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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020607026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-07
- Monat1902-06
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An zeigen »Preis die ögespultene Petitzeile 25 Reclamrn unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeigen sind stets an die Ex-edition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang. Der Friedensschluß. Die „beglückten" Boeren. Lor- Kitchener hat, wie den „Times" aus Pretoria vom 3. Juni gemeldet wird, am 2. Juni an die Boere n- delegtrten in Vereen iging eine gefühlvolle Rede gehalten, in der er u. A. sagte: Er beglückwünschte die Boeren zu demWiderstande, den sic ge leistet hätten, und fügte hinzu, cs sei keine Schande, durch eine überwältigende Macht besiegt zu werden. Wenn er einer der Ihrigen gewesen wäre, würde er stolz sein, das gethan zu haben, was sie gethan hätten. Er bewillkommne sie als Bürger des großen Reiches und hoffe, daß sie diesem und ihrem Souverän gegenüber ihre Pflicht ebenso loyal erfüllen würden, wie sic cs dem alten Staate gegenüber gethan hätten. Er wünsche, daß Alle zum Wohle des Landes und zur Versöhnung Zusammen arbeiten sollten, und versicherte sie, daß wenigstens auf britischer Seite nichts in dieser Beziehung fehlen werde. Ein Boercndelegirter antwortete kurz, daß Alle er freut seien und sich geehrt fühlten, in ihrer Mitte den Be fehlshaber der Streitkräfte des glorreichen britischen Reiches zu sehen, und er fügte hinzu, daß mit Bezug auf das zukünftige Zusammenarbeiten auf ihrer Seite nichts fehlen werde. Christian De W e t ist von Pretoria in Bredefort ein getroffen: er besuchte dort das Concentrations lager und forderte seine Landsleute auf, England zuzeigen, was für gute Colo nist en die Boeren abgeben könnten. (?) Lord Kitchener meldet aus Pretoria von gestern: Die Commissare in den verschiedenen Bezirken berichten, daß gestern 1154 Mann die Waffen nicdergclcgt haben. Die Commissare hielten nach der Uebergabe An sprachen an die Boeren, welche drei herzliche «!?) HurrahsaufdenKönig ausbrachtcn. Es bestehen die bestmöglichen Beziehungen und nirgends zeigt sich eine Schwierigkeit. «rüger. Der „Birmingham Poft" zufolge verhandelt das eng lische auswärtige Amt mit vr. Kunper über die Lage Krügcr's und der B o e r e n d c l c g i r t c n in Holland. Die englische Regierung garantirte allen Delcgirten sicheres Geleit nach ihren Heimstätten in Südafrika und wegen Krüger's Altersschwäche (?) sieht sie davon ab, daß Krüger die britische Oberhoheit über Transvaal aner kennt. In einer Rede in der Conservative Association er klärte Balfour, cs wäre ein verderblicher Jrrthum gewesen, mit Krüger und seinen Rathgebern in Europa zu verhandeln, wie Lord Rosebery vorgcschlagen habe. Er würde die Boerengencralc im Felde immer hoch achten, könne aber nicht dasselbe von denen sagen, die die Republiken im Stiche gelassen (!?) haben, und mit denen zu verhandeln unmöglich sei. Es wäre reiner Wahnsinn, eine repräsentative Regierung nach dem Vorschläge Bannerman's so gleich zu gewähren. Vor einem Jahre wäre cs unmöglich gewesen, unter den jetzigen Bedingungen Frieden zu schließen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Juni. Das klärende Ereigniß, als welches man die scharfe Absage des preußischen Ministerpräsidenten Grafen Bülow an die c o n s e r v a t t v e n Interpel lanten im Abgeordnetenhause auf alle Fälle ansehen kann, hat bis jetzt wenigstens Eines zur Folge ge habt, was man begrüßen kann. Die sehr bestimmte Ab sage des Grafen Bülow an die Conservativen wegen des Zolltarife- hat den Freisinnigen und den Svcialdemo- traten so viel Vergnügen bereitet, daß sic im Genuß der Freude darüber vollständig vergaßen, das Zustandekommen der Brauntwcinstenernovelle zn erschweren. Was hat man nicht vorher alles an Schlagworten und Drohungen ver nommen! Eine unerträgliche Vertheuerung des Trink branntweins sollte es sein, was hinter dem undurchsichtigen Paragraphen dieser Novelle lauerte. Diese Versteuerung mit allen Mitteln der Geschäftsordnung zu verhindern und die Schnapsvertheurcr durch eine lange Reihe von nament lichen Abstimmungen blotzzustellcn, sollte die Aufgabe des echten und rechten freisinnigen Mannes sein. Man glaubte, daß diese ganze Woche von dem Kampfesgeschrei gegen die Schnapsvertheurcr wicderhallen würde, und war gar nicht sicher, ob die Novelle über alle diese Fährlichkeiten Hinweg kommen könnte. Aber siehe da, in zwei Tagen war die ganze Bcrathung zu Ende, ohne daß eine einzige schwierige Abstimmung durch äutzereMittel besonders erschwert worden wäre. Schon am Donnerstag konnte der Reichstag sich mit intimen Angelegenheiten — „Toleranzantrag" u. s. w. — beschäftigen. Beschlußfähig, wie er ist, wartet er jetzt schmerzlich auf den Ausgang der Cominissivilsberathungen über das Zuckerstcuergcseft, um in der nächsten Woche diesen Nest der Frühjahrstagung noch aufzuarbeiten. Wahrschein lich wird es dann umgekehrt gehen, wie in dieser Woche. Haben jetzt die Radikalen nnd die Socialistcn darauf ver zichtet, der neuen Regelung der Branntweinsteuer nenncns- werthe Schwierigkeiten zu bereiten, so werden die Conscr- n->tin-n. snm-o sie eben Gegner der neuen Zuckcrconvcntion sind, geschehen lugen, was auch nick'» hindern : . Man nimmt an, daß auch die Zuckervorlagc mit Einschluß der Convention von nahezu zwei Drittel Mehrheit im Reichstage beschlossen werden wird. Der Streit um Con- tingent oder freien Weg für Production mnß allerdings durch Mehrheitsbeschluß ausgetragen werden; ob in der Commission oder erst im Plenum, steht dahin. Wie immer jedoch die Entscheidung über diese wesentlichen Einzelheiten fällt: das Ganze wird nicht dadurch gefährdet werden. Was die Cvntingentsfrage an sich anlangt, so gicbt die vor gestrige Abstimmung in der Commission kein rechtes Bild von derStellung derParteien zu ihr. DieAbstimmung wurde verwirrt dadurch, daß unerwarteter Weise der freiconser- vative Antrag kam, den Fabriken, die 1901 schon bestanden haben, das Contingcnt zuzubilligen, welches ihnen für das Jahr 1903/04 nach dem gegenwärtigen Gesetz zukvmmen würde. Neber diesen Antrag durfte man billig erstaunt sein. Die Vereinbarung unter den Freunden der Zucker vorlage war dahin gegeben, das Contingcnt von 1902/03 in die neue Vorlage cinznsetzen, nicht das von 1903/04. Denn das Letztere ließe sich noch beeinflußen, das Erstere nicht mehr. Und der Gesetzgeber darf nicht unbekannte Vortheile versprechen, die sich der einzelne Betrieb auf Rechnung Dritter noch zurcchtkncten kann. Nachdem aber das Jahr 1903/04 abgelehnt war, lehnten die Freunde des freiconservativen Antrages alle weiteren Abstimmungen wegen der Contingentirung ab. Dadurch entstand ein Kunterbunt an Mehrheiten und Minderheiten, daß man schließlich den Freund vom Feinde nicht mehr zu unter scheiden wußte, sondern Alles unter den Tisch fallen ließ. Sobald auf diese verdächtige Entschließung des Jahres 1903/04 verzichtet wird, und das wird doch wohl jetzt in der Commission oder sicher nächstens im Plenum geschehen, er geben sich ganz andere Mehrheiten und Minderheiten. Jedenfalls ergiebt sich dann voraussichtlich eine Mehrheit für die Contingentirung. Die radicale Linke sowohl wie ein Theil der intercssirten Großindustrie lehnen zwar jeden Gedanken an ein neues Contingentircn ab, werden aber beide aus entgegengesetzten Gründen das Ganze schließlich unterstützen, um ja die Convention unter Dach zu bringen. So ist eine Verabschiedung des Zuckersteuergesetzes eben falls noch zu erwarten. Die Gesammtabstimmung über den „Toleranzantrag" wird mit der Gesammtabstim mung über Branntwein und Zucker zusammengelegt. Dann müssen auch die Herren vom Centrum in Berlin bleiben und es ist demnach zu erwarten, daß der Reichstag seine Beschlußfähigkeit aufrcchterhält, nm nach fleißiger und wohlvollbrachter Arbeit sich seinen Sommerferien zuwenden zu können. Im Großen und Ganzen liegt also immer noch ein gewisser Zug vertrauensvollen Erwartens in den gegenwärtigen parlamentarischen Dispositionen. In der Berliner linksliberalen Presse tobt ein Sturm gegen den Generalsekretär der national liberalen Partei, der sich des allerdings unverzeihlichen Verbrechens schuldig gemacht hat, einer Organisa tion der gemäßigten Parteien in Greifs wald einen Vortrag zuzusagcn, obwohl der Wahlkreis in den Händen der freisinnigen Vereinigung ist. Die Nationalliberalcn in Greifswald, um die sich unseres Erachtens ein nationalliberaler Generalsekretär zuerst zn bekümmern hat, sind nun freilich in dieser Orga nisation der gemäßigten Parteien zu finden. Angebliche Nationalliberale, die im Lager der freisinnigen Ver einigung stehen und von dort aus Entrüstungsartikel schreiben, giebt cs ebenfalls. Sie haben bis voriges Jahr ... ttona'überale - kümwerlirb aufrecht er ¬ halten. Sobald indessen -er Wahlkreis an die freisinnige Vereinigung übergegangcn war, haben sie diesen national liberalen Verein aufgelöst, um sich dem freisinnigen Verein anzuschließe». Wirkliche Nativnalliberale konnten dies unmöglich mitmachen, weil es eben Sache der national liberalen Partei ist und bleiben muß, mäßigend und ver mittelnd auf die Gegensätze des politischen und wirth- schaftspolitischen Lebens einzuwirkcn. Diese wirklichen Nationalltberalen haben sich nun im Anfang des Jahres wieder gesammelt und haben gemeinsam mit einigen Freiconservativen Front nach links und rechts gemacht. Letzteres wird in der freisinnigen Berliner Presse weislich verschwiegen. Es wird dargestellt, als sei der „nationale Wahlvcrein" ein Organ der selben Hochconscrvativen und Ueberagrarier, die noch bei der jüngsten Ersatzwahl das Heft in der Hand hatten. Aber nichts weniger als dies ist der Fall. Vielmehr ist der nationale Wahlverein begründet worden, um eben die Uebertreibungen der ostclbischen Hochconscrvativen, wie die jenigen ihrer extremen Gegner, der Freisinnigen, zu be kämpfen. In diesem Kampfe ihnen beizustehen, ist zwar nach landläufigem Begriff eine der wichtigsten Ausgaben, die eine nativnalliberale Parteileitung zu erfüllen hat, und wenn im Osten Preußens jemals gesunde Verhältnisse geschaffen werden sollen, können sie nur in der Weise ge ¬ schaffen werden, daß die gemäßigten Elemente einen voll ständig neuen Mittelpunkt für die Versammlungen aller Derjenigen abgeben, die eben nicht auf extremen Wegen gehen wollen. Demgemäß ist nach unserer und nach der landläufigen Ansicht das Vorgehen in Greifswald gerade zu ein Signal für den Osten. Aber innerhalb der Mauern Berlins muß man für solche politische Vernunft und für das, was nach allgemeiner Auffassung den Zielen einer gemäßigten Politik entspricht, möglichst wenig Verständ- niß erwarten. Dort herrscht ein Geist, der abseits vom Freisinn überhaupt nur Reaction wittert und nicht ein mal die Anfänge einer mittelparteilichen planmäßigen Ar beit im Osten duldet. Wenn dieser Geist in der national liberalen Partei zur Herrschaft je gelangen könnte, was zum Glück nicht zu erwarten ist, würden ostelbische Zu stände bald genug im ganzen deutschen Reiche sich ein bürgern. Ueber Mißwirthschast aus de« Philippinen wird uns aus Manila, 1. Mai, geschrieben: In der Ver waltung der Philippinen wird jetzt eine Unregelmäßig keit nach der anderen ans Tageslicht gezogen. Der Verlauf der Verhandlungen ist fast immer derselbe. Zuerst er scheinen sensationelle Nachrichten von Unterschlagungen, Gesetzübertretungen u. s. w., dann folgt die Verhandlung, deren Resultat meistens der Nachweis von Fahrlässigkeit und schlechtem Menagement ist. Als Wichtigstes wird eine Untersuchung des Transportdienstes gefordert. Als der Transportdienst in San Francisco eingerichtet wurde, be zahlten die Staatsangestellten ca. doppelt den normalen Preis, es kam vor, daß ganze Schiffsladungen Eßwaaren so lange zwischen San Francisco und Manila schwammen, daß Alles verdarb und abgewiesen werden mußte. Fälle sind vorgckvmmen, daß Dampfer ohne auszuladen von Manila nach San Francisco zurückkehrten. Diese Zu - stände kosteten der Regierung Millionen. Auch in der Z v l l v e r w a l t n n g finden sich auffallende Unregelmäßigkeiten. Besonders im Departement für Ein wanderung ist nachgewiesen, daß Angestellte Geld von Chi nesen und Abenteurern angenommen haben, um sie durch zulassen. Eine weitere der Untersuchung harrende An gelegenheit ist der Kostennachweis bei dem Bau einer Brücke über den Fluß Pasig. Es steht fest, daß dabei heim lich Material verkauft worden ist. Sollte dieseVer- waltung wirklich besser sein, als die spa nische?— Schon öfter hat man die Beobachtung machen können, mit wie w e n i g N ü cks ich t n a h m e auf den Eingeborenen verletzende Themata behandelt werden. So spricht man jetzt auch wieder viel über ein sociales Problem. Es betrifft die schwierige, echt amerikanische Frage, wo soll die Grenze zwischen Farbigen und Weißen gezogen werden? Zu spanischen Zeiten galt der Eingeborene in socialer Be ziehung für gleichberechtigt und war in den höchsten Kreisen willkommen, wenn ihm Reichthnm und Bildung einen Platz in der Gesellschaft gestatteten. Officiell folgt die amerika nische Regierung diesem Beispiel, Inder werden im Palast des Gouverneurs in Malacanang und bet General Chaffee zugelassen, und Mrs. Wright empfängt philippinische Damen. Das ist aber auch Alles. Der Amerikaner als Privatmann ist aber geneigt, den Philippiner mit dem Inder fast auf gleiche Stufe zu stellen: ein Mischen der braunen und weißen Elemente bei festlichen Gelegenheiten ist sehr selten und wird mißliebig, selbstverständlich am meisten von den amerikanischen Damen, ausgenommen. Der StolzdcrEingeborenen wird dadurch natür lich s ch w e r v e r le tz t, und zwar gerade Derjenigen, die Urheber und Führer der früheren Revolution waren und Feuilleton. Verfehlte Liebe. Roman von E. Hein. Nachdruck Virdolen. Endlich rief er ihm zu: „Na, August, bist Du denn wieder da? Du kümmerst Dich ja um Alles, Christine hat es Dir wohl nicht recht gemacht?" Friedrich that überrascht. „Ach, Schwager, Du bist's. Wie geht es Dir? .... Man muß wohl mal nach seinem Vieh sehen, 's ist einem doch an's Herz gewachsen. Man freut sich, wenn man wieder herauskommt!" „Na nu, es gefällt Dir wohl nicht mehr in der Stadt, Du bist ja heute ganz verliebt in Dein Viehzeug." „Du hast Recht. Es ist ein eigen Ding mit der Stadt. Es ist ja ganz hübsch, aber bei Euch ist es doch noch hübscher. Wenn man so sein ganzes Leben lang auf dem Dorfe gewesen ist, da sehnt man sich immer wieder heraus." „Willst Du wieder hcrauskommen?" „Ich weiß nicht. Ich habe zu wenig zu thun. Di« Pachtung kann ich nicht kündigen und mein Ueberbleiüsel ist mir zu gering. Lust hätte ich schon. Max kommt jetzt auch von den Soldaten wieder, der möchte doch auch wieder wirthschaften. Ich muß sehen, wo ich etwas kaufen kann." „Ist das Dein Ernst, August? Pahsch Wilhelm denkt mehr als je daran, sein Feld zu verkaufen, das sind dreißig Acker. Er muß Wohl auch, 's sind zuviel Schulden darauf. Der läßt Dir's. Na, und wenn Du mehr brauchst, der Liebenhainer ist dankbar für jeden Morgen, den man ihm abnimmt, der wird daS Gericht nicht los." „Was Du sagst, Karl! Das ist immer noch nicht im Lothe? Aber Pahsch, meinst Du wirklich, daß der verkauft?" „Du kannst ihn ja selbst fragen. Komm mit, er wird Dir's bestätigen." „Ich denke, er wird böse sein." „Dummheit, fällt ihm nicht ein. Komm nur!" Die beiden Schwäger gingen nach der Schänke. Patzsch und Seebald spielten Karte. Die Männer begrüßten sich, als ob nichts voraefallen wäre. „Du, Wilhelm", wandte sich Horn an Pahsch. „August hat das Leben in der Stadt satt. Er will wieder heraus. Aber sein Gut ist ihm zu klein, «r will für Max auch etwas haben. Wie wär's. wenn er Deins nähme?" „Ist das Dein Wille, August?" „Ja, Wilhelm, wenn Du nicht zu theuer bist, dann nehme ich es. Mir ist's hauptsächlich um Max und auch um Minna zu thun. Die heirath't doch einmal aufs Land. Das Mädchen ist hier ausgewachsen, und wenn's ihr auch in der Stadt gefällt, hier draußen ist doch ihre Heimath." Wilhelm gab seine Bereitwilligkeit zu erkennen. Er ver hehlte nicht, daß eine Zukunft im Lande stecke, denn einstmals kämen doch Fabriken hier heraus, aber das dauerte doch noch seine zwanzig Jahre, und seine Kinder und seine Verwandten, die Geld auf dem Gute hätten, quälten so sehr, daß er schließlich den Acker mit sechshundert Mark verkaufen wolle. Friedrich rechnete. „Nein", sagte er, „das ist zu theuer. Da muß ich alle Jahre Kartoffeln pflanzen und sie ruthenweise ab geben, daß ich auf die Kosten komm«. Da gehe ich zum Lieben- hainer, der macht es billiger. Behalte Deinen Kram, Wilhelm." Nun rechnete Wilhelm und ging auf fünfhundert Mark zurück. „Billiger kriegst Du ihn nicht." Aber Friedrich sagt« nicht zu. „Ich werde erst einmal zum Liebenhainer gehen. Mal seh'n, was der verlangt." In diesem Augenblicke hielt draußen eine Doppelchäise und der Liebenhainer Rittergutsbesitzer stieg aus. „Na, da können wir ja gleich fragen!" Man ging auch gleich auf's Ziel los und fand beim Lieben- hainer ein geneigtes Ohr. Er hatte vor «in paar Jahren das Rittergut theuer gekauft, hatte Pech mit d«m Vieh gehabt, er konnte keine Leute kriegen, die Hypothekenzinsen waren fällig, er könnt« nicht zahlen, kurz, das Messer saß ihm an der Kehl«. Fünfhundert Morg«n war sein Gut groß. Alles in Allem ver langte er 650 000 Mark. Ueber 450 000 Mark halt« er Schulden. Friedrich bot sofort 600 000 Mark. Dann gab er auf die Weige rung noch 20000 zu. Aber auch hier schlug Friedrich noch nicht ein. Er wollte erst mit seiner Tochter reden. Man einigte sich, ihm das Gebot bis zuin andern Tage zu lassen. Zur Be siegelung trank man einrn großen Schnaps. Am Abend hatte Friedrich eine lange Unterredung mit seiner Tochter. Sie rechnete, und da Friedrich sich nur eine gering« Anzahlung, so viel, als er gerade Zinsen eingenommen hatte und was seine Tochter von ihrem Erbtheil flüssig machen könnt«, ausgemacht hatte, wurde der Kauf beschlossen. Früh um zehn Uhr war Friedrich wieder bei Patzsch und auch der Lieben hainer, dem das Feuer unter den Näg«ln brannte, war da. Man wurde handelseinig, Patzsch kriegte nur für's Feld IW 000 Mark und der Liebenhainer für sein Gut 620 (XX) Mark. Der Liebenhainer nahm Friedrich und Patzsch mit zu seinem Rechts anwälte (mit Baumert will ich nichts mehr zu thun haben, sagte Friedrich), und um zwölf Uhr war die Punctation fertig und Patzsch 70 000 Marl und dem Liebenhainer 40 000 Mark An zahlung geleistet. Minna hatte sich Vorschuß au'f ihre Staats- papirre geben lassen. Binnen acht Tagen hatte auch Friedrich eine Hypothek und Papiere verkauft und eine Hypothek in Lieben hain abgelöst, so daß auf d«m ganzen Areal nur noch 300 000 Mark Schulden rubten. Einige Wochen später ging dem Landtage die Vorlage, betreffend eine Bahn durch Oelz nach Liebenhain und weiter, und den Stadtverordneten der Stadt die Vorlage, be treffend die Eingemeindung von Oelz, zu. Als Minna am Nachmittage des letzten April diese Neuig keiten aus dem Abendblatte vorlas, lachten Vater und Tochter zum ersten Male verständnihinnig aus vollem Halse. Am anderen Tage bot ein Konsortium dem Liebenhainer 700 000 Mark. Der konnte nur, wehmüthig den Kopf schüttelnd, darauf Hinweisen, daß er jetzt nur noch Pächter sei. ... : Es konnte nicht ausbleiben, daß man den Kauf Friedrich's in den Kreisen der Stadt und des Dorfes besprach. In Oelz durfte sich Friedrich nicht mehr sehen lassen. Man war sehr böse auf ihn und Wilhelm Patzsch, der Gastwirth, verschwor sich jeden Tag, ihm den Hals umzudrehen. Auch Schwager Horn ärgerte sich, weil er das Geschäft nicht selbst gemacht hatte, und die Frau des Gemeindedieners meinte, ihr Mann solle nur ruhig er zähl««, daß er Jemand Uber's Dach in die Stube Minna's habe steigen sehen, „solcher Bande, die das Geld so leicht verdiene, könne man gar nicht genug anhängen". Auch in der Stadt beschäftigte man sich damit und es hätte nicht viel gefehlt, so hätte sich di« Presse der Sache angenommen. Natürlich übertrieb hier di« Fama und der Gewinn Friedrich's wurde auf Millionen berechnet. Man «ifert«, daß nun der Staut und die Stadt hinkergangcn sei, daß sw jetzt die Liegenschaft«» doppelt und dreifach hoch bezahlen müßten, als vordem und so weiter. Dabei übersah man durchaus, daß wahrscheinlich die Vovbesitzer auch keinen Pfennig billiger die Gelände hergegeben hätten, als Friedrich, dem natürlich noch gar kein Anerbieten vorlag. Die Direktoren einiger Baubanken ärgerten sich, weil sie zu spät kamen und einige Großsveculanten erkundigten sich angelegentlichst nach ihrem neuen Concuörenlten. Justizrath Baumert war, als er von dem Verkaufe erfuhr, in die Höhe ge fahren, hatte sich dann aber beruhigt, weil er sich sagte, daß mit Friedrich jedenfalls leichter auszukommen wäre, als mit anderen Besitzern. Er für sein« Person hätte die Spekulation doch nicht machen können, und im Uebrigen wurde durch die Verschiebung deS Vermögens Minna nur reicher, eine Eigenschaft, di« für einen zukünftigen Gatten sehr vortheilhaft war. Als Zukünf tigen wünschte er ihr seinen Verwandten vr. Hans Krüger, von dessen Neigung zu Minna er übrigens noch keine Ahnung hatte. Die ungetheilteste Bewunderung, verknüpft mit blassem Neid«, widerfuhr aber Friedrichs bei der Familie Keller und am Stammtische. Fräulein Clara Heger war ständiger Gast bei Minna schon acht Tage lang und ihre Schleifen, Rosetten und sonstigen Ausputzgegenständ« nahmen alle möglichen Farben an. Um ihren Mund spielte das süßeste Lächeln und wenn sie dazu kommen konnte, Herrn Friedrich aus dem Ueberrock zu helfen odcr ihm beim Anziehen behilflich zu sein, so war sie glücklich. Au drei Tagen hintereinander sang sie eine Stunde lang die Lieder, von denen sie annahm, daß Friedrich sie gerne hörte, so daß Friedrich seine Tochter bat, sie möge doch das unausstehliche Frauenzimmer nicht mehr hereinlassen. Minna lachte. „Vater", sagte sie, „m«rkst Du denn gar nicht, daß sich bei ihr Alles um Dich dreht, daß sie ganz verliebt in Dich ist uns daß sie Dich durchaus heirathen will." „Die alte Schraube? Um Gottes Willen, was fällt denn, der ein! Sieh zu, daß wir sie bald los werden." So leicht war dies freilich nicht, dazu waren die Bande der Familien' schon zu fest verknüpft. Sie sollten noch fester geknüpft werden. An einem Abend nach genossenem Schoppen faßte sich der Rechnungsrath ein Herz und erzählte auf dem Heimwege seinem „besten Freund? Friedrich", daß er gegenwärtig die Summe von tausend Mark dringend brauche und daß es ihm sehr schwer falle, ihn um diesen Betrag leihweise auf ein Jahr zu bitten. Friedrich war empfänglich gestimmt für diese Bitt«. Man hatte gerade wieder am Stammtische ausgerechnet, um wieviel das Areal da draußen steigen müßte und hatte sich in kolossalen Summen bewegt. Er sagte nach kurzem Bedenken Ja, und versprach, am nächsten Sonntag das Geld bereit zu halten. Diese Zuvorkommenheit wurde sofort noch dem Nach hausekommen der Nechnungsräthin mitgethcilt, die sich über die Möglichkeit der Zurückgabe keinen Skrupel machte, im Gegentheil sann sie in der Stille de: Nacht darüber nach, wie es ihr Sohn Hugo einfädeln müsse, um Minna'S Hand zu erhalten. Sie kam dabei auch auf die Rechnung, daß, wenn Friedrich ihre Schwester heirath«, ein großer Th«il Vermögen ihrem Sohne verloren ginge und beschloß daher, Clara eine Heirath auszu reden. Am anderen Morgen saß die Familie Keller am Kaffeetisch beisammen. Frau Keller und Clara waren noch nicht angekleidct sie besorgten daS immer erst nach dem Reinemachen. Mathilde in ihrer verschwindenden Unscheinbarkeit war ganz in die Eck«
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