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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021016016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902101601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902101601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
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Und doch steht mit dem Wiederbeginn der Unterhaussitzungen die englische Regierung vor einem Wendepunkte. Jahrelang hat die äußere Politik die ganze politische Lage in Eng land beherrscht. Alle Reformgedanken für das Innere mutzten zurücktreten, so lange das Schicksal Südafrikas nicht entschieden war und so lange noch die Kugeln der Boeren in den Rethen der Tommies blutig aufräumten. Heute ist das Bild ein anderes. Zwar sind die Dinge am Kap auch jetzt noch weit vom wirklichen Frieden entfernt, aber sie bedrohen nicht mehr das Dasein des „Kaiser reichs". Ein neuer Ministerpräsident steht an der Spitze -er Staatsgeschäfte und alle Welt ist neugierig, wie Herr Balfour die Zügel der inneren Politik lenken wird. So weit man heute in Loirdon überhallpt noch Zeit zu anderen Dingen hat, als auf Deutschland zu schimpfen, wird in Klubs un'd Bars um das wahrscheinliche Los des Unterrichtsgesetzes gestritten. Unglücklicher als mit diesem Schulreformgcfetze konnte sich der neue Mann überhaupt nicht einführen. Zwar hat er den Gesetzentwurf von seinem Bvrgünger übernommen und soll selbst keineswegs ein leidenschaftlicher Anhänger -er vorgcschlagenen neuen Bestimmungen sein. Die Mitz- siimwung über diese letzte Schöpfung Salisburys greift aber weit in die Reihen der Unionisten über und selbst auf -er entschiedenen Rechten hält man die Reformen für recht bedenklich. Der Widerstand ist so stark, daß man die Nach richt verbreiten und glauben konnte, Balfour werde das ganze unselige Gesetz einfach fallen lassen. Das will der Herr Premier aber nicht: er läßt offiziös verkünden, -atz er den Entwurf im Unterhaufe vertreten werde. Zu kleinen Aenderungen im einzelnen erklärt sich der große Staatsmann indes bereit. Es ist aber zu bezweifeln, -atz diese einzelnen Zugeständnisse die aufgeregte Masse der Nonkonformisten, Kalvi nisten, Radikalen und wie die Gegner der Staats kirche sonst heißen, befriedigen werden. Es schien sogar, als sollte das Heerlager der Feinde des Unterrichtsgesetzes das Sammelbecken werden für alle Gegner der Regierung überhaupt. Der leitende Grundgedanke des Gesetzes ist bekanntlich -er, daß die verschiedenen Religionsbekenntnisse die Er laubnis erhalten. Schulen zu halten, in denen die Kinder nach den betreffenden .Kirchendogmen unterrichtet und er zogen werden. Ans diesem Grundprinzip leitet sich dann der Gedanke her, daß neben den Staatsfchnlen auch die freiwilligen „Sektcn"-Schnlen staatliche Zuschüsse erhalten. DaS klingt sehr verständig, aber die Sache hat ihre Be denken. In vielen Gegenden ist überhaupt nur eine Schule vorhanden, und zwar eine staatskirchlichc. Die übrigen Bekenntnisse sind nicht zahlreich genug vertreten, um aus eigenen Mitteln eigene Schulen unterhalten zn können. Der Staat, das heißt die staatskirchlich gesinnte Regierung, hält selbstverständlich in diesen Fällen die Gründung einer neuen Schule für überflüssig. Unter sol chen Umständen sind dann die Nonkonformisten gezwungen, ihre Kinder nach dem Katechismus der Staatskirchc unter weisen zu lassen. Natürlich lassen sich auch Fälle denken, in denen die Staatskirchler in dieselbe benachteiligte Lage kommen wie hier die Nonkonformisten. Doch sind in der Tat die Anhänger der Hochkirchc bester daran; daher der unversöhnliche Haß aller Radikalen, der politischen Puri taner, gegen das Schulgesetz. Balfour sicht sich hier vor einer Schwierigkeit, die kaum zu überwinden ist. Ver wickelter noch wird die Lage dadurch, daß durch das neue Unterrichtsgcsetz auch die K a t h v l i k e n in einer für eng lische Verhältnisse unerhörten Weise bevorzugt wer den. Es ist zu bezweifeln, daß der Widerstand gegen die so unvolkstümliche Vorlage aufhören wird, wenn neue stia- rantien für die Nonkonformisten in der Richtung geschaffen werden, daß die LtaatsauSgaben für Schulwesen unter keinen Umständen dazu verwandt westden sollen, oer Hochkirchc oder gar den Papisten gegen die Diffenters zu helfen. Die Liberalen hoffen, daß der Widerstand gegen das Unterrichtsgcsetz den alten LieblingSgcdanken verwirklichen werde: die Einigung aller Whigs in dem Widerstande gegen die RcgierungSpolitik. Diese Politik muß aber jetzt schon als verfehlt angesehen werden. In den letzten Tagen haben die verschiedenen Führer der Linken in Versamm lungen Stellung genommen zur Dagesfrage, aber eine Einigkeit ist nicht erzielt. Herr Asquith und Sir Henry Fowler malten die Lage rosenrot. Sie sahen infolge der Wahlsiege in Leeds und SevenoakS bereits das Zeit alter -er liberalen Herrschaft wieder beginnen. Herr Lawson, der bekannte Führer der radikalen Linken, hat die Herren aber ans diesem holden Traume mit rauhen Worten geweckt. Er will von keinen Verträgen und Ab- machungen mit den Abtrünnigen, den liberalen Apostaten, den univnistischen nnd liberalen Imperialisten, etwas wissen. Krieg bis aufs Mester gegen alle, die auch nur ein gutes Wort für das gegenwärtige Ministerium ge habt haben. Auch die Iren, die Todfeinde des Kabinetts, sind in einiger Verlegenheit, was sie tun sollen; der Haß gegen England und seine Regierung und ihre fanatische Treue gegen die katholische Kirche kämpfen einen absonder lichen Kampf. Das kirchenfrenndliche Schulgesetz macht sie zn Bundesgenossen Balfours, dem sie doch anderseits nie und nimmermehr ihre Stimme geben können. Ebenso wie die Liberalen werden also vielleicht auch die Iren ge trennt in den Kampf ziehen. Und hier liegt die Rettung des Kabinetts. Die Un einigkeit seiner Gegner wird die alte südafrikanische Kriegs mehrheit auch aus den Kämpfen nm das Schulgesetz als Sieger hervorgehen lasten, was von dem Standpunkt evangelischer Gewissensfreiheit sehr zu bedauern ist. Denn die Hochkirchler und ihre römischen Verbündeten werden ihren Sieg wohl ausznnutzen verstehen. Das Kabinett selbst freilich ist noch schwankend; wie es heißt, ist cs aber Balfour gelungen, den an sich ganz unbeteiligten Kolonial minister durch allerhand Zugeständnisse in sein Lager hin überzuziehen. Und wo Ioä Chamberlain ist, da ist heute in England der Erfolg und der Sieg. Deutsches Reich. --- Berlin, 15. Oktober. (Die Voraussetzungs vollen!) Bekanntlich ist die „Voraussetzungslosigkeit" der wissenschaftlichen Forschung im klerikalen Lager Gegenstand deftiger Angriffe gewesen. E« darf hier unerörtert bleiben, aus welchem Wege man dazu gelangte, gegen die „Voraus setzungslosigkeit" in« Feld zu ziehen, und welche dialektische Künste angewandt wurden, um die Verteidiger der „voraus- setznugSlosen" Forschung sozusagen in der eigenen Schlinge zn sangen. Wie wenig aber daS Gegenteil der „BorauS- letzungslosigkit" unter Umständen selbst von katholischer Seite gebilligt wird, dafür enthält das neueste Hest der „Literarischen Rundschau für daS katholische Deutschland" einen bemerkenswerten Fingerzeig. In dem genannten kritischen Organ wird nämlich die Schrift „St. Bonaventura und daS Papsttum" deö Kapuziners Thomas Villanova von August Nagle-München recht ungünstig be sprochen. Pater Villanova hat sich die Ausgabe gestellt, die Lehre de« heiligen Bonaventura über das Papsttum einer eingehenden monographischen Darlegung zu unterziehen, und will bei dieser Gelegenheit derLoS von Rom-Bewegung in Oester reich auch durch „positive Arbeit" auf wissenschaftlichem Boden eutgegentreten. Villanova« Kritiker verspricht sich aber von der lobenswerten Absicht keine große Wirkung. Denn er hat bei der Lektüre den Eindruck gewonnen, als ob der Studie des Kapuziners mehr em kontemplativer als ein spezifisch wissenschaftlicher Charakter ausgeprägt werden sollte. Nach dem Nagle erwähnt hat, daß Villanova von einer selbstän digen wissenschaftlichen Verarbeitung de« Stoffes „völlig ab gesehen", fährt er fort: „Sodann zeigt eS wohl zu sehr das strikte Gegenteil der sogenannten Voraussetzungslosigkeit, wenn der Verfasser in der Einleitung von sich selbst behauptet, da« erzielte Resulat sei für ihn von vornherein gewiß gewesen, da sonst dem heiligen Bonaventura >m Vesperhymnus des Ordensbreviers nicht zu gerufen werden könnte: Durch dich triumphiert die Wahrheit!" — DaS ist allerdings so „kontemplativ" gedacht, daß der Widerspruch des Mitarbeiters der „Litera rischen Rundschau für daS katholische Deutschland" förmlich berauSgesordert erscheint. Begreiflicherweise kleidet sich dieser Widerspruch in eine recht zurückhaltende Form. Der Stand» punkt des KapuzinerpaierS Villanova in seiner „dogmatischen Studie" hätte wegen seiner völlig unwissenschaftlichen Be schaffenheit eine viel schärfere Zurückweisung verdient. Man fühlt sich angesichts dieser „Studie" an die Resolution er innert, welche der nationalliberale Delegiertentag soeben geaen die Zulassung von Männerklöstern in Baven gefaßt bat. Da wird u. a. gesagt, daß aus der Zulassung von Männerorden der Kultur Gefahren drohen. Der WistenschaflSbetiieb des KapuzinerpaierS Villanova läßt anschaulich erkennen, wie be rechtigt die Besorgnisse des nationalliberalen Delcgiertentagcs sind. Wenn schon von katholischer Seite gegen ein solches „striktes Gegenteil der VorauSsetzungSlosigk-'it" Verwahrung eingelegt wird, dann ist es unbestreitbar, daß ein starkes Stück eines Voraussetzungsvollen geleistet worden ist. Im Grunde genommen ist cs freilich haupt sächlich daS naive Bekenntnis zum Gegenteil der Vor aussetzungslosigkeit, das in der „Literarischen Rundschau für das katholische Deutschland" beanstandet wurde. Hat man doch soeben auf der Generalversammlung der GörreS-Gesell- schaft den Kardinal-Fürstbischof Or. Kopp die Ge bundenheit des katholischen Gelehrten durch die Lehrautoritäl der Kirche einschärfen hören. Der Kapuzinerpater Villanova durfte in seiner Studie nicht zu einem Ergebnis kommen, das in unvereinbarem Gegensätze zum Vesperhymnus deS OrdenS- breviers stand. Ware es aber geschehen, dann würde er — mit dem Kardinal-Fürstbischof I)r. Kopp zu sprechen — an der sanften Hand der Kirche zur Wahrheit zurückgcsührt worden sein. Vor solchen Promenaden ist Pater Villanova durch seinen kontemplativen WissenschastSbetrieb gesichert! -r- Berlin, 15. Oktober. (Fleischten er ung und Boykott.) Der Boykott hat längst aufgehört, lediglich eine sozialdemokratische Waffe zu sein: wie die Polen den Boykott als nationales Kampfmittel seil Jahren verwenden, so gibt eS auch im Bunde der Landwirte „Matadore der Maß losigkeit", wie jüngst Herr vr. von Frege sich ausdrückte, die gar zu gern den Boykott beim Ausfechten wirtschaftspolitischer Gegensätze anwenden möchten. In Sachsen und anderwärts weiß man davon zu erzählen. Neu ist unseres Wissens aber, daß auch die Fleischteuerung als Anlaß für agrarische Boykottierungsversuche verwertet wild. Die katholischen Agrarier am Rhein dürfen sich rühmen, in dieser Beziehung den Ton anzugeben. Die agrarisch-katho lische „Rheinische VolkSstimme" beantwortet nämlich den Be schluß der Kölner Stadtverordnetenversammlung zu Gunsten einer Oeffnung der Grenzen mit der Veröffentlichung eines Artikels, an dessen Schluß es wörtlich heißt: „Bekanntlich haben die Landwirte jahrelang mit Verlust gemästet und durch die eingeschleppten Seuchen überaus schweren Schaden er litten. Jetzt aber, wo der Schaden in etwas eingcbrachl werden könnte, machen die Herren Kölner alle Anstrengungen, das zu Hintertreiben. Nun meine ich: Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden! Suche» die Kölner die Ein nahmen der Bauern zu Hintertreiben, da wären wir doch mehr als gutmütig, wenn wir den Kölnern unser Geld hin trügen. Darum muß jetzt die Parole lauten für die rheinischen Bauern: Kauft nichts in Köln." — Dieser Boykott versuch ist aller Voraussicht nach ein Schlag ins Wasser. Aber bezeichnend ist er deshalb doch, sowohl im allgemeinen, wie darum, weil er gegen die Zentrumsmitglieder in der Kölner Stadtverordnetenversammlung in erster Linie ge richtet ist. Mit besonder»» Nachdruck wird nämlich in der „Rheinischen Volksstimme" hervoigehoben, daß der „Führer der ZcntrumSpartei im Kölner Stadtverorvuetenkollegium, der bekannte Reichs- und Landtagöabgeordncte und Präsident deS katholischen BolkSvereinS" Herr Trimborn, ausführlich für die Oeffnung der Grenze gesprochen hat. Daß in der Zolllarijkommifsion das Zentrum so eifrig für die Erhöhung der Viebzölle und für die Festsetzung von Minimalsätzen bei den Viehzöllen eintrat, scheint also von den rheinischen Agrariern durchaus nicht gemäß den Zentrumswünschen ge würdigt worden zu sein. * Berlin, 15. Oktober. Ueber die Stellung der Boerengenerale in der Audienzfrage giebt nun der Sekretär deS BoerenhüifSbundes, Pastor Scho- wal ter, dessen Brief an den Staatssekretär v. Richtbosen in der „Nordd. Allg. Ztg." als nicht genügend legitimiert er wähnt wurde, in den „Münch. N. N." eine Darstellung, die zwar auch die Geschehnisse und ihre Beweggründe nicht völlig klärt, aber wenigstens in Einzelheiten und in der ange führten Episode Schowalter richtig stellt. In der Erklärung heißt e«: Ich hatte im Auftrage sowohl des „Deutschen BoerenhüifSbundes", sowie des später gegründeten allgemeinen „Empfangscomitvs für die Boerengenerale in Berlin" alle Einzelheiten deS Besuches in Berlin zu besprechen und stand schon dadurch naturgemäß wochenlang in engerem Verkehr mit den Generalen als irgend ein anderer Deutscher. Erst alS Frhr. v. Richthosen in der „Nordd. Allg. Ztg." milteilen ließ, Laß durch die Sinnesänderung der Boeren dir ganze Sache in dem Sinne -.erledigt" sei, daß kein Empfang stattfinden werde, brachte ich gelegentlich eines Abendbejuches bei De Wet am 10. Oktober die Sache zur Sprache, teilte ihm mit, daß das Berliner Empfangs- comitö sehr bestürzt sei über seine „Sinnesänderung", und daß ich deshalb um eine rückhaltlose Erklärung bäte. Ich sah bald, daß sich die Generale und die Vermittler des kaijerlichenWunsches gründlich mißverstanden haben mußten — wahrscheinlich infolge von zu viel „Diplomatie". De Wet erklärte wörtlich — wir waren nicht allein —: „Glauben Sie doch nicht, daß ich so etwas tue. Ich würde es a!S eine Beleidigung des Deutschen Kaisers ansehen, wenn ich auf seinen Wunsch nicht einginge. Und warum sollten wir uns der Vermittlung des englischen Gesandten nicht bedienen ? Wir sind doch einmal englische Untertanen! Aber, wir haben keine Gewißheit, daß der Kaiser uns «mvsangen will." Er führte weiter auS: Es ser rhneu bisher auf direkte Anfragen an den Vermittler nun die Antwort zu teil geworden, daß der Kaiser sie „vielleicht" em pfangen werde; der Vermittler „vermute", daß so etwas geschehen solle. Ohne diese Gewißheit könnten die Generale aber keinen Schritt tun, denn wenn sie zum englischen Botschafter kämen mit der Bitte, ihnen eine» Empfang zu vermitteln, hätten sie unter Um ständen mit einem Refus von der einen oder anderen Seite zu rechnen. Anders sei es, wenn sie dem Botschafter sagen könnten: „Ter Deutsche Kaiser will uns empfangen, bitte, vermitteln Sie Len Empfang." „Andrerseits", fuhr De Wet fort, „wer sind wir? Wir bekleiden keinerlei Amt. Müßte eS nicht wie eine Herandrängerei auSsehen, wenn wir um eine Audienz bäten? Wir haben ja keinerlei An wartschaft auf eine solche Ehre. Und zudem: müßte nicht der englische Botschafter, wenn wir ihn erst bäten, zu versuchen, ob wir eine Audienz bekommen können, nicht denken, wir hätten politische Absichten und wollten bei Fürsten Anknüpfungen suchen ?" Kurz, der Hauptpunkt auf Seile der Generale war der, Laß sie der Ueberzcugung waren, keinerlei Gewißheit zu be sitzen. ob sie empfangen würden. „Wenn auch unser Herz noch so sehr brennt, Leu Deutschen Kaiser zu sehen, unS sind die Hände gebunden," sagte De Wet. Ausdrücklich fügte er hinzu: „Wir waren und sind jederzeit bereit, die vorschriftsmäßigen Schritte zu tun, um den Empfang zu ermöglichen, aber man muß unS Lazu eine» Weg geben". Woran die Schwierigkeit auf Seite der Generale lag, ist also gewiß leicht eiuzuseben. Dem Vermittler gegenüber erklärte De Wet, sich ebenso ausgesprochen zu haben. De Wer blieb dabei, sie hätten keine Gewißheit. „Wir verlangen gar nicht, daß uns diese Gewißheit amtlich oder feierlich wird; wenn wir sie nur bekommen", schloß er. Was nun thun? Wenn die Mitteilung in der „Nordd. Allg. Ztg." vom Wunsche des Kaisers offiziell war, so war auch der Schlußsatz offiziell, daß die Sache nun „erledigt" sei. Feuilleton. Die Schlacht bei Wachau am 16. Oktober 1813. Ich habe hier namentlich zu Grunde gelegt die Erinne rungen zweier Generale, des Generals Marcelin de Mar- botl) und des Generals Ehr. Thoumas. Ersterer komman dierte bei Wachau ein Regiment Okassvurs » olrev»! und letzterer nennt sich Ovuenil <lv ckivision eu rotraitv. Stellung der französischen Armee am 16 Oktober aus der Südseite von Leipzig: Der rechte Flügel des französischen Heeres unter Befehl -cs Königs von Neapel, Fcldmarschall Joachim Murat. Er lchute sich bei den Dörfern Eonnewitz, Dölitz und Mark kleeberg, welche Dörfer Fürst Poniatowski mit den Polen besetzt hielt, an die Pleiße. Links schlossen sich die Korps des Marschalls Victor, Herzog von Bcllnnv, bet Wachau und des Marschalls Angereau bei Dösen au. Die Flanken deckte die Kavallerie der Generale Kellerman» und Michaud. Das Zentrum bei Licbcrtwolkwitz befehligte der Kaiser selbst. Es bestand ans den Korps Lauriston und Macdonald nnd der Kavallerie des EKnerals Latour Mau- bonrg nnd der des Marschalls Scbastiani. Die Reserve bestand aus der jungen und alten Elarde nnd der Kavallerie des Generals Nansvuty bei Probstheida. Während der Nacht vom 15. zum 16. Oktober zog Marschall Macdonald alle Truvpcn, die am Kvlmbergc standen, nach Licbcrt. wvlkwitz zurück. Am l». Oktober l>t:t srüh gegen k Uhr erscholl aus den Batterien der Verbündeten das Zeichen zum Angriff. Es entspann sich auf beiden Seiten eine lebhafte Kanonade und die Verbündeten rückten auf allen Punkten gegen den Feind vor. Der Kampf entwickelte sich zuerst auf dem französischen rechten Flügel, wo den Polen Markkleeberg entrissen wurde. Die Rusten griffen mit den Oestcrreichcrn sechsmal Wachau und Liebertwolkwiy an, wurden aber stets abgeschlagen und erlitten große Verluste. Vom Kvlm- bcrgc aus wurde das Korps Macdonald mit einem Hagel von Geschossen überschüttet und erlitt große Verluste. Der Kaiser befahl deshalb besten Wicdernahme. Die 22. leichte Infanteriebrigade und ein Regiment L chiovul führten dies aus. Der Kaiser entschied sich nun zur Offen sive überzugchen und beschloß, das feindliche Zentrum zu durchbrechen oder wenigstens durch Kavallertemasscn aus- zuhalien, nm seine Truppen zusammenztehen zu können. Deshalb dirigierte er das Korps Morticr und die junge Garde unter Oudinot auf Wachau, wo der Feind schon ein gedrungen war und erbittert gekämpft wurde. Durch den Mastenangriff, unterstützt von 60 Kanonen, wurde Wachau vou den Franzosen wieder genommen. Marschall Victor, der bis jetzt untätig dagestanden hatte, griff nun auch kräftig mit ein. Er stürzte sich auf das Korps deS Prinzen Eugen von Württemberg, welches meistenteils aus Russen bestand und trieb cs zurück bis nach Güldengossa, wo es sich wieder sammelte. Zu derselben Zeit brachen nnn auch Lanriston und Macdonald aus Libcrtwolkwiy hervor und trieben den ihnen gegenüberstchendcn Feind bis nach Großprösna zurück und nahmen daselbst das Gehölz. General Maison wurde hierbei verwundet. Vergeblich versuchte der General Klenau mit der österreichischen Ka- vallerie nnd einem Kosakenpnlk das Gleichgewicht des Kampfes wieder herzustellen, er wurde stets vom Korps des Generals Scbastiani zurückgeworfcn. Fürst Schwarzenberg ließ nun die Reserven Vorgehen, was Na- poleon bestimmte, einen Mastenangrisf der Kavallerie der Generale Kellermann und Vatonr Maubourg zu befehlen. Es war gegen 8 Uhr, als Napoleon sah, daß die Ver bündeten auf allen Seiten wichen. Da beschloß er, durch einen gewaltigen Stoß der Kavallerie der Schlacht ein Ende zu machen. Zwei Truppenmasscu wurden links und rechts der Stellung bei Wachau, also iu der Mitte gebildet. Auf der rechten Leite erdrückt zunächst der General LctorS mit dem vierten Korps und einem Teil des fünften und den Dragonern der Garde die russischen Kürassiere, aber von der Reserve der österreichischen Kavallerie in der Flanke gefaßt, wird er gezwungen, znrückzugchcn. Er greift nochmals an und setzt den Kampf bis zum Abend fort, mit wechselndem Erfolg. Auf dem linken Flügel braust nun Murat hervor mit den vier Divisionen von Latour Maubourg und einer Division der Dragoner vou Spanien, die von Pajal geführt wurde. Dieser siel schwer verwundet vom Pferde und wurde durch Michaut ersetzt. Murat trifft zuerst auf die Kavallerie von Pahlcn, die er über den Haufen wirst und aus einander jagt. Tie Divi sion von Bordesoulle, aus den 2., 3., 6„ 9., 11. und l2. Kü rassieren und den sächsischen Gar-ckürasstcrcn <jetziges (Varderciterrcgtmcnt, das sächsische Kürastierregiment von Zastrow war anderweit verwendet), zusammengesetzt, wirft sich auf die verbündete Infanterie, durchreitet sie und nimmt 26 Kanonen; das sächsische Kürassierregiment nimmt eine andere Batterie. Nichts kann dieser herandonnerndeu Lawine widerstehen. Die Brigade Bessicres, Bruder des Marschalls, 9., 11. und 12. Kürastierregiment zwingt die leichte Reiterei der russischen kaiserlichen Garde in Un ordnung znrückzugehen und gelangt bis auf ca. :iOO Meter an die Höhe heran, auf welcher der Kaiser Alexander steht, aber das Gelände i st nicht erkundet. Die fran zösischen Kürassiere, durch Sümpfe nnd Buschwerk und Bäume ausgehaltcn, müssen Halt machen und ungedeckt ein äußerst heftiges Feuer anshaltcn. Kaiser Alexander wirst ihnen das Gardekvsakenrcgiment, welches zu seiner Be deckung dient, und zwei reitende Batterien entgegen; au dasselbe schlossen sich die Division leichte Reiterei und ein Teil der Kavallerie PahlenS an; die französischen Kü rassiere, in der Flanke gefaßt, wurden zum Rückzug ge zwungen nnd mußten zwanzig von den eroberten Kanonen zurücklassen. Der tzkncral Latour Maubourg fällt. Eine Kanonenkugel reißt ihm den Fuß weg. Tas Vordringen der Kavallerie der Verbündeten seinerseits wieder wurde von der großen Batterie aufgehalten, welche Drvnvt aus der Gardeartillerie gebildet und die ans 80 zwölfpfündigcn Kanonen bestand, die dieBcwegnng derFranzosen gegen die Mitte -er Verbündeten unterstützte. Der Sieg war nnn durch die große Anstrengung der Kavallerie nicht ent schieden und ans keiner Seite ein Vorteil errungen. Da nun aber Napoleon den Sieg durchaus entscheiden wollte, so ließ er seine alte Garde zn Fnst und zu Pferde und ein von Leipzig inzwischen herangezogencs Korps frischer Truppe» vvrrückcn, als plötzlich ein feindliches Kavallerie regiment, das sich in den Rücken der Franzosen geschlichen oder verirrt hatte, eine große Verwirrung hervorricf. Die vorwärts marfchicrcndcn Truppen blieben halten und for mierten Earrös, und ehe man den wahren Stand der Dinge erforscht hatte, brach die Nacht herein und machte dem Kampfe ein Ende. So endete das große Kavallcricgcfccht bei Wachau. Marie Victor de Fay, Marquis de La- t v u r M a n b v u r g war am 11. Februar 1756 geboren. Er rettete bei einer Gelegenheit 17^9 am 6. Oktober das Leben der Königin Marie Antoinette. Er machte unter Lasauctie und nnter Napoleon alle Feldzüge mit. Sein Fuß wurde wieder geheilt. Er wurde zum Pair ernannt und mm Marquis erhoben, dann Gin Kriegsminister nnd 1>22 Gouverneur der Invaliden. Er starb G'>n ans seinem Landgute bei Melun. Er war ein sehr verdicirslvollcr Kavalleriegcnerai. F. W. Wciuschenk, Liebertwolkwiy.
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