorgang drastisch folgendermaßen: Im Abgeordnetenhaus gab es heute bei der Spezial beratung des Etats des Landwirtschaftsministcriums wieder eine große Agrardebattc und an deren Schluß einen hochinteressanten Zwischenfall. Minister v. Pod bielski schnitt zwischen sich und dem Bunde der Landwirte daS Tischtuch entzwei. Nachdem der Zentrumsmann Herold den Bündlern ausführlich, gründlich und eindringlich ins Ge wissen geredet und zur Einigkeit aller Agrarier gemahnt hatte, schlugen die Herren v. Oldenburg, auf dessen Freund schaft sich Herr v. Podbielski noch gestern berufen hatte, und v. Wangenheim den schärferen Ton an und ereiferten sich gegen Bülow und Posadowskp. Herr v. Wangenheim schloß mit der Klage, daß die Landwirtschaft von der Regierung nichts zu erwarten habe. Noch schwieg Herr v. Podbielski und statt seiner verteidigte Abg. v. Zcdlitz-Neukirch die Reichs regierung, wobei er durchblickcn ließ, daß es dem Grafen Bülow schwer genug geworden sei, die Zustimmung des Kaisers zum Zolltarif zu erlangen. Darauf erhob sich Or. Diederich Hah n, dem man neuerdings in Anspielung auf einen vielgenannten modernen Roman den Beinamen „Der grüne Hahn" gegeben hat, und hielt eine dreiste Hcrausforderungsrede, die in der sattsam bekannten Manier dieses Abgeordneten der Regierung im allgemeinen, dem Landwirtschaftsminister im besonderen jedes Verständnis für die Landwirtschaft absprach. Man nimmt bekanntlich den Abg. Hahn längst nicht mehr ernst. Aber Mi nister v. Podbielski, der augenblicklich vielleicht ein ganz besonderes Interesse daran hat, möglichst weit vom Bunde der Landwirte abzurücken, benutzte die Gelegenheit zu einer Ge neralabrechnung. Zornbebend sprang er auf, schlug den Abg. vr. Hahn mit Keulenschlägcn nieder, packte ihn alsdann mit beiden Fäusten, hob ihn hoch und warf ihn wie einen umge krempelten nassen Handschuh in eine Ecke, nicht ohne noch weiter tüchtig auf ihn loszuhauen und zu stechen. Dabei rief der Minister mit Kommandostimmc in den Saal, jetzt sei zwischen ihm und dem Bunde der Landwirte, der solche Leute als Ver treter entsende, das Tischtuch absolut zerschnitten. Es war ein großartiges Schauspiel, so gerade den Minister sprechen zu hören, dem bisher von den Gegnern stets vorge worfen wurde, er sei der Mittelsmann der Agrarier im Mi nisterium. Abg. vr. Hahn, der sich allmählich wieder erholt hatte, stammelte eine Antwort, in der er dem Minister vorhiclt, cs habe eine Zeit gegeben, wo sie beide kein Vertrauen zur Re gierung gehabt hätten. So endete dieser denkwürdige Zw'schenfall. Einer Erklärung bedarf dieser Vorgang kaum. Allge mein ist es ja bekannt, daß die Reichsregierung entschlossen ist, bei den Handelsvertragsverhandlnngen die Interessen der Landwirtschaft nach besten Kräften zu wahren; noch in frischer Erinnerung ist, daß, wenn irgend möglich, auch in Bezug auf die Futter gerste den Wünschen der ost elbischen Agrarier Rechnung getragen werden soll. Ebenso bekannt ist es aber auch, daß trotz alledem und alledem die Bundesführer gegen die künftigen Handelsverträge agitieren und Miene machen, bei den bevorstehenden Wahlen alle Kan didaten zu bekämpfen, die sich nicht zur Ablehnung der noch völlig unbekannten Vertrüge verpflichten. Es war also für die verbündeten Regierungen eine wahre Lammes geduld nötig, um diesem Treiben ruhig zuzusehen. Dem altenburgischen Staatsminister v. H e l l d o r f f riß der Gedulsfaden zuerst: daß dieser aber auch dem preußi- schenLandwirtschaftsminister einmal reißen müßte,war vor auszusehen, und daß gerade Herr vr. H a h n es sein würde, der cs fertig brächte, dem sonst so argrarierfreund- lichen Herrn v. Podbielski die Milch der frommen Denkungsart in garcno Drachengift zu verwandeln, ließ sich wenigstens vermuten. Nun ist es geschehen und damit ist zunächst die preußische Regierung vor die Frage gestellt, ob sie nach den Worten dieses Ministers handeln und der demagogischen Agitation ci en festen Damm entgegensetzen, oder aber Herrn v. Podbielski fallen lassen und mit verschränkten Armen zusehen will, daß die Vundesführer mit verstärkten Kräften auf das Zustandekommen eines in seiner Mehrheit die künftigen Handelsverträge ablehnenden Reichstages losarbeiten. Aber auch für die übrigen deutschen Regierungen ist jetzt die Zeit der Entscheidung gekommen: denn auch für sie ist es von höchster Wichtigkeit, wie die bevorstehenden Neichstagswahlen ausfallen und ob also einer gefähr lichen Agitation noch rechtzeitig ein fester Damm ent gegengesetzt wird oder nicht. Der gestrige Vorgang im preußischen Abgecvdnetcnhausc ist mithin das hochbe- deutsamc Vorspiel einer folgenschweren Entscheidung. — Diesem Vorspiele gegenüber verschwindet es vollständig, daß derNeichstag gestern den Grafen Ballestrem wieder zum Präsidenten wählte, dann die Zusatzakte zum P a te n t s ch n tza b k o mm e n mit Italien und der Schweiz in erster und zioeiter Lesung genehmigte, das Phosphor zündwarengesetz einer Kommission überwies und endlich in die zweite Beratung des Gesetzes über die g e w e r b l i ch e K i n d e r a rb e i t eintrat. Zu erwähnen wäre allenfalls, daß bei der Präsidentenwahl eine Stimme für den Abgeordneten Ahftwardt abge geben wurde und das Hobe Haus sich darüber amüsierte. In Lande wird man nur erstaunt darüber sein, daß ein so fader Kneipenwitz Lacher fand. Die Novelle zum Krankcnversicherungsgesetzc, die jetzt endlich, nachdem sie seit Fahren geplant ist, aus gearbeitet worden und dem Bundesrat zugegangen ist, enthält bekanntlich in erster Linie den Vorschlag, welcher die Ausdehnung der Krankenfürsorge von 13 auf 28 Wochen vorsieht: demnächst den, welcher die Erstreckung der Wöchnerinnenunterstütznng von 4 ans 6 Wochen, sowie drittens einen solchen, der die Gleichstellung Geschlechts kranker mit den übrigen Kranken hinsichtlich der ihnen zu gewährenden Leistungen bezweckt. Alsdann enthält der Entwurf, wie man jetzt erfährt, noch Bestimmungen, welche dringend erforderlich sind, um Unzuträglichkeiten bet der Anwendung des Krankenversicherungsgesetzes zu be seitigen. Bei der Festsetzung des Betrages des ortsüb lichen Tagelohncs werden neben der Gemeindebehörde künftig auch Vertreter der Arbeitgeber und der Ver sicherten zur Begutachtung herangezogen. Demnächst soll außer Zweifel gestellt werden, daß die Hinterbliebenen von Unfallverletzten das Sterbegeld nicht doppelt, nämlich von der Krankenkasse und von der Berufsgenossenschaft, bean spruchen können. Finanziellen Schädigungen der Kassen und der Versicherten durch willkürlich oder unredlich handelnde Kassenorganc soll tunlichst vorgebeugt werden. Die Vorschriften über Uebertragung, Verpfändung, Pfändung und Aufrechnung der Unterstützungsansprüche werden den in der reichsgcsetzlichcn Invalidenversicherung und Unfallversicherung geltenden Bestimmungen angepaßt. Der Sonderstellung der berggesetzlichen Knappschafts vereine wird durch Aufnahme einiger Bestimmungen Rechnung getragen. Die für die Versicherten günstigeren Bestimmungen des Entwurfs sollen auch auf die bei seinem Inkrafttreten schwebenden Ansprüche auf Grund des Krankenversichcrungsgesetzes Anwendung finden. — Leider kann auf die Erledigung des Gesetzentwurfes in der laufenden Tagung des Reichstages kaum gerechnet werden. Der Besuch des deutschen Kronprinzen am russischen Hofe. Der deutsche Kronprinz, dessen Besuch in Now gorod seiner Unpäßlichkeit wegen verschoben werden mußte, sandte an den Kommandeur des Wiborgschen Regiments folgendes Telegramm: „Ich bedauere von ganzem Herzen, daß ich nicht in dem Offizierkreise des tapferen Wiborgschen Regiments sein kann. Mein Vater, der Deutsche Kaiser, der durch mich einen Gruß an das Regiment sendet, wird nicht weniger betrübt sein, daß ich nunmehr nur auf diesem Wege den Gruß übermitteln kann." Tas Gefolge des Kronprinzen drückte gleichfalls tele graphisch sein Bedauern darüber aus, daß es ihm un möglich sei, bei dem Regiment zu verweilen. Auf beide Telegramme wurde durch den Regimentschef von der Brinken telegraphisch geantwortet und gleichzeitig an Kaiser Wilhelm ein Telegramm gesandt mit dem Ausdruck des Bedauerns über den verschobenen Besuch des Kronprinzen und der Dankbarkeit für den Grub des erlauchten Chefs. Hierauf wurde dem Regi ment folgende Antwort des deutschen Kaisers zu teil: „Bedauere aufrichtig, daß Mein Sohn, der Kronprinz, gelegentlich seines Besuches in Petersburg, wo ihm durch die Huld des erlauchten Herrschers ein so herz licher Empfang zu teil wurde, nicht mit Meinem Wiborg schen Regiment bekannt zu werden vermochte. Außerordentlich rührte Mich, mein lieber Oberst, Ihr Telegramm mit dem Aus druck des tiefen Bedauerns des Regiments. Tanke herzlich für den neuen Beweis der Anhänglichkeit. Ich bringe ein Hoch aus auf die Offiziere und Soldaten und sende Meinem Regiment herzlichen Gruß." „Rußkij Invalid" schreibt dazu, um so größer und herzlicher sei die Freude des Wiborgschen Regiments ge wesen, als der Kronprinz den aufgcschobenen Besuch am 25. Januar nachholte und der russische Thronfolger bei seiner Verabschiedung von dem Regiment demselben noch mals versicherte, daß der deutsche Kronprinz sich hoch erfreut über den glänzenden Zustand des Regiments aus gesprochen habe. Ter Regimentskommandeur bat hier auf den Kriegsminister telegraphisch, den Allerhöchsten Kriegsherrn der unwandelbaren Treue und der Bereit willigkeit, stets und überall für Glaube, Kaiser und Vater land das Leben zu opfern, versichern zu wollen. Zu gleich sandte der Regimentskommandeur an den deutschen Kaiser ein Telegramm, in welchem er bat, die aufrichtige und herzliche Dankbarkeit von dem durch den Besuch des Kronprinzen beglückten Regiment entgegenzunehmen. Hierauf sandte Kaiser Wilhelm am 25. Januar fol gendes Telegramm: „Es gereicht Mir zur besonderen Freude, daß der Kron prinz, Mein Sohn, Mein Wiborgsches Regiment besuchen konnte. Für den ausgezeichneten Zustand des Regiments, den herzlichen Empfang und das liebenswürdige Telegramm drücke ich Meinen Kaiserlichen Dank aus." Die südamerikanifche Acre»Frage. Die brasilianische Gesandtschaft in London hat unserem Berichterstatter folgende Ausschlüsse über den Stand der Acre - Streitfrage gegeben: Nach dem zwischen Peru, Bolivia und Brasilien im Jahre 1867 abgeschlossenen Ver trage ist der größere Teil des sogenannten Acre-Gebiets als zu Brasilien gehörig anerkannt worden. Es ist dies ein etwa 20 geographische Meilen langer Landesstreifen längs der peruanischen Grenze, vom Rio Beni an nach Süöwesten reichend. Die Breite des Streifens ist auf sechs geographische Meilen abgeschätzt. Zu Peru gehörig, wurde der nördlich vom Rio Beni liegende Teil des Ge bietes anerkannt. Bolivia hat demnach nur Anspruch auf das südliche Drittel des Acre-Gebiets. Später hat Bolivia die Bestimmungen unter dem Vorgeben, daß der Lauf der beiden Flüsse Rio Beni und Rio Agray auf den Karten, welche dem Vertrage zu Grunde gelegt wor den waren, unrichtig angegeben worden sei. Die Un richtigkeit war jedoch ganz unbedeutend und konnte des halb die Umstoßung des Vertrages keineswegs billigen. Gleichwohl hat die bolivianische Regierung vor zwei Jahren trotz des nachdrücklichen Einspruches von brasi lianischer Seite den zu Brasilien gehörenden, von etwa 14 000 Seelen bewohnten Teil des Acre-Gebietes an eine nordamerikanisch-britischc Handelsgesellschaft abgegeben, mit einem Vertrage, wie solche in den letzten 30 Jahren nur in Afrika abgeschlossen wurden. Der Vertrag ge währt der Gesellschaft das alleinige Recht, in dem Bezirke Kautschuk zu gewinnen und Bergbau für Edelmetalle zu betreiben. Desgleichen sollte die Gesellschaft die voll ständige Polizeigewalt ausüben und eine militärische Schutztruppe halten diirfen. Die Gesellschaft sollte end lich das Alleinrecht der Schiffahrt auf dem Rio Beni und dem Rio Agray ausüben, von wo aus die Schiffe der Gesellschaft unter eigener Handelsflagge in den Rio Madciro und den Amazoncnstrom einlaufen sollten. Diesen Vertrag hat die brasilianische Regierung als u n - gültig bezeichnet, und sie bot Bolivia für die endgültige Abtretung des schon durch den Vertrag von 1867 an Brasilien gefallenen Gebietes ein fast gleich großes Land gebiet südöstlich vom Acre-Gebiet an. Diesen Antrag wies jedoch Bolivia zurück und Präsident Pando entsandte mehrere Kompagnien bolivianischer Truppen, um das brasilianische Acre-Gebiet für das genannte ausländische Konsortium in Besitz zu nehmen und die brasilianischen Staatsangehörigen von dort zu vertreiben. Mit einem zweiten Kontingent bolivianischer Truppen wollte vor Feuilleton. 24, Frau Huna. Roman von Karl Taner a. - Nachdruck verbalen. Er lauschte begeistert ihren Worten. So freilich hatte noch keine Japanerin zu ihm gesprochen. Immer deut licher kam ihm wieder in Erinnerung, welch' ein Unter schied zwischen seinen Landsmänninnen und den deutschen Frauen und Mädchen herrschte: immer reger wurde in ihm der Wunsch nach solchem Umgang und Verkehr. Unter anregendem Plaudern, wobei Siradoma stets neue Erinnerungen an Deutschland wach zu rufen ver stand, kamen beide in Mijanvschita an. Sie fanden im Fudschi-Hotel gute Aufnahme. Ein reizend gelegenes Zimmer mit hübscher Aussicht wurde ihnen zugeteilt. „Hier fühle ich mich wohl. Hier wollen mir bleiben, bis uns das Ende deines Urlaubs zwingt, nach Tokio zurück zukehren." — Eine schöne Zeit folgte für das junge Paar. Anfangs waresfürSiradoma etwas peinlich, daß eineAnzahlvvn im chinesischen Krieg verwundet gewesenen und nun als Re konvaleszenten hier lebenden Offizieren, darunter auch mehrere Deutsche, sich ebenfalls im Hotel befanden. Da sie aber mit ihrem Gatten nur japanisch sprach, so be achtete man sie nicht mehr als irgend eine andre hübsche Eingeborene. Bald hatte sie sich daran gewöhnt und ließ sich nicht mehr in ihrer heitern, glücklichen Art stören. An einem der ersten Tage gelang es ihr, Akira allein zu einem längeren Spaziergange zu veranlassen, während sie unter der Angabe, sich nicht ganz wohl zu fühlen, zurück blieb. Solange er weg war, schrieb sie einen sechzehn Seiten langen Brief an die Tanten in Berlin und schüttete ihnen voll und ganz ihr Herz auS. Ihr Bericht klang in die innige Bitte aus, die Tanten möchten doch all' ihren Ein- fluß geltend machen, daß ihr Gatte ein Anerbieten erhalte, nach Berlin zurückzukehren, sei cS als Arzt der japanischen Gesandtschaft oder als Assistent bei einem berühmten Pro fessor oder als Anstaltsarzt an irgend einer Kftnik oder was sie sonst erreichen könnten. Der Brief schloß mit den Worten: „Nur zurück, nur heim zu Euch, aber mit meinem teuren Mann. Das erreicht für mich. Darum flehe ich Euch an. Sonst geht zu Grunde, sonst stirbt aus Sehn- sucht und Gram Eure durch die Verhältnisse des frem den Landes unglückliche und doch untrennbar au ihrem heißgeliebten Gatten hängende Julie." Nachdem der Brief abgcsendct war, fühlte sie sich er leichtert. Ihre Heiterkeit kehrte rasch zurück, wie sie Akira von der Kija-Höhe hcrabsteigen und ihr schon von weiten: zuwinken sah. Als er in das Zimmer trat, merkte er nicht das Geringste, daß beim Schreiben und bei der Erinne rung an die Heimat Tränen die Augen seiner schönen Frau getrübt hatten. — Neue Gäste waren angekommcn. Beim Diner blieb keiner der kleinen Tische, an denen gespeist wurde, mehr frei. Da trat noch ein älterer Herr in den Saal. Alle deutschen und auch einige französische, österreichische und italienische Offiziere erhoben sich, gingen ihm entgegen und begrüßten ihn in freundlichster Weise. Dies war natürlich ausgefallen, und auch Siradoma sah nach der Richtung, wo die Begrüßung stattfaud. Da stieg ihr das Blut aus Verlcgenl-eit in die Wangen, denn ihr Blick traf zufällig gerade deu des ankommenden Herrn, und sie erkannte den General von Menzhcim. Auch er hatte sie erkannt. Er beeilte sich, für die freundlichen Worte der Offiziere zu danken, lehnte aber alle Aufforderungen, sich an einen der Tische zu den Herren zu setzen, ab und ging direkt auf das Ehepaar Jzuna zu. Schon von weitem rief er freundlich in deutscher Sprache: „Guten Tag, meine liebe, gnädige Frau! Guten Tag, Herr Professor." Damit reichte er Jzuna nnd seiner Gattin je eine Hand, welche diese herzlich schüttelten. Deutlich konnte man die Freude beider über das Wiedersehen erkennen, denn auch Jzuna fühlte sich sehr geschmeichelt, daß ihn ein so ange sehener Herr hier vor allen andern so liebenswürdig be grüßte nnd mit solcher Auszeichnung behandelte. Der General aber nahm ohne Umstände an ihrem Tische Platz und sagte freundlich: „Ich darf doch mit Ihnen speisen?" „Selbstverständlich, Herr General. Ach, ich kann Ihnen ja gar nicht sagen, wie ich mich freue, Sie wicder- zuschen. Nicht wahr, mein Akira, du freust dich doch auch?" „In hohem Maße. Ich weiß die Ehre, die uns der Herr General erweist, sehr zu schätzen." „Lassen wir das", bemerkte der freundliche alte Herr. „Auch ich bin hocherfreut, Sic zu sehen. Ich habe vor drei Tagen mit großem Bedauern in Tokio Ihre Ab wesenheit erfahren. Darum nenne ich es einen sehr glück- lichen Zufall, Sie hier zu treffen. Wie viel und oft habe ich an Sie beide gedacht. Ich kam mir Ihnen gegenüber, liebe gnädige Frau, stets wie ein alter Onkel vor, der um das Schicksal seiner jungen Nichte besorgt ist. Ich habe Sic beide, wie Sie ja wissen, auf unserer Reise recht lieb gewonnen. Nun bin ich sehr froh, Sie so frisch und munter zu sehen. Uebrigcns darf ich Ihnen sagen, mein kleines Frauchen, daß Ihnen das schöne japanische Nationalkostüm reizend steht." „Das Kostüm, ja. Aber nicht, was drum und dran hängt." „Wie! Sollte zwischen Ihnen beiden nicht mehr die alte Eintracht herrschen?" „Oh, so war es nicht gemeint, Herr von Menzhcim. Darf ich Ihnen etwas gestehen?" „Bitte, ich bin sehr gespannt." Sie neigte sich zu dem alten Herrn und sprach mit halber Stimme, dabei auf ihren Mann zeigend: „Er sollte es ja eigentlich nicht hören. Aber er weiß cs ja doch. Herr General, ich liebe meinen Mann mehr, als je. Er ist der beste, liebste Mensch auf der Welt." Jzuna lächelte glücklich. „Bravo, bravo! Das höre ich gern", rief erfreut der General. „Geben Sie mir Ihre Hand, lieber Professor. Ich danke Ihnen als Landsmann dieser kleinen, reizenden Frau, daß sie so von Ihnen spricht." Dann setzte er lachend hinzu: „Aber wissen Sie, das ist auch Ihr Glück. Ich glaube, ich alter Mann hätte Sie noch vor die Pistole gefordert, wenn cs anders gekommen wäre." Jzuna freute sich iunig über die Worte des Generals. Er war uver doch zu ehrlich, um das Lob voll anzunehmcn, und bemerkte: „Herr von Menzhcim, ich verdiene weder die Schmeicheleien meiner guten Frau, noch Ihre An erkennung. ES ist durchaus nicht alles gut gegangen. Erst vor —" „Pst, pst!" fiel schnell Siradoma ein. „Ich will unserem lieben Freunde, Herrn von Menzhcim, alles selbst erzählen, aber später. Jetzt bin ich so glücklich, den Herrn General bei uns zu sehen, daß ich dies besonders feiern möchte. Mein lieber Akira, spende uuS eine Flasche Champagner." Ehe der General sich erheben und auch den Wunsch der jungen Frau erfüllen konnte, war der Pro- fessor schon aufgesprungen und hatte die Bestellung ge- macht. Bei dem schäumenden Weine feierten sie nun das Wiedersehen und plauderten in vergnügtester Weise mit einander. Jzuna hatte alle japanischen Sitten und Ge- bräuche vergessen: er fand cS reizend, wie seine Frau graziös und entzückend dem General und ihm zutrank, wie sie mit ihnen beiden anstieß, nnd wie sie ohne Scheu mit ihnen plauderte. Er suhlte sich wieder in Berlin und auf dem „Friedrich dem Großen", er war wieder halb europäisch geworden. Natürlich hatte die Unterhaltung des Generals und sein inniger Verkehr mit dem bis dahin so wenig be achteten japanischen Paar die Aufmerksamkeit aller Offi ziere erregt. Man sprach darüber, wer die beiden wohl sein könnten, und ein Major beschloß, dahinter zu kommen, indem er unter der Ausrede, den General zu fragen, ob er nicht mit den Herren in einem der Kioske noch eine Cigarette rauchen wolle, an den Tisch trat. Herr von Menzhcim stellte ihn sofort dem jungen Paare mit den Worten vor: „Herr Major, darf ich Sic mit der gnädigen Fran nnd ihrem Herrn Gemahl bekannt machen: Major von Latter, Herr und Frau Professor Jzuna." Dann fügte er hinzu: „Ich bin sehr gern bereit, Ihnen zu folgen. Und Sie, lieber Professor, und Ihre geehrte Gattin kommen doch auch mit. Wir sind ja im Freien, gnädige Frau, und vertreiben Ihnen mit dem Cigarettenrauch sogar die Mücken." Siradoma sah ihren Gatten fragend an. Er nickte ihr freundlich zu und entgegnete: „Wenn meine Fran einverstanden ist, bin ich gern bereit." Sofort erklärte Siradoma, daß sie sich mit Freuden anschließe. „Also brechen mir auf!" Mit diesen Worten erhob sich der General und gab damit auch das Zeichen, daß Jzuna und seine Gattin aufstanden. Der Major bezeichnete -en Weg zu dem Kiosk, in dem sich die übrigen Offiziere schon versammelt hatten. Herr von Menzhcim bat Siradoma höflich, vorauSzugehcn, dann schritt er neben ihr her, und Jzuna folgte. Mau gelaugte iu cincu kleinen, hübschen Bau. Als die vier Personen eintratcn, erhoben sich alle Offiziere. Der General sprach: „Meine Herren, ich erlaube mir, Ihnen eine Landsmännin von uns, die ich hoch verehre, und ihren Gemahl, Herrn Univcrsitätsprvfessor Jguna aus Tokio, vvrznstellen. Gnädige Frau, meine Kame raden von Falkcustcin, von Rentier, Lamert, Sicher, Baron von Bcrtach, Burghausen und Graf Sachsendorf. Sämtliche Herren haben sich im chinesischen Krieg Ebren nnd Lorbccrn erworben aber leider auch mit Blut oder mit ihrer Gesundheit für unser deutsches Vaterland ein. treten müssen." Durch diese liebenswürdige Art waren der Professor und seine Krau sofort eingestthrt. Sämtliche Offizier«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite