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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020602012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-02
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svso eisen hätte, da er mir denn zur Antwort gehen, er hätte kein Belleisen, und wenn er auch eines hätte, ginge mich solches nichts an, daraufs ich ihn wiederum antwortete, cs verlangte solches der Herr Ober-Postmeister in das Post - Amt und er solle das Belletscn nur nehmen und mit mir htnaufs gehen, welches er aber durchaus nicht thun wollen, er hätte mit seinem Vellcisen in Posthause nichts zu thun, zu dem würde er heute nichts auspacken und bestellen laßen, weil er vor das erste müde, und auch lnur) ein Pa- quet, welches nicht etwan 4 Gr. werth wäre, bey sich hätte, und mit dieser Antwort fertigte er auch Herrn Zollers und Herrn Pfund und Beyer s Jungen ab. Ich erinnerte ihn abermahlS, er möchte mich nicht aufhalten, sondern machen, -aß wir in das Posthauß kämen. Was ich zuvor vor Ant wort bekommen, erhielt ich wieder, mit dem Anfang, und wir kriegten heute nichts, er thäte, was ihn seine Herren besohlen hätten, trat auf mich zu, schlug mit beyden Händen mir vor die Nase, schlug mit Schntpgen, daß ich nicht anders dachte, es würde mich der Bothe in die Augen schlagen, und sagte, was ist das vor sanier, das ist nicht rechtschaffen, daß man mir auf der Straßen aufpaßen läßt, und ihr krieget -och das Belletsen nicht. Weil mir nun wohl wißend, daß , die Aufpaßung keines Weges geschehen, ich auch nicht leiden kunte, daß mir gedachter Bothe in vollem Eyfer so vor dem Gesichte herum spiclete, indem ich immer mich eines Zu schlages befürchten mußte, gretffe ich endlich nach ihn, daß er 2. Schritte zurück weichen mußte, sagende, bleibet mir von Leibe, und ihr must anietzo thun, es ist auch von -cm Herrn Bürgermeister befohlen worden, daS Vellcisen ins Amt zu bringen, und dieses will ich anietzo haben, ihr müst euch dem unterwerfen, was euch -er Herr Bürgermeister be- fehlen laßen und man hier haben will, woraufer immer stärler zu reden anfing, sich auch gegen den Wirth, so nebst noch einen an den Tische saß, wendete und auf das neue wieder anfing, cs ist nicht recht, -aß man einen rechtschaffenen Mann auf der Straße aufpaßen läst, erzehlete auch, was er von seinen Oamerackou, wie es ihn hier ergangen wäre, ge höret hätte. Ich fiel ihm etliche mahl in die Rede, mit den Vermahnen, er solle nur schweigen, dann ich mich mit ihn in keinen Zanck mehr cinlaßen würde, ich hätte, was ieyo passii-et, solches den Herrn Ober-Postmeister hinter bringen lassen, und würde sich solches bald anders zeigen,' weil er aber nicht aufhören wolle, die Antwort aber von dem Herrn Ober - Postmeister mir zu lange blieb, gieng ich endlich, weil ich nicht mehr stille schweigen kunte, lieber davon, und hinterbrachte solches den Herrn Ober-Post- meister alles selbst mündlich." Gegen zwei solche Protokolle aus der Feber zweier amt licher Zeugen scheint man auf Seiten der Gegner denn doch nichts einzuwenden vermocht zu haben. Die Kaufmann schaft eröffnete dem Rathe, sie wolle sich „desjenigen Streits, so der Herr Ober - Postmeister Käß mit dem Nürnberger Stadt-Bothen haben mag, vorietzo nicht anmaßen, son dern sie beydc zusammen laßen, nicht zweifelnde, es werde besagter Bothe und dessen krineipalen, von denen er cks- penckiret, ihre zur«, in so weit sich solche bey Annehmung und Abgebung der Briffc so wohl alhier, als in Nürnberg erstrecken möchten, selbst auszuführen wißen." Der „Fall" hat viel Staub seiner Zeit ausgewirbelt, und die Gelegen heit wurde ausgiebig ausgenützt. Alles von der Leber weg zu berichten, was man an Uebelständen im Leip ziger Po st Hause wahrgenommen haben wollte. So beschwerte man sich, daß für Briefe, auf denen der Vermerk „kranoo" stehe, doch noch einmal Porto erhoben werde, und daß die Abkürzung „kro" für kranco in „oitä" gefälscht werde, um ebenfalls Nachzahlung zu erpressen. Die Boten, die die Briefe aus dem Posthause für ihre Herrschaft holen wollten, hieß es weiter, würden öfters mit „großem Unge stüm" angefahren und mit Schlägen bedroht. Die Postbe dienten hätten ferner die freundliche Gewohnheit, denen, die die Beamten „nicht genugsam respeetireten" und ihnen nicht gleich an Porto zahlten, was begehrt wurde, die Briefe aufdie Gasse hinauszuwerfen. „Uebcr andere Beschwerden, die man vorietzo beliebter Kürtze willen zu reoonsiren anstehet, dieses kömbt, Laß, wenn Brieffe einlauffen, worinncn ein Einschlag gemerket würde, selbige ganz künstlich ohne Verletzung des Siegels aufge- machet, der eingeschlagene Briefs herausgenommen und her nach von ieden das Porto absonderlich gefordert werden." Es sind theilweise schwere Beschuldigungen, die da er hoben wurden. Es müssen — selbst wenn man diese Be schwerden als arg übertrieben hinstellen möchte — doch selt same Zustände in jener Zeit geherrscht haben, die eine ge steigerte Erbitterung im Publicum zu erzeugen fähig waren. Wir Kinder des zwanzigsten Jahrhunderts vermögen uns solche Verhältnisse nur schwer vorzustellcn! (* ?*) Die Frauen-Lewegung in Amerika. Von der „Illinois Association", der Gegnerin der Aus breitung des Frauen-Stimmrechts, wird uns geschrieben: Die Frauen-Bcwcgung begann in Amerika erst im 19. Jahrhundert, bald nach der Revolution, mit der ganz allgemeinen Forderung nach besseren Gelegenheiten für die Erziehung der Frauen. Die Begründung weiblicher Er ziehungsanstalten und der Eintritt der Frauen in die er zieherischen, literarischen und Berufs-Thätigkeiten gehörten zu den charakteristische» Zeichen der ersten Hälfte des Jahr hunderts. Im Jahre 1848, -em Jahre -er socialen Revo lution in Europa, wurde in diesem Lande die Idee von den sogen, politischen Rechten der Frauen durch den Aufruf einer frauenrechtlerischcn Vereinigung vor die Oeffcnt- lichkeit gebracht. Die großen politischen und socialen Wirren während des nächsten Jahrzehnts, welche zu unse rem Bürgerkrieg und zur Befreiung der Negersklaven führten^ förderten den Gedanken der allgemeinen Freiheit. Daher forderte die bürgerliche Gleichstellung der Krauen naturgemäß die Kritik solcher Gelehrter und Weltver besserer heraus, welche nicht tief genug in das verwickelte Gefüge der Eivilisation blickten, um etnschen zu können, daß die beschränkten Grenzen, welche dem Wirkungskreis der Frau gezogen waren, aus Ursachen stammten, welche bet natürlichem Wachsthum und Entwickelung im Laufe der Zett verschwinden mußten, ohne eine gewaltsame grundlegende Aenderung in der Gesellschaft selbst herbei- zusühren. Die Forderung politischer Rechte für die Frauen hat immerhin eine ausgezeichnete Wirkung: denn während die große Masse deS amerikanischen Volkes niemals damit ein verstanden gewesen war, hatte es doch stets das Gefühl ge habt, daß die dauernd stark feindliche Haltung der Propa ganda gegen die ursprünglichen Regeln verstießen, welche in der Gesellschaft und besonders in den bestehenden Be ziehungen zwischen Mann und Frau begründet waren, und es gebieterisch verlangt, daß die Verthetdtger des wahren Fortschrittes nnd des Fortschrittes der Frau die Grundlage ihres Glaubensbekenntnisses prüfen und gegen ihre Wider sacher vertheidigen müßte. Zwanzig Jahre lang oder mehr ging dieser Stchtungsproceß, diese aufmerksame und eifrige Prüfung „für" und „gegen" zwischen den Kranen ganz still vor sich. Im Jahre 1870 trat man zuerst an die Oeffent- lichkcit. In diesem Jahre wurde eine bemerkenswerthe Eingabe an den Eongreß von Frauen gemacht, die Gegner deS weiblichen Stimmrechtes waren und glaub ten, die Zeit zu einem offenen Protest gegen die Thätigkeit der Stimmrcchtler sei gekommen. Dieser Protest war von Frau Madeline Vtnton Dahlgren, der Gemahlin des Ad mirals Dahlgren, versaßt, in Gemeinschaft mit Frau William T. Sherman und Frau Almira Lincoln Phelps, Schwester und Mitarbeiterin von Frau Emma Willard in Troy, die ihrer Zett den größten Einfluß auf die Erziehung der Frauen besaß. Der Protest war von Hunderten von Damen aus dem ganzen Lande unterzeichnet, die eine her vorragende und führende Stelle in den Kreisen einnahmen, welche sich mit socialen, erzieherischen und gemeinnützigen Fragen beschäftigten. Im Ganzen waren es 18 000 Unter schriften. Man dachte damals, daß ein so weit verbreiteter mächtiger Protest der Sache ein Ende machen müsse und es wurde somit kein Versuch zu einer dauernden Organi sation gemacht. Die Bewegung schritt stetig fort und nach einem weiteren Jahrzehnt wurde es klar, daß weitere Mittel nothwendig waren, um der wachsenden Ueber- zeugung der großen Mehrheit -er denkenden Frauen den Ausdruck zu geben, daß -er wirkliche Fortschritt der Frau in der Weise kommen müsse, wie sie der ihr etgenthümlichen Begabung angepaßt sei, nicht aber durch einen Act der Politik. Anfang -er achtziger Jahre berief eine Anzahl der führenden Damen von Boston und Cambridge, die zum Theil mit den Vorständen von Wohlthätigkeits- und Re form-Anstalten in Verbindung standen, eine Versammlung ein, und, ohne daß sie irgend eine Organisation bildeten, begannen sie ruhig aber wirksam bei der Legislatur gegen die Anstrengungen der Stimmenrechtler zu arbeiten. Jahr für Jahr beantworteten sie Bittschriften mit Gcgenbitt- schriften, Beweisgründe mit Gegenbeweisgründen und hatten bei der Legislatur von Session zu Session mehr Er folg bet der Bekämpfung der von den Stimmcnrechtlern ge troffenen Maßregeln. Als der Streit heftiger entbrannte und sich über die Grenzen Bostons auf den ganzen Staat ausdehnte, wurden viele Herren für die gegnerische Seite gewonnen: und schließlich unterbreitete die Legislatur die ganze Sache dem Volke des Staates mit der Absicht, die Streitfrage für immer zu regeln: sowohl Frauen wie Män nern war cs gestattet, sich in die Wahllisten einschreiben zu lassen und ihre Stimme abzugeben. Die Abstimmung wurde am 0. November 1898 vorgenommen, und das Ergebniß war die überwältigende Niederlage der Stimm rechtler für den Antrag ihrer Duldung im Staate Massachusetts, mährend die Zahl der weiblichen Stim men, die zn Gunsten des Antrags gestimmt hatten, weniger als 4 Procent der ganzen Anzahl ausmachte, die sich hatten eintragen lassen und abgestimmt hatte. Diese Thatsache entschied wirksam über die Behauptung der Stimmrechtler, daß die Frauen von Massachusetts die allgemeine Abstim mung wünschten. Die Anti-Stimmrechtler nahmen als selbstverständlich an, daß ein so entscheidender Sieg wenigstens ein zeit weises Nachlassen des Streites herbeiführen würde: jedoch die Stimmrcchtler kehrten unverzagt auf den Kampfplatz zurück. Die im Mai 1898 entstandene Massachusetts Asso ciation, die Gegnerin der Ausbreitung des Frauen- Stimmrechts, war daher genöthigt, ihre Arbeit mit ver stärktem Eifer fortzusctzen. In -er Zwischenzeit nahmen die Stimnrrechtler im Staate New Uork im Frühling 1894 die Gelegenheit wahr, der in Albany tagenden Verfassungsversammlung eine Bittschrift cinzureichen, welche verlangt, daß das Wort „Mann", als nothwendig zur Befähigung als Wähler, aus der Verfassung gestrichen werden sollte. Sogleich trat eine zahlreiche und mächtige Gesellschaft von Frauen hervor, um diese Bewegung zu be kämpfen. Bittschriften, unterzeichnet von Tausenden von bedeutenden und verantwortlichen Frauen, unter denen siiü eine entscheidende Mehrheit von Steuerzahlerin nen des Districts befanden, wurden im Auftrag der Al bany - Anti - Frauenstimmrecht - Gesellschaft abgesanüt: währenddessen veranlaßte der Streit eine sehr große Anzahl der bestbekanntcn und einflußreichsten Frauen in der Stadt New Vork zum Handeln. Als die Eonvention auf Gründ einer entscheidenden Abstimmung sich weigerte, den Vorschlag zu begünstigen, nahmen die Anti-Stimmrcchtler au, daß ihre Arbeit für ungefähr 20 Jahre gcthan sei, und schon überdrüssig der Auflegung und Oeffentlichkett, welche der Kampf mit sich brachte, gaben sie ihre Anstrengungen auf. Aber sie mußten nun noch Manches von der Taktik ihrer Gegner lernen. Zu Beginn des folgenden Jahres begänne» sie der Legislatur zuzusetzen, um das Durchgehen einer „Bill" oder „Concurrent-Resolution" für einen Zusatz zur Verfassung zu erreichen, die -en Frauen das Stimm recht geben sollte. So ruhig verfolgten sie ihr Ziel, daß die Anti-Sttmmrechtler nicht eher zu der Einsicht kamen, daß ihre Arbeit, welche sie beendet geglaubt hatten, nunmehr erst recht zu beginnen habe, als bis der Beschluß in -er Ver sammlung durchgegangen und in die RechtSabtheilung des Staates gelangt war. Der Beschluß ging schließlich im Senat durch: aber ein Schreibfehler machte seine Giltigkeit hinfällig. Die Nothwendigkeit einer Organisirung war nun völlig erwiesen und am 8. April 1896 wurde die „New Dork State Association" als Gegnerin -er Ausdehnung deS Frauen- Stimmrechts gebildet, bestehend aus einem Ausschuß von mehr als hundert der wohlbekanntesten Krauen New Uorks und in einer Mitgliederzahl von mehr als 20 000. Im Westen hatte bisher keine eigentliche Orts-Organi sation der Anti-Stimmrechtler bestanden, aber im Jahre 1886 war die Aufmerksamkeit einiger Frauen Chicagos auf die Thätigkeit gelenkt worden, welche unter der fähigen Führerschaft -er Miß Susan B. Anthony von der „National Woman's Suffrage Association" eifrig in Washington gefördert wurde, und welche in Protesten und Denkschriften von Zeit zu Zeit dem Congreß mit ent schiedenem Erfolge Gegenvorstellungen gemacht hatte. Diese also hatten sich ar» die Legislatur von Illinois und an verschiedene Andere in den westlichen Staaten ge wandt, auch hielten sie nebenher mit wohlbekannten Frauen vieler Staaten einen eifrigen Briefwechsel auf recht, damit sich ihr Einfluß unter der Hand auf die im öffentlichen Leben stehenden einflußreichen Männer in den verschiedenen Gegenden erstreckte. Diese Thätigkeit erwies sich als so wirksam, daß Miß Anthony im Beginn des Jahres 1897 durch die öffentliche Presse erkläre»» ließ, sie habe sich, weil sie den Widerstand der von ihr vertretenen Sache zu groß gefunden habe, ent schlossen, -en Kampfplatz in den mittleren Westen zu ver legen, um ihre Anstrengungen auf die Staaten Iowa, Montana, Oregon und Californien zu vereinigen. Im Februar 1897 versammelte sich die „Woman's National Suffrage Association" anstatt in Washington, wie in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren, in Des Moines, Iowa, mit der ausgesprochenen Absicht, -er Gesetzgebung von Iowa zuzusetzen, die damals gerade tagte. Es unterliegt keinem Zweifel, -atz ihr Einfluß sehr bedeutend war, dennoch fehlte der Erfolg. Der Kampf in Iowa ist seit dieser Zeit beständig gewagt worden, hat jedoch immer mit der Niederlage der Stimnrrechtler ge endet, während der Sieg der Anti-Stimmrechtler im Jahre 1902 das entscheidende Ende herbeigeführt zu haben scheint. In keinem der anderen oben genannten Staaten ist irgend welcher Erfolg erzielt worben. Indem somit der Angriffspunkt von Osten nach Westen verlegt worden ivar, drängten die Bereinigungen in Massachusetts und New Avrk sofort ans eine Organisation in Chicago, und am 0. Mai 1897 wurde dann die „Illinois Asso ciation", Gegnerin der Ausbreitung deö Frauen-Stimmrechts, gegründet. Ausschüsse zum gemeinschaftlichen Wirken wurden ebenfalls in mehreren anderen westlichen Staaten gebildet. Die Thätigkeit all' dieser Gesellschaften hat vornehmlich darin bestanden, ihre Literatur der Presse, den gesetzgebenden Körperschaften und den führenden Männern und Frauen zugänglich zu machen. Jede „Association" hat jährlich viele belehrende Anweisungen und Blättchen ausgesandt und die Thätigkeit ist noch in Umfang und Einflüßen Wachsen. Mündliche Besprechungen wurden auf den Der- sammlungen abgehalten, aber das Hervortreten in einem öffentlichen Programm und die Theilnahme in öffent lichen Debatten wurde sorgsam vermieden. Die Resul tate dieser Organisation sind im folgenden jüngst er schienenen Artikel des „Boston Transcript" gut zusammen, gefaßt. Es mag auch noch betont sein, daß diese wesent lichen Siege gewonnen worden sind nach fünfzig Jahren entschloßener und nachdrücklicher Agitation von Seiten der Stimmrechtler. „Seit dem Jahre 1896, als Utah und Idaho den Frauen das Stimmrecht einräumten, haben vier andere Staaten — Minnesota, Delaware, Louisiana und New Aork — für die Schul-Ausschüsse, Curatorcn von Bibliotheken und stcuerzahlendc Frauen begrenztes Stimmrecht bewilligt. Während derselben sechs Jahre hat das Frauen-Stimm- rccht in allen Zweigen, welche Gewerbescheine, Steuern, Gemeinde-Angelegenheiten, Präsidenten-Wahl betreffen, in 28 Staaten mehr als 60 Niederlagen erlitten. Vier zehn von diesen Staaten liegen westlich vom Mississippi, was beweist, daß die Staaten, welche den Vieren, die das Frauen-Stimmrecht haben, am nächsten gelegen sind, keine Neigung verspüren, ihrem Beispiel zu folgen." Während dieses langen dreißigjährigen Kampfes sind einige interessante Schlußfolgerungen aufgestellt worden. Erstens ist zweifellos fest gestellt worden, daß nur eine geringe Minderheit der Frauen das Stimmrecht wünscht. In Massa chusetts, wo die Propaganda sich am längsten und am standhaftesten gehalten hatte, zeigte die Zählung von 189d, daß das Vcrhältniß weniger als vier Procent betrug, und die Versuche mit dem Schul-Stimmrecht, welches jetzt in zwanzig Staaten giltig ist, haben sogar einen geringeren Pröcentsatz gezeigt alS anderswo. ZtSettertS, in den vielt Staaten, welche jetzt das Stimmrecht für die Präsidenten wahl haben, wird von den aufmerksamen Beobachtern — gerade unter -en Stimmrechtlern — zugestanden, daß die guten Erfolge, welche man sich so reichlich versprach, sich bisher noch nicht gezeigt haben. Dabet muß noch hervor gehoben »verdcn, daß Utah, Idaho und Wyoming Staaten mit sehr verstreuter Bevölkerung — eS kommen nicht mehr als zwei oder drei Personen auf die Quadratmetle — und von sehr einfachen Lebensgewohnheiten sind. Colo rado ist hauptsächlich ein Minen-Staat mit nur ein oder zwei großer» Städten. Nach den Beobachtungen dieser Resultate wird der Schluß ständig stärker, baß -er Staat einen nicht leicht wieder gut zu machenden Fehler be gangen hat, welcher die Wirkung haben wird, daß für viele kommende Jahre sein Ansehen für vernünftige und gesunde Politik sich verschlechtert. Inzwischen hat die Frage der Gleichheit unter den Ge schlechtern in der öffentlichen Beurtheilung ihre Stellung geändert. Nirgendswo tritt dies mehr hervor, als in der Sache gemeinsamer Erziehung. AIS gewisse große Univer sitäten zu gleicher Zett jüngeren Leuten beiderlei Ge schlechts ihre Thürer» öffneten, dachten Viele, es sei ein großer Gewinn für die höhere Erziehung der Frauen, aber jetzt haben drei grobe Universitäten mit gemeinschaftlicher Erziehung — Stanford in Californien, North-Western in Illinois und Chicago-Universität — Halt gemacht. Es ist festgestellt, daß die Zulassung weiblicher Studenten die Universität in einer be sorg n i ß e rr e g e n d e n Weise verweiblicht und daß dieser Wechsel ebenso im Wachsen ist, weil, je mehr die Zahl der weiblichen Studenten anwächst, die Neigung der jungen Männer größer wird, sich solchen Universitäten anzuschließen, bei denen in jeder Weise bas männliche Prtncip vorherrscht. Auf der Standford-Universität ist die Anzahl der weiblichen Studenten begrenzt worden, und in -en beiden Universitäten von Illinois sind ver schiedene Studien-Curse von verschiedener Leichtigkeit für die beiden Geschlechter vorgesehen. Solch' eine Grenze zwischen den Geschlechtern wird auf Grund der socialen nnd erzieherischen Vorbedingungen mehr und mehr zu einer Art Spaltung werden, deren logische Folgerung ist, daß dieselbe verwirrende Richtung sich auch im politischen Leben zeigen würde. Der Versuch der Frauen-Clubs ist somit der Beachtung werth und steht mit -er vorliegenden Sache in Beziehung. Der erste Frauen-Club wurde in dem zuversichtlichen Glauben von Stimmrechtlern begründet, daß ebenso rasch als die Frauen sich an literarischen Streitigkeiten, an die Benutzung der parlamentarischen Vorschriften und an das Studium socialen und literarischen Inhalts gewöhnt haben, sie auch ihre Abneigung gegen das Wählen ver lieren und somit die Reihen der Stimmrechtler vermehren würden. Das Gegenthetl hat sich herausgestellt. Während die meisten Clubs sich unter Aufsicht der führenden Stimm rcchtler befinden, weigert die große Mehrzahl der einzelnen Mitglieder sich fest, Stimmrechtler zu werden oder über haupt die Sache in Erwägung zu ziehen. Sie verwenden ihre Aufmerksamkeit ruhig auf die Literatur, Kunst und häusliche Künste, Unterricht der Kinder, Körperpflege, auf irgend eine Thätigkeit, aber nicht auf das Stimmrecht der Frauen. Abgesehen von der günstigen Beurtheilung der Presse, betreffend die wirklich feinfühlige Art der Frauen in der Durchführung von Dingen, sowie ab gesehen von dem persönlichen Uebereifer eines Theiles der Mitglieder, haben die Frauen-Bereinigungen viel Gutes gcthan zur Entwickelung solcher Frauen aller Elasten, die durch ihre Natur-Anlage am besten zum Fortschritt und mühsam zu erreichenden Arbeit geeignet sind, aber sie haben die Frage deS Frauen-Stimmrechts sehr wenig gefördert. Vermischtes. — Benjamin-Constant s Klapphnt. Der dieser Tage verstorbene französische Maler Benjamin-Constant pflegte gern folgende Geschichte auS seinem Leben zu erzählen: Er befand sich mit einem Freunde in der Nähe von Fez, als er eines Tages vom Sultan von Marokko eingeladen wurde, an den Hof zu kommen. Der Maler gerteth in große Verlegenheit, denn er wußte nicht, in welcher Tracht er erscheinen sollte. Schließlich entschied er sich für europäischen Gcsellschaftsanzug: Frack, Klapphut un weiße Halsbinde. Er hatte keine Ahnung davon, daß die Mauren die schwarze Farbe in der Kleidung sehr gering schätzen, aber die Spottreden der Menge sagten ihm bald, daß er sich gegen den „guten Ton" von Marokko ver sündigt hatte. Da kam ihm eine großartige Idee: er wollte sich für den Spott der Mauren rächen, nahm plötzlich seinen Hut ab, klappte ihn zusammen und ließ ihn dann den in seiner Nähe stehenden Lachern ins Gesicht springen. Unter fürchterlichem Geheul entflohen die Marokkaner, denn die neue Höllenmaschine hatte ihnen Furcht und Schrecken eingcjagt. Als der Sultan davon hörte, sprach er -en Wunsch aus, das Teufelswerk kennen zu lernen. Er betrachtete den Klapphut von allen Seiten und sprach dann die weisen Worte: „Wenn ich hundert Jahre in Eurem Lande gelebt und Eure Kleidung und Eure Sitten ange nommen hätte, so hätte ich es doch nie fertig gebracht, mir eine so abscheuliche Maschine, die eine wahre Vogelscheuche ist, auf den Kopf zu setzen!" Der Sultan war offenbar ein Mann von Geschmack. »Ja, Henner! Der Wald!" Sie verschluckte, was sie noch auf dem Herzen hatte. Es hatte ja -och keinen Zweck. „Denk' Dir nur, mir hat neulich geträumt, wie Beide süßen im feinen Wagen und kutschirten nun hinaus in die grünen Berge. Wenn das 'mal passiren könnte? Gelt, Kathrin? Ich mein', um Deinetwillen!" Sie zuckte die Achseln und lächelte. Was sollte sie darauf erwidern? „Nm Deinetwillen!" wiederholte er. „Herrgott, 's sollt' mich freuen! " „Träume sind Schäume!" entgegnete sie jetzt. „Aber manchmal, Kathrin, manchmal treffen sie doch ein. Man kann's gar nicht wissen. Ich hab' so 's Gefühl . . . aber dann — was? — Dann wollten wir uns recht breit in dem Wagen machen . . . alle Leute sollen es sehen, daß der arme Scheerenschleifer Henner Kley seine gute Alte hinaus i»! die Berge kutschirt . . . hinein in den Himmel!" „In den Himmel!" Sie sah hinauf zum Walde. Da war inzwischen die Sonne bereits fortgegangen. Der Henner aber entwischte in die Küche. Dort hörte sie ihn eifrig tuscheln mit der Wittfrau. Nur einmal drang ein lautes Wort zu ihr. Die alte Nachbarin schrie mit dünner Stimme auf: „'S eS denn die Möglichkeit? Ach Gott, ach Gott, ach Gott!" Dann ward'S still. Gewiß, der Henner verbarg ihr ein Geheimntß! Und sie hatte Recht damit! Am anderen Tage, da kam er bereits um die Mittags stunde heim. Das war nicht seine Art. Denn tagsüber »var er immer auf Wanderung und Arbeit. „Nun, armer Mann? Kein Geschäft heut' gemacht?" ftagte sie. Er aber stürmte auf sie ein. Augen, Arm, sein ganzer Körper strahlte förmlich zappelnde Freude, Ungeduld, ver haltenen Jubel aus. „Meinst', Kathrin? Kein Geschäft? Hahaha! Und bei dem Wetter? Schau doch nur dort hinauf.... der liebe Herrgott selbst ruft unS ja zu: Hinaus, hinaus! Kein Ge schäft?" Er zog ihr die Hände von der Arbeit fort, drückte sie, hob ein Bein nach dem anderen fröhlich empor und stammelte freudetrunken: „Siehst', Kathrin, heut' sollst Du's erfahren. Jahraus, jahrein ist's mein Wunsch gewesen, Dich einmal hinaus zu führen in die Berge, in den Wald .... und heute, heute soll es geschehen. Hörst Du's? Oben die Alte macht sich schon fein, dann kriegst Du das Staatskleid an, mein schwarzer Rock ist auch schon abgebürstet . . . und dann . . . Juchhe! . . . Dann geht's hinaus. Staunen sollen sie . . .Alle, Alle, Alle! Aber ich kann's ... ich hab's dazu . . . ich, der reiche Schccren- schlcifer Heinrich Kley!" Sic schüttelte -en Kopf, halb lachend, halb ängstlich fragend. Sic wußte nicht mehr, wie sie das Gebühren ihres Mannes deuten sollte. Er aber fuhr glückselig fort: „Uebcr ein Jahr hab' ich gespart, bis ich so viel hatte, ein Loos zn kaufen. Wirst's versuchen, dacht' ich, der Kathrin zu Liebe. Aber wissen soll sie nichts davon. Und vielleicht lächelt Dir das Glück und Du gewinnst etwas, dann will ich sic ausfahren in den frischen, grünen Wald, daß sie es auch einmal wieder so gut hat, wie die anderen Menschenkinder. Und ich hab' gewonnen . . . gestern . . . hundert Mark. Hundert Mark, Kathrin! Kannst Du's fasten?" Sic lachte auf, während Thränen ihr aus den Augen schossen. Dann lehnte sie sich still an den Mann, dem eS selbst ob alles Glückes vcrräthcrtsch über daS Gesicht zuckte. „Ach, Unsinn!" wehrte er ab. „Freuen wollen wir unS. Nach zwanzig Jahren Deine erste Maienfahrt! Den Tag müstcn wir roth im Kalender anstreichen!" „Meine Maicnfahrt?!" wiederholte sie leise. „Meine Maie,»fahrt!" Nachmittags punct drei Uhr hielt ein sauberer Ein spänner vor dem Hanse deS Scheerenschlcifers. Birken grün war zu Seiten deS Sitzplatzes angebracht, in ein facher Uniform saß der Kutscher peitschcnknipsend auf dem Bocke. Die halbe Gaste war auf den Beinen. Wunderliche Gerüchte einer ungeheuerlichen Erbschaft . . . Andere meinten das große Loos! — gingen von Mund zu Mund. Wie rasch das Alles gekommen war! Nun blieben Scheerenschlcifers gewiß nicht mehr lange hier im Dunkeln wohnen. Heute fing's ja gleich an, gleich so protzig! Wie gewonnen, so zerronnen! Hochmuth kommt auch noch vor den Fall! Dann brachte man Frau Kathrin aus dem Hause ge tragen, setzte sic in den Wagen, daneben nahm die alte Witt- fran Platz. Henner schwang sich auf den Kutscherbock. Das Pferd zog an und aus der dumpfen Gaffe gtng's hinaus in die Freiheit, in die blaue Welt. Nach zwanzig Jahren das erste Mal wieder! Durch die Stadt, das alte Thor, ein Stück offene Landstraße entlang, dann hinein in das Waldthal. Als Kathrin zum ersten Male wieder die blauen Berge ragen sah, als sie Waldluft einsog, das Rauschen der Wildwasscr an ihr Ohr schlug, da kam cs über sie. Statt im Jubel machte sich ihr dankbares Herz in Hellen Thränen Luft. Henner wandte sich um, drückte ihr stumm die Hand eine Weile und flüsterte dann: „Gelt, 's is schön draußen! Und heute wollen wir's ansgenteßen!" Es dunkelte bereits, -a kamen Scheerenschlcifers lang sam wieder die Gaffe hinauf gefahren. Man hob Frau Kathrin aus dem Wagen und trug sie hinein tn'S Haus. Sie sah blaß aus und klagte über Frost. „Das Ungewohnte .... die Freude!" meinte sie. „War auch 'n bischen kalt, als die Sonne verschwunden. Nicht erst in die Stube .... bringt mich zu Bett.... das wärmt am besten!" Frau Kathrin fror auch am nächsten Morgen und bat, im Bett bleiben zu dürfen. „Nicht wahr, ich bin recht undankbar, Henner?" meinte sie lächelnd. „Es war so schön, so schön! Vielleicht zu schön! Ich bin diese Freude nicht mehr gewohnt. . . diese Luft . . . ." Ein Hustenanfall unterbrach sie. „Nicht böse sein, Henner!" sie reichte ihm die Hand zum Abschied, „heute Abend bin ich schon wieder auf dem Zeuge!" Als Henner am Abend heimkehrte, bedeutete ihm die Wittfrau Schweigen. „Der Doctor war hier. Die Kathrin hat ein böses Fieber. Jetzt scheint sie zu schlafen. Nun wird'S schon werden." Aber cs wurde nichts mehr. Frau Kathrin sollte nicht mehr von ihrem Fenster aus -en frischen Buchenwald grüben, den blauen Himmel darüber schauen. Seelische Erregungen, all' das Ungewohnte, eine starke Erkältung, dies Alles hatte zusammen gewirkt, den ohne hin zarter» Lebensfaden zu zerreißen. Am Ende der Woche, an dem Kirchthurm läutete die Glocke Feierabend, da hatte auch Frau Kathrin ihr irdisch Tagweick vollendet. Drei Tage später trug man sie hinaus. Nun hielt die tapfere, stille Frau noch eine zweite Maienfahrt, hinüber zur Vcrgcslehue, zur letzten Ruhestätte. Stumm, thränenlos, folgte dem Sarge Henner. Die Wittfrau neben ihm. Hinter ihnen die halbe Gaste. Das Schicksal der Aermsten hatte Jeden gerührt. Spät Abends, der Mond stand bereits zwischen den hohen LebenSbäumen, ging Henner noch einmal hinaus zu seinem tobten Weibe. Dor dem frischen Hügel sank er nieder, schluchzend bohrte er sein zuckendes Gesicht hinein in die Fluth der Blumen und Kränze. „Kathrin!" schrie er auf. „Kathrin! Hörst Du mich? So war es nicht gemeint! Ich wollte eS gut mit Dir machen, und nun .... Nimm mich mit ... . nimm mich mit. Nun freut auch mich kein Maien mehr!"
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