01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030708015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-08
- Monat1903-07
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Dvrch die Post bezogen für Deutsch- land «. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitung-prei-liste. Redaktion und Lrveditto«: Johauuisgasse 8. Fernsprecher 153 und SSL Flttalespedttt»«»« r Alfred Hahn, Buchhaudlg„ UuwersttLUstr.fi, L. Lösch«, Lathartuenstr. Ich u. Köutg»pl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 84. Fernsprecher Amt 1 Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlin: Earl Duncker, Herzgl. Bayr. Hofbuchhandlg, Lützowstraße 10. Fernsprecher Ao» VI Nr. 4603. Morgen-Ausgabe. UtWigcr TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Mates nnd des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die Sgespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktion-strich (4gespaUen) 75 vor den Familieunach» richte» (8 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), aur mN »er Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördermr, ^l Sü.—, mit Postbejörderuug 70^ Armahmeschluß für Auzeigeu: Lbeid-AuSgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« find stet» an dir Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abeud» 7 Uhr. Druck und Verlag vo« E. Pol» i» Leipzig. Nr. 341. Mittwoch den 8. Juli 1903. 97. Jahrgang. Die sächsischen Laudtagswahlen. Mit der Bitte um Abdruck geht uns folgende Zu schrift zu: „Am 30. Juni hat der nationalliberale Reichsverein zu Dresden sich dahin ausgesprochen, daß man „un gesäumt mit aller Entschiedenheit in die Agitation ein treten und hierbei die liberalen Grundsätze, namentlich der konservativen Partei gegenüber, mit allem Nachdruck selbständig vertreten und eine Aenderung des Landtags wahlrechtes mit allen Mitteln vertreten und erstreben müsse". Diese Resolution deckt sich im wesentlichen mit den in einem Eingesandt in Nr. 328 d. Bl., 2. Beil, ent wickelten Gedanken. Man darf gespannt sein, ob diese Fanfare ihre Wirkung tut, oder ob sie (umgekehrt wie die Emser Depesche) zur Chamade werden wird. Vis jetzt scheint es, als ob man in den leitenden Kreisen nach be rühmten Mustern nach verlorener Bataille Ruhe für die erste Bürgerpflicht hielte. Ich aber sage mit Deoervux in „Wallensteins Tod": „Freund, jetzt ist's Zeit, zu lärmen!" Jetzt sind die Gemüter noch erregt von dem Ausfälle der Ncichstagswahlen und von den Landtags wahlen trennen uns nur noch zwei Monate. Also auf, in den Kampf! Tas; es keine leichte Arbeit sein wird, gebe ich zu. Die Gleichgültigkeit ist, wie es die warnenden Stimmen im Jahre 1806 vorausgesagt haben, infolge des jetzt geltenden Wahlrechtes erschreckend gewachsen: vielen ge bildeten, aber nicht mit Glücksgütern gesegneten Männern ist die Landtagswahl (ich brauche mit voller Ueberlegung den starken Ausdruck) verekelt worben. Diese Wähler aufzurütteln, ohne in den Ton sozialdemo kratischer Aufhetzerei zu verfallen, wirb schwer fallen. Dazu kommt als weiterer erschwerender Umstand, daß wir die altväterische Einrichtung der Partialerneuerung haben, daß nur ein Drittel der Wahlkreise zur Neuwahl der Abgeordneten berufen ist. Wie soll die Wahl- bcwegung in Fluß kommen, wenn, wie dies Jahr in Leipzig, vier Fünftel oder fünf Sechstel der Ltadt nicht beteiligt sein, wenn Herr X. zu wählen hat, sein guter Freund, Herr A., der aus der anderen Leite der Straße wohnt, aber nicht? Dafür gibt es freilich eine äußerst wirksame Wahl- parole: Aenderung des Landtagswahl- rechts, und es wird sich in erster Linie darum handeln, ob die leitenden Persönlichkeiten der nationalliberalen Partei sich dazu entschließen werden, sich diese vom Dres dener Reichsverein ausgegebene Parole anzueignen. Das bedeutet für sie freilich das offene Eingeständnis, daß sie 1896 einen Fehler gemacht haben, und bas fällt schwer: aber würden sie sich wirklich durch ein solches offenes Zugeständnis etwas vergeben, würben sie nickst vielmehr bei allen Einsichtigen an Achtung gewinnen? Das gegen wärtig geltende Wahlrecht hat, abgesehen von den leitenden Persönlichkeiten der konservativen Partei, wenig unbedingte Freunde, und die Stimmen mehren sich täg lich, die eine Abänderung fordern. Eine Abänderung fordert man, nicht einfach eine Wiederherstellung des Status quo aut« 1896, und das ist verständig, wennschon diese Beschränkung natürlich von der sozialdemokratischen Presse als eine erbärmliche Halbheit gebrandmarkt werden wird. Denn man soll, wenn man sich an positiver politischer Arbeit beteiligen will, keine Forderung aufstellen, mit der durchzudrtngen man von vornherein keine Aussicht hat. Auch haben die Väter -er jetzigen Wahlordnung — man möchte fast glauben, mit boshafter Absicht — die Rückkehr zum früheren Zustande so gut wie unmöglich gemacht, indem sie den Zensus von 3 aufgehoben haben. Oder haben sie im Ernste geglaubt, daß die Bevölkerung diese „liberale" Maßregel dankbar anerkennen und sich deshalb mit dem neuen Wahlgesetze aussöhnen werde? Das sah doch jeder politisch einigermaßen geschulte Mensch (und das sind die Sozialdemokraten zum großen Teil), daß es völlig bedeutungslos ist, ob in der dritten Klaffe ein paar hundert oder tausend Personen mehr wählen dürfen, wenn die Wahlmänner der dritten Klaffe doch von denen der ersten und der zweiten in jedem Falle überstimmt werden können und tatsächlich über stimmt werden. So hat diese „liberale" Maßregel wie ein blutiger Hohn gewirkt und die Erbitterung nur verschärft. Um also ein erreichbares Ziel inS Ange zu fassen, muß man sich darauf beschränken, zur Zett eine Ab änderung beS bestehenden Wahlrechts zu fordern. Tinen bestimmt gefaßten Abänderungsvorschlag zu machen, wäre jetzt wohl noch nicht an der Zeit) aber über einige leitende Gesichtspunkte wird man sich unschwer einigen können. Bor allem muß das indirekte Wahlrecht fallen, durch das 6e kaoto die Wähler -er dritten Klaffe politisch mundtot gemacht worden sind. Dadurch ist die Verbitterung auch in Volksschichten ge tragen worben, die der Sozialdemokratie noch nicht rettungslos verloren sind. Darum auf, zum Kampfe mit der Wahlparole: Fort mit dem indirekten Wahlrecht!" Zu dieser Zuschrift haben wir zu bemerken, daß nach unsrer Ansicht die durch den Ausfall der NeichstagSwahlen in lebhaften Fluß gekommene Bewegung zu Gunsten einer Abänderung des jetzt geltenden sächsischen Landtagswahl rechtes nicht eher zur Ruhe kommen wird, als bis die Ab änderung vollzogen ist. Haben doch auch gewichtige konservative Stimmen die Dringlichkeit dieser Re form betont. Aber da der Verfasser der vorstehenden Zu schrift selbst die Schwierigkeit der Aufgabe anerkennt, so sollte er unsres Erachtens die „leitenden Kreise" nicht allzu, sehr drängen, mit einer Parole hervorzutreten. Nach unsrer Erfahrung herrschen über das Wie der Reform selbst in nationalliberalen Kreisen sehr verschiedene An sichten. Diese unter einen Hut zu bringen, ist die erste und unseres Wissens bereits in die Hand genommene Aufgabe der „leitenden Kreise". Denn nichts könnte einen übleren Eindruck machen und die Durchführung der Reform mehr verzögern, als wenn im Momente der Tat die Uneinigkeit der Täter sich herauSstelltc. Die nationalliberale Parteileitnng kann einer Lösung der Reformfrage umso ruhiger vorarbeiten, je weniger sie mit einer solchen Arbeit ein patm- peoaavi zu verbinden braucht. Wer sich genau der Verhältnisse erinnert, unter denen das jetzige Landtagswahlrecht zu stände kam, wird mit uns der Ueberzeugung sein, daß damals etwas ge- schehen mußte, nm dieHintcrtretbung einer etwa nötigen Verfassungsänderung durch eine starke und mehr und mehr wachsende sozialdemokratische Drittelmehrheit zu verhüten. Der Drei Mark-Zensus war, als im Wider spruche mit dem alten Wahlrechte stehend, nicht wohl auf. recht zu erhalten, und so mußte ein anderes Mittel ge funden werden, der Lahmlegung der Zweiten Kammer bei den für den Staat wichtigsten Fragen vorzubeugen. Für das gewählte Mittel ist nur die schon damals ansschlag. gebende Partei verantwortlich, die keine Einwendung be rücksichtigte. Die natioualliberale Parteileitung trifft also der Vorwurf eines Gesinnungswechsels nicht, wenn sic jetzt die Initiative zur Reform eines über Hals und Kopf ge. schaffenen Notgesetzes ergreift, dessen Ausgestaltung zu beeinflussen nicht in ihrer Macht lag. Gerade daraus aber, daß das damals geschaffene Not- gesetz seine AbänberunqSbedürftigkeit sogar seinen eigenen Vätern so bald erwiesen hat, sollte die Lehre gezogen werden, daß bei so wichtigen Neuerungen jede Uebcrcilung sich bitter zu rächen pflegt. Auch glaube man ja nicht, mit der Refonn unsres Wahlrechtes sei auch nur das Wichtigste von -em geschehen, was geschehen muß, wenn uns Ueber. raschnngen erspart bleiben sollen, wie wir sie am 16. und am 25. Juni erlebt haben. Schon daraus, daß das schon bei den vorigen Reichstagswahlen in Kraft stehende sächsische Wahlrecht der Sozialdemokratie nicht viel Wind in die Segel geschafft hat, geht überzeugend hervor, daß noch ganz andere und mächtigere Urachen für den Wahl ausfall am 16. und am 25. Juni dieses Jahres wirksam gewesen sind. Diese anderen Ursachen sorgfältig zu prüfen und auf Mittel zu ihrer Beseitigung zu denken, ist daher für die nationalliberale Parteileitung ebenso uner läßliche Pflicht, wie die Ergreifung der Initiative zur Refonn deS Wahlgesetzes. Versteifte sie sich lediglich auf diese, so könnte sie samt ihren Drängern trotz der Reform bei den nächsten Reichstagswahlen nicht nur, sondern auch bei den Landtagswahlen recht unliebsame Erfahrungen machen. Leo XHI. * Rom, 7. Juli, 4'/, Utzr nachmittag». (Telegramm.) Serben lvnr-e salgende» Bulletin über tzas Befinden de» Papste» von S Ubr nachmittag» veröffentlicht: „Ter an der Brust de» Papste» an»,c führte Probestich ergab eine serohaematische Flüssigkeit. Manschritt hieraus »nm vruttftich (Thorabocente««), wodurch etwa 800 Gramm Flüssigkeit entleert wurden, «ine rasche Untersuchung nach der Operation ergab einiges Schleimraffrl» in der »»erst ergriffenen Lungen,egend. Ter Papst ertrng die Operation gut. Seine Stimmung ist gehobener und der allgemeine Zustand scheint etwa« gekräftigt. «egenwürti, ruht der Papst. Lapponi, Ma»oni." * Pom, 7. Juli. (Telegramm.) Die Blätter veröffentlichen Sonderausgaben. Der „Boe« della Berit»" zufolge hoben heute morgen acht KardinSl, und Fürst Massimo den Papst besucht. Der „Osservatore Romano" meldet, der Papst habe Lapponi gebeten, wenn di« Befahr nahe bevorstehe, ihm dir» mitzu- teilen. Rach dem „Biornale d'Jtalia" war der Zustand d,S Papste» gestern abend gegen 10 Uhr ernst. Al- feine Neffen bei ibm rintratrn, atmete der Papst mühsam und konnte nur sageu: „Meine Lieben!", wobei ihm Tränen in die Augen traten. Um '/,K Uhr morgen» reichte Monsignore Mazzo- lini dem Papste die heiiige Eucharistie. Der Papst ließ di. Personen de« Dienste« rufen und sagt«: „Ich fühl« den Augenblick nahen, Euch Adieu zu sagen". Daraus erteilte er ihnen den Segen. Später fühlt« sich der Papst besser, wa» gegen Morgen bei solchen Krankheiten gewöhnlich und in diesem Falle auch der Zuführung von Sauerstoff zu verdanken ist. * Rom» 7. Juli. (Telegramm.) „Tribuna" meldet: Heute morgen prüfte der Ministerrat die Frage, die Reise des Königs infolge der Erkrankung des Papstes aufzuschieben. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt, denn man würde natür- lich auch sich mit der französischen Regierung ins Einvernehmen setzen müssen. Auch die Meinung de» Königs, dem die Frage unter breitet wird, wird zu hören sein. — „Capitole" bemerkt, eine Aufschiebung deS Besuche» kann angebracht erscheinen, nicht weil der König während deS Konklave- in Rom sein müßte, bei dem seine Gegenwart nicht nötig sei, sondern weil e» nicht angemessen sein würbe, daß der König Festlichkeiten beiwohue zu einer Zeit, da der Tod des Papste» zahlreiche Menschen in Italien und Frank- reich tu Trauer versetzen würde. Deutsches Reich. Berlin, 7. Juli. (Landwirtschaft, In dustrie und Wehrkraft.) Die Streitfrage über die größere oder geringere Leistnngsfähigkeit unserer beiden großen Wirtschastsgruppen hinsichtlich der Auf- bringung brauchbaren Menschenmaterials zur Heeres- ergünzung ist mittels scharfer Kontroversen zwischen der freisinnigen und der konservativen Presse neuerdings wieder aufgerollt worden. Die nationalliberale Presse hat zu dieser an sich äußerst wichtigen Frage einen durch aus vermittelnden Standpunkt eingenommen. So schrieb die „National-Zeitung" in ihrer Nummer vom 7. Juli 1900 folgendes: „Tatsächlich ist für den Staat in Bezug auf die Stärkung der Wehrkraft ein durchgreifender Interessengegensatz zwischen Industrie und Landwirt- schäft nicht vorhanden. Zu bestimmten Zeiten können Schwankungen nach dieser oder jener Seite eintreten, die jedoch vorübergehender Natur sind und sich gegenseitig ausgleichcn werden. Erweckt in Zeiten besonderer in- dustrieller Hochkonjunktur der Abfluß vom platten Lande Bedenken, so tut cs in Zeiten industriellen Rückganges die starke Auswanderung. Mit Recht wird in der Er haltung nnd Vermehrung eines kräftigen Bauernstandes die notwendige Sicherung jener Kraftquelle erblickt, die im Interesse der Wehrkraft niemals versiegen darf; aber auch die Industrie trägt ihren vollwertigen Anteil an der Wehrkraft des Landes, und sie vermag es nm so mehr, wenn sie leistungsfähig genug ist, den Menschen überfluß nicht allein aufzunehmcn, sondern auch g u t aufzunehmeu . . ." Eine grundsätzliche Entscheidung darüber, ob einerseits landwirtschaftliche, anderseits in dustrielle Distrikte mehr zur Wehrfähigkeit des Landes beitragen, läßt sich überhaupt nicht treffen, weil die mili tärische Brauchbarkeit des Nachwuchses aus den beider seitigen Distrikten nicht allein von seiner Beschäftigungs art und Lebensweise abhängt, vielmehr — zumal bei der immer stärker werdenden Fluktuation der Bevölkerung — die Herkunft der Rekruten, ferner die Qualität ihres Geburtsdtstriktes eine Rolle mttspiclt, sowie naturgemäß die Abstammuug und andere wichtige Momente mehr. Das Kaiserliche statistische Amt hat nun offenbar in dem Bestreben, auf dem Gebiete des Rekrutiernngswesens die Untersuchung der einschlägigen Verhältnisse auf Grund der Statistik tunlichst frühzeitig zu ermöglichen, neben den bisherigen statistischen Nachweisen bereits in Heft IV lt)02 der „Biertcljahrsl>efte der Statistik des Deutschen Reiches" zum ersten Male einen bisher nur nachträglich in den Jahrbüsiwrn veröffentlichten Nachweis betreffs der Ergebnisse deS Heercscrgänzungsgeschäfts für 1901 geliefert, in welchem neben den instruktiven Daten über die Herkunft der Rekruten auch Verhältnisbercchnuugen über die Abfertigung nach Aushebungsbezirken enthalten sind. Hiernach waren für 1901 von je 100 Abgefcrtigten im ReichSdruchschnitt tauglich 65,2. Weit über diesem Durchschnitt stehen: im Aushcbungsbeztrk Ostpreußen 68,6, Elsaß 67,6, Westpreußen 65,1, Lothringen 62,3, Pommern 60,1 Prozent aller endgültig Abgefcrtigten als tauglich befunden. Weit unter dem Durcksichnitt stehen: im Aushebungsbezirk Brandenburg 47,6, Schlesien 49,2, Königreich Sachsen 50,7, Rheinland 52,8 Prozent aller endgültig Abgefertigten als tauglich befunden. Wenn indessen hieraus auf die größere Leistungsfähigkeit der Bezirke mit vorwiegend ländlicher Bevölkerung ge schlossen werden könnte, so würde die hohe Proportions ziffer Westfalens als reinen Jndustriebczirks mit 59,1 und anderseits die sehr niedrige des rein landwirtschaft lichen Auöhebungsbczirks Schleswig-Holstein mit 53,5 diesem Rückschluß entgcgcntreten. ES handelt sich dabei, wie gesagt, immer um die ortsanwesendcn Rekruten, bet der Frage ihrer Herkunft aber würde doch noch zum mindesten zu berücksichtigen sein, in welchem Lebensalter sie von ländlichen in industrielle Bezirke übergcwandcrt sind, ein Punkt, dessen Erfaßbarkcit durch die Statistik wohl einen sehr großen Apparat und entsprechenden Kostenaufwand voraussctzt. Man sicht, daß auch in dieser Frage die extreme Beweisführung nach beiden Seiten nicht angebracht ist. * Berlin, 7. Juli. Ein im Saarreviere ver breiteter klerikaler Aufruf ist dem hier lebenden Schwiegersöhne des verstorbenen Abgeordneten Kreiherrn v. St u m m-H a l!b e r g, v. Schubert, zu Händen gekommene Das Schriftstück lautet: Aufruf zur Unterstützung bedruckter und gemaßregelter abhängiger Arbeiter. Im Wahlkreise Ottweiler-St. Wendel-Meiscnhcim hat nach OOjährigcr Herrschaft des Liberalismus die Zentrumspartei am 16. Juni 1903 endlich den Gegner in heißem Ringen überwunden. Der Zentrumskandidat erhielt 17 220. die ver einigten Gegner 17 143 Stimmen. Der Lieg war nur mög lich durch die unerschütterliche Ueberzeugung« treue einer abhängigen katholischen Arbeiter schaft. Welch große Opfer für dies« Uebcrzeugung»treue seit Jahren gebracht werden mußten, weiß jeder, der von den Verhältnissen im Saarrevier Kenntnis hat; brutale Ge walt und Knechtung folgte auch hier den Spuren des Liberalismus. Der nunmehrige Wahlsieg der Zentrumspartei veranlaßt die liberalen Machthaber mehr wie jemals, sich über die elementarsten Menschenrechte hinwegzusetzen und Zentrumsanhänger mit Weib und Kind brotlos zu machen. Arbeiterentlassungen, Lohnbedrückungen, Wohnungskündigungen, eine Spionage niedrigster Art, Geschäftsschä digungen kleiner Gewerbetreibenden, das sind Dinge, die jetzt schon zum Teil ganz syftematisch betrieben werden. Unsere glaubcnsrreue katholische Arbeiterschaft hat große Opfer gebracht und bringt sie stündlich mit Heldenmut; soll sie in der Treue erhalten werden, so muß sie nicht nur be wundert, sondern tatkräftig unterstützt werden. Plötzlich ent lassene Arbeiter, besonders Familienväter bedürfen unserer Unterstützung, bis sie ihr Recht gefunden und wieder Verdienst haben. Wir wenden uns vertrauensvoll an unsere Glaubens brüder in Stadt und Land mit der dringenden Bitte um frei willige Beiträge. Es handelt sich nicht an letzter Stelle auch um die Erhaltung der höchsten religiösen Gü ter einer bisher glaube n s m utigen katho lischen Arbeiterschaft. Wer Gefühl für Glauben und Recht hat und die Ueberzeugungslreue des abhängigen Mannes trotz roher Gewalt bewundert, darf und wird uns nicht im Stich lassen. Helft armen Arbeitern, die für die Betätigung ihrer Ueberzeugung herzlos dem Elend preisgegcben werden. Neunkirchen (Bez. Trier), den 26. Juni 1903. Or. Becker, Pastor. L. Lehnen, Redakteur, I. Schütz, Pastor. dl8. Gaben sende man unter der Bezeichnung „Unter- srütznngsfond" an den mituntcrzeichneten Pastor Schütz in Wiebelskirchen, Bez. Trier. Herr v. Schubert veröffentlicht diesen Aufruf in der „Post" mit folgendem Zusatze: „Ich erblicke m den vorstehenden Ausführungen eine ver steckte und -eshalo besonders gemeine Verunglimpfung meine» verstorbenen Schwiegervaters, des Freiherrn von Stmnm-Hal- berg, der bis zu seinen, Tode während im ganzen 22 Jahren den Wahlkreis Ortweiler-Tt. Wcndel-Meisenheim im Reichs tage vertreten hat, und lege hiermit Verwahrung ein gegen die widerliche Schmähung des Toten. Gleichzeitig stelle ich fest, daß auf dem Neunkirchener Eisen werke bis jetzt nur in einzelnen wenigen Fällen gegen solche Arbeiter eingeschritten worden ist, welche sich grobe Verstöße gegen die für einen geordneten Betrieb und daher im eigensten Interesse der gesamten Arbeiterschaft unbedingt notwendige Disziplin haben zu schulden kommen lassen. Dia Angaben deS Aufrufs entsprechen somit nicht den Tatsachen; sie stellen sich vielmehr als böswillige Ver hetzungen der Arbeiter gegen die Arbeit geber dar, weit schlimmer als diejenigen der Sozial demokratie, weil sie den Arbeitern eine Gefährdung nicht nur ihrer materiellen, sondern auch der höchsten religiösen Güter vorspiegeln. Ich unterbreite das Vorstehende der Be urteilung aller anständigen Menschen, unbeschadet der seitens der Firma Gebr. Stumm bezw. der Hüttendirektion nunmehr notgedrungen zu ergreifenden Maßregeln." * Berlin, 7. Juli. Dem angeblich toten Liberalismus singt die konservative „Kreuzztg." folgenden Grabgesang: „Da» große Ereignis der letzten stdeichS- tagswahlen besteht darin, daß der Traum des Liberalis mus von einer im Sinne des Liberalismus und des Freihänd- lertum» geleiteten Reichsrcgierung ein für allemal ausgeträumt ist. Trotz der kolossalen Machtmittel, über die die liberalen Parteien, dank der Unterstützung der hohen Finanz und dank ihrer weitverbreiteten und einflußreichen Presse verfügen, hat der Liberalismus ein vollständiges Fiasko erlitten. Die Wahlen haben gezeigt, daß der Liberalismus ohne Unterstützung von rechts her auch nicht einen einzigen Wahlkreis im ersten Wahl gange behaupten kann (??), und wenn die liberalen Parteien noch ziemlich stattliche Trümmer ihrer einstigen Herrlichkeit in den neuen Reichstag herüberretten, so danken sie das der Unterstützung ihrer politischen Gegner von rechts und von links in der Stichwahl. Wenn man auch bei der Eigenartigkeit des deutschen Liberalismus die Hoffnung, daß diese Tatsache sein Selbstgefühl zu beeinträchtigen im stände sein könnte, wird aufgeben müssen, so liegt doch schon ein Gewinn in der all- seitigen Erkenntnis dessen, daß der Liberalismus endgültig abgewirtschaftet hat in Deutschland und daß die Möglichkeit eines liberalen Regimes, wenn überhaupt jemals ein solches möglich war, nunmehr endgültig beseitigt ist. Der Parlamen tarismus wurde einst vom Liberalismus geschaffen als In strument seiner Herrschaft; nun ist dieser nicht mehr im stände, sein eigenes Werkzeug zu führen, und damit scheidet er als Faktor des politischen Leben» endgültig au»." Wir haben die liberalen Wahlniederlagen keinen Augenblick beschönigt, aber als „Trümmer" können wir eS doch nicht gerade bezeichnen, wenn die nationalliberale Fraktion um zwei Mandate stärker in den Reichstag cinzieht als 1898. Und was das „endgültige Ausscheiden al» Faktor des politischen Lebens" anbelangt, so ist immerhin festzustellen, daß die sämtlichen liberale» Gruppen einschließlich der zugehörigen Wilden über rund 90 Sitze verfügen und gegen 2,2 Millionen Stimmen aufgebracht haben, d. i. rund eine Million Stimmen mehr als die beiden konfervattven Parteien und ein Zuwachs von 300 000 Stimmen gegenüber 1898. Mit dem „Aus scheiden" hat «H also noch gute Wege!
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