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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021013010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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- Tag1902-10-13
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lv statu»" verrichten müßte. Die bitterste Lette dieser Art von Kriegönot bestand aber wohl darin, Last sie sich den Betrug zu nutze machte. Leipziger Unternehmer empfingen oft die Beträge für vierspännige Fuhren, nicht aber der zur Ausführung derselben befohlene Bauer, ob wohl er mit zwei Pferden sogar nicht selten die Last für ein Bicrgespann befördert! muhte. Aus den Klagen darüber, das; so manches Dors noch gar nichts habe leisten müsse», z. B. Mockritz bei Mügeln, darf wohl auf die ersten Punkte geschloffen werden, welche die Kricgsflnt nicht er reicht hatte. Wie nun erging cs einem vom Leipziger Kreis- iommiffariatc zu Militärsuhren angenommenen Geschirr besitzer? Wohl hören wir schon am 3. November von Lützen aus darüber Klage führen, dah die abgeschickten Pferde nicht wieder abgelöst worden waren, und um die behördliche Beifügung bitten, die ans diesem Amte kom menden Vorspannpfcrde und Wagen jederzeit in den ersten Nachtguartieren durch andere zu ersetzen und nach Hause zurückzusendcn, aber die bctrübendstcu Nachrichten kamen ovch aus Kleinpardau und Zschepplin. Sie, so erzählten die Klcipardauer später,' wären in Leipzig angewiesen worden, nach Düben zu fahren, und zwar sie französische, mit Kasten beladene Wagen, und die Verubrucher eine Kutsche. „Wie nun beide Fuhren so schwer gewesen, dast solche von dem Biehe kaum crmacht werden können, welches aber dadurch erzwungen worden, dah französische Soldaten darneben hcrgegangcn und aus die Pferde beständig hincingeschlagen, auch die Fuhrleute zu erstechest oder zu erschießen gedroht, wenn sic nicht schnell führen, so wären sie in Düben keineswegs entlassen, son dern ihnen angedcutet worden,' sie mühten weiter fahren. Hierwider habe auch kein Bitten und BvrsteUcn, dah sic nicht weiter mitkönnten, indem das Bieh schon ermattet sei, geholfen, vielmehr wären die Pferde eingcschlossen und be wacht und sie mit großer Härte genötigt worden, wieder eiuzuspannen nnd weiter fort zn fahren, welches nun bis Wittenberg unter abermaligem Drohen und Hineinschlagen auf die Pferde geschehen müssen. Sie hätten nun geglaubt, hier entlassen zu werden, aber dieses sei, ohnerachtet die Pferde schon so ermattet gewesen, dah sie fast nicht fort gekonnt, zumal da sic sie nicht ordentlich füttern können, auch nicht geschehen, vielmehr wären sic abermals mit Drohungen, erstochen oder erschossen zn werden, noch weiter mitzufahren gezwungen worden, welches auch bis in daS Dors Deiche! geschehen." Sie hätten, so erzählten sie weiter, ihre Pferde mit dem Geschirre eingebüht, denn schon in Wittenberg Hütte man die Kleinpardauer Knechte sortgejagt und ihnen angedeutet, zu gehen, wohin sie wollten, was abermals mit großen Drohungen verknüpft gewesen, so daß sich auch endlich die Knechte entfernen und die Pferde, welche in mit Wachen besetzten Ställen ein geschlossen gewesen, im Stiche lassen müssen. In Deiche! ging es dem Manne aus Bernbruch nicht besser; denn während man seine Pferde zurückbehielt, wurde er felbst sortgejagt. Wie unbarmherzig, ja geradezu unfiunig die Franzosen mit den Pferden unserer Bauern umgingen, erzählt der Pächter Lindstüdt auf Zschepplin in folgenden Worten: „Indem ich im Begriff bin, diesen untertänigen Bericht zu überreichen, kommen von den zuletzt mit genommenen acht Pferden sechs wieder zurück. Diese sechs Pferde hat man drei und drei vor zwei sechsspännige Pnlverwagcn gespannt, sie übertrieben, dah der Schaum auf ihnen gestanden, und des Nachts darauf, ohne sie zu füttern, in einen offenen Hof gejagt nnd selbigen ver schlossen. Bon diesen Pferden haben daher zwei völlig auf den Tod verschlagen; wegen der übrigen vier bin ich für den Augenblick noch nicht im stände, zu bestimmen, wie ge fährlich diese verschlagen haben. Zwei Pferde aber haben sie gewaltsam gänzlich mitgenommen'." Hören wir aus Eolditz, das; viele Pferde infolge dieser Strapazen gefallen waren, aus Gaudlitz, daß die Fuhrleute ihre Rückkehr in die Heimat von dem Feinde mit Geld erkaufen mußten, so begreift man, den letzten Notbehelf -er Bauern zn Zschepplin völlig, welche vor Ankunft des Feindes sich und ihre Pferde rechtzeitig in Wäldern verbargen. Und nnn noch einige Worte über die Einquartierungs lasten. Sie waren nicht nur überaus drückend wegen der Häufigkeit der Einquartierungen, sondern auch wegen der Einbußen, die sie mit sich brachten. Glücklich, wer damals nicht an der Heerstraße Altenburg-Dresden, Leipzig- Wittenberg n. s. w. wohnte! Ja, selbst die Lage eines Ortes an einem unbedeutenden Begleitwege der Heerstraße war gefährlich! Plaußig, am Nvrduser der Parthe, klagte am 19. November 1806, seit dem 20. Oktober, beinahe vier Wochen hindurch täglich französische Einquartierung gehabt zn haben, Seegeritz, unweit davon, bis zum 1. Dezember nicht weniger als zwciundzwanzig Mal, während Orte am Süüufcr dieses Leipziger Flüßchens, wie Clauden, Gras dorf und Portitz, keine bekommen hätten. Die Einbußen durch solche Einquartierung waren so bedeutend, daß die Gemeinde Podelwitz bei Leipzig am 3. Dezember 1806 in einem Berglcichc der dadurch herbcigesührtcn Verluste mit denen ans anderen Anlässen entstandenen zu folgendem Ergebnisse kam: „Es sind die regelmäßigen und außer ordentlichen Einquartierungen in vielen Ortschaften so zahlreich nnd überhäuft gewesen, daß sie bei weitem den Wert der auch noch so zahlreich geleisteten Lieferungen nnd Spanndienste übertrafen, ja selbst von allen anderen er tragenen Kriegslasten die allerdrückcndsten und ver- wüstendstcn waren!" In der wortreichen Begründung dieser Behauptung heißt es: „Allein wie groß beläuft sich oft der Schaden, der von einströmendem Militär, welches heftig und begehrlich ist, dem bestürzten stillen BefSohner des Landes durch stürmisches Fordern sich häufig durch kreuzender Bedürfnisse jedes Individuums oft von wenigen PeAoncn gefordert und abgeüroht wird? Wie viel wird felbst genommen,verwüstet, au sich gerissen,welches alle oder einen grvßenTeil hätte befriedigen können, rvclches aber mit Gierigkeit genommen, kaum einen einzelnen oder nur wenige befriedigt? Wie viel wird zerschlagen, aufgcsprcngt. zertrümmert? Was muß da alles hcrbcigcschafft, geliefert, gemacht nnd ansgetragcn werden, nm einen solchen Schwarm zu befriedigen? Wie ost müssen dazu die der Wirtschaft nötigsten nnd zur Fvrtbestellnng derselben un entbehrlichsten Stücken Bieh geschlachtet nnd preisgegeben werden? Wie viel gesparte Boaräte muß man geben und sich nehmen lassen? Was wird mitgenommen, ruiniert, verwüstet, zerstört? Wie vieles muß mit barem Gelde gleichsam abgckaust und der gedrohten Vernichtung ent zogen werden?" Was die Einquartierungen noch weiter drückend machte, mar der durch sie unvermeidlich gewordene Unterhalt vieler Pferde, die gewaltsame Forderung von Gcnnßmiiteln, die der Grund und Boden des deutschen LandmanneS damals keineswegs hervorbringen konnte, z. R. von Zucker nnd Kaffee, und endlich die Notwendigkeit, um teuren Lohn Leute zur Aufwartung nnd Bedienung mieten und beköstigen zu müssen. Die Zukunft erschien daher in den dunkelsten Farben! „Bei dieser elenden Lage, worin wir uns befinden — schreiben dieselben Podelwitzcr — können wir leider unsere Felder nicht gehörig bestellen und sind selbst an der Ein saat gehindert. Keine Felder werden für die Frühjahrs saat bestellt, nichts vorbereitet, alles Kutter und aller sehr nötige Vorrat wird anfgezehrt. Was soll aus uns und unserer Wirtschaft werden? Was aus unserer künftigen Ernte? Womit sollen wir unser Bieh erhalten?" Sah man sich hier vor den; totalen Ruin seiner Habe gestellt, so anderwärts vor die Notwendigkeit, als verarmte Lasten des Landcs mit dem Bettelstäbe in -er Hand davon zu gehen. Daß unter solchen Umständen Hülse dringend not war, konnte niemand von -er Hand weisen; aber über das Wie? gingen die Ansichten weit auseinander. Das bis her von keiner Seite angetastete Vorrecht der Rittergüter, nichts zur Tragung allgemeiner Lasten beitragen zu müssen, erkannte der kleine Bauer jetzt als zu Unrecht be stehend und forderte seine Beseitigung. Ruch die Mit hülse außerhalb des Kriegsbereichs liegender Orte zur Leistung notwendig gewordener Dienste wurde flehentlich erbeten. Ja, sogar Unmögliches, wie die Verlegung der Militärstraße von Leipzig nach einem anderen Orte ver langte und sicherte man zu; als ob sich die Kriegsfurie die Bahnen vorschreiben läßt! Leider war all diesen Wünschen gegenüber das Herz der Behörden httlfsbereiter als ihre Hand zur Hülfe fähig. Schon am 5. November versandte die Leipziger Krcisdeputation Formulare zur Anmeldung er littener Schäden, aber diese waren so sehr Arbeiten des grünen Tisches, -aß eine ganze Reihe von Gemeinden weit darüber hinausgehcnde Angaben zu machen wünschte. Man stellte auch die Errichtung sogenannter Kreiskassen zur Wiedererstattung erlittener Kriegsschüden in Aussicht, aber sie scheinen weder bis zum 10. September 1807 zu stände gekommen, noch bis zum 28. Dezember 1810 ihren zugesagten Verpflichtungen uachgekommen zu sein. Unterm 10. Dezember 1806 hören wir aus Colditz, daß der Kur fürst sogar die Bcihülfe der Rittergüter in Aussicht gestellt habe, nnterm 13. Dezember auch aus Merseburg, daß das Rittergut Deutzen bei Borna verschiedentlich zu Fuhren herangezvgcn worden sei, wir lesen endlich von einer zur Verallgemeinerung dieser eingeleitetcn Schritte nieder gesetzten Deputation und — zu unserem größten Erstaunen — von einer entschiedenen Weigerung mehrerer Ritterguts herren, ihre ererbten Vorrechte auszugeben, wenn nicht mittels Patentes alle ihre Standesgenossen dazu auf gefordert worden seien. Daß es, was rühmend an erkannt werden soll, doch eine ganze Reihe vornehmer Landwirte gab, deren Herzensgute größer als ihr Ahnen stolz war, und auch eine große Reihe von Orten, wie die Dörfer des Erb- und Schulamtes Grimma, der Ämter Mügeln, Mutzschen, Zörbig und Zschepplin, welche das Nichtvorhandensein irgend welchen Unvermögens zur Fortführung ihrer bürgerlichen nnd bäuerlichen Gewerbe gern bekannten, daS waren die Gründe, weshalb sich nach und nach die Hülfeschreie auf der einen und die zur Lin derung der erlittenen Nöte getanen Schritte auf der an deren Seite in nichts verloren. Das Beste zur Milderung des Verübten und zur Verhütung kommenden Leides ge schah offenbar durch Kurfürst Friedrich August selbst, der bekanntlich am 11. Dezember 1806 mit Napoleon I. zu Posen Frieden schloß. Mcherbesvrechungen. Tie Blütezeit der deutsche» politischen Lyrik von 184V biS 18»v. Ein Beitrag zur deutschen Literatur- und National geschichte von Christian Petzet. Zweite Lieferung. München, I. F. Lehmanns Verlag 1902. Wir haben die erste Lieferung dieses Werkes, welche außer einer allgemeinen Charakteristik der politischen Lyrik auch das Charakterbild Hoffmann- von Fallers leben enthält, bereits anerkennend besprochen; alle Vorzüge der ersten Lieferung finden sich in der zweiten wieder, welche die Dichter Dingelstedt, Herwegh, Prutz und Freiligrath bespricht, und zu diesen Vorzügen rechnen wir auch, daß die Schrift gleichfalls eine Anthologie der politischen Lyrik - enthält, deren Erzeugnisse unter dem lyrischen Schutt der letzten Jahrzehnte säst vergraben sind. Und doch finden sich darunter Edelsteine und Perlen echter Poesie. Die Charakteristik Petzets er- scheint uns durchaus zutreffend; mit Recht heißt cS von Dingelstedt, daß er zu den markantesten Charakterköpsen unserer modernen Literatur gehört. Er ist von diesen Dichtern derjenige, der am wenigsten populär geworden ist; denn ein vornehmer, etwas bla- siertrr Zug war ihm von Hause auS eigen, rin Sarkasmus von einichneidender Schärfe, ebenso eine feine Ironie, die man für weltinänuisches Parfüm hält. Seine Lieder eines kosmo politischen Nachtwächter- haben auch einen gewissen jugend lichen Schwung; wertvoller sind seine späteren Dichtun gen, besonders der „Roman", der mit politischer Lyrik nichts grmein hat. Ohne Einschränkung kann man dem Urteil Petzets über Georg Herwegh beisttmme», daß die „Gedichte eines Leben- digrn" an sensationellem Eindruck auf die Zeitgenossen alle voran gegangenen Erscheinungen der politischen Poesie bei weitem über troffen haben und an Kraft und Schwung des GesühlS, des Gedankens und der Sprache, wie in künstlerischer Beherrschung der lyrischen Formen die erste Stelle unter den poetischen Erzeugnissen der damaligen Arra einnehmen. Ebenso muß man dem Tadel Petzets, der HerweghS spätere Gedichte trifft, zustimmen, daß sich in ihnen die Abnahme des poetischen Talents sowohl in Betreff des Inhalts als der Form sehr bemerkbar mache. In der Tal möchten wir die Herweghsche Dichtung jenen Prachtblüten ver gleichen, di» sich in langer Zeit nur einmal und dann mit einem Knall erschließen. Seine spätere Lyrik erscheint uns als vergröberter „Heine" mit epigrammatischen Keulenschlägen, der aber alle aristo phanische Grazie verloren hat. Robert Prutz wird sehr zutreffend der korrekte und populäre Dichter der liberalen Opposition der vierziger Jahre genannt und es wird besonders seine maßvolle Haltung gerühmt, wenngleich er die hoben dichterischen Eigenschaften, welche mehrere seiner Genossen in reichem Maße auszeichneten, nicht in ähnlicher Stärke besaß. UnS erscheint Prutz in seiner politischen Lyrik oft zu rhetorisch und doktrinär; dagegen finden sich in seinen weniger bekannten nicht politischen Gedichtsammlungen: „Aus der Heimat" und„Herbstrosen", die außerhalb des Rahmens der Petzctschen Schrift liegen, Gedichte von großer Schönheit. Was aber sein« politische Lyrik betrifft, so konnte der Verfasser wohl noch er wähnen, daß Prntz im Jahre 1866 noch einmal in die Saiten griff, um gegen den drohenden deutschen Bürgerkrieg zn protestieren, ein Gedicht, welches ihm gerichtliche Verfolgung züzog. Eingehend und mit warmer Anerkennung wird Ferdinand Freiligrath behandelt; einige seiner von revolutionärer Leidenschaft durchglühten Lieder, die uns heutigentags fremdartig gemahnen, aber zur Signatur jener Epoche gehören, deren Bild sie mit Flammenzügen schwung- haster Begeisterung schildern, werden uns von Petzet mitgeteilt, s- * * « Herzog Ernst von Schwabe», Erzählung aus dem eisten Jahrhundert von Felix Dahn. Preis 4 Verlag von Breit kops L Härtel in Leipzig. Nicht nur die lebhafte Phantasie des Mittelalters bat die Gestalt des jungen, durch seinen Trotz einem tragischen Geschick verfallenden Herzogs Ernst von Schwaben mit einem Schleier von Sagen und Märchen umwoben, auch die Schrift steller unserer Zeit wandten und wenden sich gern dem kühnen Helden zu, der untreu gegen Kaiser und Reick ward, aber treu bis znm Tode dem Freunde blieb. Dahn selbst hat schon einmal in einer Ballade aus dem Jahre 1862 diese Freundestreue poetisch verherrlicht, und letztere auch als ausschlaggebendes Moment für die Handlung seiner Erzählung benutzt. Ein Moment übrigens von historischer Zuverlässigkeit: Ernst hat tatsächlich, als nach seiner Hast auf dem Giebichenstein der Kaiser ihn begnadigen und aufs neue mit dem Herzogtum Alemannia belehnen wollte, sobald er sich eidlich verpflichte, von seinem Dienstmann und Freunde Werner von Kyburg zu lassen, der durch treulose Anschläge das Reick in Ver- Wirrung gebracht habe, sich dessen energisch geweigert. Er wurde darauf für einen offenbaren Feind des Kaisers erklärt und mußte, seines Herzogtums verlustig, fliehen. Auch der weitere Verlauf des Dahnschen Buches lehnt sich ziemlich genau den geschieht- sich verbürgten Vorgängen an. Eine romantische Zutat ist dagegen, daß der ebengenannte Werner von Kyburg ein natur- licher Sohn Konrads kl. gewesen sein solle. Doch diese dem Dichter wohl gestattete freie Erfindung gestaltet vornehmlich den Schluß des Buckes sehr effektvoll, beeinträchtigt allerdings auch etwas das Interesse an dem eigentlichen Helden der Erzählung. An dramatisch wirksamen Situationen ist letztere überhaupt reich. Besonders die Kaiserwahl ist sehr farbenreich dargestrllt und ebenfalls durch gut er- fundene Wendungen schriftstellerisch vorteilhaft ergänzt. Einen packen- den Eindruck erweckt des weiteren Konrads Werbung um die Witwe des älteren Ernst. Letztere bricht mit der Annahme dieser Werbung, nach Dahn, den ihrem sterbenden Gemahl geleisteten Eid, sich nicht wieder zu vermählen. Wie historisch erwiesen ist, war die Ehe zwischen Konrad und Gisela wegen Blutsverwandtschaft kirchlich verboten und gab dadurch Grund zu Einspruch und Zwist. Doch ist die erstere Darstellung wiederum von gut berechneter Wirkung, indem sie den tragischen Konflikt zwischen Ernst und seiner Mutter noch verschärft. So hat Dahn aufs neue glänzend sein künstlerisches Geschick bewiesen, Wahrheit und Dichtung zu einem wirkungs vollen Ganzen zu verschmelzen und sowohl dem historischen Ge danken als auch der poetischen Wirkung gerecht zu werden. — Ebenfalls in den Anfang Les vorigen Jahrtausends führt uns eine Erzählung von Adolf Hausrath. DaS Werk, „Tie Albigenserin" betitelt (Preis 4 ^ll), hat zum Hauptmotiv ein idyllisch beginnendes und für daS Weib mit furchtbarer Tragik endendes Verhältnis zwischen einem jungen schwäbischen Grafen und der schönen Albigenserin. Letztere gehört der Sekte der Häresiarchen an und büßt ihre sittliche Verkommenheit aus dem Scheiterhaufen, dem damaligen Palliativ der katholischen Kirche gegen alle wirklichen und eingebildeten Schäden ihrer Zeit. Auch der biedere Schwabe gerät in einen Konflikt mit den kirchlichen Herren, doch kommt er noch glimpflich davon. Das Werk wirkt nicht in gleichem Maße gedanklich anregend, wie frühere Arbeiten Hausraths, ist aber reich an romantischem Reiz. Zum Schluffe sei noch berichtigend erwähnt, daß der Titel der jüngst be- sprochenen Erzählung von Lang nicht „Line", sondern „Tine" lautet. M. Uhse. «> * * Eement und Beton. Illustrierte Monatsschrift für Cement- und Betonbau. Geschäftsstelle: Berlin dlVV ü, Kruppstraße 6. Hest 1 und 2. PreiS: 2 vierteljährlich. Die Krankenpflege LLL hohen Grad von Vollkommenheit erreicht, daß eine Verbesserung derselben vielfach kaum für möglich gehalten wird. Nicht nur die Pflege der Kranken in der Familie hat sich gegen früher vollständig geändert und zwar zu Gunsten einer hygienischen Behandlung, sondern auch unsere großen Krankenhäuser sind Muster von gut eingerichteten und geleiteten Heilinstituten geworden. Daß die Küche eines großen Sanatoriums oder Hospitals nun keine untergeordnete Rolle spielt, ist allgemein bekannt. Die Bereitung geeigneter Kost für Kranke und Reconvaleszenten ist sozusagen eine Wissenschaft für sich geworden. Gerade bei den Kranken heißt es speciell die Individualität jedes Leiden- berücksichtigen. 'Neben den besten Arzeneien und den kräftigsten Nahrungsmitteln spielen aber im Leben des Patienten die Genuß- mittel keine geringe Rolle. Wo es gilt, den fehlenden Appetit an- zuregen, da sind geeignete ungefährliche Reizmittel durchaus am Platz und werden von den Aerzten angewandt. Professor vr. Martin Mendelsohn hat sich nun vor einiger Zeit über ein neues Genuß mittel höchst anerkennend ausgesprochen, das, dem besten Fleischextract an Gehalt und Zusammensetzung gleich, äußerst günstige Wirkungen ausübt. „Siris", so nennt sich dieses Präparat, ist von Geschmack unübertrefflich, besitzt große Würzkraft und dürste um so mehr das beste Ersatzmittel für Flrischextract sein, als eS um circa die Hülste billiger ist als dieser. Wer das neue, wesentlich verbesserte Präparat — in allen Colonialwaren- rc. Handlungen erhältlich — noch nicht versucht hat, versäuine nicht, sich von der vorzüglichen Qualität zu überzeugen. Wo nicht zu haben, verlange man unter Einsendung von 30 Psg. in Briefmarken Probetöpschen, ab Fabrik: „Siris-Gesellschaft" m. b. H. Frankfurt a. M. MchrnersLhee L2,80 u. 3,50 p. Psd. — Der Name ist «ine Garantie. Bei Gustav Markcndorf, Grimmaische Straße, erhältlich. Xuvkluss, klsrndrennen, klarnäeanx, Masenkatsrek linclen r«scde unU sckmcrrlose Keilunk okne kerutslörunx Uurck KnIlNSON", Keine Kspseln! U'irkt niclit sckk<Nick, sonvern »eNr icNnett^ »uk Mo^en un<l dNeeen l Olme SLnUeldolrül octer Lvpaiv.-ösls. ^»zenelim einrunekmenl Aerrlt. «ürmstens emploklen l vneäklixe Oankdriele »us U. ^«iiren Ksn scdte «ul l-ocker's Llamsnsrux «ul Verpackung u. veise «ngedt. kesseres rurllck I flascde K1K. 2.LV in Uen ^potdeken. -Vusludrlicke Prospekte gratis lturck Uen Alleinigen Fabrikanten k-ovksi», kd-rm baborat, Stuttgsnt. (Zus.: «o Sarsap., ro Bürzel, ro Ehrenpr., luu Sp. Nil., roo Sp. e vinv». k^ieUerlagen. Iivlprlx: Kalomoiilsapvtli., 6rimm. 8lr. 17, Hokapotli. Ilainstr. 9, «koliannisupotki., Vredener 8tr., 80>v. i. ti. meist. Ullck. ^potlislren. . « r» - r-^ e- I I— r—I I Miene eines Mannes, der sich davon überzeugt hat. „A frische Matz Bier gibt's und a Stuck a zwanzig Mann sand schon da. Blob Oes und die Bertelsgadner fehl'n noch." „Na, dann müassen wir machen, daß wir Hinkomma, eh's Bier gar is!" rief der Führer feiner Mannschaft zu. „B'hüat Ihna Gott, Kamerad!" „B'hüat Gott! Tnat S' dem Quatie nit zu viel!" sagte der falsche Grenzer und dann trennte man sich. Während die Oesterreicher langsam aufwärts stiegen, ging der Schmuggler gemächlich abwärts. Er wußte in der Nähe ein Versteck, von dem aus er die Berchtesgadner Grenz wache ruhig vorüber lassen konnte. Im Verlauf einer Viertelstunde hatten die Saalseldner die „Wegscheid" erreicht, wo sie auf das Herzlichste von den bereits anwesenden Kollegen begrüßt wurden. „Wir hab'n 's schon gehört, daß 's a frisches Bier gibt", meinte der Führer der Ankömmlinge. „Dem Kamerad Brunner sand wir begegnet, der seit gestern in der Ramsan zur Aushülf' is." „Bei uns zur Aushilf'?" fuhr der Grenzerloisl auf, und sah über die Spielkarten hinweg auf den Ueber- bringer dieser merkwürdigen Nachricht. „Ja, bei Enk. Er is den Bertelsgadnern entgegen, um sie auf an andern Gangsteig zu bringen!" „Wia hat er denn ausg'schaut?" forschte man von allen Seiten. „Wia er ausg'schaut hat?" wiederholte der Führer achselzuckend. „Sell ko i nit genau behaupten. I woaß nur, daß er a großer Mo mit an schwarzen Bollbart g'wen is und an Mantel und a Schirmmützen aufg'habt hat." In diesem Augenblick sprang der Grenzerloisl auf, um nach seinem Mantel zu sehen. Seine bange Ahnung hatte ihn nicht betrogen — er war samt der Mütze ver schwunden. „Leut'!" rief er jetzt vor Schreck außer sich, aus is 's, g'fehlt is 's, der Klampcrer Xaverl, der schwarze Schmugglerkinnig hat mir mein Mantel g'raubt und die Mützen. Auf und nach? Wir müassen ihn kriag'n, lebendig oder tot, sonst kimm' i nm mein Posten." Die bestürzten Beamten, denen der kühne Pascher vor der Nase entwischte, lieben sich diese Aufforderung nicht zweimal sagen. Schon in den nächsten Minuten waren sie, so schnell eS ihnen möglich war, hinter dem Entkommenen einher, um ihn einzuholen. Der Klampcrer Xaver! hatte aber derweilen Pech ge habt. Statt den Berchtesgadener Grenzern aus dem Wege zu gehen, lief er ihnen gerade in die Arme. Dem Ober aufseher kam der neue Ramsauer „Kollege" etwas zweifel haft vor und als er ihn um seine Legitimation fragte, griff der Pseudvkollege in die Tasche und holte eine Hand voll Schnupftabak hervor, die er dem Beamten in die Augen warf, so daß dieser mit einem lauten Aufschrei zurück taumelte und von seinen beiden Begleitern gehalten wer den mußte, um nicht von dem schmalen Wege in den Ab grund zu stürzen. Der Klampcrer Xaverl benutzte die Ge legenheit, um anszureißen. So schnell, wie es seine Kraft zulicß, stürmte er abwärts, hinter ihm auf etwa achtzig Schritte Entfernung der eine der Grenzer, während der andere bei dem geblendeten Oberaufseher zurückgeblieben war. Zwischen dem Flüchtigen und seinem Verfolger ent spann sich nun ein Wettlauf auf Leben und Tod. Ein Glück für beide war es, daß die Dunkelheit das Schießen ver hinderte, sonst hätten sie sicher von ihren Gewehren Ge brauch gemacht. Nach dreiviertelstüudigem Rennen war der Klamperer Xaverl mit einem Vorsprung von etwa zweihundert Schritten in Ramsau angekommen. Eines der ersten Häuser an der Landstraße war Las kleine Besitztum des Grenzerloisl. Da kam dem Pascher plötzlich ein raffinierter, toll kühner Gedanke. Er hatte in der Manteltasche den Haus schlüssel gefühlt und nun rannte er direkt auf das kleine Gebäude zu, um sich dort in Sicherheit zu bringen! Nur ein Wahnsinniger hätte so eine unglaubliche Handlungs weise für möglich gehalten, sich direkt in der Höhle des Löwen vor diesem in Sicherheit zu bringen. Schleunigst schloß er auf und tapple sich im Finstern nach der Richtung, wo die Tür der Wohnstube sein mußte. Mit einem Male ward ihm aber eine recht unangenehme Ueberraschung. Mit den Worten: „Was, du Lump? Du kimmst scho wieder mit so an Mordsrausch hoam, daß d' nicht amal die Stubentür findst?" sprang die schwarze Kathl aus einer Nische auf ihu zu und hieb ihn mit einem Besenstiel so wuchtig über den Kopf, daß er beinahe zusammenbrach. Er hatte den Loisl noch immer für einen Junggesellen ge halten und keine Ahnung davon gehabt, daß er sich an ein zartes Wesen gekettet. Vor Ueberraschung war er zu keiner Gegenwehr fähig. Die „Giftnudel" hielt diese Wehrlosigkeit für Schwäche, ergriff ihn beim Kragen, stieß ihn zur Ltubentür hinein und von dort in das eheliche Schlafgemach. „So", sagte sie. „Da drinna bleibst mir, du versoffener Lump; acht Tag Hausarrest hast', bei Wasser und Brot! I werd dös ban Oberaufseher schon ausmachen!" Hierauf drehte sie den Schlüssel um und-der Klamperer Xaverl saß im Allerheiligsten seines racheschnaubendeu Todfeindes gefangen. So etwas Hütte er nicht für möglich gehalten, er war vom Regen in die Traufe gekommen. Die schwarze Kathl aber legte sich höchst zufrieden über ihre pädagogische Methode auf die Ofenbank und mar gar bald eingeschlafen; sie war ein Weib, das das Wort Ner ven nur dem Namen nach kannte. Sie sollte nach zwei Stunden aber durch ein recht sonderbares Ereignis aus ihrem Schlummer erweckt werden. Irgend jemand häm merte ungestüm an das Fenster. „Na, wer is denn da?" rief die schwarze Kathl auf springend und eine kleine Lucke öffnend. ,Mer soll's denn sein?" brummte draußen eine Stimme. „I bins, dein Mo!" „Heilige Maria!" schrie die schwarze Kathl entsetzt. „Loisl, du bist's"? „Ja, warum denn nit" „Weil du vorhin besoffen hoam kommo bist und i di rumghaut hab wia an Mehlsack!" „Mi?" „Ja di! Du bist ja drinna in -er Kammer und konnst vor Rausch nimmer steh'n!" „Hcrrgottsakra, bin i vrouckt, oder bist du's?" mur melte der Grenzerloisl. „I ko vor Rausch nimmer steh'n und i bin in der Kammer drinna cingesperrt! Weib i sag dir, mach auf, i muaß mi anschaug'n!" Seine Stimme wurde drohend, er fühlte so etwas wie Eifersucht. Ein Betrunkener als seine Person in der Schlafkammer; er glaubte zu träumen. Unterdessen hatte die schwarze Kathl die Tür geöffnet. „I will mi anschaug'n!" schrie ihr der in seinen Rechten sich gekränkt glaubende Gatte entgegen. „Weib i sag dir, i derschiaß di, und den Falloten aa, wenn i hinterganga werd." „I di hintergehn?" sagte die schwarze Kathl verwun dert. Die Eifersucht ihres Gatten kam ihr so über raschend, daß sie mit einem Male Respekt und Liebe für ihn zu empfinden alaubte. „Jawohl, i halt dir's nit zugetraut in deine alten Täg", schrie der Loisl aufs neue, dann stürzte er auf die Kammer tür und öffnete, um seinem Rivalen gegenüberzulreten. Der war aber nirgends zu finden. Statt seiner lagen Loisls Mantel und Mütze auf dem Bette, der verkannte Ehemann aber war durchs Fenster verschwunden. Der Grenzer starrte mit weitaufgerissenen Augen bald auf seine wiedcrerlangten Kleider, bald auf die zarte Gat tin, dann aber ergriff er sie mit beiden Händen an den Armen und schüttelte sie, wie etwa einen jungen Pflaumen baum. „So, uu woaß i aa, warum i -en Schmuggler nit kriag!" brüllte er. „Weil du mit die Schmuggler unter aaner Decken steckst. Aber nu bist gliafcrt. Anzoag'n tua i di ban Gericht, ins Zuchthaus muaßt." Die schwarze Kathl war über diese Wendung der Dinge so bestürzt, daß sie jetzt jammernd ihrem Gatten zu Füßen sank. „Loisl", bat sie, „tua dös nit, i bin nnschuldig. Hab a Einsehgn, du sollst es aa von iatzt an so guat hab'n, wia a Engel im Himmel." Durch daS Gehirn des Loisl, der jetzt -en Znsammcn- hang zu ahnen begann, schoß mit einem Male ein prak tischer Gedanke. Er versuchte die für ihn günstige Situation auszubcuten. „So, is dös wahr?" ries er zweifelnd. „Ja, i schwör's dir!" versicherte die Geängstigte. So bald i di nochmals hau, kannst mi anzoag'n." „Guat", sagt er, „i will noch a mal Gnad für Recht ergeh'n lass'», aber dös sag i dir, i mach Ernst, wcuust wieder die Bißgnrn aussa zoagst." Der Grenzerloisl hatte cs nicht nötig, Ernst zu machen. Von jener Stunde an war die schwarze Kathl zum grenzen losen Erstaunen aller Leute wie umgcwandclt. Wie aber das gekommen war, hat der Grenzerloisl niemanden ver raten. Der Klampcrer Xaver! aber ist nach Amerika ge gangen und hat es verschworen, je wieder den Mantel seiner Todfeinde anzuziehen.
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