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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021002016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902100201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902100201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Reklamen unter dem Redaktion»strich s4 gespalten) 7S vor den Familirnnach- richten (6 gespalten) LO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahmr 2S (excl. Porto). Srtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne PostbesörderuaF 60.—, mit Postbeförderung .»l 7V.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 1V Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 5V1. Donnerstag den 2. Oktober 1902. Sk. Jahrgang. Ea' Canny. 11. Wir baben im vorigen Artikel das Allgemeine au» der Reiswitzschen Broschüre Oa' Lanuz' nntgeteilt. Heule wollen wir auf das Spezielle eingeben. Die Reibe der be sprochenen Gewerbe beginnt mit dem Baugewerbe. In keinem Zweige der Invustrie, meint der Autor, hat das Prinzip der Einschränkung der Arbeitsleistung einen solchen Umfang erreicht wie im Baugewerbe. Nicht, daß dies der einzige Mißstanv wäre, unier dem dies Gewerbe leidet; aber sicher ist es der verhängnisvollste. Die offiziellen Satzungen der Gewerkschaft enthalten von dieser Taktik natürlich nichts. Aber eS gibt bekanntlich auch ungeschriebene Gesetze, die am Schlüsse deS offiziellen TerteS der Versammlungen hinter dem Bierkrug geschaffen werden. Es existier z. B. keine schriftliche Bestimmung über die Anzahl der täglich von einem Manne zu legenden Ziegelsteine, wohl aber bestehen ganz be stimmte stillschweigende Vereinbarungen darüber, und webe dem Gesellen, der sie etwa ignorieren wollte! Vor 20 Iabren legte ein Maurer durchschnittlich 1OOO Steine pro Tag, vor 30 Iabren wurden sogar 1200 gelegt, und beute ist diese Zahl infolge der gewerkschaftlichen Agitation bereits auf 400 herabgesunken. Daö kommt natürlich der Abneigung der trägen Arbeiter — und diese sind recht oft gerade die ge- sinnungStüchtigsten Politiker (eS ist von England die Rede) — gegen fleißig» Arbeit zugute und es werden dadurch zugleich die Meister gezwungen, möglichst viel Leute eiuzustellen. WaS der zu gewärtigen bat, der diese Zahl über schreitet, dafür liefert folgende Begebenheit eineu rnteressanten Beleg: Ein junger Mann zeigte sich so eifrig bei der Arbeit, daß seine Kollegen sich darüber ärgerien und nachzäblten, wieviel Steine er den Tag über legte. Es kam heraus, daß er sich einer Leistung von 724 Steinen schuldig gemacht habe. So wurde ihm denn be deutet, daß er sich „davonzutrollen" habe, da er wegen seines un- qualifizirrbaren Fleißes sich die verdiente Verachtung seiner Kollegen zugezogen habe und niemand mehr mit ihm arbeiten wolle. Der solcher Art Gerichtete beklagte sich beim Werksührer; dieser erklärte sich für machtlos, gab ihm ober andere Arbeit. Als der junge Mann auch hier wieder dem Laster nnvorschristsmäß gen Fleißes frönre, wiederholte sich jener Vorgang, und jo mußte er in der Tat entlassen werden. Selbstverständlich führt ein solcher Zwang zu einer großen Verbitterung gerade der brauchbarsten Arbeiter, die durch die beständigen Schikanen ihrer Kollegen schließlich auf das gleiche Niveau herabgedrückl werden oder sich darauf gefaßt machen müssen, beständig die Arbeitsstelle zu wechseln. Das Arbeitsmaximum von 400 Steinen pro Tag gilt übrigens nur für Privatunlernehmungen. Handelt eS sich um Arbeiten an öffentlichen Gebäuden, besonders um solche für Rechnung der Londoner Behörden, so wird der obige Satz noch mehr eingeschränkt. Es wird nunmehr dargelegt, daß bei Gebäuden, die der Londoner GrafschastSrat (Magistrat) bauen läßt, 330 Ziegel den Tag als Leistung genügen, daß bei einem Schulhauöbau nur 200 und an einem andern Bau gar nur 70 gelegt worden seien. DaS kann aber wobl nicht als Beispiel hingestellt werden, das sind doch nur Zufälligkeiten. Immerbin ist durch die Beschränkung der Leistung der Maurerlobn für eine Qu - Nutbe von 12—14 Pfund Sterling auf 20 und 22 Pfund Sterling gestiegen. Das Gleiche ist mit sämmtlichen Bau arbeitern, von den Erdarbeitern bis zu den Malern, der Fall. Daher bat man auch angefangen, fertige EinrichtungSgegen- slände vom Auslande, z. B. Türen aus Schweden rc., zu be ziehen. Was aber bei dem Baugewerbe besonders nachteilig >ür den Arbeitgeber ins Gewicht fällt, das ist, daß die Arbeiter so vielen verschiedenen Gewerkschaften angeboren und raß daraus allerlei Schwierigkeiten, Eifersüchteleien und Streitigkeiten entstehen; denn jede Gewerkschaft sorgt sür sich selbst. Die Gewerkschaften erheben unter einander Ansprüche und so tritt nicht selten der Fall ein, daß eine Gewerkschaft den unglück ichen Arbeitgeber dahin be deutet, alle ihre Mitglieder würden die Arbeit niederlegen, sobald er sich einfallen ließe, den Forderungen ihrer Rivalinnen nachzukommen. Zum Tbeil entstehen solche Meinungsver schiedenheiten über Arbeiten, die von verschiedenen Kategorien von Arbeitern als in ihr Fach schlagend reclamiert werden; ost aber entstehen auch Streitigkeiten daraus, daß «ine mächtigere Gewerkschaft den ausgesprochenen Wunsch hegt, eine schwächere vollständig zu unterdrücken und dadurch ihren eigenen Mitgliedern größere Vorteile zu verschaffen. Im englischen Maschinenbau ist seit vier oder mehr Jahren kein Streik vorgekommen. Man führt diese glück liche Tatsache auf die s. Zt. getroffene Uebereinkunft zurück, welche die Freiheit deö Arbeitgebers und des Arbeitnehmers proklamiert. Nach diesen Vereinbarungen stebt es dem Arbeit geber frei, solche Anordnungen ;u treffen, wie er sie für Leitung und Betrieb seines Unternehmens al» vorteil- bast erachtet; er soll berechtigt sein, die Leute selbst ständig zu wählen, die mit der Handhabung der Ma schinen zu betrauen sind, unv er darf nach seinem Belieben Organisierte und Nichtorganisierte erstellen. Drap Arbeiterstand ist der Beitritt zur Gewerkichaft frei gestellt. — So gut liegen nun die Dinge in der Kessel- fabrikation und beimSchiffSdau durchaus nicht. Hier wird sehr über die Bummelei geklagt, eS wird ost blau gemacht und die Arbeit von Maschinen darf die Leistung nicht Lberichreilen, die während verielben Zeit nut der Hand erzielt wird. Demnach sind die Maschinen ohne Nutzen. Die Lage in diesem Gewerbe ist deshalb >o prekär, weil die Gewerkschaft sehr fest gefügt ist und nicht leidet, daß jemand eingestellt wird, der nicht eine regelrechte Lehrzeit als Kcsselmacher durchgemacht hat. Aber die Zahl der Angehörigen wird so niedrig gehalten, daß immer Mangel an Arbeitern ist, die natürlich einen sehr hohen Lohn — bis zu 18 den Tag — er halten. In der Gewerkichaft der Eisengießer lautet tz 7: Sollte irgend ein Mitglied der Ansicht sein, daß einer seiner Kollegen eine Arbeit in kürzerer Zeit e>ledige, als es bis dahin Usus war, oder, wenn es sich um Stückarbeit handelt, daß eS solche sür weniger Geld leiste, als man dieses sür gleiche Arbeit erhielt, so soll eS gestaltet sein, jenen auf die Folgen dieses Vorgehens binzuweisen, widrigenfalls es selbst mit einer Strafe von 2>/» belegt wird rc. Der Schuldige er hält20 „L Strafe. Bei den Reed ern wird geklagt, daß die Lebrburschen in den Werk stätten, wo das GewerkschaftSwefen floriert, jeden Sinn sür Disziplin und Achtung dem Lebrherrn gegenüber verlieren. In der We ißble ch fabrikation in die Agitation zuni Scharen der Arbeiter selbst ausgeschlagen. Es sind nämlich Frauen an die Stelle der Männer gefetzt worden. Die Männer haben freiwillig das Feld geräumt und die Frauen haben sich ganz ausgezeichnet eingerichtet. Ein drastisches Kapitel aus der Rivalität der einzelnen Gewerkschaften erzählt uns das Buch von einer Schiffswerft. Tort sind nicht weniger als 49 verschiedene Klassen von Arbeitern tätig, die durch 23 verschiedene Gewerkschaften vertreten sind. Mit allen diesen bat der Unlernehmcr zu verhandeln. Die Möglichkeit eines Ausbruchs von Streitig keiten erscheint bei einem so vielfach gegliederten Organismus an sich schon groß genug, aber nach dem Grundsätze, daß Familienzwlstigkcitcn besonder« gefährlich sind, entstehen die ernstesten Unruhen auS der Rivalität zwilchen den einzelnen Gewerkschaften. So wurde z. B. auf einer Schiffswerft eine Anzahl von „sirillers' beauftragt, Löcher in Platten von ein zehntel Zoll Dicke zu bohren. Darauf aber reklamierten die „ckipper" die Arbeit, indem sie vorgaben, die Bohrung dickerer Platten gehöre in ihr Ressort. Die Firma erklärte voller Resignation, ihr sei eS völlig einerlei, wer die Locker bohre, wenn diese überhaupt nur gebohrt würden. Aber keiner siegte, keiner wich, und so kam es denn wahrhaftig zur Arbeitsniederlegung der „äiillers' und der „chippers" und der Bau mußte still sieben. Schließlich holte mau einige IungenS von der Straße herein, um die Platten zu bohren, und als die Streikenden nach 13 Wochen wiedcrkamen, war die Arbeit längst fertig. , Ein weiterer Fall: Ein Panzer sollte vom Stapel lausen. Die Werstleitung veranlaßie die „skiprvrigklsdurch An bringung von Holzpflöcken die Stellen zu bezeichnen, wo die Lafetten Platz finden sollten, worauf die Tischler empört das Schiff verließen, weil diese Arbeit nickt ihnen übertragen war! So mancher wird sich auch des Ausstandes der Monteure und ..plumbor^ von 189l entsinnen, wo alle giößeren Werkstätten deS Noiddistrikis vier Monate laug darunter zu leiden batten, daß zwei Albeitcr-Kategorien sich nickt darüber einigen konnten, wem eS zukäme, gewisse Röhren anzuschrauben. Mit diese» Eltaten wollen wir eS bewenden lassen. Die Broscküre selbst führt noch unzählige an. Jedenfalls ist sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen zu empfehlen. Deutsches Reich. -s- Berlin, 1. Oktober. (KleruS und KlerikaliSmuS.) Welche Rolle der Klerus sür den KlerikaliSmus spielt, darüber liegen heute zwei charakteristische Geständnisse in tonangebenden ZenlrumSorganen vor. Das eine finket sich in dem offiziellen Olgan der bayerischen Zentrumspartei, das einen zahlreichen Besuch deSParteitags der bayerilchenZentrumSparteiprophezeit, „zumal wenn auf die Pflichten des hochwürdigen KleruS bei der Ansetzung des Tages Rücksicht genommen wird". Mit anderen Worten: wird diescRücksicht nickt geübt, dann dürste derBesuch deS klerikalen Parteitages stark beeinträchtigt werden! DaS zweite Geständnis findet sich in einer Wiener Korrespondenz der „Köln. Volkeztg.". Darin wird berichtet, daß das Verbot des zweiten KleruStageS durch die österreichische Bischofs konferenz unter den Geistlichen Oesterreichs große Erbitterung hervorgerusen habe, und als ein Symptom dieser Erbitterung wird die Anssorderung bezeichnet, die Geistlichen möchten sich nun auch von aller äußeren Tätigkeit zurückzieheu und sich auf ihre seelsorgerischen Pflichten beschränken. Ganz entsetzt ruft der Gewährsmann der „Köln. DolkSztg." hierzu aus: „DaS fehlte Oesterreich noch!" Und auS vollem Herzen stimmt derselbe Gewährsmann dem Benediktiner ör. Breilschops bei, der öffentlich u. a. in folgenden Worten vor der Befolgung jener Aufforderung gewarnt hatte: „Als katholische Priester sind wir verpflichtet, unseren kirch lichen Oberen zu gehorchen in jenen Dingen, die zum kanonischen Gehorsam gehören . . Bringen wir daher unser aufgeregtes Herz zur Ruhe, erfüllen wir wie bisher nicht nur unsere Pflichten als eigentliche Seelsorger, sondern wirken wir auch wie bisher auf den verschiedensten Gebieten für unser christliches Volk". — Was würde wohl aus der klerikalen Partei in allen Ländern, wenn der katholische Klerus sich lediglich auf die Ausübung seiner seelsorgerischen Pflichten beschränken wollte! Berlin, 1. Oktober. („Genosse" Schippe! und die Fleischteuerung.) Während die sozialdemokratische Presse in ter tendenziösesten Weise lediglich die Erschwerung der Einfuhr ausländischen Viehes für die hohen Fleischpreise verantwortlich macht, beurteilt der sozialdemokratische Reichs- tagsabgeorbnete Schippel die Gründe der Fleischteuerung erheblich unbefangener. Schippel äußert nämlich in dem Organ der sozialdemokratischen Gewerkschaften u. a.: „Bis zu einem gewißen Grade ist die Fleisckieuerung eine inter nationale Erscheinung. Tie Vereinigten Staaten batten im vorigen Jahre eine außergewöhnlich schlechte Ernte in Mais, dem ausschlaggebenden Viehsutter. Argentinien war schwer durch Seuchen heimgesucht, sodaß eS Feuilleton. Unsere Landsleute in -er Züdsee. Von Carl Cassau (Hamburg). Nachdruck verbotkn. Nordöstlich von der Insel Neu-Guinea liegt zwischen den Inselgruppen der Admiralitäts-Inseln und St. Mat thias-Inseln, Neu-Mecklenburg, früher Neu-Irland ge nannt, Neu-Hannover und Neu-Pommern, früher als Neu-Britannien bezeichnet, der Bismarck-Archipel. Rund um diesen gruppieren sich unsere Lüdsce-Kmonicn. deren Hauptbestandteil das Kaiser Wilhelms-Land, die Nvrdost- küste von Neu-Guinea bildet. Früher übte hier die Neu Guinea-Kompagnie ihren Einfluß aus, 1^99 übernahm im Auftrage des deutschen Reiches ein Gouverneur die Ober aufsicht. Die Kompagnie bezieht seit dieser Zeit für ihre Kultnrbestrcbungcn einen Zuschuß vom Reiche. Der östliche Teil von Neu-Pommern ist die Gazellcnhalbinsel, auf der der Gouvcrnementssitz Herbcrtshöhe liegt; die Einge borenen nennen ihn Kvtopv. Die Eingeborenen gehören zu den Papuas, d. h. Kraus köpfen; man nennt sic hier aber auch vielfach Kanälen. Die Kanakcn nennen den Gouverneur in ihrem Pidgcr- Englisch, daö besonders die Grenzbewohner außer ihrer Muttersprache erlernen, Pick - Fallew - Master; das Gon- verneincntstiaus, ein schlichtes Holzhaus mit Wcllblechdach, nennen sic House Paper. Die Kanatcn-Mundartcn, deren cs mehrere gibt, sind nicht leicht zu erlernen, gefallen sich aber in mancherlei Wiederholungen wie das Samoanische; so heißt la^a-Iueva Kleid oder Schurz, 8in»r-8inx Gesang, Kai-Kai Mahlzeit, Kap-Kap ist Muschelgeld, ckuok ckuck ein beweglicher Tanz. Die Kanakcn gehören zum größten Teil zu den Menschenfressern, obwohl diese barbarische Sitte da, wo die Eingeborenen mit der Kultur in Berührung kommen, immer mehr erlischt. Auf den Bergen der Gazellcnhalbinsel im Innern des Landes trifft man noch auf Encalnptusstumpfe von 12 Meter Umsang, die als Opfcrtischc benutzt wurden. Es sind Göltcrsratzen hincingcschnitten und allerlei Embleme. Rund herum stehen Steine, deren größter ansgchöhlt ist. Auf ihm wurden die Opfer jedenfalls erwürgt und zer« stückt. Besondere Vorliebe zeigen die Kanakcn für die Schädel ihrer Opfer, was in ganz Ozeanien und auch in Afrika zu beobachten ist. Alle Inseln um den Bismarck-Archipel sind schön und fruchtbar, viele vulkanisch. Es gedeihen ans ihnen Kokos nüsse, Bananen, Brvtsrucht und Taro, Tabak, Kakao, Kaffee u. s. w. Prächüg und in den wunderbarsten Farben schillert hier dicInscktcn- nnd dieVogxlwelt. In der letzteren zeichnen sich durch besondere Schönheit ans die wunder baren Paradiesvögel nnd die Krontanbcn mit ihrem reichen Federschmuck. Die Bewohner der Gazcllenhalbinsel im Innern sind die sogenannten Bnsch-Kanaken oder Baininger. Es sind kleine, schiefbcinigc, infolge ihrer Gefräßigkeit mit großen Hängebüuchen versehene Leute mit großen Mäulern und eingedrückten Nasen: Bilder der Häßlichkeit! Reinlichkeit ist ihnen ein unbekannter' Begriff; sie starren vor Treck und Schmutz; fressen tun sic alles, abgebalgte rohe Vögel, zwischen heißen Steinen halbgar gebackene Schlangen^ Taro, eine kartvffelartigo Frucht von 8 bis 10 Pfund schweren Knollen, ist die gewöhnliche Speise, die die Weiber «bereiten. Ein richtiger Baininger überwältigt so eine ganze Frucht mit Leichtigkeit. Tic Busch-Kanaken befinden sich in ewiger Furcht vor den Strand-Kanaken, denn diese haben vor etwa 100 Jahren, von Ncn-Mccklenburg kommend, die Baininger unterjocht und zu Sklaven gemacht und — tun cs heute noch, wenn sic einen Baininger erwischen, obwohl Frei heitsberaubung verboten ist und schwer bestraft wird. Die Stämme Neu-Mecklenburgs sind sehr verschieden geartet, ihre Hautfarbe schimmert vom lichten Braun bis zum tiefsten Schwarz in allen Farben. Ihre Statur ist klein, aber kräftig, die Körperbildung meistens schön. Sie sind intelligent, stolz nnd kriegerisch, aber arbeitsscheu nnd leben meistens von Bananen, Taro, Brolsrucht und Fischen. Ihre Waffen, die wenigen Hausgeräte, die Kauoes nnd Werkzeuge zum Fischfang verraten große Kunstfertigkeit. Im großen nnd ganzen sind sic ein harmloses, zufriedenes, lustiges Völkchen, das den Weißen gern etwas absicht nnd adlernt. Oft führen sie in großen Gemeinschaften ainx-sinxs auf, treiben ckuok-cluck-Tänze und trommeln auf ihren Lärm- nnd Versammlungs- oder Palawertrommeln munter darauf los. So eine Trommel ist ein ganz einfaches und doch kunst volles Ding. Es ist ein Baumstammstück, einen bis vier Meter lang, daö einen Längsschlitz von 2 Fingern Breite hat. Von diesem Schlitz aus ist der Stamm mit scharfen Muscheln oder Steinen in sehr mühsamer Arbeit, die ost Jahre hindurch dauert, anSgehöhlt. Das Außere ist mit Götterbildern und Emblemen verziert. Ebenso der eine vorhandene Deckel. Diese Palawertrommeln werden auch zu Signalen angewandt und schallen sehr weit. Die Ein geborenen können sich damit in kurzer Zeit auf die weitesten Strecken Nachrichten übermitteln. Ferner markieren sic damit ihre Tänze, worin sic eine staunenswerte Ausdauer besitzen. Gewöhnlich wird zu der Einweihung einer nach jahrelangen Mühen fertigen Trommel ein großer »ing- 8inu veranstaltet. So harmlos die Leutchen sind, ebenso abergläubisch sind sie auch. Mit jemandem eine Frucht, einen Fisch, einen guten Bissen zu teilen, sind sie durch nichts zu bewegen, denn sic glauben, wenn sie dies tun, würden sic verzaubert, klein und schwach. — Auf ihr wulstiges Haar verwenden alle die größte Sorgfalt, indem sie einen hohen Aufbau von Löckchen erzeugen, den sie bann znr Verzierung mit rotem Korallcnkalk überstreuen. Während die Baininger oder Busch-Kanaken in kaum menschenwürdigen Erdlöchcrn wohnen, bauen sich die Strand-Kanaken hübsche Hütten, die sic mit Matten und Schilf schmücken; man findet bei ihnen nette Dörfchen, niedliche Gärten und bebaute Ackerstrecken. Bisweilen sind an gefährlichen Stellen der Raubtiere wegen, hauptsächlich aber wegen räuberischer Nachbarn, die Wohnungen über Wasser und in hohen Bäumen angelegt. Im großen und ganzen sind die Bewohner von Neu-Pom mern nicht so scheu und viel zugänglicher als die Papuas von Neu-Mecklenburg. Da sie mit den Weißen, deren Zahl hier übrigens sehr gering ist, mehr in Berührung kommen, so sind ihre Sitten auch bekannter geworden. Tie Kanakenkindcr verleben eine ungetrübte Jugend. Sie laufen den ganzen Tag nackt und wild herum und kommen zu Vater und Mutter nur zum Esse» in die Hütte. Etwas zu lernen, den Eltern zu Helsen, das sind ihnen un bekannte Dinge. Dagegen baden sie viel nnd lernen dabei schwimmen und tauchen und fischen, ebenso das Anfertigen von Fischercigerätcn, Fischkörbcn, Fischnetzen, Fischspceren und Kanoes. Werden die Kinder größer, so tragen sie nur einen Schurz als Kleidung, ein Kawa-Kapp. — Bei jedem Vollmond haben die halbwüchsigen Knaben die besondere Vergünsti gung der Kai-Kni-Fcstc. Dann bringen sie vor den Hütten ihre „Ständchen", die nichts anderes als ein Höllenlärm sind, von dem sich die Betroffenen mit eßbaren Sachen loskaufen. Diese Kai-Kai-Gaben werden dann in Gemein schaft verzehrt, doch darf kein Teilnehmer an diesen Festen auch nur ein Wörtchen reden, sonst wird er nach ihrem Aberglauben verzaubert. Eigentümlich sind die Gebräuche bei der Mannbarkeits erklärung der Kanakenjünglingc. Bei indianischen Stäm men in Amerika müssen sich die der Mannbarkeit zu strebenden Jünglinge den schwerstcnMartern unterwerfen; in Neu-Holland müssen sic ganz allein ein K iu.unuh jagen kein leichtes Stück; bei den Kanakcn ist die Prozedur eben falls schwer, wenn auch einfacher, doch nickt ohne Würde. Sie erinnert an die Leistungen der spartanisckcn Ephcben zu derselben Zeit. Nachdem die Jünglinge zusammcngc- treten sind, führen sie unter Leitung eines Alten einen unserer Polonäse ähnlichen Tanz auf. Hernach müssen sic den rechten Arm ausstrecken, und ein Alter schlägt mit aller Kraft eine Isk Meter lange dicke Rute von wcidenartigen Bäumen um die Muskeln. Da mit die Rute gehörig wirken kann, läßt man sie nach dem Hiebe los, ergreift sie aber sodann wieder und vollführt dasselbe Stück noch zweimal. Dabei studieren alle das Ge sicht des Prüflings genau; nur ein Zucken, nur ein Schmcrzenszcichcn, und — er ist durchgcsallcn. Tie Jüng linge empfangen die drei Schlüge deshalb meistens lachend. Dann folgt zur Berauschung ein Bctclnuß Kai-Kai, ein mmr-sin? mit der Trommel und ckueksiuck-Tänze, die Tag und Nacht dauern; später ruht man in mehrtägigem Schlafe auS. Solchen Sohn, der geprüft ist, zu besitzen, ist für den Vater wohl ehrenvoll, erwünschter aber sind mannbare Töchter, denn diese muß der Liebhaber ihm abkaufcn. Als Geld dient das Tiwarra. Tas geivöhuliche^Di- warra besteht aus Muscheln von der Grüße einer Sau bohne; ctiva 300 Stück, gleich groß, gleicher Art, werden sorgfältig gereinigt, nachdem mau sic am Strande ansgc- lesen oder aus dem Wasser gefischt hat, und am Rücken durchbohrt auf einen Faden gezogen. Eine Schnur von etwa 1?.t Meter bildet einen „Faden". Er repräsentiert einen Wert von 3 bis 3,50 Xap-Knp ist Musckclgcld besonderer Art. Teils sind cs Muschelschalen zu Platten geschliffen, 2 bis 3 Millimeter dick, 0 bis 15 Ecntimetcr im Tnrchmcsser, dann natürlicher weise durchlocht und aufgezogen; diese Tiwarra hat zwei- und dreifachen Wert nnd ist sehr mühsam herznstellen. Anderes Kap-Kap ist besonders sein geschliffen ausMttscheln, 1 bis 2 Millimeter dick und mir linscngroß, aufgezogen, so daß 1800 bis 2000 Stück ans einen Faden gehen. Auch dieses Geld hat zwei- und dreifachen Wert. Ans den Südsccinseln bleibt die weibliche Bevölkerungs ziffer hinter der männlichen zurück. Heiratsfähige Mäd chen sind deshalb selten. Der Jüngling freit selten ein Weib aus anderem Stamme. Entbrennt er in Liebe zu einem Mädchen, so stößt er abends vor der Tür ihrer Hütte seinen Spccr in die Erde, den er mit Diivarrafäden umwindet. Sind die Fäden am anderen Morgen abgcnvmmen, so hat man seiner Werbung Folge gegeben. Er wird mit Freuden ausgenommen, teilt Geschenke aus, Arm- und Fußbändcr, Beile, Hühner, Schweine u. s. w., besonders an die Sckwicgermama und der Braut Brüder, dann be ginnt das Kai-Kai und aing-sina, und die Ehe ist geschloffen. Tie neue Hütte bauen dem Bräutigam seine Freunde, für Atzung bringen alle Tiwarra mit; wer das nicht thut, ist ausgeschlossen. Wird ein Heiratsantrag abgclchut, so bleiben die Di- warrasädcn am Speere hängen. Ein so Abgewiesener sieht die Hütte, wo ihm solche Schmach geschah, mit keinem Blicke wieder an. Wird ein Kind geboren, so herrscht Freude im Dorfe. Tas Kind erhält zwei Namen. Der erste darf bis zum vollendeten zehnten Jahre nicht ausgesprochen werden, sonst muß das Kind sterben; die Mutter darf ihn überhaupt nickt aussprcchcn. Mit dem zweiten Namen ruft man das Kind, aber das Kind selbst darf diesen zweiten Namen auch nicht selbst aussprcchcn, sonst wird es verzaubert. Stirb: ein Kind vor dem zehnten Jahre, so muß der Vater des selben an die Verwandtschaft Strafe zahlen! Tic Sucht nach dem Besitze der Tiwarra artet bei den Kanakcn zum Geize ans. Jeder strebt danach, von diesem Geldc so viel, als er nur kann, zusammen zu bringen. Mancher hinterläßt 15 MO bis 20 000 Fäden Tiwarra, denn die größte Ehre ist es, recht viel zn hinterlassey, nm — eS vererben zu können. Die Erben sind natürlich über die reiche Erbschaft sehr erfreut, stellen sich aber, als seien sic cs nicht. Am Tage nach dem Begräbnisse kommen alle Verwandten bis ins.20. Glied in die Hütte des Verstorbenen, die Weiber zum Zeichen ihrer Trauer mit schwarzbeschmierten Gesichtern. Jedem Erben wird dann das Seinigc vor die Füße gelegt; er nimmt cs heimlich an sich nnd verschwindet damit. Man sicht, auch dort zn Lande blüht die Heuchelei. Eins aber muß den Kanakcn zum Ruhme nachgesagt werden, daß Ehebrüche nnd Unmoralität bei ihnen seltener Vorkommen, als in Ländern der Kultur nnd der hochgc- prieseucn Bildung.
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