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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190302079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19030207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19030207
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-07
- Monat1903-02
- Jahr1903
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1903
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—"L4 Krau stand plötzlich vor seiner Einbildungskraft, wie sie bleich und mit zielloser Erregung in den letzten Tagen um ihn herumgeschritten war und über Kopfschmerzen und Unwohlsein geklagt hatte. Er versuchte durchs Schlüssel loch hinemzusehen und sah mit Schrecken, daß drinnen der Schlüsse! steckte. Er stürzte aufgeregt die Treppe hin unter in das unterirdische Geschoß, wo der Hausmann wohnte, trat dort in die Stube und fragte, ob man nicht seine Frau habe ausgehen sehen; es scheine, sie habe aus Versehen den Schlüssel stecken lassen, sodaß er nicht in feine Wohnung könne? Man müsse nach dem Schlosser schicken. Tie HauSMannssrau erhob sich auf ihrem Tritt, der unter dem blumenbesetzten Kellergeschoßfenster stand, und erzählte. Man habe niemand ausgehen sehen; es sei ein alter ManU ein paarmal dagewesen, habe oben ge klingelt und gesagt, er müsse durchaus die Frau Häussinger sprechen, und weil nicht aufgemacht worden sei, wäre er wieder gegangen. Mit gesteigerter Ungeduld fragte Häussinger, ob sie nicht ein Brecheisen, ein Bekl oder dergleichen hätte; bis der Schlosser bomme, sei zu lange Zeit; er müsse un bedingt in seine Wohnung. Gleich daraus jagte er, von Angst erfaA, Mit einem Beil und Ofenhaken bewaffnet, wieder hinauf, rüttelte an der Türe, klingelte von neuem und hob endlich mit starker, verzweifelter Araftanstrengung die Türe aus den Angeln, indem er das Beil unten ein stemmte. Die Tür stürzte seitwärts und mit klopfendem Herzen trat er in den Flur, wo er den Umhang und den Hut seiner Frau hängen sah, was ihn sonderbar unheiim lich berührte. Ein schrecklicher Anblick bot sich ihm dar, als er die Ctubentüre aufriß und ins Zimmer blickte. Lang hin gestreckt auf der Diele, iM Morgenkleide, lag Margarete da mit aufgegangenen Zöpfen, und während die übrige Gestalt leblos schien und die Augen mit weit aufgerissenen Augenlidern starr nach der Decke gerichtet waren, zuckten nur ihre Arme leise am Körper, und die Hand schlug ein mal wie im Krampfe über die Brust weg, Sie schien plötzlich umgesuicken zu sein und mochte schon eine längere Seile so gelegen haben. „Margarete! Gretchen, mein Gretchen !" rief Häussinger jammernd aus, indem er an ihrer Äite niedersank und ihren Kopf aufhob, der willenlos wieder zurückfiel, als er den Rücken zu stützen fuchte. Ein heftiger Fieberschauer schien durch den ganzen Leib des jungen Weibes zu gehen; ihre Lippen bewegten sich aber Häussinger sah wohl, daß sie vollständig bewußtlos war. Er küßte sie in seiner Verzweiflung und Sorge heftig, als hoffe er, das Be wußtsein könne dadurch in sie einkehren, aber sie verdrehte mir daS Auge dabei und bewegte von neuem die Lippen, während eine heftige Zuckung durch ihre Arme ging. Er faßte sie endlich fester, stemmte sie in die Höhe und trug sie auf seinen Armen ins Schlafzimmer, wo er die Un glückliche auf ihr Bott legte, sie rasch entkleidete und bettete. Sie schien das zu empfinden, schlug die Augen auf und mochte ihn erkennen, aber alsj ob eine Angst empfindung ihr sofort wieder das Bewußtsein raubte, veränderte sich ihr Ausdruck, und sie begann unverständ liche Worte zu phantasieren. Da sie heftiges' Fieber hatte, so rief er der Kellerfrau, die hinter ihm eingetreten war, z«, sie möchte sofort zum Arzt eilen. Man werke ihn wohl brauchen können. Ehe der Acht kam, betrachtete er mit innerem Jammer das verstörte Antlitz der Kranken, ohne daß er sich er klären bnntte, wodurch sie in diesen Zustand gekommen sei, und womit sie beide eS versehen haben konnten, daß die Mutter und das zu erhoffende Sindlein in einer! augen scheinlich so großen Gefahr schwebten. Der Arzt, ein alter, erfahrener, etwas derber Herr, trpt eich warf nur einen raschen Blick auf die Kranke und sagte dann! bestimmt: „Das ist eine Gehirnhautentzündung. Da geht'A auf Leben und Tod. Aber mit Gottes Hilfe können wip sie vielleicht noch retten." Häussinger erbleichte, er wußte, was das bedeutete^ machte sich aber sogleich darauf gefaßt, seine Frau selber zu Pflegen und sich ganz ihr zu widmen. Der Arzt meinte, die junge Frau müsse wohl heftige Gemütsbewegungen durchgcmacht haben, was in ihrem Zustand ja so wie so schon gefährlich sei; Häussinger konnte aber nicht angeben, welcher Art diese Erschütterungen gewesen seien, da sie doch diese Zeit ja immer in ehelichem Frieden und stillem Glück gelebt hatten. Ter Arzt schüttelte den K^pf und ging, indem er gegen Abend wieder zu kommen versprach, denn die Krisis, die über Leben und Tod entschied, werde nicht lange auf sich warten lassen. Einige Stunden saß Häussinger neben dem Bette seiner Frau, indem er ihre unklaren Phantasien an hörte und sein junges Eheglück beklagte, das völlig zer stört war, wenn die Frau, an der er mit voller Innigkeit hing, ihm entrissen würde. Dann wieder nahm ihn der Krankendienst in Anspruch; er sagte sich, daß von seiner Sorgfalt und Aufmerksamkeit unter Umständen alles ab hängen konnte. In den späteren Nachmittagsstunden klingelte es plötz lich draußen an der Haupttür, die wieder in ihre Angeln gehoben worden war. Häussinger sah, wie seine Frau die Augen weit aufriß, sich in ihrem Bette erhob und ihn ansah, als wollte sie ihm etwas sagen. Aber sie sprach nur zusammenhangslose Worte, sprang dann plötzlich aus ihrem Bette, so daß er sie kalten mußte. Sie drängte, mit aufgelösten Haaren und angsterfüllten Augen weg, als suche sie vor irgend einer schrecklichere Vorstellung zu entrinnen; er suchte sie mit Worten zu beschwichtigen, aber sie blickte nur irr um sich her mit verworrenem Aus drucke und wollte durchaus aus dem Zimmer fort. Dann aber sank sie in Erschöpfung zurück und schlang leise ihren Arm um seinen Hals'. Er hob sie auf und legte sie wieder ins Bett zurück, wo sie nun ruhiger erschien. Schluß folgt- L«k- und Sinnsprüche. Wenn sie dich loben, wenn sie dich tadeln, So wolle bedenken: Ein Tadel kann adeln, Ein Lob kann kränken. Ist dir der Tadel unbcqurm, Frag' auch beim Lob: vcn wem, von wem? Künstrr, nie mit Worten, mit Taten begegne dem Feinde! Schleudert er Steine nach dir, mache du Statuen d'rauß! Friede. Hrdtel. Glaubt ihr, eS ist wir verhaßt, wenn all« Winde ihn zausen? Rein, mir gebührt nur da» Blatt, wa« sie ihm lasten, mit Recht. Friede. Heitel. Daß du richt über Schaden Nagest, Sieh, wa- du sagst und wo du'S sogest. Rücke, t. Munterkeit ist zu jedem guten Eesolgr unentbehrlich I. v Müller. Bmä »ch Verlag Kaagar ä Skaterlich in Ntesa. — Wir die RrdaMm verantvwrtlich: Hermann Schmidt in Ri^a. Erzähler an der Elbe. vettetr. GratiSveilage zu« „Riesaer Tageblatt". SK. a. Riesa, den 7. Februar Ivos. «s. Jahr* Zeitgeschäfte. Roman von Wolfgang Kirchtach. Fortsetzung. „Was für Geschäfte? Jchj verstehe das nicht," fragte der Bildhauer argwöhnischer. Ter Alte drückte sich an der Korridvrwand hin, um nach der Vorsaaltüre zu gelängen und das Ehepaar allein der Erörterung seiner Angelegenheiten zu überlassen. Da Margarete noch immer schwieg, denn sie stand wie in einem Taumel da, in dem sie ver gebens nach Worten suchte, so fuhr Häussinger schnell aus den Alten los, faßte ihn am Rocke und sagte pauh: „Ich will wissen, wer Sie sind, und was Sie wollen!" ,^Lassen's Mi los, gnä Herr, i bin der alte Ratzinger, den werden's doch kennen; a Geldgeschäft hab ich halt mit Jhnere Gattin gehabt; weiter nix." „Ein Geldgeschäft?!" fragte Häussinger unruhig. Er konnte in der Dämmerung nicht die Gesichtsizüge seiner Frau erkennen, die aschfahl geworden waren, während Margaretens Hand rückwärts nervös an der Wand her- umtastete, au welcher sie stände Sonst würde ihm wohl der ganze Sachverhalt klarer geworden sein.' So aber hörte er nur Margaretens Stimme: „Der Mann ist der Diener meines Bankiers; er hat mir den neuesten Kurszettel gebracht. Tas ist alles." „Und wer ist denn dein Bankier?!" „Liebreich u. Co.," sagte Margarete rasch. Das! war der Name eines der solidesten und angesehensten Bank geschäfte der Stadt. Der alte Ratzinger schlich bei diesen Worten rasch zur Vvrsaaltüre hinaus. Häussinger atMete erleichtert auf. „Warum hast du das nicht gleich gesagt," fragte er ruhiger. Als er die Tür schloß, welche der Alte hatte aufstehen lassen, sagte er: „Merkwürdig! Neulich brächte dir doch derselbe Mann eine Botschaft von der Pflegerin." Auch jetzt verbarg die Dämmerung des Korridors die flammende Röte, welche Margarete ins Antlitz schoß. Ihre Kniee wankten; sie hätte am liebsten längs der Mauer auf den Boden hingleiten mögen, und sie mußte sich doch aufrecht halten und Mit dem Tone der. Harm losigkeit sagen.': „Freilch, Friedrich; er hatte mir den Kurszettel ge brächt, und weil ich keinen anderen Boten hatte, habe ich ihn mit ein paar Zeilen zu der Frau geschickt und ihm ein Trinkgeld gegeben" Häussinger zeigte sich beruhigter. Sie traten zu sammen in die Stube. Als'Margarete nun den großen Schattenumriß ihres Mannes 'in das Zimmer vagen sah, dessen ganzer Hausrat schon Morgen früh nicht mehr ihr eigen sein konnte, alssie ihren Mann gleichsam obdachlos inmitten seiner Häuslichkeit stehen sah, war. es ihr, als würde das Zimmer immer leerer, immer leerer, bis es ganz nur aus kahlen, hohen Wänden bestand, die ihr Mann verwundert betrachte, als verstünde er dies alles nicht. Ach, wenn er das Schreckliche erfuhr, er würde sie verstoßen, verlassen, er würde sie verachten wegen ihrer Heimlichkeit, mit der sie alles verspielt hatte. Sie wollte ihn» zu Füßen stützen, um alles zu gestehen; aber es war, alS seien ihre Kniegelenke eingefroren, sodaß sie starr und schier bewegungslos in der Mitte der dunkeln Stube stand und mit innerer Erstarrung ihres Geistes erwartete, was er nun tun würde. Häussinger ging ein paar mal im Zimmer auf und ab. Tann blieb er vor Margarete stehen und fragte langsam und ernstlich bewegt: „Gretchen, Gretchen, Du machst mir doch keine Börsengeschäfte? Versprich mir, das nicht zu tun." Sie sagte tonlos: „Börsengeschäfte? Ich? Du hast es mir ja verboten, und würdest es mir nie verzeihen." Es lag etwas wie eine leise, hoffnungsvolle Frage in dem Wort. Ob er vielleicht doch verzeihen könnte? „Nein," entgegnete er, „ich würde das auch unverzeih lich finden. Ich verstehe nichts von Spekulationen; aber ich sage mir, daß das kein redlicher Erwerb ist, bei dem man nicht das Bewußtsein geleisteter Arbeit hat. Bei einer Frau vollends würde ich diese Art von Erwerb für ein Verbrechen halten, dert'n sie hat an ihre Familie zu denken, an Kind und Haus." „Ach, Tu hast so sehr recht!" sagte sie still für sich verzweifelnd. „Es soll heute ziemlich arg auf der Börse hergcgangen sein. Tas falsche Gerücht von russischen Rüstungen und Militärschüben an die Grenze hat eine Panik erzeugt. Aber Tu kannst vollständig beruhigt sein, die Krisis wird nur die Spekulationswerte treffen. Ein sachverständiger Herr sagte mir, alle diese Gerüchte seien nicht ernst zu nehmen; eine große Gruppe von Pariser und Wiener Finanziers habe die Absicht, die Börse von jenen un lauteren Elementen zu säubern, welche ohne wirkliche Werte spekulierten. Wenn Tu Lein Geld in guten, soliden Papieren angelegt hast, so kannst Tu vollständig beruhigt sein. Es töifft Tich nicht." Margarete schwieg still. Ter Gedanke, daß ihr Geld auch nur als Opfer für die Maßnahmen der großen Bank häuser fallen sollte, welche die Börse von. jenen Elementen säubern wollten, zu denen sie selbst gehörte, vernichtete sie vollends. Und das mußte sie wissen, da konnte sie nichts tun, da Mußte sie mit gebundenen Händen zusehen, und die Hoffnung ihrer ganzen Existenz lag darin, daß das Pfand auf ihren Hausrat ausreichte, um den Kurs unterschied zu decken. Ach, wenn es nur nicht so dämmerig in dem Zimmer um sie herum gewesen wäre, bei völliger Nacht wäre ihr Wohler gewesen! „Ich dächte, wir könnten nun Licht machen," sagte Häussinger, indem er ein Streichholz anzündete und die Lampe auf dem Ofensims anbrannte. — „Ach, ja, wir wollen! Licht machen!" sagte Margarete wie abwesend. — Schon früh am nächsten Tage war die junge Frau bei Brexl. Sie saß dort, wie zur wesenlosen Schein gestalt geworden^ auf der Bank und wartete auf die Börsenberichte, dtie der alte Ratzinger von Stunde zu Stunde herüberbrachte. AM Morgen war der Kurs noch der alte, allmählich aber erholte er sich; die Kreditaktien waren um einige Prozent in die Höhe gegangen, Mar garete konnte von Stunde zu Stunde leichter atmen; zuletzt standen die Papiere wieder so, daß ihre Deckung schon wieder mit einigen Tausend Mark gerettet war. Ta wollte sie nun auch den Pfandschein über ihren Hausrat wieder heraushaben. Indessen der alte Ratzinger sagte: „Wissen's gnä Frau, dös hat ja kvane Ml. Ich laß
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