02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020811021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902081102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902081102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-11
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Sie sagt: „In einem Theile der Presse wird wieder einmal von einer „Spaltung" der „Agrarier", oder, besser gesagt, von einer Absonderung der Conservativen vom Bunde der Landwirthe gesprochen. DaS ist aber ganz unzutreffend. Allerdings herrscht im conservativen Lager starke Ver stimmung darüber, daß die Presse deS Bundes der Land- wirthe die conservativen Mitglieder der Zolltariscommission fortgesetzt deswegen angreift, weil bei dem Compromiß über die Getreidezölle die übrigen conservativen Commiisions- mitglieder aus taktischen Erwägungen «ine andere Haltung als der Abg. Freiherr v. Wangeuhetm eingenommen haben. Wenn gleich die parteiosficielle „Lonservative Correspondenz" gegen diese Angriffe seitens der „Deutschen Tageszeitung" Verwahrung ein legt, so würde man doch fehlgehen, wollte man darin eine Kriegs ansage seitens der Conservativen erblicken. Unverkennbar war bei der Auseinandersetzung, die in der Zolltariscommission am 7. d. M. zwischen dem Grasen Schwerin-Löwitz und dem Director des Bundes der Landwirthe vr. Hahn stattgefunden hat, rin gewisses Einlenken des Bundesdirectors, der sich in seiner extremen Stellungnahme vollkommen isolirt sah. Bedeutsam insbesondere war die Darlegung des Grafen Schwerin über die Nothwendigkeit hoher Jndustriezölle als Compensations- objecte und sein Appell an den Vertreter des Bundes der Landwirthe, auch seinerseits dabei mitzuwirken, daß der Ne gierung eine taugliche Grundlage sür die demnächstigen Handels vertragsverhandlungen in die Hand gegeben werde. Sollte die Leitung des Bundes der Landwirthe auf ihrer bis herigen Stellungnahme beharren, so werden die Conservativen jedenfalls sich nicht beirren lassen, sondern nach wie vor darauf Bedacht nehmen, der Laudwirthschaft die jenigen Bortheile zu sichern, die sich aus dem Boden der Vor lage überhaupt erreichen lassen. Demnächst wird endlich die erste Lesung der Tarisvorlage in der Commission abgeschlossen werden. Damit aber ist das Schwerst« noch nicht gethan; di« eigentlichen Verhandlungen über die noch streitigen Puncte, namentlich über die landwirthschastlichen Zollsätze, werden dann erst vor sich gehen. Allzu großen Illusionen sich hin- zugeben, dürste nicht rathsam sein. Wird elwa angenommen, die Commissionsmehrheit werde in der zweiten Lesung bezüglich der Agrar zölle mit einem Sprunge auf dieRegierungsvorl age zurückgehen, fo wäre das ein großer Jrrthum. Die Conservativen sowohl wie das Centrum sind fest entschlossen, an dem Compromiß über die Getreide- und die Biehzölle festzuhaltcn, und man erwartet auf dieser Seite ein Entgegenkommen der Regierung. Namentlich im Centrum ist man entschlossen, bezüglich der Land- wirthjchajtszölle keinesfalls die Regierungsvorlage vurv.zu accepliren. Es wird nun Alles darauf ankommen, einen Weg zu finden, um zwischen dem bisherigen „Unannehmbar" der Negierung und den Comvromißbescklüssen derCommission einenA usgleich herbeizusühcen. Da die Mehlheitsparteien den festen Willen haben, die Vorlage recht zeitig unter Dach zu bringen, wird sich ein Weg zur Verständigung wohl finden lassen. So ausgedehnt und zerfahren vielfach auch die erste Commissionsberathung gewesen ist, so hat sie Loch den Erfolg gehabt, die Mehrheitsparteien aneinanderzuschweißen. In der zweiten Lesung wird sich dieser Zusammenschluß hoffentlich von Anfang an bewähren." Spricht der Verfasser dieser Zuschrift wirklich im Namen der ganzen conservativen NcicbStagöfraction, so hat diese die volle Unterwerfung unter die Leitung deS Bundes der Land- wirthe vollzogen und ist sogar dann bereit, an dem über die Regierungsvorlage binausgehenden Compromiß über die Getreide- und die Biehzölle festzuhaltcn, wenn der Bund blind bleibt gegen „die Nothwendigkeit hoher Industrie zölle als Compensationsobjecle". Und daraus, daß die „Schles. Ztg.", die doch noch kürzlich ihre conservativen Parteigenossen ermahnt hat, sich mit den Zollsätzen der Regierungsvorlage für Getreide zu begnügen, jetzt ohne ein Wort des Widerspruchs die Berliner Zuschrift abvruckt, wird man zu der Annahme versucht, die ganze deutsche conser- vative Truppe habe wirklich vor den Bundeeführern capitulirt. Aber gegen diese Annahme sprechen doch mancherlei Gründe. Von den bei den letzten Ersatzwahlen zum Reichstage gemachten Erfahrungen wollen wir gar nickt reden. Aber wie man nach den wiederholten bestimmten Erklärungen von Vertretern der verbündeten Regierungen in conservativen Kreisen noch glauben kann, der Bundesralb werde zu einem „Ausgleiche" sich bereit finden lassen, der die Getreidezollsätze ter Vorlage nickt puro acceptirk, ist vollkommen unverständ lich. Bringen aber die Conservativen durch ihr Festhalten an dem Compromiß die Vorlage zu Falle und machen dadurch die Zollfrage bei Neuwahlen zum Reichstage zur Wahlparole, so zwingen sie in allen Einzclstaaten, die sür die Vorlage ein getreten sind, die politischen Behörden, ihnen entgegeuzutrelen. Eine solche Stellungnahme der Regierungen wäre für eine konservative Partei doch mindestens reckt gefährlich. Am wenigsten aber glauben wir daran, daß das Centrum bereits fest entschlossen sei, die Haltung einzunebmen, die ihm in der Zuschrift zugeschrieben wird. Tie g>vße Handelsfirma, die sich Centrum nennt, würde ihren Charakter völlig verleugnen, wenn sie in einer so wichtigen Frage gegen den Bundcsratk sick festlegtc, bevor sie den letzten Versuch gemacht, für ihre Willfährigkeit einen Preis zu erlangen. Und an der Geneigtheit wenigstens der preußischen Negierung, dem Centrnm sür dessen gute Dienste bei der Ausgestaltung des Zolltarifs erkenntlich zu sein, zweifeln die Nachfolger dcö Herrn I)c. Lieber doch sicherlich nickt. Und auf einen solcken Bundesgenossen, der möglicherweise im letzten Augenblicke vor der Entscheidung a'ofällt, sollten die Conservativen im Kampfe gegen die ver bündeten Negierungen sich stützen wollen? Das können wir nicht glauben und kalten datier die Zuschrift der „Schles. Ztg." sür einen Versuchsballon, der hoffentlich bald als solcher von anderen conservativen Blättern bezeichnet wird. Unter der Spitzmarke „Das Dentschthum iu Hinter indien" thcilt die „Vofsische Zeitung" aus einem Berichte des Evmmaudanteu des großen Kreuzers „Hertha", Capitän zur See Jngenohl, dec mit seinem Schiffe im Frühjahr dieses Jahres Gelegenheit hatte, zum ersten Mal die deutsche Flagge im Mündungs gebiet des Jrrawaddy und damit in Rangun, der Haupt stadt Birmas, zu zeigen, folgende interessante Auslassungen über die Stellung der Deutschen in diesem hinteriudischcn Hafen mit, die beweisen, welche Achtung der deutsche Kauf mann dort genießt. Unter Anderem heißt es: Die Deut schen Ranguns nehmen in geschäftlicher Beziehung eine ganz bedeutende Stellung ein. Von den am Ort be stehenden sieben groben Reissirmen sind vier deutsche, drei neue englische. Das Berhältniß der Deutschen zu den eng lischen Behörden und der englischen Bevölkerung ist vor züglich. Der deutsche Club zählt 40 bis 50 Mitglieder. Trotz dieser geringen Mitgliederzahl kann der Club ein Gebäude unterhalten, das zu den hervorragendsten Ranguns gehört. Der deutsche Club gilt in der Stadt als der vornehmste und genießt einen vorzüglichen Ruf. Auch sür Ausländer gilt es in Rangun als ein Vorzug, Mit glied des deutschen Clubs zu sein. Auf den verschiedenen veranstalteten Festen zu Ehren der Anwejcnheir der „Hertha" fiel das vortreffliche Zusammenhalten unter den Deutschen und das gute Einvernehmen zwischen ihnen und den Engländern besonders wohltlmend auf. Bon deutschen Damen giebt es zur Zeit iu Ranguu nur zwei. Mau merkte bei jeder Gelegenheit den Deutschen die Freude an, einmal ein deutsches Kriegsschiff, uno dazu eiu so großes, iu ihrer Mitte begrüßen zu können. Denn Rangun wird nur wenig, auch von englischen Kriegsschiffen besucht. Den Mannschaften der „Hertha" übersandte der deutsche Consul Scharnhorst im Namen der deutschen Colonie einen größeren Posten an Bier und Cigarren^ da ein geplantes Fest für die Besatzung wegen der Kürze der Zeit nicht zur Ausführung kommen konnte. Das „politische Bureau" des gegenwärtig in Marien- bad weilenden Herzogs von Orleans richtet an die Vor> sitzenden der royalistischen ComitöS ein die Schließung der französischen bougrcgnttouSfchulen betreffendes Rundschreiben, dem wir folgende Sätze entnehmen: „... Es wäre überflüssig gewesen, Len Royalisten i» Erinnerung zu bringen, daß, wenn die Republik durch ihr Wesen die Unter drückung des Schwachen durch Len Starken ist, die Monarchie allein die Rechte Aller zu wahren vermag und daß einer der ersten Artikel ihres Programm- (wie der Herzog von Orleans oft angekündigt hat) die unbeschränkte Achtung vor der Religionsfreiheit ver heißt. Sie dursten daher gegenüber den Angriffen auf diese Freiheit nicht gleichgiltig bleiben, und als es galt, Frauen und Kinder gegen die heuchlerische Verfolgung der republikanischen Machthaber zu ver- thcidigen, waren sie an ihrem Platze überall, wo Muth und Hin gebung gezeigt werden mußte. Wenn aber ihre Action auf diesem Boden begrenzt war, so verhält es sich anders, wo es sich um die U n t e rrich t s fre i h e it handelt. Gegen diejenigen, welche beschlossen haben, sie zu zerstören, müssen die Royalisten einen energischen Kampf unternehmen. Treu ihren lieber- lieserungcn müssen sie mit unüberwindlicher Festigkeit Len Männern entgegeutreten, die da glauben, sie könnten in unserem durch eine sünsundzwanzigjährige republikanische Knechtschaft geschwächten Lande die Herrschaft Lcr Willkür und des Gutdünkens einführen. Zunächst muß ihr Plan dadurch vereitelt werden, daß überall die Wieder eröffnung der gesetzwidrig geschloffenen Schulen gesichert wird. Darauf müssen wir zunächst unser Augenmerk richten, und ich danke Ihnen im Voraus für Ihren Beistand." ES sind das, schreibt man der „Münchner Allg. Ztg." aus Paris, Phrasen, nichts als Phrasen, die weder der Sache des Herzogs von Orleans noch der der Sckul- schwcstern irgendwie nützen werden. Paul Bö z ine, der als Vertrauensmann LcS Prätendenten — früher be kleidete der jetzt verbannte Andre Buffet diesen Posten — das Circular unterzeichnet hat, würde sehr in Verlegenheit sein, wenn er die Mittel angeben sollte, durch deren An- weuLung die Wiedereröffnung der geschlossenen Schulen „gesichert" werden kann. So lange das Ministerium auf die Unterstützung der radical-socialistischen Mehrheit der Kammer zu rechnen vermag, und für gesetzgeberische und administra tive Maßnahmen antiklerikalen Charakters wird sie die selbe immer finden, vermag es über die Proteste der royalistischen Comilös ruhig zur Tagesordnung überzu gehen. In einem sehr kläglich und beweglich gehaltenen, mit einigen tausend Unterschriften versehenen Bitt gesuch wendet sich ein katholisches Comilö in Roubaix direkt an den Papst, um ihn über die vom Cardinal-Staatssekrctär Rampolla ihm angeblich verheim lichte Lage der französischen Katholiken zu unterrichten und seine Intervention auzurusen. „ES ist" — so heißt eö in diesem Appell an das Herz deS papa melims iukormauckug — „schwer bedrückten Kindern immer gestattet, sich an ihren Vater zu wenden, um ihm ihre Betrübniß und ihre Leiden zu klagen. Heiliger Vater, kommen Sie uns zu Hilfe, wir bitten Sie flehentlich darum. Die französische Regierung will den Glauben an- dem Herzen unserer Kinder reißen und uns verhindern, Christen aus ihnen zu machen. Zn diesem Zwecke zerstört sie systematisch den katholischen Unter richt. ... Allerbeiligster Vater, Ihre katholischen Kinder iu Roubaix, welche wissen, daß die Macht Gottes bei Ihnen ist, welche Ihre Fürsorge für ihre Seelen und Ihre Liebe zu ihrem Vaterlande kennen, werfen sick Ihnen zu Füßen, und flehen um Ihren Beistand. Verlassen Sie uns nicht!" Aber auch dieser Mahn» und Hilferuf wird den von den Unterzeichnern des Gesuchs erhofften Effect schwerlich haben, denn die römische Kurie läßt sich bei ihrer Stellungnahme zu den leitenden Kreisen der dritten Republik weder durch sentimentale Regungen noch durch Erwägungen rein kirchlicher Art bestimmen, sondern durch Utilitätsrücksichten, die ihr in der Congregationsfrage eber vorsichtiges Lavieren als einen energcschen Protest rathsam erscheinen lassen dürsten. Der Personalwechsel im englischen Ministerium Balfour ist stärker ausgefallen, als man erwartet hatte, doch ist eine besondere politische Bedeutung den neuen Ernennungen nicht bcizulegen, da es sich bei denselben meist um Vcrschie- llungen im Cabinet handelt. Der bisherige Minister des Innern, C. T. Ritchie, übernimmt an Stelle des zurücktretenden Sir Michail Hicks-Beach das Finanzministerium nnd Minister des Inneren wird A. Akers Douglas, der bisher Erster Commissar der Arbeiten und öffentlichen Bauten war. Arbeitsminister wird Lord Robert George Windsor-Clive, ein reicher Herr, der sich der militärischen Laufbahn gewidmet hat. Er sowohl wie der neue Kanzler des Herzogthrim« Lancaster — eine bloße Sinecure — Lord Walrond sollen jedoch keinen Sitz im Cabinet erhalten, während die bisherigen Inhaber der beiden genannten Posten demselben angehörten. Sir William Hood Walrond, der „Haupt-Einpeitscher" der Regierungspartei, war zugleich Patronage-Sekretär. Dagegen ist der Sohn deS Colonial ministers Chamberlain, der bisherige Finanzsrkretär Austen Chamberlain, in das Cabinet ausgenommen worden. Derselbe wird Gcneralpostmeister an Stelle des Marquis von Londonderry, der Präsident des UuterrichtSdepartementS wild. Dieser soll vermuthlich dem Premierminister Balfour in dem Kampfe um die Unterrichtsdill «ine bessere Stütze gewähren als Sir John Gorst, der merkwürdiger Weise in den Debatten über die viclumstrittcne Bill eine nur passive Rolle gespielt hat. Es ist sehr zweifel haft, ob bas Ministerium Balfour durch diese Personen verschickung innerhalb der einzelnen Aemter eine Stärkung crsabren bat. Jedenfalls erhält eö ein paar Monate Zeit, um sich auf den Kampf mit der allmählich erstarkenden Oppo sition vorzubereiteu. Fairilletan. Das Fraulein von Zaint-Sauveur. 7j Roman von Grsville. (Nachdruck verboten.) Nachdem sich die erste Ucberraschung, gepaart mit Be wunderung, gelegt hatte, erblickte man Jehan v. Olivettes, der ein Wams und Pluderhosen aus schwarzem Sammet trug. Trotz seines lebhaften Wunsches hatte er nicht im Tricot zu erscheinen gewagt. „Man wäre versucht, ihn für einen verkleideten Rad fahrer zu halten", flüsterte ein boshafter Nachbar Lanbry ins Ohr. Landry stimmte mit einem schweigenden Kopfnicken bei. Er blickte unverwandt zu seiner Base hinüber, die nur Augen für den Poeten hatte, der auf einer Moos bank lag und zu schlafen schien. Trotz der spöttischen Bemerkung deS unberufenen Kritikers sah Jehan gar nicht Übel in dem dunklen Costlim aus. Er hatte eine geschickte Lage einzunehmen verstanden, die ihm keinen Krampf verursachte und auS der er sich mit Leichtigkeit erheben konnte. Ein Orchester, das ans ganz eigenthitmlichcn Instrumenten zusammen gesetzt war, und zwar ans einer Zither, einem Banjo, einer Mandoline und aus einem Instrument, das trotz seines geringen Ansehens recht gut eine Ocarina sein mochte, begleitete den Schlummer des Dichters mit einer ebenso absonderlichen als complicirten Musik. Die Zuhörer begannen einander staunend anzublicken, als sich zum Glück für den unbekannten Eompontsten der Wind ins Mittel legte, der durch die dichten Blätter rauschte, daß die schwache, zarte Musik übertönt wurde. Als sich das Rauschen der Blätter legte, begann Jehan wie im Traume zu sprechen. ES wäre zu langweilig, wollte man hier wtedergeben, was er gesprochen. Man hörte mit sichtlich gutem Willen zu; doch vermochte Niemand irgend welchen Zusammen hang zwischen den einzelnen Sätzen zu entdecken. Der Prophezeiung ihre» «ruber» entgegen war Tank Laurence nicht etngeschlafen; die ungewohnte Umgebung und der Anblick der außerordentlichen Dinge, die st« sah, hielten den Schlaf von Ihren Augen fern. Sie hörte mit fo gespannter Aufmerksamkeit zu, baß Antoinette sie ein wenig erschrocken anblicktc, da sic sich fragte, ob das alte Fräulein wohl noch athme. Bei dem leisen Wenden ihres Kopfes neigte sich die alte Dame zu ihr und fragte in dem leisen Tone, den sie in der Kirche anzuschlagen pflegte, wenn sie mit ihren Nachbarinnen eine Bemerkung aus tauschen wollte: „Verstehst Tu von alledem etwas?" „Aber natürlich!" erwiderte Antoinette, unwillkürlich crröthcnd; denn ihre Worte entsprachen nicht ganz der Wahrheit. Tante Laurence stieß einen leisen Seufzer aus und hörte mit verdoppelter Aufmerksamkeit zu. Jehan schwatzte, wie sich Herr von Landois nicht sehr ehrerbietig ausdrückte, schon seit einer geraumen Weile für sich allein hin, als eine weibliche Gestalt erschien, die ein halb griechisches, halb römisches Costlim trug und deren von goldenen Spangen gehaltenes Haar eine sehr vortheilhafte Unordnung aufwieS. Sie näherte sich dem Schläfer und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Das ist ja Fräulein Gallois!" ging ein Murmeln durch die Rethen der wieder aufmerksam werdenden Zu hörer. „Diese Arme! Wetter! Und diese Toilette!" flüsterten sich die Herren zu. „Die ist aber ganz und gar nicht häßlich. Und wer hätte geahnt, daß sie solche Arme besitzt?" Das Murmeln der Verwunderung legte sich, und die Gestalt begann zu sprechen. Ihre tiefe, wanne Stimme sprach die Worte ihrer Nolle mit großer Deutlichkeit aus, so daß, wenn man den Sinn derselben auch nicht erfaßte, wenigstens jedes Wort ver stehen konnte. Sie erinnerte den Dichter an die Freuden der Liebe, die sie aneinander gefesselt hätte, und forderte ihn auf, zu dieser Liebe zurückzukehren. Ein wenig verwirrt hörten die Damen zu, unfähig, in ihrem Geiste die wirklichen Personen gänzlich von den Personen de» bargestellten Festspieles zu trennen, und auch ein wenig verletzt davon, daß die Gesellschafterin Volanbe'S den Pariser Dichter z» duzen wagte. Die» ist der Stein des Anstoßes in den Theatern der Provinz, wo ein Jeder den Anderen kennt. Die Herren, die sich bereits zu langweilen begannen, schenkten der Darstellung neues Interesse, und um manchen Mund spielte ein schelmisches Lächeln, als mit einem Male die volle, harmonische Stimme der Sprecherin einen gebiete rischen, Jedermanns Aufmerksamkeit fesselnden Klang an nahm. Jnstinctiv hatte sie den lüsternen Schauer erkannt, der die Reihen der männlichen Zuhörer durchflog, und ihr ganzer angeborener Adel lehnte sich auf dagegen. Sie sprach die Verse Jehan's durchaus nicht so, wie er es ihr gcrathen, sondern wie cs eine wahre, echte Frau thut, und mit so viel Würde und Zurückhaltung gepaart, daß die begeisterten Zuhörer ihr nach Beendigung ihrer Rede den stürmischen Beifall zollten. Ein wenig gereizt, richtete sich Jehan empor und schleu derte alle Verwünschungen Musset'ö gegen den Vampyr, der ihm die besten seiner Säfte ausgesvgen — nur in einer minder schönen Sprache. Statt sich den Anschein tiefen Schmerzes zu geben, hörte ihm Fräulein Gallois mit leicht vvrgcneigtcm Kopse zu, ohne Jemand anzu blicken, doch in einer tadellosen Haltung. Ter Poet tobte noch eine Weile, bis er endlich ausrtcf: „Hinweg mit Dir, besudelnder Satan indischen Un raths . . . ." Fräulein Gallois machte einen Schritt gegen die links seitige Cvulissc, und Volande erschien. Sie war in einen ganzen Strudel grünlicher Gaze gehüllt, die ganz mit goldenen Sternen besät war, nnd schleppte einen fast end los langen Mantel aus irgend einem weißen Zeng hinter sich einher. Ein Stern aus wunderschönen Diamanten glänzte inmitten ihres Haares, das — o Graus! — seine tief kastanienbraune Farbe gegen Hellroth vertauscht hatte. Unter den Zuhörern wurden erstickte Ausrufe laut; doch die Gatten und Brüder, die über diese wenig schmeichelhafte Kundgebung ihrer Gattinnen und Schwestern ganz erschrocken waren, begannen wie raienb zu avplaudtren, um die Tochter des Hauses gebührend zu empfangen. „Ich hatte es ihr ja gesagt", murmelten die dünnen Lippen der Frau von Tournelles, „ich hatte es ihr gesagt! Solch' einen Unsinn zu begehen, sich so schönes Haar färben zu lasten!" . , Mit ihrer spindeldürren Stimme declamtrte Voland« ihre Rolle, die sie mit ein paar Geberden begleitete, welche sie der Sarah Bernhardt abgelauscht zu haben schien. Dazu gesellte sich das gespreizt« Wesen, bas ihr d«r Dicht,, lsclbst angerathen. Es hätte zu wenig Interesse, hier wiederzngebcn, was sie sprach; der Vorhang schloß sich über der harmonisch versöhnten Gruppe des Dichters, der Frau und der Muse, nachdem mau zu der Einsicht gekommen war, daß man keines der Drei zur Harmonie des Lebens entbehren könne. Man klatschte, daß die Handschuhe barsten, rief die Darsteller, die sich willig zeigten, man rief den Dichter, der sich gleichfalls bewundern lieb. Man wollte die Drei abermals sehen, allein der Vorhang blieb geschlossen. In einem für sie hergcrichteten kleinen Raume entledigte sich Volnude des verwickelten Eostüms, welches sie auf der Bühne getragen hatte. Tie Zuhörer erhoben sich von ihren Sitzen, und man tauschte gegenseitig die gewonnenen Eindrücke aus. Den stärksten hatte jedenfalls die unerwartete Enthüllung der wahren Persönlichkeit des Fräuleins Gallois erzeugt, die in gewohnter bürgerlicher Kleidung bereits ans dem Wege ins Schloß war. Der allgemeine Eindruck, vou dem auck Niemand ein Hehl machte, war -er, baß die Sache trefslich gelungen sei. Mit einem Male kam der Dichter zum Vorschein. Er halte fein effcctvvlleS Costüm, das sich thatsächlick nur we»ig von dem eines übertrieben eleganten Radfahrers unterschied, betbehalten. Vertraulich schob er seinen Arm unter den Landry's, begann mit ihm zu plaudern, und alsbald waren die Beiden -er Mittelpunkt einer Menge neugieriger, thetlwcise auch begeisterter, junger Leute ge worden. „Und wenn Sie nur wüßten, wieviel ich streichen mußte!" beichtete der Dichter. „Es war herzzerbrechcnd, man versteht ja den Sinn fast nicht mehr." „Vorher hatte man ihn also verstanden!" -acht« sich Landry. „Gestrichen, und weshalb denn?" fragte er laut und dennoch ein wenig ängstlich bet der Vorstellung, -ah er in den Augen des Obersten, der ihnen zuhörte, den Ausdruck seiner eigenen Gedanken erblicken könnte. „Nun, der Damen wegen! Sie werben sich wohl vor. stellen können, daß bas eigentliche Stück nicht lauter Moseuwaster ist, wie wir es den Herrschaften vorletzten! Fräulein Gallois wollte durchaus nicht auf -en Dialog eingchen, der meinem Monologe folgen füllte. St« er. klärt, kur» und bltnbta, daß da» unpassen» wär,."'
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