Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190205112
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- OAI-Identifier
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-11
- Monat1902-05
- Jahr1902
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanuahme 25 H (excl. Porto). Trtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung >«l 60.—, mit Postbefördenmg .M 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 238 Sonntag den 11. Mai 1902. 96. Jahrgang. Aus der Woche. Graf GoluchotvSki hat dem deutschen Reichskanzler in den österreichischen Delegationen bezeugt, daß dieser weder durch seine Reichstagsrede über die modificirle Tragweite deS Dreibundes, noch durch die Beantragung von Mindestzollsätzen da- mitteleuropäische Bündniß compromittirt und ruinirt habe. Letztere Feststellung ist unseren handelspolitischen Links extremen sehr fatal, und da man einen fremden Minister füg lich nicht dafür tadeln kann, daß er der heimischen Regierung freundlich und nicht ohne Anerkennung begegnet, fo wird Graf Goluchowski von der Presse der erwähnten inländischen Richtung entgegen der Gewohnheit sehr kurz abgethan. Die Herren hätten ja einen Anhaltspunkt, ihrem Unwillen Luft zu machen. Sie brauchten nur Vorwurf zu erheben wegen deS RückverstcherungSabkommens mit Rußland, das Golu chowski 1897 abgeschlossen hat und von dem er diesmal nicht nur ungescheut, sondern mit besonderem Nachdrucke sprach. AIS bekannt geworden war, daß Fürst Bismarck in ähnlicher Weise die internationale Position des deutschen Reiche- ergänzt hatte, da wetteiferte der deutsche RadicaliSmuS aller Schattirungen mit der deutschfeindlichen Presse des habsburgischen Staates, den deutschen Minister der Un aufrichtigkeit, ja deS Trrubruches zu beschuldigen. Aber der eigenartige Patriotismus der deutschen Demokratie scheint es zu gebieten, dem Fremden zu verzeihen, weswegen der eigene Kanzler, dem freilich da- fortgesetzte Verbrechen zur Last fiel, ein überlegener Geist zu sein, aufs Aergste mitgenommen wurde. Bon dieser innerdeutschen Begleiterscheinung abgesehen, sind die Bemerkungen deS österreichisch-ungarischen Ministers über daS Verhältniß seines Reiches zu Rußland auch dadurch auffällig, daß der Grad ihrer Hervorhebung erheblich von dem ab sticht, was derselbe Staatsmann Uber denselben Gegenstand bei der vorletzten Gelegenheit geäußert hat. Damals schien er das Abkommen geflissentlich etwa- bagatell mäßig behandeln zu wollen, heute mißt er ihm große Bedeutung bei. Daraus darf man Wohl schließen, daß die entscheidenden Stellen in Petersburg zur Zeit ebenso ernstlich wie die in Wien gewillt sind, die am Balkan glimmenden Gluthen nicht als Feuer säulen emporschlagen zu lassen. Daß die Lage dort an sich bedrohlich ist, hat Graf Goluchowski mit bemerkenS- werther Deutlichkeit anerkannt. Für Deutschland gilt zwar nach wie vor die Regel von den Knochen des pommersche» Grenadiers, welche die europäische Orientfrage für uns nicht werth ist, aber Beachtung verdienen die unterirdischen Vor gänge schon deshalb, weil sie nicht zu dem an manchen heimischen Stellen mit Vorliebe docirten Dogma passen, die „Weltpolitik" habe den europäischen Fragen daS Lebenslicht auSgeblasen. Die drei Berliner Parlamente sind in die Ferien gegangen, daS Herrenhaus zuletzt und nicht ohne vorher eine Aufmerksamkeit, die dieser Körperschaft selten gegönnt wird, auf sich gezogen zu haben. Von einem politisch wie kirchlich gleich reaktionären Mitgliede wurde wieder einmal der in Preußen bei der Ausbildung der evangelischen Theologen noch immer geübte Verzicht auf die Abrichtung nach jesuitisch-ultramontanem Muster als die Quelle aller Uebel denuncirt und ein hoher und nach ihm ein erlauchter Herr zogen sich — seltene Fälle in diesem Hause — den Ord nungsruf »u, weil sie den Ton, den die polnischen Abgeord neten im Reichstag und im Abgeordnetenhause anzuschlagen belieben, nachgeahmt und mit etwas zu viel Geschick ge troffen hatten. Von den beiden Herren steht der eine noch in höchster Gunst, des andern, deS Herrn v. KoS- cielSki, Beliebtheit ist einst, man kann wohl sagen „sprich wörtlich" gewesen. Er galt als der berufene paeitioLtor ?oIoniLS in Preußen, und da man einem Manne solcher Mission di« Wege ebnen zu müssen glaubte, so wurde die Polen politik inaugurirt, die den Namen der Caprivischen trägt. Cs hat ziemlich lange gedauert, bis man erkannte, daß der Vertrauensmann der Regierenden in Wahrheit als eifrigster Agent und Vorkämpfer der LosreißungSpropaganda functionirte, und dann wurde Herr KoSzielSki offen, waS er, mit dem Hofkleide angcthan, im Geheimen stets gewesen. Er ist als Vertrauensmann abgethan, aber die mit ihm ge machten Erfahrungen haben noch lange nicht die Erkenntniß gezeitigt, daß das national völlig gleichwerthige Centrum es genau so wie er machen wird, wenn e» einmal nicht mehr in seiner herrschenden Position gehalten zu werden vermag, was die Umstände doch mit sich bringen können. Die Geschichte deS Herrn von KoScielSki ist nur ein un verkennbarer, aber keineswegs der einzig« Beweis für die Unmöglichkeit, eine „Versöhnungspolitik" mit Erfolgen zu führen, wie die deutsche und die preußische Regierung sie ver- nunftaemäß anstreben muß. Vielleicht, daß demnächst auch die Welfen mit so drastischen Ergebnissen aufwarten, wie der einstmalige polnische „Flottenagrtator" eine- ist. Wir gaben dieser Tage einen Bericht auS dem Wahlkreise Celle wieder, in dem eS von den Welfen dieses Bezirk- hieß: „Sie waren in früheren Jahren nicht sonderlich zahlreich, in den letzten Jahna aber ist da- anders geworden. Selbst in der Stadt Leh«, der volkSnichsten Ortschaft de« Kreise«, haben sie Raum ge- Wonnen und sich in mehreren Club» kräftig organisirt." Dieser Bericht stammt nicht au« dem wefischrn Lager, dennoch führt er ganz trocken eine für Nationale geradezu erschreckende Thatsache au.' DaS rührt daher, daß die Deutschgesinnten in der Provinz Hannover sich wegen der Fortschritte de« WelsenthumS zwar mehr als je sorgen, sich über sie aber nicht mehr wundern. „Früher waren sie nicht sonderlich zahlreich, in den letzten Jahren ist das ander« ge worden." Diese Feststellung spricht Bände. Diese Jahre de« welsischen Vordringen« sind Jahre verstärkter gouvernementalrr Gewinnungsversuche gewesen, der Wieder belebung der „hannoverischen Armreübrrlieferuna", der Cajo- lirung von Welfenführrrn und anderer Dmge, die man dem ersten „Versöhnung«'-Schlaae,der von einem ganz andern alSdem beabsichtigten Erfolg begleiteten Aushebung deS WelfenfonvS, folgen ließ. Und solche Entwickelung fördert man in Hannover, wo man doch wohl die bestehenden staatsrechtlichen Zustände von oben nicht ändern will. Da ist eS nicht erstaunlich, wenn in Braunschweig, wo Entscheidungen getroffen werden onnen und Entscheidungen sehr verschiedener Art möglich ind, der von Berlin auS nicht ohne Pflege gebliebene Gedanke der Zurückführuog eines Welfen auf einen deutschen Thron reißend mehr um sich greift. Im Reick Stag ist in der letzten Sitzung vor der Ver- tagung ein Ton angeschlagen worden, wie er selbst in diesen Zeiten de« parlamentarischen Niederganges nicht oft gehört wurde. Hand in Hand ging ein Mißbrauch >er Geschäftsordnung so unentschuldbar, wie er über haupt noch nicht erlebt worden ist. Diesmal hat aber nicht die Absicht der Verschleppung der Arbeiten, der Obstruktion, überwogen, sondern das Verlangen nach allgemeiner Diätengewährung. Und auch hier hat die Linke nicht um daS Princiv, nicht um die politische Zweckmäßigkeit geschrien, ein Theil ihrer Redner ver- rieth das nackte persönliche Habenwollen und mußte bei der Sprache der viehhaltendrn Landwirthe eine Anleihe machen, um richtig zu bezeichnen, um waS eS sich gehandelt hat. Die Politiker, die aus sachlichen Gründen Diäten eingeführt wissen möchten, sind durch diesen Verlauf der Debatten gewiß in Bel egenheit gesetzt worden, und wenn es so weiter geht, so kann es geschehen, daß solche Mitglieder des Hauses, für die aller dings Tagegelder der Güter höchstes nicht darstellen, sich nicht getrauen werden, für Diäten einzutreten. Der Krieg in Südafrika. Dex Friede der Boere«. Gewissermaßen als Sie Antwort der Bocrcn auf die Rede, mit -er Lord Salisbury in der Jahresversammlung der Primrose League in -er Sicgerposc Chamberlain s und mit -em ganzen brutalen Hochmuth des Engländers Oer Kriegslage zum Trotz wieder einmal über das Schicksal Oer Bocrcn bestimmt hat, möchten wir jene Proclamation Oer Boeren-Regicrungcn in Südafrika veröffentlichen, die Ocn Abschluß der vorjährigen Ariedensver handlung en -arstellt, gleichzeitig aber auch, wie die Correspvndcnz „Nederland" überzeugt ist, für alle Zeiten den Staudpunct der Bocrcn in der Frage des Friedens authentisch klarlcgt: uncrschüttcrt und unerschütterlich, wie er cs für die todesmuthigen Freiheitskämpfer stets gewesen und auch am 18. Mai sein wird. Die Proclamation, die den Bocrcn im Felde durch eine amtliche Beilage zur Nr. 8 der „Brandwacht", einer seit Beginn des Krieges in zwangloser Folge erst in Fouries- burg erschienenen und heute noch „to volcks" erscheinenden boerischen Zeitung, kund gemacht worden ist, lautet in der Ucbcrsctzung lso wörtlich als möglich): Allgemeine Kundgebung. Watcrval, Distr. Standerton, S.-A. R., 20. Juni 1901. Da Seine Hochcdeln Staatspräsident Krüger und die Sondergesandtschaft in Europa nichts dircct von unserer Regierung vernommen haben seit der Conferenz zwischen Gcneral-Commandant Louis Botha und Lord Kitchencr zu Middelburg, und die Regierung -er S.-A. R. es aiö rathsam erachtet, daß sic in Kenntniß gesetzt und wohl unterrichtet werden von -er Lage der Dinge hier, so wurde auf Ersuchen des Gcneral-Commandantcn und mit der wohlwollenden Zustimmung Lord Kttchcncr's ein geheimes Telegramm abgesandt, worin die Gcsammtlage unserer Sache genau dargclcgt und absichtlich in das dunkelste Licht gestellt wurde, zu dem Ende, von Seiner Hochcdeln und der Sondergcsandtschaft die angemessene Antwort zu erhalten. Hierauf theilte Seine Hochcdeln uns mit, daß er und die Sondergesandtschaft noch volle Hoffnung auf einen günstigen Ausgang unseres Kampfes hegten, daß wir nach den gebrachten materiellen und persönlichen Opfern den Streit fortsetzen müssen und daß von ihrer Seite alle Maß regeln bereits getroffen seien und noch getroffen würden für die gute Versorgung der gefangenen Frauen und Kin der und der Kriegsgefangenen in der Fremde. Zur Besprechung und Erwägung dieser Antwort Seiner Hochedcln wurde von den Regierungen -er beiden Re publiken eine Conferenz bestimmt, in der auch Hauvt-Com- mandant C. H. De Wct, Gcneral-Commandant Louis Botha und Gcneralcommandant-Assistent F. H. -e la Rey anwesend waren. Nach einer erschöpfenden Klarlegung der Lage in den Kriegs-Abtheilungen, vertreten durch ihre Hauptofficiere. und einer gründlichen Besprechung unserer ganzen Sache durch beide Regierungen wurde, im Einvernehmen mit den genannten Hauptofficteren, von beiden Regierungen fol- gcnder Beschluß gefaßt: „Die Regierungen der S.-A. R. und deS O.-F.-S. be schließen im Einvernehmen mit den genannten Hauptoffi- eieren und unter Berücksichtigung deS günstigen Berichts Seiner Hochedcln deS Staatspräsidenten Krüger und der Sondergesandtschaft im Ausland nnd weiterhin in Rück sichtnahme auf den guten Fortgang unserer Sache in den Colonien, wo unsere Brüder dem gräßlichen Unrecht, das den Republiken zugefügt wird, und dem Raube ihrer Un- abhängigkeit sich mehr und mehr Wiedersehen; in Rücksicht nahme ferner auf die bereits für unsre Sache gebrachten zahllosen persönlichen und materiellen Opfer, die alle cnt- wcrthct und vereitelt würden durch einen Frieden, bei dem die Unabhängigkeit der Republiken preisgegeben würde; iu Rücksichtnahme ferner aus die Gewißheit, daß der Verlust unserer Unabhängigkeit nach den bereit» verübten Ver wüstungen und den erlittenen Verlusten den nationalen und wtrthschaftlichen Untergang unseres ganzen Volkes nach sich ziehen würde; nnd vor Allem in Rücksichtnahme ans den Geist felsenfester Ausdauer, von dem noch die über wiegende Mehrheit unseres Volkes, Frauen und Kinder sowohl wie Männer, beseelt sind und worin wir mit dank barer Erkenntniß die -and -e- allmächtigen Beschirmers sehen: „ D a ß k c in Frie de g es ch l v s s e n w cr - c n nn d keine Arie d e n S b e - i n g u n g e n angenom men rgerbe» follen, bet denen unsere Un ¬ abhängigkeit und unser selbstständiges Volksthum oder die Interessen unserer colonialen Brüder preisgegeben würden, und daß derKrieg nachdrücklich fortgesetzt werden sollunter Anwendung aller Maß regeln, die auf die Behauptung dieser Un abhängigkeit und dieser Interessen be ¬ rechnet sin d." M. T. Steijn, Staatspräsident O.-F.-S. S. Burger, Wahrn. Staatspräsident S.-A. R. Deutsches Reich. * Leipzig, 10. Mai. Unter der Spitzmarke „Rechts streit der Reicksverwaltung" druckten wir am l. vor. MtS. eine Auslassung der halbamtlichen „Berliner Corresp." ab, in der die Stellung der Neichsverwaltung in einem Proceß zwischen ihr und dem Dortmunder Mosaik-Fabrikanten Leistnrr wegen der Beschaffenheit des Mosaik-Bodens auf dem Platz am Nationalvenkmal für Kaiser Wilhelm I. dargelegt wurde. Es ist uns in Folge dieses Abdrucks von Herrn Leistner unter Berufung auf daS Preßgesetz eine „Berichtigung" zugegangen, die wir, abgesehen von ihrer ungesetzlichen Form, schon wegen einer in ihr enthaltenen Bezichtigung deS Reichsamts des Innern wörtlich wiederzugeben gar nicht in der Lnge sind. Wir wollen trotzdem einige positive Angaben deS Herrn Leistner ausnehmen, jedoch nicht ohne unser Bedauern darüber auszusprechen, baß so bäufig offenbar deS Gesetzes unkundige Interessenten die Presse in wenig höflicher Form zu „Berichtigungen" unter ausdrücklicher Berufung auf das Gesetz mit untauglichen Mitteln zu zwingen versuchen, wo ein freundliches Ersuchen weit besser am Platze wäre. — In der Zuschrift des Herrn Leistner heißt eS: „Aus den Artikel Ihrer Zeitung vom 1. er. mit der Ueberfchrift „Rechtsstreit der Reichsverwaltung" habe ich zu erwidern, daß auch meine Absicht nicht dahin geht, durch öffentliche Er örterungen dem Schiedsgerichte vorzugreifrn. Die Artikel in den Berliner Blättern rühren auch nicht von mir her, wohl habe ich das Gutachten des Herrn Königlichen Bauraths R. Cramer in Berlin den interessieren Kreisen zugänglich gemacht. Mein Vorwurf (soll heißen: der mir gemachte Vorwurs) der Verschleppung des Verfahrens beruht hauptsächlich darauf, daß auf meine am 12. Juli 1900 eingereichte SchledS- gcrichtsklage der erste Termin zur Verhandlung erst eis Monate und sieben Tage später, am 19. Juni 1901, anberaumt worden ist. Durch die Ablehnung eines Schiedsrichters ist das Verfahren auf ca. drei Monate nur verzögert worden. Von anderen Gutachten, welche mit dem der Herren R. Cramer-Berlin und C. Liebold-Holzminden im Widerspruche stehen, ist mir nichts bekannt. Die Aeußerungen der von der beklagten Behörde dem ReichSamte deS Innern herangezogenen technischen Beamten kann ich nur als Parteibehauptungcn, nicht als Gutachten ausehen." i?. Berlin, 10. Mai. (Die fünfjährige Legislatur periode und daö Interesse am parlamentarischen jeden.) Graf Mirbach hat der „Voss. Ztg." einen Gefallen gethan, als er jüngst im Herrenbause den Rückgang des Interesses am parlamentarischen Leben auf die Verlängerung der Legislaturperiode zurückführte. Das genannte freisinnige Blatt knüpft an diese Stellungnahme des Grafen Mirbach die Behauptung: „DaS Interesse im Volk erschlafft, wenn auf Jahre hinaus keine Aenderung zu erhoffen ist; diejenigen Parlamentarier, die, zumal infolge der Diätenlosigkeit, kein Mandat wieder anzunehmen gedenken, büßen die Rührigkeit ein; das ganze politische Leben steht unter einem lähmenden Druck." — Von einem Nachlassen der „Rührigkeit" bei der Mehrzahl unserer Parlamentarier wird mit Recht kaum gesprochen werden dürfen. Wer überhaupt den Reichstag besucht — und dieser Besuch ist von der Dauer der Legis laturperiode sicherlich in letzter Linie bestimmt —, zeigt in einer sehr großen Anzahl von Fällen viel weniger Mangel als Ueberfluß an Rührigkeit; und gerade der Ueberfluß an langen Reden und Anträgen ist es, der zur Verminderung deS Interesses am parlamentarischen Leben am meisten bei trägt. WaS aber die Meinung anbelangt, daß bas Interesse am parlamentarischen Leben deswegen erschlaffe, weil auf Jahre hinaus keine Aenderung zu erhoffen sei, so lehrt ein Rückblick auf die Ersatzwahlen zum Reichstage, was von der Richtigkeit jener Auffassung zu halten ist. Je häufiger die Reichstagsersatzwahlen sind, um so weniger kann die gedachte Meinung für sich haben. Wie eS seit den letzten allgemeinen Wahlen im Puncte der vermeintlich auf Jahre hinaus bestehenden AenderungS- ostgkeit in Wirklichkeit bestellt ist, läßt die folgende Ueber- sicht erkennen, die noch dazu auf Vollständigkeit keinen An- pruch macht. Bereit« im Jahre 1898 waren 4 Ersatz wahlen nöthig: in Pyritz-Saatzig, Nienburg, Kreuznach, Schaumburg-Lippe. Im Jahre 1899 mußten 12 Ersatz wahlen staltfinven, nämlich in den Reichstagswahlkreisen Berlin II, Berncastel, Melle-Diepholz, Emden-Norden, Straubing, Pirna, Beuthen-Tarnowitz, Eßlingen, Schlett- stadt, Germersheim, Amberg, Offenburg. Im Jahr« 1900 haben sogar 15 Reichstagsersatzwahlen stattgefunden, nämlich in Deggendorf, Aschersleben, Aurich, Nürnberg, Brandenburg. Waldenburg i. S., Einbeck-Northeim, Bayreuth, Mülhausen im Elsaß, Wanzleben, Rinteln-Hofgeismar, Berlin VI, Randow-Greifenhagen,Paderborn-Büren, Meseritz-Bomst. Fast ebensoviel NeichStagSersatzwahlen, 14 an der Zahl, wurden im Jahre 190l erforderlich. Cs war dies der Fall in den Wahlkreisen Memel-Heydekrug, Posen-Stadt, Greifswald- Grimmen, Duisburg-Mülheim, Aachen, Neuwied, Otlweiler- St. Wendel, Wiesbaden, BreSlau-West, Schwemitz-Wittrn- berg, Hadersleben, Schleswig, Döbeln, Schaumburg-Lippe. Im laufenden Jahre sind bereit« 7 ReichStagSersatzwahlen nothwendig geworden: im Siegkreis, in Elbing-Marienburg, Saarbrücken, Em«, Rastenburg, Celle-Gifhorn und Bayreuth. Demnach hat seit 1898 in mehr al« einem Achtel aller Reichs- tagSwahlkreise eine Neuwahl stattsinden müssen. Die Erfahrung hat hierbei gelehrt, daß die Wahlbetheiligung in der Regel im Vergleich mit der bei der Hauptwahl zurückging. Statt daß also die Möglichkeit, eine Aenderung ,n der ReickStazS- vertretung herbeizuführen, daS Interesse des Volks am Parlamentarismus belebt hätte, war im Allgemeinen daS Gegentheil wahrzunehmen. Ueberraschen konnte diese Er scheinung um so weniger, je größer die Häufigkeit von Wahlen in Deutschland überhaupt ist. Werden in dieser Hinsicht, ab gesehen von den ReichStagSwablen, bei den Landtag-Wahlen, den Wahlen zu Provinzial- und Gemeindevertretungen, sowie zu sonstigen öffentlichen Körperschaften, hohe Anforderungen an die Wählerschaft gestellt, so ist nicht abzusehen, wie die kürzere Legislaturperiode im Parlamente jene belebende Wirkung auS- üben sollte, die Graf Mirbach in Uebereinstimmung mit dem Freisinn sich davon verspricht. -4- Berlin, 10. Mai. (Prüfung der Dolksschul- Lesebücher durch die Regierung.) Da die demnächst einzuführende neue Rechtschreibung zu Neudrucken der VolkS- schul-Lesebücher führen muß. hat der preußische CultuSminister den augenblicklichen Zeitpunkt für besonder« geeignet erachtet, eine Verbesserung des Inhaltes der Bolksschul-Lesebücher an zuregen. Minister Studt fordert daher durch einen vom 28. Februar dieses Jahres datirten Erlaß sämmtliche Regierungen zur Prüfung der Volksschul-Lesebücher auf und giebt allgemeine Gesichtspunkte an, unter denen die Bücher im Hinblick auf die ihnen zur Zeit anhaftenden Mängel geprüft werden sollen. An die Spitze dieser GesichtS- puncte stellt der CultuSminister den, die Eigenart der durch natürliche und geschichtliche Kräfte ent wickelten Landschaften auch in den VolkSschul-Lese- büchern — unbeschadet der Rücksicht auf den aesammten preußischen Staat nnd daS deutsche Reich — zum Ausdruck zu bringen. Nächstdem wird im Interesse des confessionellen Friedens gefordert, daß auS den VolkSschul-Lesebüchern Alles serngehalten werde, was an Bekenntnißstreitigkeiten erinnern könnte. DaS Lesebuch soll ferner der Beschäftigung und Lebensweise der Bevölkerung gerecht werden, deren Kinder e« benutzen. Inhalt und Ton der Lesestücke sollen einen gesunden Realismus ausweisen, dem Stoff, nach muß daS Lesebuch ebensowohl schöngeistige«, wie realistisches Material umfassen. Die einzelnen Beiträge haben sich auf das Leben des Einzelnen an sich und innerhalb von Familie, Gemeinde, Kirche und Staat zu erstrecken. Preußen in seiner geschichtlichen Entwickelung und das Reick mit seinen über das Meer hinauSdrängrnden wirthschaftlichcn Bestrebungen sollen ausgiebig behandelt werden; diesem Stoffe wird wegen seiner unmittelbar wirkenden sittlichen und religiösen Kraft der breiteste Raum gewährt. Alsdann erfährt das Leben der Natur auf den Gebieten der Geograpbie, Zoologie, Botanik. Chemie und Physik eingehende Berücksichtigung. Die Gesammtheit der Stoffe soll in erster Linie der Erkenntniß der Wirklichkeit und der Ausbildung des Unheils, in zweiter Linie der Ausbildung von Pbantasie und Gefühl dienen. Nicht nur auS der elastischen Literatur, sondern auch aus den neuesten literarischen Erzeugnissen, und zwar ebenso der Buch-, wie der Zeitschriften- und Zeitungsliteratur, sollen dem kindlichen Verständniß zugängliche Stücke entnommen werden. Dabei sind Veränderungen der Form nur in den dringendsten Fällen und soweit sie den Sinn nicht beeinflussen, gestattet; bei Dichtungen sollen sie ganz fortbleiben, da jene ihren poetischen Gehalt sonst einbüßen. An Bildern dürfen nur gute und nur von solchen Vor gängen nnd Gegenständen ausgenommen werden, die nicht im Vorslellungskreise des Kindes liegen. D Berlin, 10. Mai. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Wir traten schon einmal der Legende entgegen, uack der von dem Kaiser dem verstorbenen Abgeordneten vr. Lieber Anerbietungen wegen Verleihung von Ordens-Auszeichnungen oder eine« höheren Amtes gemacht seien. In den letzten Tagen wurde abermals in der Presse erzählt, der Kaiser habe 0r. Lieber Orden und schließlich auch den Oberpräsidentenposten in Cassel angeboteu: wir wiederholen deshalb, daß alle Behauptungen über Aner bietungen, die der Kaiser dem verstorbenen Centrums führer di ree t oder indirect gemacht habe, gäustich ans der Luft gegriffen sind. T Berlin, lO. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs- anzeiger" bringt anläßlich deS morgigen 50jäbrigcn Amts- jubtläums des Reichsgerichtspräsidenten Wirklichen Geheimen Rath v. Lchlschlacgcr einen Artikel, der die „an Arbeit wie an Erfolgen ungewöhnlich reiche Laufbahn, auf die der Jubilar an diesem Tage zurückblickt", schildert und mit den Worten schließt: „Weite Kreise des deutschen Volkes werden an dem Ehrentage deS ersten Richters warmen und verdienten Antheil nehmen". — Im vergangenen Februar erschien in der „Deutschen Revue" eine von Viceadmiral z. D. Livonius verfaßte Betrachtung, in -er die englische Marin e, im Ver gleich zu der deutschen, sehr schlecht weg kam. Der erwähnte Artikel erregte in England Aufsehen. Der deutsche Ma rin c - A ttach 6 hat nun dieser Tage die (Yclegenheit einer Versammlung der Royal United Service Institution benutzt, nm in einer Erklärung, die der DlScussion über einen Vortrag des Admirals Fremantle voransging, gegen Admiral Livonins geltend zn machen, daß dessen Ansichten keineswegs mit denen der activcn deutschen Marine -Okfletcre lt verein st i m m t c n. Die Erklärung des deutschen Attaches lautete folgendermaßen: „Admiral Fremantle hat zu Beginn seines vorzüglichen Vor trages eine Broschüre erwähnt, die vor einiger Zeit von dem deutschen Admiral LivoninS geschrieben wurde. Ta der Inhalt dieser Broschüre in verschiedenen englischen Zeitungen und Zeit- sckiriftcn in der letzten Zeit eingehend erwähnt nnd besprochen wurde, möchte ich ronstatiren, daß Admiral Livonius uichtzu dcnactiven Officiereu derbe utscheu Marine gehört. Cr schied vor einigen 20 Jahren ans dein Ticnsie aus und Hal, soviel ich weiß, seit dieser Zeit mttderFlotte wenig Fühlung gehabt. Da feine Ansicht pon der
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