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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020620011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902062001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902062001
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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4400 reich«. Die Stimmung in den Kammern war aber einer Vermehrung der Ausgaben für das Heer durchaus abgeneigt. Da ist es Kronprinz Albert, der als Fachmann von nunmehr fünfzehnjähriger Erfahrung für die nothwendigen Forderungen eintritt, indem er als Mitglied der Ersten Kammer am 27. Mai 1884 dieser unter anderem Folgendes ans Gewissen legt: „Vom Geiste deS OfficierScorpS, von der Bildung und Tüchtigkeit desselben hängt auch die Brauchbarkeit und Tüchtigkeit der Armee und von der Tüchtigkeit der Armee die Ehre derselben ob. Eine Armee, welche tüchtige Officiere hat, wird sich aus dem Schlachtfelde ebenso bewähren als im Frieden, sie wird die Ehre ihres Landes, sie wird ihre Fahne stets hochhalten. E.S können Zeiten eintreten, wo die Geltung unseres Vaterlandes von den Thaten unserer Armee abhängen kann, wo man weniger fragen wird nach unserer ausgezeichneten Industrie, nach unserem vortrefflichen Ackerbau und unseren guten Gelehrtenanstalten, sondern wo man fragen wird: Wie haben sich unsere Sachsen geschlagen? Und darnach wird der Werth unseres Vaterlandes bemessen werden. Dies nicht zu unterstützen, können wir nicht ver antworten, und wir erwarten daher, daß auch die Zweite Kammer die Verantwortlichkeit nicht auf sich nehmen werde, deshalb unser Vaterland einst seine Selbstständigkeit vielleicht einbüßen zu sehen." ES waren das Seherworte, die ihre volle Bestätigung durch den Krieg von 1866 erfahren haben. Und hiermit stehen wir wieder auf dem Ruhmesfelde von Königgrätz, vor dem Beweise größten strategischen Könnens. Wer die drei officiellen Darstellungen des Feldzuges von 1866, die sächsische, die österreichische und die preußische, studirt hat, weiß, daß über keinen Punct solche Einheit herrscht, wie über die Verdienste deS Kronprinzen Albert. Und wer heute Gelegenheit hat, unsere Veteranen von 1866 darüber zu sprechen, der kann das Leuchten in den Augen dieser wackeren Männer sehen, wenn sie von ihrem Führer bei Gitschin und König grätz sprechen. Daß die Schlacht, die den Krieg entschied, unter anderen Umständen eine Niederlage der Preußen bedeutet hätte, steht ihnen fest, und eS liegt em gutes Stück Wahrheit darin, namentlich wenn man weiß, daß bei Befolgung der Rathschläge deS sächsischen Kronprinzen die Umgehung im Südwesten deS Schlachtfeldes durch die Preußen kaum möglich gewesen wäre. Die unglücklichen Opfer aber dieses so nothwendigen und doch so bedaueruSwerthen Krieges finden in den Spitälern Wiens und der Umgegend Pflege; sie gestaltet sich um so sorgfältiger, als über ihr die rührend zu nennende Fürsorge der Kronprinzessin Carola, der Gemahlin des obersten sächsischen Heerführers, waltet. Die Gefährtin fürs Leben, die dem Kronprinzen eine aufrichtige Herzensneigung im Jahre 1853 an die Seite gestellt hatte, sorgt persönlich, wo sie nur kann, für die armen Verwundeten und erfreut sie mit freundlichem Zu spruch. Davon hält die hohe Frau weder der damals grassirende Typhus noch die Ende August 1866 ausbrechende Cholera ab. In jenen Tagen, die sonst alle Besucher aus den Hospitälern scheuchte, erwarb sich die Kronprin zessin Carola einen friedlichen Ruhmeskranz, der neben dem kriegerischen deS Gemahls unverwelklich bestehen kann. Wir alle wissen, welche neuen Blätter ihm in den glorreichen Jahren 1870 und 1871 durch die herrliche Tätig keit derselben hochsinnigen und warmherzigen Frau hinzu gefügt worden sind.' Und wir wissen auch, wie sie in diesen letzten Tagen voll banger Furcht und stiller Hoffnung als linde Pflegerin in unermüdlicher Fürsorge an jenem letzten Krankenlager gewaltet und damit sich den Dank und die liebende Bewunderung deS Sachsenvolkes erworben hat. Der Bruderkrieg ist zu Ende. Auch über das Schicksal Sachsens werden in den FriedenSverhhandlungen die Würfel geworfen. Da erfüllt sich das Seherwort deö Kronprinzen: die hervorragende, durch ihren Führer begründete und durchgebildrte Tüchtigkeit der sächsischen Armee in diesem Kampfe bestimmen Bismarck mehr, als die Fürsprache Napoleons, die Erhaltung der sächsischen Selbstständigkeit bei seinem von HauS aus ganz anders gesinnten königlichen Herren zu befürworten und durchzusetzen. Der militärische Leiter aber deS preußischen Feldzuges, Moltke, schrieb damals im Hinblick auf die Leistungen der sächsischen Armee bei Königgrätz: „Eine geschlagene Armee, die, dem Unvermeid lichen sich fügend, ruhig und geordnet das Schlachtfeld ver läßt, kann sich dem Sieger fast ebenbürtig an die Seite stellen, und wollte Gott, daß dies geschehe — und bald!" Der Wunsch deS kundigen Schlachtenlenkers ging in Er füllung, reicher und großartiger, als er selbst eS sich woh hatte träumen lassen. Deß legen Zeugniß die ruhmvollen Thaten der sächsischen Armee im Kriege gegen Frankreich unter der Führung ihres geliebten, bewunderten, angebeteten Kronprinzen Albert. Wer bringt die Entscheidung bei St. Privat, wenn nicht Kronprinz Albert durch seinen kühnen, auf eigenster Initiative beruhenden Flankenmarsch? Und als bald sollen nicht nur die Sachsen, sondern auch die Preußen des GardecorpS und des IV. Corps unter deS sächsischen Kronprinzen Leitung zu neuen Siegen geführt werden. Wer weiß eS nicht, daß eS ohne Beaumont kein Sedan gab? Und welche Bedeutsam keit deS Kronprinzen Albert Einwirkung für die Belagerung von Paris gehabt hat, weiß Jeder, der daS GeneralstabSwer über den großen Krieg zur Kenntniß genommen hat. Im Besonderen werden die Kämpfe bei Le Bourget, bei VillierS und Brie sur Marne bis in späteste Zeiten und Geschlechter vom Ruhme deS Sachsenherzogs Albert künden. ES war am Tage nach dem siegreichen Kampfe bei Brie, also am 3. De- cember 1870, daß Prinz Luitpold von Bayern, der heutige Regent diese« Landes, im Hauptquartier zu Versailles erschien, um König Wilhelm die von dem bayerischen Könige Ludwig II. verfaßte Aufforderung zu überreichen, daß er dem Wunsche der deutschen Fürsten und Stämme entsprechen und sich die Kaiserkrone aufs Haupt setzen möge. Als dann am 18. Januar 1871 das welthistorische Ereigoiß im Versailler Königsschloß sich vollzog, daS unter dem Jubrlruf sieghafter Deutscher die Begründung unseres deutschen Reiches der gesammten Welt verkündet wurde, da stand mit Recht der sächsische Kronprinz in erster Linie auf der Estrade, die recht« und links die Paladine deS neuen Kaiser- trug. Durch solches ruhmreiche Zusammenwirken von Feldherr und Armee hat sich ein Band zwischen dem sächsischen Heere und seinem obersten Führer gebildet, das in ganz Deutschland seine-Gleichen nicht hat. Wie oft hat sich da-Empfinden dafür an den Tag ge legt, so auch damals, al- die Armee bei dem 50jährigen Dienstjubiläum des Königs Albert, da» er vom 22. bis 24. October 1893 beging, ihm eine wundervoll gearbeitete Kette zum Militär-St. HeinrichSorden verehrte. Au« der Dankrede des Königs mögen unS die herrlichen und denk würdigen Worte wieder zu Ohre» klingen: „Wenn Ich diese neugestiftete Kette vom HeinrichSorden aus den Händen Meiner Armee annehme und trage, so thue Ich die- nicht ür eigenes Verdienst, sondern als eine Anerkennung für daS, waS die Armee geleistet hat, seit Ich ihr angehöre. Ich eiere heute gewissermaßen Meine goldene Hochzeit mit der Armee und Ich bin'dieser meiner Jugendliebe immer treu ge blieben. Ich habe mit der Armee gute und schwere Tage verlebt. Stets war aber die Armee dieselbe, immer gehorsam, pflicht bewußt, treu und hingebend. Daß Ich diesen Tag heute unter so mannigfachen Ehrenbezeigungen erleben kann, verdanke Ich nur der Armee. Besonders habe Ich diese Zusammengehörig keit der Armee zu Mir empfunden in schweren Tagen. Ewig unvergeßlich werden Mir sein die Zurufe auS ihren Reihen — nicht von Officieren, sondern von Meinen Soldaten — auf dem Rückzüge von Königgrätz. In glücklichen Tagen habe ich sie ja auch oft gehört, aber von einer siegreiche» Armee erklingen sie von selbst. So bin Ich verwachsen mit der Armee, die Mir stet» nur Freude gemacht hat. Und so soll eS bleiben für alle Zeiten!" Als raS dem Ende zuneigende Jahr 1866 Sachsen als Glied des norddeutschen Bundes einreihte, erklärte König Johann in seiner schlichten und ehrlichen Weise: „Mit der selben Treue, wie ich zu dem alte» Bunde gehalten habe, werde ich zu dem neuen halten." Diesem Gelöboiß des VaterS ist auch der Sohn treu geblieben, treu auch dem Beispiele seines erlauchten Stammvater- Albrecht de« Be herzten, dessen Hingabe an daS Reich und seinen Kaiser kein Zeitgenosse übertraf. Mit Stolz und mit warmer Herzens freude hat das sächsische Volk die ungezählten Beweise der aufrichtigsten Verehrung miterlebt, mit denen unser Kaiser Wilhelm II. bei jeder sich bietenden Gelegenheit König Albert als eine der getreusten Stützen des neuen Reiches zu erfreuen gewußt hat. Und mit gleich stolzer Befriedigung wußte mau sich im Sachsenlande mit dem richtigen Ahnungövrrmögen deS VolkSinstiokteS bald hier bald dort zu erzählen von dem segensreichen Einflüsse König Alberts auf seinen temperament vollen kaiserlichen Freund. Dreizehn Jahre sind e- nun bald her, aber noch bis heute galten die Worte deS Kaiser-, die er am 7. September 1889 zu unserm verewigten König sprach: „Es ist eine große Schuld, die Ich abzutragea habe. Viele Jahre haben Ew. Majestät für Mich gesorgt und Sich um Mich bekümmert. Wie Ew. Majestät eS wohl bekannt ist, hat dereinst Mein verstorbener Herr Vater Mich Ew. Majestät besonders ans Herz gelegt mit der Bitte, Sie möchten für Mich sorgen, wenn ihn einmal etwas Mensch liches träfe. Ew. Majestät haben diese Bitte in hochherziger Weise erfüllt und Ich habe schon lange Jahre Meine» LebrnS einen innigen Freund und väterlichen Berather in Ew. Majestät gefunden." — Die Trauer, die heute und für lange Zeit die Herzen deS sächsischen Volkes erfüllt, hat auch in der Zolleruburg zu Berlin Einzug gehalten und umflort daS freudige Herrscherbewußtsein deS HaupteS deutscher Fürstengröße ebenso wie daS Herz deS sächsischen, de« preußischen und deS gesammten deutschen Volkes. Und ein Vollender auch nach Innen! Fast neun- undzwanzig Jahre sind dem sächsischen Volke dahin gegangen als friedliche, segensreiche Jahre unter dem milden Scepter König Albert'S. Al- mit dem 29. October 1873 die Krone auf König Albert forterbte, da kannte man in ihm nur den sieggewohnten, lorbeergeschmückteu Feldherr», der auch später noch dem größten StaatSmauue Deutschland ais der gegebene Heerführer erschien, als er sich gelegentlich der 800-jährigen Wettinfeier folgendermaßen äußerte: „DaS leuchtendste Muster der Selbstlosigkeit der Bundesfürsten ist König Albert von Sachsen, der glorreiche Führer deutscher Heere, vielleicht der künftige Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte, wenn daS Reich seine Existenz nach Osten und Westen vertheidigen muß." Aber gerade nun, nach Nieder legung seine- militärischen CommandoS über da- XII. und IV. Armeecorp hat König Albert eine Thätigkeit entwickelt, die ihn dem Ahnen, dem landsorgenden Vater August, an die Seite stellt. Die Huldigungen, die rin dankbare- Volk bei jeder sich bietenden Gelegenheit darbrachte, so zum 800jährigen Wettinjubiläum, so zum 50 jährigen Gedächtnißtage seine- Eintritt- in die Armee, so zum 70jährigen Geburtstage, sie sind ebenso wie der WettinobeliSk und der Quaderbau deS königlichen Schlosse- Zeugnisse für die erkenntliche Liebe, die in unsere» und unserer Nachkommen Herzen länger leben wird als Erz und Stein. Es ist nicht Ort und Stunde, der Gesetzgebung im Ein zelnen nachzugehen, wie sie unter König Albert'S Staats leitung und oft genug unter seiner stillen Mitarbeit, sowohl im Anschluß an da- Reich, wie in der Fürsorge für die engeren Grenzen deS sächsischen Vaterlande« Segensreiche- auf den verschiedensten Gebieten geschaffen hat. Wer in dieser Richtung zu arbeiten hatte, der war de- vollsten Verständ nisses, der selbstlosesten, jede- äußere Aussehen vermeidenden Förderung des Monarchen sicher. Ja dem besonderen Zweige der Arbeiterfürsorge aber, und, wenn wir heute da» Wort noch für möglich halten: der Arbeitererziehung, muß in hellste» Licht gesetzt werden, wie König Albert jedem be rechtigten Wunsche da- wohlwollendste Entgegenkommen seine väterlichen Herzen- gezeigt hat, keiner redlichen Arbeit, auch de« Geringsten, die verdiente Krone versagend. Es wird wenig Herrscher geben, deren Persönlichkeit al- solche die be kannten verhetzenden Stimmen der Umsturzorgane so an dauernd verstummen ließ, wie die ehrwürdige, über den Parteien stehende Herrschergestalt König Albert'S. Wie alle Kreise, so empfanden auch diese die still und stetig fördernde Fürsorge de» Herrscher-. Und wen» gerade da» letzte Jahr so manche- brachte, WaS von dem alten wirthschaftlichen Glanze unsere- Vaterlandes bedauerlich abstach, so ist dabei unser aller Gedanke gewesen, daß wir vor Allem 2hm solche herbe Erfahrung gern erspar gesehen hätte». Denn wir Alle habe» e- ja miterlebt, wie sein Herz a» jeglicher Wohlfahrt seine» Lande« hi»g. Mit welchem Schmerz gedenkt da« gesammte sächsische Beamten« thum heute dessen, der treue Arbeit durch gesichertere Existeni zu belohnen und zu ermuthigen wußte. Die LandeSuniversitat und mit ihr jede der gelehrten, der künstlerischen, der fach ¬ männischen, der realen und der Dolk-schukbilduug bestimmte Lehranstalt betrauert den feinsinnigen, verständnißvolleu, an regenden Förderer und Gönner. Wie hat er, der Schwert gewohnte, gerade auf dem erziehlichen Gebiete, eia echter Sohn de« Frieden« und als Hort von Kunst und Wissen- chaft tausend und abertausend Anregungen gegeben. Wie joch stand ihm die Wichtigkeit der klassischen Erziehung neben der BolkSschul- und der realen Bildung. Unvergessen werden die Worte bleiben, die er am 24. September 1891 gelegentlich der Einweihung der neuen Fürstenschule zu Grimma u dem damaligen Rector sprach: „Gott erhalte un« die mmanistische Bildung, ich werde für sie kämpfen bis an mein Ende!" — So trat er auf allen diesen Gebieten al« „der Vollender" im Sinne seines verewigten Vater- Johann an da- geistige Schaffen seine- Volkes heran. Vor nehmlich auch in dem einen Sinne, in dem den Manen König Albert'S noch ein besonderer Kranz gebührt. Wir meinen da« von seinem weisen, die Herzen seiner Sachsen kennenden Vater niedergelegte, vom Erzieher befolgt« und vom Sohne zur That gestaltete Priucip: „Mein Sohn soll aber ferner auch, ohne allen Widerwillen gegen fremde ConfessiouSverwandte, ganz seiner Confession augehöreu." Und ferner das andere Wort deS damaligen Prinzen Johann an den befreundeten Herrn von Manteuffel: „WaS die Erziehung meiner Söhne betrifft, so können Sie versichert sein, daß ich sie ebenso sehr vor ReligionSgleichgiltigkeit als vor Intoleranz zu bewahren mich bestreben werde." Wie schrieb der große Friedrich von Preußen einst an den Herzog Karl von Württemberg? „Duldsamkeit in der Religion wird bewirken, daß Sie von Ihren Unterthanen angebetet, Verfolgung, daß Sie von ihnen verabscheut werden." Auch wir haben Ursache gehabt, in diesem frideri- cianischen Sinne König Albert anzubeten. — Und so bringen sie dar ihre Kränze Alle, die unter König Alberts Regiment ihre Ziele gefördert sahen, so oft auch zu emsiger Thätigkeit angespornt durch die jedes Jahr wiederkehrenden Besuche deS Monarchen in den Arbeitsstätten der Nation. Wo im Erzgebirge der Klöppel di« feinen Fäden zu Spitzen schlingt, wo immer der Hammer de« Schmiedes an den Maschine» deS Verkehr- und der Industrie arbeitet, wo der Berg mann aus der Erde Tiefen Silber und Kohle zu Tage fördert, wo die Spindeln am Webstuhle der neuen Zeit sausen, wo der Kaufmann hilft, das nationale Gut zu mehren, wo der Buchdrucker die Lettern handhabt als Zeugen des geistigen Fleißes nicht nur des sächsischen, sondern des gesammtdeutschrn Volkes, und wo fleißige Hände dem Buche die äußere Hülle verschaffen — allenthalben ruht heute die Arbeit, denn die kalte Faust deS TodeS hat den Puls des Mannes umklammert, der allen Betrieben menschlicher Kunstfertigkeit mit intereffevollem Verständniß Leben und Anregung zu geben wußte, allenthalben trägt auch die schlichteste Hand Blumen der Dankbarkeit und Erinnerung zu seinem Grabe. Dahingegangen ist König Albert, hinübergeschlummert in jenes Reich, wo ihm der ewige Richter die irdische und ver gängliche Krone, die der Tod ihm vom Haupte streifte, ersetzen wird durch die ewige und unvergängliche, die den getreuen HauShaltern verheißen ist im Evangelium. Und wir gedenken in schmerzlichster Erschütterung der Verse, die unse re« theuersten Tobten verewigter Vater kurz vor dem eigenen Heimgang« einst schrieb: Hoch über den Sternen Wie muß «S so göttlich sein! DaS Rathen und Wähnen, DaS Ahnen und Sehnen Verklärt im himmlischen Schein! —. vr. X. Lt. König Georg von Sachsen. Man schrieb in der sächsischen Residenz den 8. August 1832. Ein heiterer Tag hatte über Elb-Florenz gelegen und da« Tiefblau de« Himmels sich in den Fluthen de» schönen Strome- widergespiegelt. In Barken und Lust nachen waren, als die Sonne tiefer herniedersank. Viele den Fluß hiuaufgefahren, um auf dessen breitem schimmernden Rücken Kühlung zu suchen und sich an dem herrlichen Panorama seine- Ufer- zu erfreuen. Und Vieler Gedanken waren dab«i.hinübergeflogen zu jenem Lustschloß am rechten Elbufer, da«, einst eine alte Burg, nach dem Brande von 1818 »en und schön wieder aufgebaut war. Dort in Pillnitz lebte der Prinz Johann mit Prinzeß Amalia Auguste von Bayern eia stille-, glückliche- Familienleben, erhellt durch die Pflege der Wissenschaften, verschönt durch liebliche Kinder, denen einst, wie dem erlauchten Vater, die schimmernde KöuigSkrone Sachsen- auf da- Haupt gesetzt werde» sollte. Und in diesen Tagen flogen die Gedanken noch weit inniger hinaus zum Pilluitzer Schlosse, wußte man doch, daß die nächste Zeit wieder einen neuen Sproß am alten ragenden Stamme der Wettiner zu begrüßen haben werde. Der Abend war hereingebrochen, die Nacht kam. Da hallten auf einmal in regelmäßigen Intervallen Kanonen schüsse durch die ruhige Abendstille. Dreimal sechzig Schüsse wurden gelöst, und nun ging es von Mund zu Mund: In Pillnitz ist dem verehrten und geliebten Prinzenpaare Johan» ein Knabe geboren — der dritte in der Reihe, und fromme Segen-Wünsche mischten sich in den Jubel und in den Kanonen donner, die den neuen Wettinsprossen begrüßten. Zwei Stunde» vorher, ehe der Mund der Geschütze der Stadt und der Umgegend die Glück-knude zudonuerte, in der neunten Stunde deS Abend-, war der Prinz geboren, zu dem heute, nachdem Gotte- unerforschlicher Rathschluß dem Leben de- gütigen König- Albert ein so schnelles und un erwartete- Ende bereitet hat, da« Sachsenvolk al- zu seinem neuen Könige voller Treue und Vertrauen empor schaut. Nach den Traditionen des sächsischen Hofe- empfing der neugeborene Prinz gleich am folgenden Tage in der Pilluitzer Schloßcapelle durch Bischof Mauermann die heilig« Taufe und in dieser den Namen Georg. Sachsens Herrscher geschichte kennt und schätzt de» Namen. Schon Georg der Bärtige, der zweite Regent, trug ihn und die vier Johann Georg brachten ihn hinter einander zu hohen Ehren. Nun glänzt er auch unter Sachsens Königen! König Georg von Sachsen darf auf eine lichte und freuden volle Kindheit und Jugend zurückblicken. Fiel auch während seiner ersten Lebensjahre die unmittekbar« Sorge den Erzieherinnen Frau von Edelstein und später der Hof dame Frl. von Sturmfeder zu, so genoß er zugleich die liebende Sorgfalt der prinzlichen Mutter Amalia Auguste und seines hochgesinnten VaterS. Vom siebenten Jahre ab trat die Erziehung in eine neue Phase. Erster Erzieher deS König- Georg ward Geheimrath von Langen» und neben diesem, ür die in jungen Jahren auch bei ihm einsetzende militärische Ausbildung, Leutnant von Minckwitz. Es ist kein abgesperrtes, durch höfische Etiquette eingeengtes Leben gewesen, da- die junge» Söhne deS Prinzen und nachmaligen König- Johann ühren durften. Die Strenge in der Ausbildung machte röhlicher Ungebundenheit Platz, wenn die Pflichten gewissen haft erfüllt waren. Daun sahen die Rasenflächen des Schlosses Weesenstein fröhlich sich tummelnde Knaben, unter gleichaltrigen Genossen als den fröhlichsten einen künftigen König Georg. Gern mögen wohl noch heute in stillen Stunden die Gedanken deS Herrscher- zurückfluthen zu den schönen Tagen der Weinlese auf der Weiubergsvilla zu Wachwitz, zu den kleinen und doch so erinnerung-tiefen Freuden der Jugend. Und nicht nur die Wissenschaften traten an die jungen Prinzen, empfangsbereite Seelen in ihnen findend, heran, nicht nur mit Schwert und Helm die ihnen bestimmte militärische Laufbahn — auch die Musen lächeltenihnen schon in früher Jugend zu. Hatten diese doch im väterlichen Heime ein TuSculum gefunden. Je mehr die Jünglingsjahre vorschritten, desto mehr drängte die militärische Ausbildung auch bei Prinz Georg sich in den Vordergrund. Aber die Wissenschaft wahrte daneben ihre Rechte. Siebenzehn Jahre alt, ward Prinz Georg Bonner Student. War schon bisher die Geschichte jene- Fach gewesen, das sein lebhaftestes Interesse fand, so sollte er hier deren Studium fortsetzen, vor Allem aber die Rechte studireu. Am 31. October 1849 ward seine Name in das Album der juristischen Facultät eingetragen. Mit großem Eifer versenkte sich der prinzliche Student in seine Studien und Wohl schmerzlich hat er eS empfunden, als dem ersten Studien jahr kein zweites folgen durfte, als das rauhere militärische Leben, dem bewegten Gange der Zeitereignisse entsprechend, ihn ganz in seine Arme zog. DeS König- Georg militärische Erziehung ist eine ungemein sorgsame und vielseitige gewesen. Sie hat ihn zu den höchsten militärischen Ehren hin geleitet, ihm daS Heldenreis um die Stirn gelegt und ihn mit dem SiegeS- lorbeer geschmückt. In seinem vierten Lebensjahre bereits trat sein Name in innige Verbindung mit dem sächsischen Heere, denn seit dem 9. Juni 1836 führt ihn da- da malige 3. Linien-Regiment, das uns Leipzigern seit langen Jahren besonder- nahe steht; sind es doch unsere „10 6 er", die den Namenszug deS damaligen Prinzen und nunmehrigen Königs von Sachsen in doppelt ver schlungenem „6" auf den Achselklappen tragen und als deren Chef er oft in Leipzig anwesend war. Aber auch dem Kinde schon fehlte die militärische Ausbildung nicht. Unmerklich trat sie vom Spiel in den Ernst ein, und dem Heran wachsenden Knaben ward keine Anstrengung, die ein reglements mäßiges Exerciren, Turnen und Waffenführen erfordern, ge schenkt. Im März 1846 ward Prinz Georg zum Leutnant ernannt und trat als solcher in da- 2. Infanterie- Regiment Prinz Max (heute Nr. 104) und damit in den praktischen Dienst selbst ein. Seine militärischen Begleiter aus jener Zeit trugen Namen, die heute noch im sächsischen Heere mit hoher Achtung genannt werden; es waren der da malige Oberleutnant Senfft von Pilsach, aus dem nachher einer der schneidigsten sächsischen Reitergenerale werden sollte, und Hauptmann von Tschirschky und Bögendorff. Die nächsten Dienstjahre sahen den Prinzen Georg auch bei anderen Truppentheilen Dienst thuend, so 1847 bei dem Gardereiter-Regimente, 1851 bei der Fußartillerie und 1852 bei der reitenden Artillerie. Bei dieser wurde er zum Haupt mann befördert. 1854 erfolgte seine Beförderung zum Major und wenige Monate später zum Commandeur deS 3. Jäger- bataillonS. Im März 1858 ward er Oberst, gegen den Schluß deS Jahre- 1861, nachdem er länger als ein Jahr Commandeur deS Gardereiter-RegimentS gewesen, General major und al- solcher,Führer der ersten sächsischen Reiter- Brigade. Bis dahin Ware», bis auf jene wenigen trüben Monate deS Jahres 1849, in denen überall eine Entfremdung zwischen den Völkern und den Fürsten eingetreten war, die Jahre des königlichen Soldaten in Frieden verlaufen. Da kam das Jahr 1866 mit seinen verhängnißvollen Ereignissen, die Deutsche gegen Deutsche führten und deren Erinnerung sich heute noch beklemmend auf die Brust legt. Wie Hannover und Hessen war auch Sachsen in jenem furchtbaren Conflict an die Seite Oesterreichs getreten und Bellona durchmaß zor nigen Schrittes auch unsere- SachsenlandeS friedliche Fluren, wenn diese auch von den eigentlichen Kämpfen verschont blieben. Am 19. Juni, vier Tage nach der Kriegserklärung Preußen- an Sachsen, führte Prinz Georg die damals von ihm befehligte erste sächsische Reiterbrigade nach Böhmen, um mit dem sächsischen Corps zur österreichischen Nordarmee zu stoßen. War bei Königgrätz, wo Prinz Georg an der Spitze deSGardereiter-RegimentS stand, auch kein Siegeslorbeer infolge der überlegenen Macht des Feindes und seiner besseren Be waffnung zu erwerben, den Ruhm des tapferen, unerschrockenen und umsichtigen Truppenführers hat Prinz Georg von diesem 3. Juli deS Jahres 1866 an an seinen Namen geknüpft. Die kluge und besonnene Rückzugsdeckung und der Marsch seiner Brigade durch die Kleinen Karpathen nach Wien er weckte auch die Anerkennung deS Feinde-, di« besondere aber seine- königlichen VaterS und dessen kaiserlichen Verbündeten: Sachsens und Oesterreichs TapferkeitSorden, der sächsische St. HeinrichS-Orden und das österreichische Militär-Verdienst kreuz mit Schwertern, lohnten Tapferkeit und Umsicht. Die nächsten Friedensjahre stellten namentlich an die letztere hohe Ansprüche. Der Krieg hatte eine vollkommene Umformung deS sächsischen Heere« zur Folge, und diese siel dem im December 1866 zum Generalleutnant ernannten Prinzen Georg zu. Die glänzende militärische Begabung bewährte sich hier aus'S Neue: Innerhalb zweier Jahre war die Umformung vollendet und ihr Schöpfer konnte den Dan! deS König« Wilhelm I., de« neuen BundeSseldherrn, 1868 in Dresden entgegennehmen. Der Friede sollte nicht lange währen; die Ereignisse, die in dem Kriege von 1870 ihre Ausladung fanden, trieben, wie der Wirbelsturm vor Gewitter, heran. Alldeutschland zog nach Frankreich hinein,
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