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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-27
- Monat1903-02
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1480 des vorbezeichneten Krankengeldes für Angehörige. Da- zu tritt bei den ZwangSkaffen noch: 3) ein Sterbegeld im zwanzigfachen Betrage deS durchschnittlichen Tage- lohne-, und 4) für Wöchnerinnen eine vierwöchige Krankenunterstützung. In der neuen Novelle ist eine sechswöchige vorgesehen. H Berlin, 26. Februar. »Hebung deSBerkehrS im Osten.) In der AbgeordnetenhauSfiyung vom 19. Januar d. I. führte der Ministerpräsident Reichs kanzler Graf v. Bülow auS, wie die Erfahrung gelehrt habe, daß jede Hebung des Verkehrs im Osten nicht nur wirtschaftlich nützlich wirke,,sondern auch zur Förde rung des Deutschtums besonders auf dem platten Lande beitrage, und stellte in Aussicht, daß, wie im vergangenen Jahre für die Provinzen Posen und Westpreußen 20 Millionen für Eisenbahnbauten her gegeben leien, in die nächste Nebenbahnvorlage 24 Mil lionen Mark für den gleichen Zweck eingestellt werden würben. Nach dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf würde es sich um sieben neue Nebenbahnlinien handeln, die für die beiden Provinzen in Vorschlag gebracht sind, und -war von Schlochau nach Gkurz, von Bandsburg nach Klatow, von Schotten nach Schubin, von Birnbaum nach Samter, von Wierzedanm nach Schwerin a. d. Warthe, von Woll stein nach Grätz in Posen und von Neusalz a. O. nach Woll- stein. Kür alle sieben Bahnlinien insgesamt find genau 27141000 ausgeworfen, so daß die vom Ministerpräsi denten im Januar in Aussicht gestellte Summe für die genannten beiden Provinzen noch etwas überschritten ist, wobei allerdings beachtet werden mich, daß die letzt genannte Linie zum Teil auch nach Schlesien fällt. I-. Berlin, 26. Februar. Die Desertionen der Seeleute in der Handelsmarine steigern sich von Jahr zu Jahr. Zum groben Teile handelt es sich um Answärter, Kohlenzicher, Heizer und Trimmer, die sich nur verheuern, um auf möglichst billig«, wenn auch nicht gerade bequeme Weise nach Amerika zu kommen. Da neben desertieren aber auch recht viele Matrosen, die von Heuerbaasen im Auslande direkt zum Desertieren über redet werden, unter der Vorspiegelung, daß es bessere Stellen für sie gäbe. Das Treiben dieser Landhaie ist den Kapitänen und Behörden sehr gut bekannt, aber sie sind gegenwärtig außer stände, dem Unwesen Halt zu gebieten. Zu bedauern sind auch vor allen Dingen die gewissen losen Heuerbaase» in die Hände gefallenen desertierten Matrosen; sie werden völlig ausgesogen und dann vielfach ihrem Schicksal überlasten. In welchem Umfange die Desertionen zugenornmen haben und wie die Zahl der in New Uork Desertierten inrmer größer wird, ergeben die letzten Jahresberichte deS Hamburger Seeamtes. Darnach desertierten 1898: 811 Mann, davon in New Jork 362 L8VS: 901 „ „ „ „ „ 465 1900: 1014 „ „ „ „ „ 449 1901: 1824 „ „ „ „ „ 590 1V02: 1844 „ „ „ „ „ 782 Diese Zahlen beziehen sich allein auf Hamburger Schiffe. Für Bremen stellen die Angaben sich sicher ebenso hoch. Es wird hohe Zett, die Regierung der Bereinigten Staaten um energische Maßregeln gegen bas Treiben der Heuerbaase zu ersuchen. Bisher ist jenseits des Ozeans so gut wie nichts geschehen, um daK Uebel zu beseitigen. — Der Kaiser unternahm heute nachmittag einen Spazierritt im Tiergarten und begab sich abends um 6 Uhr 20 Min. mit Sonderzug nach Potsdam, um dort an einem Diner beim Obcrprästdenten v. Bethmann- Hollweg tetlzunehmen. — Der Kaiser wird angeblich am 8. März mit der ..Hohenzollern" und einem erstklassigen Linienschiff zu der Geburtstagsfeier des Königs von Dänemark in Kopenhagen eintreffen und von da am 11. März nach Kiel zurückkehren. — Wie der „Manchester Guardian" erfährt, hat Kaiser Wilhelm eine Kopie der Vergleichs tabelle der deutschen und britischen Flotten König Eduard zum Geschenk gemacht, noch ehe bas Diagramm dem Deutschen Reichstage zu gestellt wurde. — Vor der heutigen Plenarsitzung des Bundes rats hielten der Ausschuß für Rechnungswesen und die vereinigten Ausschüße für Justizwesen und für Handel und Verkehr Sitzungen. — Die „Post" schreibt: Der „New Nork Herald" und auch die „Time S" setzen ihre H e tz e r e i e n g e g e n Deutschland munter fort. Ersterer läßt sich neuerdings ansBerlin melden, Deutschland beabsichtige, einGcschwader nach Brasilien und Kolumbia zu senden, um dort Forderungen burchznsetzen, deren Erfüllung es bis jetzt nicht hätte erreichen können. Wir brauchen diese Nachricht wohl nicht noch einmal als das, was sie wirklich ist, alS „freie Erfindung", zu bezeichnen. Gleiche Tendenz bekunden auch einige Korrespondenzen der „Times" auö Washington, in denen Deutschland beschuldigt wird, in der Behandlung der venezolanischen Angelegenheiten neue Schwierigkeiten zu machen. Auch diese Nachricht ent- staimnt natürlich bloß dem Wunsche, Deutschland als Friedensstörer hinzuslellen; immerhin würde sie von unseren Gegnern - fall» sie unwidersprochen bliebe — so lange weiter verbreitet werden, bis sie auch in anderen Kreisen Glauben fände. Nur aus diesem Grunde hängen wir sie hier nochmals als „deutschfeindliche Hetzereien" niedriger. — Zur Feier deS 80. Geburt»tage»deS früheren Botschafter», Generals Werder, fand gestern abend ein von ehemaligen Angehörigen de» Gardefüsilterregiments veranstalteter Festkommer» statt. Unter den ringe- gangenen Telegrammen befanden sich solch« vom Zaren und dem Könige von Rumänien. Ersterer depeschierte, er könne den Tag nicht vorübergehen lasten, ohne der Zetten zu gedenken, die der General am Petersburger Hose gewirkt habe. Der König von Rumänien rief die Er innerungen an die Ereignisse wach, die ihn mit dem Gene ral zusammengeführt haben. — In parlamentarischen Kreisen befürchtet man, daß der preußische Staatshaushaltsetat für 1903 wiedervomAbgeordnetenhause nicht rechtzeitig fernggestellt werden wird. Noch dem Umfange der noch zu erledigenden Etatsarbeiten nimmt man gegenwärtig an, daß der Etat in den letzten Tagen deS März oder in den ersten des April vom Abgeordnetenhaus« an da» Herrenhaus ge langen wird. Danach würde der Etat bestenfalls kurz vor Beginn der Charwoche sertiggestellt werden können. — Die nattonalliberaleJnterpellation wegen der Trierer Vorgänge soll, wie im Parlamente verlautet, vom Ministerpräsidenten selbst beantwortet wer den. Anfänglich hatte man verabredet, daß sie aus die Tagesordnung vom Montag nächster Woche gestellt wer den sollte, jedoch ist eS möglich, daß sie bereits am nächsten Sonnabend zur Verhandlung gelangt. — Gegen die Ansetzung der Reichstagswahlen auf die erste Juniwoche führt die „Köln. Ztg." einen Um stand ins Feld, der bisher noch nicht hervorgehoben wurde, nämlich die Abhaltung des großen Sänger fe st esinFrankfurta. M., für das auch das kaiser liche Paar seine Anwesenheit zugesagt hat. An diesem Sängerfeste werben auS allen Gauen unseres Vaterlandes Tausende und Abertausende von Wählern teilnehmen, die durchweg dem Mittelstände und den staatSerhaltenden Parteien angehören. Sie alle würden bei den Wahlen fehlen, und dadurch wäre gerade der Sozialdemo kratie der größte Dienst geleistet. — Die Mitteilung, daß die Nationalliberalen im Wahlkreise Hagen-Schwelm bereits im ersten Wahlgange der bevorstehenden Neichstagswahl für den freisinnigen Kandidaten Abg. Eugen Richter eintreten werden, ist durchaus unbegründet. Das „Wests. Tagebl." in Hagen, welches die Behauptung bereits am 19. Februar dementierte, wird wohl das Richtige getroffen haben, als es die Notiz als einen von freisinniger Seite aufgelassenen VersuchS-Ballon bezeichnete. — Muß ein Reichstagsabgeordneter einer Zeugenladung Folge leisten? Mit dieser Krage hat sich morgen die Geschäftsordnungs-Kommis sion de« Reichstags zu beschäftigen. Der Abg. Hegelmaier, Oberbürgermeister zu Heilbronn, war in einer Sache, die er selbst durch Anzeige gegen einen Be amten anhängig gemacht hatte, als Zeuge geladen worden, er schien aber nicht, weil er nach Berlin zu den Reichstagssitzungen abreiste. Das Gericht hat ihm eine Strafandrohung zugehen lasten. Für die Rechtslage kommt § 49 der Strafprozeß ordnung in Bettacht, der unter anderem bestimmt, daß die Mitglieder der deutschen gesetzgebenden Versammlungen „wäh rend der Sitzungsperiode und ihres Aufenthaltes am Orte der Versammlung an diesem Orte zu vernehmen sind". Ab weichungen hiervon bedürfen der Genehmigung des Reichstage». — Die Vermutung der „Deutsch-evang. Korresp.", daß Bischof Korum mit dem vom Zaun gebrochenen Schulkampfe dem Zentrum die angesichts seiner Haltung in den Zollfragen mangelnde Wahlparole habe liefern wollen, erfährt eine gewisse Bestätigung durch eine Auslastung der inRattbor erscheinenden ultramonta nen „Oberschl. Volksztg.", in der es heißt: „Wir haben lange auf die Parole gewartet, die jetzt endlichvomBischofKvrumgegebenwurbe." Ob wohl dieses Zugeständnis von den übrigen Blättern des Zentrums sehr angenehm empfunden werden wird? — Die „Natltb. Korresp." schreibt: Bor kurzem teilten wir im Zusammenhänge mit «iner Würdigung der Lese hallen in denWohlsahrtseinrichtugen mit, in einer von den „Vereinigten deutschen Prüfungsausschüßen für Jugend schriften" hcrauSaegebenen Broschüre „Zur Jugend- schriftenfrage" habe ein Anonymus sein Entsetzen über die vaterländische Gesinnung geäußert, die er in der von Hauptmann Karl Tanera verfaßten Jugendschrift: „Der Freiwillige des JltiS" gefunden. Man erziehe durch solche Schriften, so sei die Meinung deS Kritikers, „elende Hurrapatttoten". In einer Zuschrift an unS verwahrt sich der Vorsitzende deö Hamburger Jugendschriften-Aus« schußes gegen unsere Annahme, die „Bereinigung" (welche 48 Ausschüße im ganzen Reiche umfaßt) sei sozialdemo kratisch beeinflußt. Die Mitglieder gehörten ausschließlich dem Lehrerstande an. Ihre Kritik Übten sie lediglich aus literarischen und pädagogischen Gesichtspunkten. — Wert voller, al» die vorstehend« „Aufklärung" wäre für un» ein« Andeutung darüber gewesen, was der Hamburger Jugendschriften-AuSschuß unter ^lenden Hurrapatrioten" versteht. — Ueber das Auftreten der Mtlzbrandkrank- hett unter Menschen, auf da» in einer der letzten Reich». tagSsiyungen hingewtesen wurde, sichere Nachrichten zu er halten, wird von den ärztlichen Sachverständigen für be- sonder» schwierig erachtet. Nach den Jahre»berichten de» Kaiser!. G«sundheit»amteS über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reiche wurden in Preußen wäh rend dreier Jahre 140 Personen als von dieser Krankheit befallen gezählt, 16 davon starben. In den allgemeinen Heilanstalten betrug nach den Veröffentlichungen des Kgl. Statistischen Bureaus die Anzahl der Erkrankungen wäh rend deSseben Zeitraumes 128 und der Todesfälle 19. — Im kaiserlichen Gesundheitsamte wird die Frage geprüft, ob eS angängig sei, eine Aenderung des Ge- setzeS über den Verkehr mit blei- und zink haltigen Gegenständen dahin 1y Aussicht z« nehmen, daß die Herstellung der Scharniere, Gewinde usw. der Trinkgefäße mit einer mehr Blei als bisher ent haltenden Legierung gestattet sei. Eine solche Milderung der jetzt geltenden Vorschriften ist von Zinngiehermeistern beantragt, würde aber eine Verminderung desjenigen Schutzes bedeuten, den man seinerzeit bei dem Erlaße des Gesetzes als geboten erachtet hat. Das Gesundheitsamt stellt hierüber Untersuchungen an und wird nach dem Ab schluß der letzteren sein Gutachten abgeben. Wenn diese» vorlicgen wird, wird sich entscheiden lassen, ob in der ge wünschten Richtung wtrb vorgegangen werden können oder nicht. — Zum Regierungspräsidenten von KöSlin wurde angeblich der vortragende Rat im Ministerium deS Innern v. Knebel-Döberitz ernannt. Für das Re gierungspräsidium in Düsseldorf soll, wie einige Blätter melden, der Regierungspräsident Schreiber in Minden in Aussicht genommen sein. — Der Minister für Landwirtschaft, Domänen un- Forsten v.P odbielSki vollendet heute sein öS. Lebensjahr. — Die „Magd. Ztg." rät der Staatsregierung, dem Groß herzogtum Posen den Namen „Provinz Südpreuhen" zu geben: Eine Provinz Südpreuhen könnte in keinem Polen oie Vorstellung entstehen lassen, als nehme dieser Lcmdesteil eine staatsrechtliche Sonderstellung innerhalb des preußischen Staates ein. Daß die Bewohner Preußen sind, würde ihnen auch in der Bezeichnung ihrer Provinz fortgesetzt zum Bewußt sein gebracht. Der Deutsche der Provinz dagegen brauchte sich nicht mehr Posener zu nennen, zumal diese Bezeichnung sich überhaupt nicht hat einbürgern wollen. — Mit der Wahrnehmung der im neuen Reichsetat ver langten zweiten Direktorstelle im ReichSaufsichtSamt für die Privatversicherungsanstatten ist der aus dem Justizdienst einstweilen beurlaubte Landgerichtsdirektor vr. jur. Berg aus Beuthen in Oberschlesien betraut worden. * Pose», 26. Februar. Den „Pos. Reuest. Nachr." zu folge ist das Entlaßungsgesuch deS Oberpräsidenten v. Bitter jetzt genehmigt worden. Auch die schon ein mal gemeldete Uebergabe der Geschäfte an den Ober- prästdialrat Thon soll jetzt erfolgt sein. --- Altenburg, 26. Februar. Dem Landtage ist ein Herzog!. Erlaß zugegangen, nach welchem den Städten Eisen berg und Roda, sowie dem Luftkurorte Klosterlausnitz für die erbauten Wasserleitungen eine staatliche Beihülfe zuteil werden soll. Für Eisenberg sind 82 000 für Roda 17 000 -4t und für Klosterlausnitz 10 000 -4t in Aussicht genommen worden. Die Wasserleitungen kosten der Stadt Eisenberg 380 000 -4t, der Stadt Roda 171 000 -,4t und dem Holzlanddorfe Kloster lausnitz 182 000 -4t. * Straßburg, 26. Februar. InBreisach wurde der beim FortifikationSbureau angestellte Zeichner Müller unter dem Verdachte des Landesverrats ver haftet. Es war in Erfahrung gebracht worden, daß das französische Kriegsministertum im Besin von Photo graphien einiger Korts sei. Die daraufhin eingeleitete Untersuchung führte schließlich zu der Verhaftung Müllers. Oesterreich. Ungarn. HeereSsragen. * Wien, 26. Februar. Das Herrenhaus beriet die Wehrvorlage und nahm dieselbe in allen Lesungen an. Sämt liche Redner betonten, daß die Heeresverwaltung sich auf das Notwendigste beschränkt habe uno hoben hervor, daß die Aus gestaltung der Armee angesichts der militärischen Machtent faltung anderer europäischer Staaten in Oesterreich-Ungarn nicht zurückbleiben dürfe. Sie traten ferner in nachdrücklichster Weise für die Einheit der Armee ein und gewißen, auf die Trennung der gemeinsamen Armee hinzielenden Wünschen in TranSleityanien entgegen. Landesverteidigungsminister Gras Welsersheimb legte die Notwendigkeit der Er höhung des RekrutenrontingentS dar und be tonte, daß neben der Reorganisation der Artillerie besonder» «ine Erhöhung des Bestandes der Marine notwendig sei. Er dankte dem Hause für die Unterstützung, welche die Heeresver waltung bei demselben gefunden und wiederholte seine im Ab- geordnetenhause gegebene Erklärung, es sei der Wille des Kaisers, daß da» Heer nicht nur bezüglich seiner Form und der Beitragsleistungen, sondern auch im Wesen ein durchaus ge meinsames bleibe. (Lebhafter Beifall.) Großbritannien. * So«»»«, 27. Februar. (Telegramm.) Der König hat dem englischen Botschafter in Washington Herbert das Großkreuz des St. Michael-Ordens ver liehen. Adreßdebett«. * Lenden, 26. Februar. (Unterhaus.) In der Fort setzung der Adreßberatung bringt Howard Vincent (kons.) einen Abänderungsantrag ein. Der Antragsteller erklär/, daß die neuerdings bedeutend erhöhte Einwande rung mittelloserFremder nacb East End in London eine schwere nationale Gefahr bilde und die Wohlfahrt, die Arbeiis- und Wohnungsverhältnisse der englischen Arbeiter klassen in ernster Weise schädige. Redner fordert die Regie rung auf, ihre Versprechungen zu erfüllen und in nächster Zeit einen entsprechenden GesetzentNmys einzubringen, indem ev darauf hinweist, daß die Zahl der in den letzten Jahren in Eng land angekommenen Fremden 81 401 betragen habe gegen 70 610 un Jahre 1901. Unter diesen Fremden sei eine be trächtliche Anzahl Bestrafter gewesen; auch die Zahl der Aus länder in der Handelsmarine sei bedenklich gestiegen. — Han delsminister Gerald Balfour erwidert, die Regierung erkenne die Schwierigkeit der EinwanderungSsrage an. Eine Kommission sei mit eingehender Prüfung der Angelegenheit be traut, bevor dieselbe ihre Arbeiten beendet habe, sei es unmög lich, eine Entscheidung zu treffen. Howard Vincent zieht hier auf seinen Antrag zurück. — Auf ein« Anfrage Gib son Bowl es', ob die Regierung bei der kubanischer: Re gierung oder bei der Regierung der Vereinigten Staaten Vorstellungen gemacht habe über die Wirkung, welche der Re- ziprozitätsverttag zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten auf den englischen Handel habe, erwidert Lord Cranborne: „Ja." — Hierauf nahm da» Hau» die Adresse ohne nament liche Abstimmung an. Orient. Makedonische Beweg»»». * Sofia, 26. Februar. Das allgemeine Urteil über das Reformprojekt lautet hier abfällig. Die Makedonier er klären auch viel weitergehende Reformen für unannehm bar, wenn ihre Durchführung von den Mächten nicht garantiert werde. Die amtlichen Kreise schweigen, da keine offizielle Mitteilung des Projektes an Bulgarien er folgt ist. Am schärfsten äußert sich bisher gegen die Re formen das Organ Karawelows „Preporetz". Das Blatt „Wetscherna Poschta" nennt das Projekt „internatio nalen EyntsmuS" und predigt Krieg und Aufstand. Dennoch ist zweifellos auch ein Teil der Makedonier ge willt, die Durchführung der vorgeschlagenen Reformen abzuwarten, bevor sie das. Rcfonnprojekt ganz verwerfen. * Athen, 26. Februar. Zum griechischen Ge sandten in K o n st a n t i n op e l ist der bisherige Ge sandte in Rom, Gryparis, ernannt worden. Amerika. Die Wirre» i« Mittelamerika. * Paris, 26. Februar. Eine Depesche der „Agence Hamas" aus Kap Hattien besagt, daß in der Republik Santo Domingo der Auf st and -»nimmt. Die Streitkräfte der Revolutionären seien im Vormarsch gegen die Hauptstadt Santo Donringo, sowie gegen die Städte Puerto Plata und Santiago begriffen. MMSr uu- Marinr. * Der Kaiser hat einen Neudruck der Gewehr-Schieß vorschrift für die Fußartillerie gecrehmigr, wo durch die bisherige gleiche Vorschrift ungültig geworden ist. In der neuen Vorschrift gelangt die Wichtigkeit des Schießens mik dem Gewehr für die Fußartillerie zum vollen Ausdruck, da diese Waffe sich selbst zu schützen hat und einer besonderen Be deckung durch Infanterie nicht bedarf. * Der Chef des Generalstabes der Armee General der Kavallerie und Generaladjutant Graf Alfred v. Schlieffen vollendet am 28. d. M. sein 70. Lebensjahr. Graf v. Schließen war am 1. April 1853 als Einjährig-Freiwilliger in das 2. Garde-Ulanen-Regiment eingetreten, bei dem er am 16. De zember 1854 Leutnant wurde. Am 12. Juli 1866 Rittmeister geworden, kam er als Hauptmann in den Generalstab und 1869 als Eskadronchef in das Dragoner-Regiment Nr. 2. Im Kriege gegen Frankreich zum Generalstabe des Oberkommandos der Armee des Großherzogs von Mecklenburg kommandiert, war er dann GeneralstabSofsizier beim 15. Armeekorps und beim Äardekorps, wurde 1876 Oberstleutnant und am 11. November 1876 Kommandeur deS 1. Gardc-Ulanenregiments. 1881 zum Oberst, 1886 zum Generalmajor und 1888 zum Generalleut nant befördert, wurde er am 22. März 1889 Oberquartier meister und am 7. Februar 1891 Chef oes Generalstabes der Armee. Am 14. Juni 1892 zum Generaladiutanten des Kaisers ernannt, erfolgte am 27. Januar 1893 seine Beförde rung zum General der Kavallerie Am 12. Sevtember 1890 wurde er ä Is rüste des 1. Garde-Ulanenregimcnts gestellt und erhielt zugleich die Erlaubnis, die Uniform des Regiments zu tragen. D Falmouth, 26. Februar. (Telegramm.) Das deutsche Schulschiff „Stein" ist heute nachmittag hier an gekommen. indiskret zu ihr herüber. Sie fühlte, wie er sie betrachtete, ihr Alter abschätzte, ihr Quantum Intellekt. Sie laß un sicher, ohne Feuer, ohne Lust. Plötzlich brach sie ab und entschuldigte sich mit einer Erkältung. Sie wußte, daß sie diesen Zustand zu dreien nicht mehr lange aushalten würbe. Ohne Umschweife kam Hans Sach» aus sie zu, sah sie mit überlegener Miene an, nahm ihr den Larducci auS der Hand und fing an, die welschen Verse mit einer Suade zu lesen, wie ein Improvisator von den Straßen NomS. Hausmanns Gesicht erhellte sich, so wohl tat ihm der welsche Wohllaut. Für sie war bas Zuhörer» ein Martyrium, und sobald Sans Sachs den rotgebundenen Band schloß, brach sie auf. Sie war froh, baß sie gehen konnte. Er begleitete sie nicht auf den Vorplatz. Frau Winter half ihr. Diese primitive Seele hatte eine geringe Fähigkeit, Sympathien zu empfinden. Helene gehörte zu den wenigen, die einen Schimmer von Wohlwollen in ihrem dürren Herzen wachriefen. Der anfängliche Argwohn, den sie gegen dieses erste Eremplar weiblicher Jugend hegte, das ber Hausmann verkehrte, war längst verflogen. Gegen Hans Sachs aber empsand sie Mißtrauen. Er machte Witze mit ihr. Das verstand sie nicht und nahm eS übel. „Ja, das ist nun so", brummte sie, „da kommt der junge Mensch alle Tage und redet so lange um Herrn Professor herum, bis Herr Professor selber munter wird. Und der Doktor sagt, das wäre sehr gut. Aber ich weiß nicht — er ist man so wie ein Licht — und ob's ganz recht mit ihm ist — na, das ist nun so —" „Wenn es dem Herrn Professor nur wohl tut", sagte Helene gepreßt, „das ist ja doch die Hauptsache." »Herrn Professor tat's auch wohl, alS Sie bloß kamen", brnmmtc Frau Winter. Helene ging Ihre Augen standen voll Tränen vor Eifersucht und Schmerz und Zorn auf sich selbst und ihren mangelnden Fähigkeiten, Antipathien niederzukämpfen. Sie war ungefähr beim Triumphbogen angelangt, als ein Schatten neben sie fiel. HanS Sachs befand sich an ihrer Seite. „ES beunruhigt mich doch zu sehr, Sie so allein aus der Straße zu wißen", sagte er und lüftete seinen Hut. „Ich muß ohnehin in Gesellschaft; da hab' ich mich lieber gleich gedrückt." „Und Herr HauSmann?" „Der kann auch mal warten. Alte Herren brauchen nicht immer den Vorrang zu haben vor jungen Damen." Helene blieb stehen. „Herr Sachs", sagte sie energisch, „wenn Sie meinen in letzter Zeit etwas angegriffenen Nerven mohltun wollen, bitte, so reden Sie in einem etwas respektvolleren Tone von einem Manne, der so hoch über uns beiden steht, daß wir unserm Geschick für jede Stunde noch extra banken sollten, in der es uns mit ihm zusammen bringt." ,Hm, hm — bas ist ja die richtige Philippika! Uebrtgens, so hoch über uns? Sie wissen ja noch gar nicht, was noch mal aus mir werden kann!" „Möglich, daß noch mal was Leidliches aus Ihnen wird — aber ein Hausmann nie!" „Uebrigens", fuhr er ungekränkt fort, „ich verehre den alten Herrn gerade so gut wie Sic. Nur ist es meine Art, GefühlSschwelgereien grundsätzlich zu vermeiden und alle Dinge ins Heitere zu ziehen. „Wer scherzt nicht manch mal gern!" „Aber empfinden Sie denn gar nicht, daß Witze, die an etwas Allzuhohes gehängt werden, deplaziert, ja, wie MajestätSbeleidigungen wirken?" „Verehrtes Fräulein", sagte er lachend, „Sie haben da eine kayon (ie parier mit mir, die fast danach klingt, al» hätten Sie gegen mich, den bescheidensten aller Gtaub- geborncn, so was wie eine Aversion — sind Sic etwa eifer süchtig?" Ob sie es war! Aber sie hütete sich wohl, es zu gestehen. Sie lachte bloß, mit ein bißchen Geringschätzung. „Na, bann nicht. NebrigenS bringt mich das aus mein Thema. Ich habe nämlich etwas Ernstliches mit Ihnen zu besprechen. Darum bin ich Ihnen auch so durch Nacht und Nebel nachgestltrmt. Ich bin unter allen Umständen für offene Karten. Die Sachen liegen so: wir beide haben den seltenen Borzua, bet dem al» Menschenfeind ver schrienen alten Hausmann au»- und etnqehen zu dürfen. Ich verdanke diese Auszeichnung der Empfehlung eine» Onkel» — Di« den Vorzügen Ihrer Person. Wie Sie eigentlich an ihn berangekommen sind, ahne (ch nicht. Mit Fragen ist bet ihm nicht viel zu holen. Nun, sch hoffe, Sie erzählen es mir gelegentlich selbst einmal. Etwa» andere» wüßte ich aber gern schon heut«. Vas suchen Sie eigentlich in seinem Hause?" „Wie meinen Sie da»?" fragte st« kalt. „Nun, man handelt doch nie ohne einen gewißen Plan. Man hat doch bei allem, wa» man tut, Gründe . ... Zwecke . . . Verständnislos sah sie zu ihm auf. „Ich sehe, ich muß Ihnen zu Hülfe kommen", fuhr er munter fort. „Bitte, gestatten Sie mir Offenheit dabei. Wenn ich Sie wäre, so würden drei Möglichkeiten für mich in Frage kommen. Tine Möglichkeit rangiere ich zwar gleich wieder aus, obwohl sie mir natürlich zuerst einfiel. Beerben wollen Sie ihn nicht. Dazu sind Sie ersten» zu edel, zweitens scheinbar selbst in zu guter Assiette." Sie erstarrte fast vor Zorn. „Wetter!" sagte sie bebend. „Aber wie steht's mit der -wetten Möglichkeit? Wollen Sie ihn heiraten?" Ganz harmlos fragte er eS hin. „Sie schweigen. Na, so abnorm wäre der Gedanke doch nicht! So was kommt doch vor. Vielleicht sind Sie seine Ulrike von Levctzvw, bloß energischer und — vernünftiger als diese. Meinethalben können Die eS auch ruhig tun. Ich hätte nichts dagegen, vorausgesetzt, baß Sie mich nicht ans dem Hause würfen und ich im Bunde der dritte bleiben dürfte." Helene blieb abermals stehen. „Ahnen Sie eigentlich", fragte sie atemlos, „wie brutal Sie sind?" Er lachte. „Wie theatralisch Sie gleich werben, Fräu lein Helene — um so ein paar harmlose Fragen!" „Bitte, gehen Sie! Ich rate Ihnen, daß Sic gehen", rief Helene außer sich. „Ich gehöre ja wohl zu den Sanft mütigen — aber nur, so lange ich nicht zu stark gereizt werde. Wenn ich loSbreche, so stehe ich für nicht». Gehen Sie!" „vis zu Ihrem Hause. Bester Himmel, ich habe Die ja gar nicht ausregen wollen. Wa» Sie für ein rohe» Ti sind! Nun, ich glaub's Ihnen ja! Dann wollen Sie ihn also nicht heiraten? Eilen Tie doch nicht so! Sie sind ja ohnehin gleich am Ziel — und ich mutz doch noch meine brüte Frage stellen." „Ich bitte Sie, verlaßen Sie mich!" „Daß Die Malerin sind, weitz ich", fuhr er ganz sachlich fort — „sicher auch Schriftstellerin. Da» sind ja alle Mäd- chen heutzutage. Oder wenn Sie'» noch nicht find, so wollen Sie'» jedenfalls werben! Und darum gehen Eie wohl so gern zn Haußmann, weil Ei« später mal ein Birch über ihn schreiben «ollen? Eie sammeln Etoff? Et« wollen ihn literarisch au»schlachten, wie man da» nennt." „Ach!" rief Helene. Sie war am Ende ihrer Beherr schung. Sie konnte nicht mehr vor Zorn. Sie hob ihre weiße Rechte krampfhaft, wie zu einem Schlage empor. Was als Möglichkeit auf der Schneide der nächsten Se kunde schwebte, trat jedoch nicht in die Erscheinung, denn Hans Sachs griff lachend nach Helenens Handgelenk. „Die sind aber schneidig!" rief er, „alle Achtung!" Sie entwand ihm ihre Hand und verschwand aufatmend in der Haustür. HanS Sachs stand im Mondenlicht wie festgebannt. Dergleichen war ihm noch nicht passiert. Schade fast, daß er den Druck ihrer weichen, weißen Hand nicht auf seinem Angesicht gespürt hatte, apart wäre eS gewesen! Un- eine Ltedstrophe fiel ihm ein: „Was kümmert einen Helden Ein Tcmbenflügelschlag?!" Er begriff nicht, warum seine Fragen sic in dem Matze aufrcgten. Er hätte ja in allem nicht» Schlimmes gefun den — im Heiraten nicht, noch im Beerben oder Au»- schlachten. Sie faßte eS alS Beleidigung auf. Han» Sachs war mit seinem leichten, schnoddrigen Ton, mit dem er im Grunde nicht» Böses meinte, einmal an die Unrechte ge kommen. Helene hatte ihm vom ersten Begegnen an gefallen. Ein junges Mädchen war ihm an sich natürlich wett lieber al» ein alter Herr. Bon diesem Aoend an war er in sie verliebt. Vergnüglich trällernd schlenderte er durch die Nacht davon. * * * Helene sah fortan keine Möglichkeit mehr, zu Haus mann zu gehen. Sie fühlte: ihr Heiligtum war für sie versunken. Zweimal kamen Briefe von ihm, an Hans Sachs diktiert. Nachträglich schien der junge Mann nicht zu sein. Sie entschuldigte sich mit einer starken Erkältung und ging nicht hin. Wa» waren auch die Feierstunden noch, wenn dieser ewige Mitzton in ihnen erklang?! (Fortsetzung folgt.)
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