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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190207207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-20
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1902
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V113 Künstler, weil die Phantast« brach liegt, kein Bedürfntß, ihr Nahrung und Material zuzuführen. Das ist der erroulus vitiosus. Es ist eine merkwürdige Entwickelung, daß eine Kunst, die die ganze und volle Wahrheit und sie allein zu ihrer Devise machte, schließlich mit dem hippokratischen Zuge allgemeiner Unwahrhafttgkeit endet. Aber sie ist leicht er klärlich. Der Moment ist (ich wiederhole es) im künstle rischen Sinne die Unwahrheit. Jedermann hat genug Mvmentphotographten gesehen, um sich davon zu über zeugen. Da erscheinen galoppirende Pferde stehend oder, wie unabhängig vom Gesetze der Schwere, in der Luft schwebend. Das Lächeln wird zur Grimasse und ein Mann, der im Sonnenlicht blinzelt, gleicht oft aufs Haar einem Weinenden. Der Künstler, der nach dem Princip der Momentphotographte verfährt, fällt rettungslos der Cari- catur anheim, und die Caricatur grinst uns denn auch in den Ausstellungen überall entgegen. Caricaturen sind die Porträts von Hancke, Caricaturen die alten Frauen von Franck. Seit 4000 Jahren arbeiten die Künstler un- unterbrochen daran, die verwirrende Fülle von Einzel beobachtungen zu sichten, das Gesetzmäßige im Zufälligen, das Allgemeine im Einzelnen herauszufinden und so daS Einzelne, den Moment, die Impression für glaubhafte uno charakteristische Darstellung verwendbar zu machen. Wenn heut der Künstler das Lächeln einer Fran nicht fratzenhaft, wie ein Polynesier, darstellt, so verdankt er das den Griechen un- Egyptern, der Gothik und Ltonardo. Ist er im Stande, selbst die flüchtigste und gewaltsamste Be wegung im paffenden Zusammenhänge mit Glück zu ver werten, so haben ihm die Pergamener, Michelangelo, RubenS diese Möglichkeit erobert. Ein Jahrhundert dauerte es, bis die Maler der Renaissance lernten, einen Menschen auf seinen Füßen stehend zu malen »Vasari führt diese Errungenschaft als eine That Masaccio's ausdrücklich an); und eine lange Zeit hat es erfordert, bis man die Gesetze der Bewegungen des Sprechens und Lachens so durchdrungen hatte, daß die, die man sprechend und lachend schilderte, auch wirklich zu sprechen und lachen schienen. Aber heut sehen wir ein Waschhaus von Höniger, auf dem ein Dutzend Frauen in den mannigfachsten Situationen, bei der Arbeit, bei der Unterhaltung, im Gelächter, ge schildert sind — doch sie arbeiten, plaudern und lachen nicht, Bewegungslosigkeit und Stummheit liegt über dem Bilde, als wären alle diese Frauen in ihren Stellungen hypnoti- sirt. Der Grund? Daß der Maler versäumt har, seine Naturbeobachtungen an dem aufgehäuften künstlerischen Wiffensschatze zu controliren und mit ihm zu combiniren. Der Verfasser der Borrede zum Scccssionscatalog schließt mit den Worten: „Es wäre der Ruin der Kunst, aus der Anschauung der vorhandenen Kunstwerke Neues schaffen zu wollen." Um Vergebung: das ist eine Donguichoterie, ein Kampf gegen Windmühlen, denn ich wüßte nicht, daß irgend Jemand diese Theorie ausgestellt hätte. Sicher aber ist und die Entwickelung jeden Tages beweist cs, daß es der Ruin der Kunst ist, wenn sie das, was bisher an Willen von der Natur gesammelt ist, ignorirt. Eine einzige Ge neration kann nicht ersetzen oder von sich aus leisten, was vier Jahrtausende in gemeinsamer Arbeit geleistet haben, und die fieberhafte Arbeit der Künstler, deren Zeuge wir sind, bleibt ein Schöpfen ins hohle Faß. vr. Dresdner. Sport. Rennen zu Magdeburg am IS. Juli. (Privattelegramm.) I. Flachrennen. 1200 und Ehrenpreis. Herrenreiten. Dist. 2000 m. Lt. Frhr. v. Venningen's „Zecher" (Lt. v. Bach- mayr) 1., „Soprana" 2., ,.La Bocca" 3. Tot.: 44:10. Platz: 15,12,18:10. Ferner liefen: „Oleander", „Mansred", „Jam", „Swallowbeck", „Golm", „Frankfurt", „De Juso". II. Thuringia-Hürdenrennen. Preis 1000 Dist. 2500 m. Mr. R. A. Wough's „Stephan" (Lt. v. Goßler) 1., „Praebende" 2., „Ricarda" 3. Tot.: 17 :10. Platz: 12, 17 :10. Ferner liefen: „Fackelbrand", „Dubmeldopp", „Granada". III. Handicap - Steeple - Chase. Preis 1200 Dist. 4000 m. Lt. v. Plötz' „Ivan" (Lt. Gras Scherr-Thoß) 1., „De Wet II" 2., „Bouton d'Or" 3. Tot.: 53 :10. Platz: 23, 16 :10. Ferner liefen: „BibiS", „Betty Badge". IV. Herrenkruger Jagdrennen. Preis 500 und Ehrenpreis. Dist. 3500 m. Lt. v. Rabenaus „Voll" (Bes.) I. „Riff-Raff" 2. „Waldpriuz" 3. Tot.: 15 :10. Platz: 11, 14 : 11. Ferner liefen: „Savii", „Allegorie", „Psauenberg", „Georg". V. Berkaufs-St eeple-Chase. Unionclubprei« 1000 Dist. 3000 m. H. Lücke'S „Schwarzwald" (Lt. v. Goßler) 1., „Mein Junge" 2., „BierlSndrr" 3. Tot.: 40:10. Platz: 11, II, 16: 10. Ferner liefen: „Exarch", „Herold III", „Odol", „Grobian", „Angely", „Morgenstunde". VI. Rett-Chargenpferde-Rennen. Vereinspreis 700 Dist. 3500 m. Lt. v. Hanstein'S „Zriny" (Lt. v. Rabenstein) 1., „Neckar" 2., „Wildente" 3. Tot.: 14:10. Platz: 15,15:10. Ferner lies: „Gisela". Rennen zu Magdeburg. (Zweiter Tag.) DaS Mägde- burger Meeting findet beute seine Fortsetzung und seinen Ab schluß. ES stehen fünf Concurrenzen auf dem Programm, von denen der Preis der Stadt Magdeburg den Tag einleitet. Außer „Exarch", „BibiS", „Vierländer", „La Bocca", „Lagner", „Queen Louise", „Bontond'or", „De Lujo", die alle schon am ersten Tag engagirt waren und ihre Engagements wohl auch er- füllt habeu, ist „Virginia» Rose" genannt. Diese sollte eine gute Chance besitzen, doch treten ihr namentlich in „Bierländer", „Queen Louise" und „Bibis" gut erprobte Gegner in den Weg, die ihr den Sieg recht erschweren sollten. — Im Offirier-Jagdrennen dürste ein am ersten Tag nicht genanntes Pferd, nämlich „Fore and Ast", eine sehr gute Rolle spielen, und „Agave", „Grobian" und „Exarch" nicht zu fürchten haben. „Soprano" und „Schäferstunde" sollten ihr zunächst enden, falls „Angely" nicht am Platze ist; läuft er doch, so ist in ihm der Sieger zu suchen. — Im Corps jagdrennen ist eine ziemlich unbedeutende Gesellschaft genannt, und sollte „Ewallowbeck", wenn er läuft, dar Rennen landen. Das über 3000 m führende Wellgundejagdrennen ist nichts als eine Wiederholung deS Thuringiahürdenrennens am ersten Tag, d. h. „Stephan" sollt« vor „Ricarda" das Rennen gewinnen, und „Burgmännin" dürste beim Ende mit dabei sein, falls sie die Reise nach Magdeburg angetreten hat. Zwischen „Bolt", „Praebende" und „Bouton dwr" wird sich die v. Bersen-Steeplechase ab- spieleu d!« den allgemeine- Interesse beanspruchenden Theil deS Programms abschließt; baS darauffolgende landwirthschaftliche Rennen hat nur locale Bedeutung. In Kreuznach findet heute der zweite Tag des Sommer- Meetings statt. Drei Concurrenzen versprechen einen hochinteressanten Verlauf. DaS Un io nclub jag brennen wird in„Sirt",,.RHamp. finit", „Rheinstein" und „Berrenberg" vier gleichzuschätzende Gegner am Start sehen und sollte «S zwischen ihnen zu einem knappen Ende kommen, während „Taxameter" mit 83 lc-- überlastet ist. — DaS Ebernburghürdeurennen über 2800m weist die Nennung von „Ecureuil", „Bonne", „Rhamsinit" und „Rheinstein" aus und sollte damit ein interessante- Rennen gesichert sein. — DaS höchst- dotirteste Ereigniß ist daS Kreuzuacher Jagdrennen über 4500 Meter. „Scotch Moor", „Strothcona" und „4 ä 4" sollten nach bi- jetzt gezeigter Form beim Ende dabei sein; vielleicht debutirt auch hier der in Frankreich zur ersten Hindernißclasse zählende „Monöme" und ist da- Rennen für iha entschieden, wenn er nur noch ein Schatten seiner selbst ist. In Karlsbad gelangt heute der Preis von Karlsbad zur Entscheidung, der mit 23 000Kr. dotirt ist. Der AuSgang des über 2400 m führenden Rennens sollte zwischen KönigSwarter's „Pßt", den AdamS steuert, und dem Springer'schen Paar „Mindegq" (unter Tora!) und „Baga" Michael-) liegen. In der Westend- Steeple-Chase über 4000 m sind zwei Pferde in deutschem Be sitz, nämlich Lt. Frh. v. Neimaon'S „Crabe" und „Hortensia Bleu" genauut; ob sie daS Engagement erfüllen werden, ist noch nicht be ¬ stimmt; chaucenreich sollten sie nach ihren letzten Leistungen sein, obwohl in „Corelli II", „Philosoph", „Florestan" und „Tiamo" eine gute österreichische Classr genannt ist. —X. Rad-Sport. IS. Burdettag des Deutschen Rad- sahrer-Bundes in Cassel vom 18. bis 22. Juli. Am Freitag Abend nahmen die Festlichkeiten der Bundestages mit einem wohlgelungenen Begrüßung-cbend im Saale des Stadtparks ibren Anfang Zahlreiche Radlcrgäste aus allen Theilen Deutsch, lanbs sind in der festlich gejcvmückten Residenzstadt Cassel am Frei tag und Sonnabend eingetrofsen darunter befinden sich zahlreiche Radler, welche die ganze Strecke von der ost weit entfernten Heimalb bis Cassel mit dem Fahrrad zurückgelegt haben. Diese Radler hatten am Freitag unter heftigen Gewittern im Haiz, EichSseld und Kyffhäusergrbirge zu l-»d«n. Sonnabend Vormittag erfolgte die feierliche Eröffnung deS Bundes tages im Hanuschsaale Herr Oberbürgermeister Müller begrüßt» mit herzlicher Freude Namens der Residenzstadt S-ssel den Bund:» tag und hieß die deutschen Radler willkommen Der BundeSvor- sitzende Herr Böckling-Essen dankte mit warm-n Worten für di herzliche Bewillkommnung und erklärte den Bundestag für eröffnet. Ec brachte der Feststadt ein dreifaches All-Heil. Namen- der vor jährigen Feslstabt Dresden übergab Herr Ull, ich-Dresden t.-L Bundesbanner dem Casseler Festausschuß, für den eS dessen Bor« sitzender Herr Blumenauer in Obhut nahm. Kn-z nach 10 Uhr begannen die Bundestagsverbandlungen. Heute Nachmittag 3 Uhr finden auf dem Sportplatz zu Leipzig, während Les Concertes, die Rennen des Bezirkes Leipzig vom Sächsischen Radfahrer.Bunde statt. Argentinische Keijebilder. Von Linus Hoppe. N--druck verböte«. II. Bo« Mendoza «ach Billa Mercedes. Im Krug zum grünen Kranze, da kehrt' ich lustig ein. In der primitiven Gaststube eines kleinen, weinumrankten Hotels saßen drei Deutsche am Spätnachmittage in lustigem Gespräch bei impvrtirtem kühlen Gerstensafte. Um Landsleute zu treffen, hatte man mich hierher ge wiesen. Ein freudiger Empfang wurde mir zu Theil, denn selten streifte ein Deutscher die Oase San Luis. Bald kannte ein Jeder den meist abenteuerlichen Lebens lauf des Anderen. Tausende Fragen hatte ich zu beant worten, von den Verhältnissen an der Westküste, und be sonders von dem lieben, alten Vaterlande. Die ge- sammte deutsche Cvlvnie bestand aus fünf männlichen Per sonen, sämmtlich in guten Verhältnissen. So wurde ich als Gast betrachtet. Herr S., ein in argentinischen Diensten stehender Osficicr, nahm mich mit, um bei ihm Wohnung zu nehmen, da half kein Widerreden. S. war Besitzer eines kleinen Häuschens, halb moderner Con- structivn, halb Rancho. Eine kühle, behagliche Wohnung, durch deren dichtes Schilfdach die Sonnenstrahlen ver gebens Eingang suchten. Hinter dem Hause ein rein licher Hof aus hartgestampfter Erde, an dessen Ende die einfache Küche anstieb. Weiter ein halbverwilderter Garten mit einigen Feigenbäumen und Weinstaketen. Gemüse wurde hier, außer dem Zapallo, nicht gebaut. Auch gab es keine Kartoffeln. Die Mahlzeiten der Ein geborenen bestehen aus gebratenem oder gekochtem Fleisch, Llat6, und wenig Brod. Der asacio (Spießbraten) ist das bevorzugteste Gericht und wird in erstaunlichen Mengen genoffen. In der Herstellung dieses leckeren Mahles ist der Gaucho Meister. Wohlgemuth streckte ich meine müden Glieder des Abends auf das Catre (zwei mit starker Sackleinewand überzogene Kreuzbeine). Seit einer Woche hatte ich unter freiem Himmel campirt. Jgnacio, der halbnackte Diener, hockte noch vor dem Feuer am Boden und besang unter Guitarrenbegleitung die Tugenden und Liebreize der Sirvienta (Dienerin) Kanchita, eines Judenmädchens mit stoischen, apathischen Gesichtszügen, jedoch wohlgeformtcn Gliedmaßen. Der nächste Morgen fand uns schon früh im Sattel auf einer Inspektionsreise in die nächsten Umgebungen der Stadt. Es war wenig Sehenswerthes zu sehen. Die Scencrien der Binnenstüdte des Westens sind monoton, außer dem lieblichen Mendoza, grau in grau, wie die Ge- sichtcr der Einheimischen, wie die Lehmwände und Stroh, dächer. Da mein Reiseziel eigentlich Villa Mercedes war, sahen wir uns nach einem geeigneten Pferde um, konnten aber trotz eifrigen Suchens kein paffendes Thier finden. Mit einem alten Klepper konnte ich die Reise nicht gut riskiren, um nicht Gefahr zu laufen, es zu verlieren, und für ein gutes, brauchbares Pferd verlangte man einen übertrieben hohen Preis. Guter Rath war theuer. Im Hotel wurde die Frage von meinen Landsleuten lebhaft erörtert. Schließlich meinte A. L., daß ich die 150 Kilo- Meter als guter Fußgänger zu Kuß zurttcklegen könne; die Indianer würden vom Fortin Fraga in Schach gehalten, ließen sich diesseits des fünften Flusses (Rio Quinto) selten sehen, und von Jaguaren und Pumas hätte ich wenig zu fürchten. So beschloß ich denn, diese 30 LeguaS lange Strecke zu gehen. In einigen Tagen wollte mein Wirth Herr S. in Begleitung des Doctors L. und deS Herrn O. M. auch nach Villa Mercedes reiten. So wurde vereinbart, sich dort im Hause des Ingenieurs O. M. zu treffen, wenn anders wir uns nicht schon vor her auf dem Wege begegnen würden. Früh am nächsten Morgen befand ich mich schon an den Ausläufern der Sierra, mehrere Stunden von S. LuiS entfernt, und vor mir lag wieder das unbegrenzte wogende Grasmeer, die Pampa. Ich trug jetzt an Stelle der hohen Stiefel Baskenschuhe (^IparAsta8) und kam in dieser leichten Fußbekleidung rasch vorwärts. Den Weg hatte man mir beschrieben, er führte in ge- rader Linie nach Osten, um in der Nähe des Rio Quinta rcchtwinkelig nach Süden abzubiegen. So war ich lustig und guter Dinge. In meiner Jagd- tasche befand sich reichlich Proviant, auch führte ich ein« große Flasche Wasser mit, welches ich am Flusse erneuern konnte. Gegen 10 Uhr Morgens unterzog ich meine Proviant, tasche einer gründlichen Revision und packte sorgfältig alle Packetchen und Papierchen aus. Die Frau Wirthtn aus dem Hotel, eine Französin, hatte fürsorglich und meisterhaft gewählt. Außer Brod, Braten, Con- serven, gesottenen Eiern u. s. w. fand ich auch ein ge- bratenes Hühnchen, Salz und Pfeffer u. s. w. Es war ein herrliches Dejeuner. Zum Schluß genoß ich mit Wonne einen großen Schluck warm gewordenes Wasser, welcher mir bester mundete als frischer Chablis zu einer Portion Austern. Auch an hungrigen, neidischen Zuschauern fehlte eS mir nicht. Auf einem Vizcacha-Bau (Erdhase) unweit meines Tafel- Platzes saßen zwei Silberfüchse und lugten neugierig zu mir herüber. „Heute giebt cs nichts für Dich, Freund Reinecke, außer Eierschalen und Wurstpelle", sagte ich, meinen Vorrath wieder einpackend. „Hunger thut weh und selber essen macht satt." Nach dieser egoistischen Aeußerung streckte ich mich in das hohe Gras und hielt eine Siesta. Wer mochte wohl das Feuer angezündet haben, welches plötzlich im Sübwesten mächtige schwarze Rauchwolken zum Himmel sandte? Waren et Soldaten aüS Fraga ober Indianer gewesen? Vergebens spähte ich nach dem schnell um sich greifen, den GraSbrand«, um menschliche Gestalten zu entdecken. Weder Reiter noch Fußgänger ließen sich blicken. Jeden- falls entzog sie der Rauch und die flammende Lohe meinen Augen. Rehe und Strauße erhoben sich und äugten miß trauisch gegen daS entfesselte Element, vorsichtig ästen sie in -er Richtung deS ÄtndeS vorwärts, dem Rio Quinto zu. Direkte Gefahr war nicht vorhanden. Bet der mäßigen Luftströmung konnte eS mehr als einen Tag brennen, ehe eS meinen Weg erreichte. Trotzdem folgte ich dem Beispiele der Thtere der Wtldniß, welche instinktiv die sie bedrohende Gefahr wittern, und nahm meinen Weg wieder -*uf. Vielleicht waren doch die Rothhäute in der Nähe, und die Aussicht, in ihre Hände zu fallen, war für mich keine angenehme. Der Gedanke, unter einem Lanzenstich zu enden, ließ mich meine Schritte be eilen. DaS K?uer dehnte sich mit rapider Schnelligkeit aus, fand doch, wie selten, daS gefräßige Element in der vertrockneten Pampa überaus reichliche Nahrung. So überraschte mich die Nacht, müde griff ich wieder zu meinen Leben-Mitteln, ohne an eine RationSein- theilung zu denken. Ich glaubte nicht, daß ich eventuell viele Tage davon leben müßte. Morgen gegen Mittag würde ich den Fluß erreichen, dann war das Fort Fraga schließlich in einem halben Tage zu erreichen. — Durch das Dunkel der Nacht warf das weit ausgedehnte Feuer- meer seine grausigen Flammenschein über die leicht be- wegte Steppe. Hoch in den Lüften wirbelten verkohlte und glühende Grastheilchen. Die raucherslillte Luft verdeckte den herr lichen Sternhimmel. Das Abbrennen deS alten Grases gehört zu den Ge pflogenheiten -eS Landes und ist nöthig, um neuen GraS- wuchs zu erzeugen, sowie sich des vielen Ungeziefers zu entledigen, unter welchem die weidenden Rinderheerden leiden. Besonders ist eS die Garapata, eine Zecke, die in minutiöser Größe sich den Thieren gern an die vordere HalSgegend und Brust setzt. Diese Schmarotzer wachsen dann, sich von dem Blute des ohnmächtigen Thieres nährend, bis zur Größe einer kleinen Bohne. Die Folge ist eine allgemeine Abmagerung des hiermit behafteten Wesens. Auch Hunde leiden sehr unter dieser Plage. Hier kann man jedoch die Zecken leicht entfernen, eine Unmöglichkeit bet den wilden Rindern. Man zündet den Campo (all- gemeiner Begriff für das grasbewachsene Binnenland, der Deutsche nennt ihn einfach Camp) gewöhnlich vor drohendem Regen an, um den arg mitgenommenen Wurzeln schnell wieder Nahrung zuzuführen. Schon nach wenigen Tagen treiben die frischen Hälmchen und bald glänzt die sonst gelbe Steppe in einem frischen grünen Kleide. Große Gefahren bietet ein solcher Camp brand nicht. Mensch und Vieh können leicht davor fliehen, selbst dann, wenn ein heftiger Wind die Gluthmaffen schneller vorwärts treibt. Anders verhält es sich jedoch in hohen Schilfgegenden. Hier ist die Möglichkeit eines Entkommens oft mit großen Schwierigkeiten verknüpft und nur ein Wasserlauf, in den man sich wirft, bietet Rettung. Ich legte mich zur Rühe und war bald etngeschlummert. (Schluß folgt) Vermischtes. --- MS ei« W«adcrlaud, das auf einem Gebiete von 150 000 englischen Ouadrattnetlen alle Schönheiten und auch Schrecken des schwarzen Erdtheils enthält, schildert Sir Harry Johnston in feinem soeben erschienenen zwei- bändigen Werke „The Uganda Protectorate" das von ihm erforschte Britisch-Ostafrika. Das Titelblatt des Werkes, daS viel Beachtung findet, zeigt ein Bild des Okapi, des neuen Thieres, dessen Entdeckung den großen wissenschaftlichen „Schlager" -eS Buches bildet. Unter den afrikanischen Säugethieren, Fischen, Schmetter lingen und Würmern findet der Naturforscher die merk würdigsten Formen. In dem Gebiete finden sich die schneebedeckten Gipfel des höchsten BergeS in Afrika, die bis zu 20 000 Fuß ansteigen; 100 Ouadratmeilen ewigen Schnees und Eises liegen gerade unter der Linie. Hier liegt der größte See Afrikas, der größte erloschene Vulcan der Welt, der größte Wald und das größte Sumpfgebtet ganz Afrikas. Trotzdem ist die durchschnittliche Hitze größer, als in jedem anderen Theil Afrikas. Hier giebt es alle Arten menschlicher Wesen, von den Zwergvölkern bis zu den höchsten Gattungen afrikanischen Menschen- thumS. In den westlichen Theilen herrscht noch Menschen, fresserei. Eingeborene anderer Thetle führen noch fremde Waaren ein, andere drucken schon in ihrer Sprache Auszüge ihrer Geschichte. Es ist daS Land des Okapi, deS Storches mit dem „Walfischkopf", des Schim- Pansen, der fünfhörnigen Giraffe, deS Nashorns mit den längsten Hörnern und des Elefanten mit dem größten Zahn. Der nordöstliche Theil ist durch Dürre fast ganz entvölkert; sogar die Kameele sind dort auSgestorben und bestreuen das Land mit ihren gebleichten Gebeinen. Der Anblick der Ostküste deS RudolfseeS ist wie das Bild einer tobten Welt — kein Pflanzenreich, wohin bas Auge reicht, nur Salzwaffer und von -er Sonne gedörrte Felsen. Und an anderen Stellen ist das Land außerordentlich fruchtbar. Von einer einzigen Tomatenpflanze hat man in zwei Monaten 3000 Tomaten gesammelt. Zuckerrohr wächst üppig in allen tropischen Theilen deS Schutz, gebiete-, Tabak fast überall. Hafer gedeiht in -en höheren Strichen, MaiS auch, nur Weizen bis jetzt nicht besonders. ES giebt vier oder fünf Arten Kautschuk; Kaffeepflan- zungen blühen, und der Holzvorrath ist fast unerschöpflich. Nach Erzen ist «och nicht geschürft worben. Im Victoria Nyanza soll, wie die Eingeborenen behaupten, ein ge waltiges Seeungeheuer Hausen. DaS Buch giebt lebhafte Schilderungen von dem wechselnden Dasein im tropischen Afrika. Furchtbare Gewitter toben jeden anderen Tag in Uganda; sie kommen gewöhnlich um 3 Uhr Nachmittags ober 8 Uhr Morgens. Purpurwolken bilden sich am Horizont des GeeS, und der ganze Himmel ist bedeckt. Man hört den Ton be» dahinsausenden Winde-, während rundherum töbtliche Stille herrscht; dann bricht der Sturm Io», dem eine blendende Staubwolke oder ein Windstoß vorangeht. Fast gleichzeitig damit kommt der erste Blitzstrahl, dem unmittelbar krachender Donner folgt, und flammende Feuer erleuchte« die grauen Wasser- massen. Allmählich werden die Blitze weniger heftig und der Donner ist erträglicher. Da» Land scheint ein un- geheurer Thiergarten zu sein, voll selten schöner wilder Thtere, von denen viele überraschend zahm sind. v. L. Ten öffentlichen Schuhputzern widmet Paulucci di Calboli in der „Revue" einen Artikel. Sie befinden sich im Niedergänge, die Schuhputzer; ihre Lage, die einst ganz gut war, ist schlecht geworden; ihre Zahl nimmt ab. 2m ganzen Geine-Departement sollen sich aber trotzdem noch 2130 Schuhputzer befinden. Sie haben jedoch bitter mit der Concurrenz der Maschinen zu kämpfe»; es giebt jetzt Schuh- putzmaschiuen, die für wenige Pfennige die Schuhe blitzblank wichsen. Früher hatten die Schuhputzer außer ihrem Hauptgeschäft noch andere Einnahmequellen; sie beförderten Briefe, besonders LiebeSbriefcheo. Man muß nämlich wissen, daß der französische Schuhputzer in gewisser Hinsicht unserem Dieustmaun ent- spricht; aber er findet auch als Dienstmann nicht mehr genügende Beschäftigung, da ihm jetzt die radelnden Dienst- leute ins Geschäft pfuschen. Das Dorado der Schuhputzer ist heutzutage Amerika. „Ein kleiner Schuhputzer", schreibt Paulucci dl Calboli, den wir in Marseille nach seinen Zukunftsplänen gefragt haben, antwortete unS, daß in Frankreich nichts mehr zu machen sei; er wollte, bald nachdem er das nöthige Reisegeld zusammen haben würde, nach Amerika auSwauvern . . . Unsere Schuhputzer gehen mit Borliebe nach den Vereinigten Staaten, weil die Vereinigten Staaten für sie das günstigste Feld sind. Die amerikanischen Dienstboten haben nämlich, was bei unseren Bediensteten — Gottlob! — noch nicht der Fall ist, einen etwas übertriebenen Begriff von persönlicher Würde und lehnen eS meist ganz entschieden ab, die Schuhe ihrer Herr schaft zu putzen. Die kleinen italienischen Schuhputzer finden daher in Amerika eine ernst zu nehmende Concurrenz nur unter den Negern und den . . . Gentlemen. Der italienische Philosoph Mofso wußte gar interessante Geschichten zu er- zählen von der merkwürdigen Rivalität unter den jungen Herren in einem amerikanischen Landhause, von denen einer immer früher aufstand als der andere, um die Stiefelchen der jungen Damen deS Hauses zu putzen! ES muß allerdings gesagt werden, schrieb der gelehrte Professor, daß man in den Vereinigten Staaten die Schuhe mit einem Instrument wichst, das den „Gentleman Schuhputzer" nicht allzusehr beschmutzt." Trotz der Concurrenz des Gentleman und deS Negers ver dient der europäische Schuhputzer, der sich „drüben" nieder- läßt, immer noch mit Leichtigkeit seine acht Mark pro Tag. Die „New Aork World" veröffentlichte jüngst die Porträts und die Biographien von sieben Schuhputzern, die Millionäre geworden sind. Der bekannteste unter diesen ehemaligen Schuhputzern ist Antonio L. Aste, ein großer Sportsman, dem das Pferd „NaSturtium" allein 200 000 Mark gebracht hat. Ach warum vegetiren wir in diesem alten Europa, wo doch nichts mebr zu machen ist? Wollen wir nicht lieber alle nach Amerika gehen, um jenseits des großen Ententeiches das einträgliche Geschäft eines Schuhputzers anzufangen? Lücherbesprechungen. Die neue deutsche Rechtschreibung, Regelbuch und Wörter- Verzeichnis von E. Rasche und O. Flechsig, Leipzig, Dürr'jche Buchhandlung 1902, Preis 25 Tas 60 Seite» gr. 8" um fassende Schristchen will „einer raschen und üblichst allgemeinen Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung dienen", sowohl für den Schul-, als für den Bureau- und Privatgebrauch. Voraus gehen die Regeln über Rechtschreibung im Allgemeinen, über kleine und große Anfangsbuchstaben, Silbentrennung, Zeichensetzung, über die Schreibung der Fremdwörter rc. Die Regeln sind so gefaßt, daß sie für Jedermann verständlich sind. Das beigegebene Wörler- verzeichniß umsaßt über 5800 Wörter. Die Ausstattung ist tadellos, der Preis trotzdem sehr niedrig. —z'. * * * Amateur - Photographen, die sich andauernd über alles Neue auf photographischem Gebiete unterrichten und reiche Anregung und Belehrung erhalten wollen, sollten auf die prächtig illustrirte Amateur - Zeitschrift Photographische Mittheilungrn abonniren. Die neuesten Hefte dieses trefflich geleiteten Blattes bergen eine Fülle werthvollen Materials in Wort und Bild. Wir nennen die Auffähe von Or. K. Geißler, Photographie gegen die Sonne und in der Nacht — vr. Burchard, Photographische Er fahrungen auf den Canaren — Gebr. Lumierc, lieber die Ent fernung des Fixirnatrons aus photographischen Papieren und Platten durch Wässern — Hans Schmidt, lieber photographische Sucher — vr. Defregger, Ueber Stereoskopie — dann viele wcrthvolle Recepte und praktische Winke — Ausstellungsberichte — Patentnachrichten und ein reichhaltiger Fragekasten für die Abonnenten. Daneben laufen stets lehrreiche kritische Worte Fritz Loescher's zu den Bildern, von denen die von W. Weimer in Darmstadt — Ed. Arning in Hamburg — vr. Hegg in Bern — W. Bartels in Gütersloh — besonders hervorragen. Probeheft versendet kostenlos der Verlag von Gustav Schmidt in Berlin W. 35. ** Nach Schluß der Kedaclion eingegangen. Die in dieser Rnbrtk miigecheiUen, Ehrend der Drucker etngelaufenen Telegramme haben, wie schon aur der Ueberschrist ersichtlich, der Redaction nicht vorgelegen. Diese ist mithin f'^r Verstümmelungen und unverständliche Wendungen nicht ver antwortlich zu machen. * Cassel, 19. Juli. (Privattelegramm.) Die Verhandlungen des Bundestages des Deutschen Radfahrer - Bundes in Cassel sind aufs Beste ver laufen. Es wurde die Haftpflichtversicherung von särnmt- lichen Bundesmitgliedern beschlossen. Der Bundesvor stand wurde durch Acclamation wicdergewählt. Neu ge wählt als zweiter Vorsitzender wurde Baron Köller und als Beisitzer vr. Martin. 1903 findet der Bundestag in Hamburg statt. * KSl«, 19. Juli. (Telegramm.) Der „Kölnischen Zeitung" wird aus Petersburg vom 19. Juli gemeldet: Japan eröffnete in dem Hafen Kunsang in Korea ein Postamt; obgleich der Hafen für die Ausländer geschlossen ist. Der japanische Postdirector reiste nach Japan, um die Regierung für neue Telegraphenlinien von Söul nach Gcusang und von Söul nach Pyöngjang zu gewinnen, die im japanischen Interesse erforderlich sind. Der japanische Gesandte theilte der koreamschcn Regierung mit, Japan werde in Masampo eine ständige Polizeitruppe unterhalten. Der Kreischef von Tschzrng- Aschöng meldete der Regierung, vier japanische General- stabsofficiere reisten im Gebiet von Tschung-Aschöng um her; der Reisezwcck sei unbekannt. * London, 19. Juli. (Telegram m.) Der König der Belgier, dessen Macht in Solent liegt, stattete heute Vormittag dem König Eduard einen Besuch auf der Macht „Vitoria and Albert" ab. * New Aork, 19. Juli. (Telegramm.) Aus St. Vincent wird gemeldet, daß durch die Erdstöße am verflossenen Donnerstag verschiedene Gebäude staiik erschüttert wurden. Die Bewohner verließen die Häuser. Auch später wurden noch Erdstöße wahrgcnommen. Handelssachen. * New N«rk, 19 Juli. (Schluß - Cours,? W « !, en unregelmäßig. Roth. Winterweizen fi0'/„ Juli 81'/,. Sept. 77'/,, Dec. —, Mat 80. MaiS unregelmäßig, Juli 70V„ Sept. 64'/,, Dec. —. Mehl (Spring-Wheat clearS) 2,95. Getre id efrachk nach Liverpool I'/,. Petroleum. Cred. BolanceS at Oil City 1,22, Stand, whtte in Newflork7,40. Zucker 2'V,«. Zinn 29,02. Küpser 11,95 bi» 12.05 Ei sen Nr. 2 Foirudru Nortb. 22,50. Stahlichienen 28. Baumwolle. Loco 9'/,, Juli 8,77, Sept. 8,19, Februar 7,89, New Orleans S'/,« Schmalz West, slean, 11.25. Rohe <2 Brothers 11,50. 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