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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030921022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-21
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6556 von dkl Krone schon mit dem „Kaiserlichen Jahre 1861 feierlich zugesagt wurde, zu Su» »apUel „ParttSt" in Oesterreich. Die österreichische Schulgesetzgebung fußt auf dem Grund sätze, daß alle aus den Mitteln des Staates, eines Landes »der einer politischen Gemeinde unterhaltenen Schulen als „interkonfessionell" zu gelten haben. Diese fteiheitliche Schulgesetzgebung erschien als eine notwendige Folge der im Mai 1868 gegebenen „interkonfessionellen" Gesetze, welche den schon früher in den Staatsgruud- aesetzen und kaiserlichen Entschließungen ausgesprochenen Grundsatz „der Gleichberechtigung aller anerkannten Konfessionen nach sämtlichen Dichtungen des bürgerlichen und politische Lebens" zur vollen Geltung bringen sollten. Papst Pius IX. bat bekanntlich diese Gesetze und alle, welche zu deren Zustandekommen mitwirklen — mithin auch den sanktionierenden Kaisers!) —, verdammt, und die österreichischen Regierungen sind, anstatt solchen Anmaßungen der römischen Kurie mit beharr licher Energie zu begegnen, vor dieser mehr und mehr zurückgewichen. Ministerial Erlasse und besonders die Taaffsche „Novelle zum Schulgesetz" vom Jahre 1883 haben dem öffentlichen Unterrichtswesen ein römisch-konfessionelles Ge präge gegeben. Dies kommt besonders bezüglich der jüngst an das österreichische Kultus- und Unterrichtsministerium gestellten Forderung der Freigabe des Reformationsfesttages als Ferialtag zum Ausdruck. Während alle nichlrömisch-katho- lischen Schüler (deren Religionsunterricht meist außerhalb der ordentlichen Unterrichtszeit erfolgen muß! bemüßigt sind, di« ungezählten Marien- und Heiligen-Feiertage, sowie alle jene Tage, an welchen wegen geistlicher „Exerzitien" oder Kommuniongang der römischen Katholiken der Unter richt entfällt, mitzuferern, verweigert der Unlerrichtsminister, Ritter von Härtel, die Freigabe des einen evangelischen Feier tages mit der eigentümlichen Begründung, daß hierdurch das Lehrziel nicht erreicht werden könne (!), und weiter durch daS Stattgeben des Reformations ¬ tages als Ferialtag die katholische Bevölkerung pro voziert würde. Es stebt wohl den evangelischen Schülern frei, an diesem Tage dem Unterrichte fernzubleiben, im Fort gang des Unterrichts aber wird hierauf keine Rücksicht genommen. Diele einseitig-konfessionelleAuSlassung des Unlerrichtsministers, welcher mit Recht die offizielle Teilnahme sämtlicher Staats behörden, der Schulen und des Militärs an Papstfeiern, Fronleichnamprozessionen und sonstigen römischen Kirchensesten entgegengehalten wird, hat eine lies gebende Entrüstung hervorgerufen und zu Kundgebungen Anlaß geboten. So hat die deutschvölkische Arbeiterschaft jüngst zu Kürbitz (Deutsch- Böhmen) in einer Entschließung dem Unlerrichtsminister über sein „gänzlich ungerechtes Borgehen" die schärfste Mißbilligung ausgesprochen und angesichts des „römisch-klerikalen Geistes, welcher bas Unterrichtsministerium beseelt", den „Kaiserlich königlichen evangelischen -Oberkirchenrat" aufgefordert, mit allen Mitteln für die Rechte der evangelischen Kirche ein zutreten. Daß dieser Appell an die oberste evangelische Kirchenbehörde Oesterreichs Gehör findet, darf leider bezweifelt werden. Nach wie vor scheint sich der Oberkirchenrat, dessen Haltung schon auf der letzten (7F General-Synode im Jahre 1901 Gegenstand ernster Eröterungen war, als eine „k. k. Staatsbehörde" zu fühlen. Umsomehr aber ist, da die Feier des Reformationsfestcs überdies einen Beschluß der Synode bildet, der Synodal-Ausschuß, als verfassungsmäßiges Organ der evangelischen Gesamt kirche Oesterreichs, berufen, sich der Angelegenheit anzuneh men. ES ist an der Zeit, daß dem Träger der Krone selbst die Rechtlosigkeit der evangelischen Kirche gegenüber der Willkür der Staatsbehörden vor Augen geführt und dabei auch die endliche Beseitigung mannigfacher, dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz zuwiberlaufender Gesetzes härten, welche Patent" vom Hegehren. Deutsches Reich. H- Berlin, 20. September. Der Entwurf zum Reichshaushaltset at für 1904 wird, wie schon vor einiger Zeit berichtet, bei verschiedenen Ausgabeposten, wie Reichszuschuß zur Invalidenversicherung, Verzinsung der Reichsschuld usw., Erhöhungen aufweisen. In dem Umfange, den diese sämtlichen Ausgabesteigerungen auf weisen, verschlechtert sich der nächste Etat. Eine kleine Besserung wird er insofern aufweisen, als die Position für Fehlbeträge aus früheren Jahren unter die Ausgaben nicht in der Höhe des Borjahres eingesetzt zu werden braucht. Wenn auch der Fehlbetrag, der nach dem Final abschluffe der Reichshauptkasse dem Reiche für 1902 ver blieben ist, sich auf 30,7 Millionen Mark beläuft und dem gemäß recht beträchtlich ist, so ist er immer noch nicht so hoch, wie der für 1901, der nicht weniger als 48,3 Millionen Mark betrug. Ebenso wie die Ueberschüsse werden auch die Fehlbeträge der einzelnen Finanzjahre in die Etats der übernächsten Jahre eingestellt. Die Zeit der Ueberschüsse ist leider schon seit mehreren Jahren vorüber. In den Etat für 1901 konnten noch 32,6 Millionen Mark als Ueber. schuß aus dem Jahre 1899 eingestellt werden. Von da ab verschwand diese Position aus den Einnahmen des Etat» und statt ihrer wurden wieder die Ausgabepositionen der Fehlbeträge aufgeführt. Der in den Etat für 1902 einzu stellende Fehlbetrag machte noch keine sehr erhebliche Summe aus, er belief sich auf 1,8 Millionen Mark, im Etat für 1903 aber hatte er die Höhe von 48,3 Millionen Mark erreicht, um welchen Betrag der Abschluß der Neichshaupt- kaffe für 1901 hinter der Etatsbalance zurückgeblieben war. Der in den Etat für 1904 einzustellende Fehlbetrag wird sich nun etwas ermäßigen, er wird 30,7 Millionen Mark, also um 17,6 Millionen weniger betragen. Um diese Summe verbessert sich der Etatsanschlag für 1904 gegen über dem für 1903, oder vielmehr um diese Summe ver schlechtert er sich weniger. Wenn man den Etat für 1904 bezüglich der Wirkung der Ergebnisse früherer Jahre mit dem von 1899 vergleicht, so findet man, daß er gegen den letzteren eine Verschlechterung um nicht weniger als 63,3 Millionen Mark erfährt. An dieser Summe kann man am besten den finanziellen Unter schied zwischen Gegenwart und Vergangenheit erkennen. H Berlin, 20. September. (Vereinfachung der Arbeiterversicherung.) Zu den Gründen, welch« mit Recht für die Vereinfachung der Arbeiterversicherung geltend gemacht werden, gehört, daß die Vielgestaltigkeit der Organisationsformen nicht bloß in der Dreiteilung der Versicherung, sondern auch in jedem einzelnen Ver sicherungszweige zum Ausdrucke kommt. Die Kranken versicherung zählt sieben verschiedene Kassenarten und über 23 000 Einzelkosten, die Unfallversicherung 65 gewerblich«, 48 landwirtschaftliche Berufsgenostenschaften und über 400 staatliche bezw. kommunale Ausführungsbehörden, die In validenversicherung 31 Versicherungsanstalten und 9 be sondere Kasseneinrichtungen. Den besten Beweis dafür, daß hierdurch einer wirklichen Popularisierung der Ar beiterversicherung das schwerste Hindernis bereitet wird, liefert das stetige Wachstum der „Arbeitersekretariate", „Volksbureaus" und sonstiger, bald von den Arbeitern selbst, bald von gemeinnütziger Seite begründeter Aus kunftsstellen, sowie die stets zunehmende Inanspruchnahme derselben seitens der Versicherten. Diese Auskünfte gehen jährlich schon in die Hundcrttausende, obwohl die Arbeiter- versicherungsgesetzgebuna der Hauptsache nach nun bald zwei Jahrzehnte lang in Kraft ist. Die Erklärung für diese wenig erfreulichen Zustände ergibt sich, wenn man nur einen der dickleibigen, an die 1000 Druckseiten zählenden Kommentare zur Hand nimmt, die lediglich ein einzelnes der drei Versichcrungsgesetze zu erläutern bestimmt sind, oder wenn man die vielen Bände von Entscheidungen des Reichsversichcrungsamtes durchblättert, wo die gegen seitige Abgrenzung der verschiedenen Versicherungs sphären oder der sogenannte Wille des Gesetzgebers in vielfach schwankender Judikatur und oft sehr scharfsinniger, aber dem einfachen Arbeiter jedenfalls unverständlicher Weise zu ergründen versucht wird: ein Uebelstanid, der durch die Revision der ursprünglichen Gesetze keineswegs behoben, vielmehr durch die noch komplizierteren Be stimmungen der neuen Gesetze eher verschärft worden ist. Noch schlimmer stellt es auf dem Gebiete der Kranken versicherung, wo der Jnstanzenzug ein derart ver worrener ist, daß selbst «in hervorragender Kenner des Versicherungswesens im In- und Auslande, wie vr. Zacher, Mitglied des Reichsversicherungsamtes, zugibt, es falle auch dem geschulten Beamten oft recht schwer, das Richtige herauszufinden. — Der Kronprinz ist heute abend gegen 10 Uhr nach Heydekrug (Ostpr.) zur Jagd abgereist. — In dem Befinden des Stadtverordneten-BorfteherS vr. Langerhans ist eine Verschlimmerung ein getreten. Der 83 jäkrige Patient leidet an einer sehr schmerz haften Nierenentzündung. — Dir Amsterdamer Jahresversammlung der Inter nationalen Vereinigung für gewerblichen Rechts chutz, welche vom 17. bis 19. September d. I. stattgefunden >at, hat beschlossen, ihren nächsten Kongreß 1904 in Berlin abzubalten und wählte zu ihrem Präsidenten Julius v. Schütz, Direktor in Friedr. Krupp-Grusonwerk, Berlin. — Eine angenehme Ueberraschung haben kürzlich ver- chiedene Po st unterbeamte erfahren, die s. Zt. zum Eintritt in daS Ostasiatische Expeditionskorps oder in die ostasiatische Besatzungsbrigade aus dem Postdienst beurlaubt wurden, inzwischen aber zurückgekehrt und in ihren bisherigen Beruf wieder eingetreten find. Die „Schles. Ztg." berichtet darüber: Da sich die genannten Trupventeile vom Zeitpunkte der Einschiffung nach Ostasien bis zur Rückkehr nach Deutschland im mobilen Zustande befanden, ist den Teilnehmern an der Expedition, soweit sie den Charakter von Reichs- oder Staatsbeamten hatten und freiwillig eingetreten waren, auf Grund der Bestimmungen des Reichs-MilitärgesetzeS für die im Auslande zugebrachte Dienstzeit das Friedensdiensteinkom men fortgewährt worden. Die Beträge sind jetzt auf An ordnung des Reichspostamts an die Angehörigen der Post verwaltung zur Auszahlung gelangt. Verschiedene Landbrief träger und Postboten Haden Summen von 2000 >2 und darüber bezogen und sahen sich somit unverhofft im Besitze eines beträchtlichen SpargroschenS. — Heute abend fand in der Wandelhalle des Reichstags gebäudes die Begrüßungsversammlung für die Teilnehmer an der neunten Tagung des Internationalen Statistischen Instituts statt. Unter den Teilnehmern be fanden sich u. a. der Präsident deS Kaiserlichen Statistischen AmtS Wilbelmi, Minister v. Hammerstein, Staats sekretär v. Richthofen, Schatzsekretär v. Stengel, der Rektor der Universität Berlin Hinke, die Professoren Schmoller, Wagner, Philippowitsch-Wien. — Die in Stromberg am 16. d. MtS. versammelte Synode Kreuznach beschloß einstimmig: „Die Kreissynode Kreuznach richtet an den hohen Bundesrat die dringende Bitte, einem etwaigen Antrag auf Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes vom Jahre 1872 seine Zustimmung zu versagen, weil die Aufhebung der Aufenthaltsbeschrän kung, die der Z 2 enthält, den Regierungen die einzige Hand habe nehmen würde, unter Umstanden gegen eine den kon fessionellen Frieden und die staatliche Wohlfahrt gefährdende Tätigkeit der Jesuiten einzuschreiten." — Die auf dem diesjährigen Anwaltstage zu Straß burg gepflogenen Verhandlungen über die Gründung einer Pensionskasse haben hier und da zu der irrtümlichen Auffassung geführt, daß diese Angelegenheit auf unbestimmte Zeit vertagt worden sei. Demgegenüber wird von zu ständiger Seite der Sachverbalt wie folgt dargelegt: „Die in Danzig gewählte Anwaltskommission hatte einen Ent wurf veröffentlicht, den sie dem Anwaltstage zu Straßburg zur Beschlußfassung vorlegen wollte. Dieser Entwurf hatte eine so leb hafte Diskussion und so zahlreiches neues Material hervorgerufen, daß die Kommission bei dem diesjährigen Anwaltstage durch den Mund ihres Vorsitzenden und Berichterstatters Justizrat Elze zu Halle a. S- Verlängerung ihres Mandats für sechs Mitglieder zwecks Ver arbeitung des neuen Materials beantragte. Gegen diesen Antrag erhoben sich Stimmen, welche den ganzen Gedanken aus der Welt schaffen und den Beschluß des Danziger Anwaltstages auf Begrün- düng einer Pensionskasse aufheben wollten. Obwohl nun die Elsässer Kollegen im allgemeinen gegen die Pensionskasie sind und der Straßburger Anwaltstag naturgemäß am meisten von Elsässern besucht war, sprach sich dennoch eine überwiegende Mehrheit für Beibehaltung des Danziger Beschlusses aus und verlängerte sechs Herren der Kommission das Mandat, uämlich Justizrat Elze- Halle a. S., Justizrat Herr-Leipzig, dem Rechtsanwalt Kolsen- Berlin, Justizrat Eckert-München, Justizrat Freudenstein-Hannover und Rechtsanwalt Behrendt-Danzig. Der Beschluß des diesjährigen Anwaltstages bedeutet also nicht nur keinen Mißerfolg für die Freunde der Pcnsionskasse, sondern im Gegenteil einen Erfolg." — In Sachen der drohenden Aussperrung in der Berliner Metallwarenindustrie wird noch berichtet: Die Vereinigung der Berliner Metallwarenfabrikanten hatte zu Beginn des Ausstandes der Drücker und Gürtler die Parole ausgegeben, alle Forderungen der Ausständigen zu bewilligen. Darauf verlangten die Arbeiter, daß die Zugeständnisse vertraglich mit dem Zentralverbande der Metallarbeiter festgelegt würden. Dies Verlangen fand allgemein heftigen Wider spruch, wobei man daran erinnerte, daß den Vertrauens männern der Metallarbeiter, Cohen und Pawlowitsch, von sozialdemokratischer Seite mehrfach anarchistische Tendenzen vorgcworfen seien. Mit diesen beiden wollte man, so wurde beschlossen, nicht verbandeln. Von einer Aussperrung würden im ganzen 10 000 Arbeiter betroffen werden. — Gegen die streikenden Metallarbeiter hat sich auch der Ge samtverband deutscher Metallindustrieller ge wandt. Er teilt durch Rundschreiben an alle ausgeschlossenen Verbände und Vereinigungen mit, daß infolge des General streiks in Berlin sämtliche von Berlin kommende Metallarbeiter bis auf weiteres für den Bereich des Gesamtverbandes gesperrt sind. Der Beschluß bezieht sich, wie ausdrücklich gesagt ist, nicht auf die Gürtler und Metall drücker, sondern aus alle Arbeiter, die bei Mitgliedern der Vereinigung der Berliner Metallwarenfabriken gearbeitet haben. In dem Rundschreiben wird ein namentliches Ver zeichnis der Gesperrten in Aussicht gestellt und um genaue Prüfung der Papiere der neu einzustellenden Arbeiter ersucht. — Auch die im Schlossereibetriebe beschäftigten Metall arbeiter dürften sich der Bewegung anschließen. — Der Präsident des Königlichen Oberlandeskulturgerichts, Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Riutelen, ist aus West falen zurückgekehrt. * Danzig, 20. September. In der am Montag im General kommando in Anwesenheit des Kaisers abzuhaltenden Kon- erenz sollen Fragen über Landespferdezucht im mili tärischen Sinne beraten werden. Außer den anwesenden Ministern werden an den Beratungen noch der Oberland- tallmeister Graf v Lehndorff und der Inspekteur des Re- montewesenS Generalleutnant v. Damnitz teilnehmen. * Aus der Ostmark. In der am 11. Oktober in Posen stattfindenden Bertreterversammlung des Provinzialverbandes der Vereine deutscher Katholiken soll, wie gemeldet, u. a. der Antrag deS Zweigvereins Samter beraten werden, die kirchlichen Verhältnisse der deutschen Katho- likeninderProvinzPosen dem preußische nEpiskopat ru unterbreiten, damit in der nächsten Versammlung in Fulda Abhülfe geschaffen werde. Die „Germania" übtan diesem durch Haltung der erzbischöflichen Kurie veranlaßten Schritte eine ebenso gehässige Kritik wie der „Dziennik Pozn." und nennt ihn einen unerhörten Angriff auf die geistliche Behörde in Posen, welche auch für die deutschen Katholiken die von Gott gesetzte ordnungsmäßige Obrigkeit sei. Daß eS sich hier um den Schutz der Interessen der deutschkathottschen Minderheit bandelt, dafür hat das Zentrumsblatt in seinem blinden Eifer für das Polentum kein Gefühl. Denn das ist der Unterschied: Es giebt katholische Polen, aber deutsche Katholiken. * Aus Bückeburg wird die Mitteilung, daß der Bräutigam der Prinzeß Marie Neuß ä. L. an den Vermählungsfeierlichketten in Bückeburg teilgenommen habe und auch bei dem Einzuge des großherzoglich sächsischen Paares in Weimar gewesen sei, der „Krzztg." von zuständiger Seite als falsch bezeichnet. * Barmen, 20. September. Auf Anordnung des Amtsgerichts in Oldenburg sind sämtliche dem Oberlehrer vr. Ries von hier, der, angeblich wegen Beleidigung des oldenburgischen Justizministers Ruhstrat, dort in Untersuchungshaft genommen wurde, gehörigen Sachen durch die hiesige Polizei beschlagnahmt und an das Amtsgericht in Oldenburg abgcschickt worden. * Breslau, 20. September. Einen neuen Beweis für den terroristischen Druck, den die Sozialdemokratie auf die Meinungs- und Bewegungsfreiheit der Arbeiterschaft aus übt, lieferte eine Verhandlung, die am Freitag vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Breslau stattfand und nach der „Schles. Ztg." folgenden Sachverhalt ergab: Ter Maurergeselle Wilhelm Neumann aus Breslau arbeitete im Juni d. I. auf einem Neubau an der Gabitzstraße und hatte dort einen Arbeitsgefährten G., der noch nicht der Organisation der Maurer, d. h. dem sozialdemokratischen „Verbände Deutscher Maurer" angehörte. Er drängte ihn wiederholt zum Beitritt, wo rauf G. ihm immer erwiderte, daß er wohl beitreten wolle, aber das vorläufig nicht vermöge, weil er noch Mietsschulden zu be zahlen habe und daher die hohen Verbandsbeiträge (40—50 wöchentlich) nicht aufbringen könne. Das ließ Neumann aber nicht gelten. Am 29. Juni, einem Montage, erklärte er dem G., daß — wenn dieser nicht bis Sonnabend der hiesigen Zahlstelle des Verbandes beigetreten sei — die anderen Maurer nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten würden, und fügte hinzu: „Du Hund ver . . ., polnisches A . ., Du mußt Prügel kriegen, wenn Du unsere Farbe nicht hältst, und ich kaffe Dich auf die Plakattafel im Gcwerkschaftshause schreiben, damit Dich alle Maurer kennen lernen und wissen, was Du für ein Kerl bist! Und wenn ich Strafe bezahlen soll, zehn oder fünfzehn Mark, die borge ich mir — aber an meine Stelle kommt ein anderer, dem werde ich schon sagen, daß er darauf achten soll, ob Du in der Verbandskasse bist oder nicht. Denke nicht, daß Du so durchkommst I" Der eingeschüchterte G. versprach schließlich, daß er nun schon am nächsten Sonnabend bei treten wolle. Aber trotzdem traten schon am nächsten Morgen Neumann und die anderen zwölf Maurer vor den Polier hin und erklärten, nicht weiterarbeiten zu wollen, wenn G., der dem Ver bände nicht angehöre, weiter beschäftigt werde. Der Polier trug die Sache dem Bauherrn vor, der die Entscheidung traf, daß G. bleiben solle. Darauf ließen Neumann und die anderen Maurer die Arbeit liegen und gingen von dannen, während G. und der Polier einstweilen allein weiterarbetteten. Mit den anderen Mau rern hatte der Bauherr nachher noch einen Konflikt, der ihn nötigte, polizeiliche Hülfe gegen sie in Anspruch zu nehmen. Wegen seines Verhaltens gegen G. hatte sich Neumann unter der Anklage der versuchten Nötigung in Verbindung mit Vergehen gegen Paragraph 153 der Gewerbeordnung (Koalittons- zwanges) vor dem genannten Gerichtshöfe zu verantworten. Der Vorsitzende des Gerichtshofes geißelte mit scharfen Worten die grobe Mißachtung der persönlichen Freiheit, die hier an den Tag gelegt worden sei, und nahm Veranlassung zu der Frage, was wohl die Arbeiter sagen würden, wenn der Staat eine so hohe Steuer von den Arbeitern verlangen wollte, wie sie hier der Maurerverband eintreibe. Der Staatsanwalt führte aus, daß hier wieder ein drastischer Beweis dafür vorliege, wie Arbeiter, die immer das Wort „Freiheit" im Munde führten, andere zu knechten suchten, und beantragte gegen Neumann drei Monate Gefängnis- Der Gerichtshof sprach den Angeklagten der ihm zur Last gelegten Vergehen schuldig. Seine Handlungsweise sei äußerst frivol, Venn er habe — da der Zeuge G. schon den Beitritt zum Verbände, wenn auch ftr einen späteren Termin, zugesagt hatte — selbst von seinem Stand punkt aus gar keine Veranlassung mehr gehabt, dem G. in dieser Weise zuzusetzen. Mit Rücksicht auf die hier verübte schwere Rechts- und Freiheitsverletzung habe der Gerichtshof eine sehr erhebliche Strafe für geboten erachtet und daher den Angeklagten zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. natürlich wäre sie uns ohne weiteres überwiesen worben, da ich doch die nächsten Rechte auf sie hatte. Aber da die alte Person, dieses Fräulein Jupperson, mir schrieb, daß sie das kleine Mädchen gut erziehen und überhaupt für seine Zukunft sorgen werde, hatte ich keine Veranlassung zu einem derartigen Vorgehen. Unser Haushalt ist ohne hin kostspielig genug: die vielen Kinder machen einem so den Kopf warm, und dann war der Gedanke, in dem Mädchen gewissermaßen ein immerwährendes Wahr zeichen der Vergangenheit vor Augen zu haben, auch kein sehr angenehmer. Ich war deswegen — offen ge standen — recht froh, sie so wohlfeil los zu werden. Natürlich liebe ich sie deshalb doch, und Du hast voll ständig Recht: auf ein so wunderbares Spiel des Zufalls muß man reagieren. Ich komme also spätestens in acht bis vierzehn Tagen, sobald ich meine Toilette einiger maßen in Ordnung habe. Ich freue mich wie ein Schnee könig auf ein paar Berliner Wochen. Natürlich auch auf das Wiedersehen mit Thyra. Nebenbei gesagt — könntest du vielleicht in Erfahrung bringen, ob Thyras Pflegemutter sie in angemessener Weise versorgt? Leider kann ich nichts für sie tun. Wir müssen uns sehr ein richten. Ludwig geht Ostern auf die Universität: Kurt und Rudolf kosten in der Kadettenschule viel Geld: Lizzie, Lotte, Hedwig und Milly wachsen auch allmählich heran: die Ausgaben erhöhen sich, ohne daß di« Einnahmen steigen. Da heißt es rechnen. Mein guter Lulu fängt an, recht grämlich und knauserig zu werden. Ein Gottesglück, daß ich die Reise nach Berlin herausgcschlagen habe. In Anbetracht der besonderen Umstände konnte er mir den Konsens natürlich nicht verweigern. Lulu läßt Dich grüßen. Es umarmt und küßt Dich innig Deine treue Freundin Mathilde von Aspern, geb. Freiin von Haveland. An Hochwohlgeboren Frau Gräfin Eva Waldmeister verw. Gräfin Riehl, geb. Baronesse JpsminghauS. Berlin Am Tage nach Anna BalanbS unerwarteter Ankunft in Berlin erhielt Thyra über Altstadt den Brief -es Hamburger Verlegers, dem sie vor einem Jahr ihren Roman zugeschickt hatte und der ihr in seiner Erwide rung seine gewiß wohlgemeinten Ratschläge erteilt hatte — Herr Bergmann — so hieß der Verleger — schrieb, daß er anfang April für seine Zeitschrift einen sehr span nenden, Handlungsreichen Roman gebrauche: wenn sie ihm einen solchen liefern könnte, möchte sie ihm sofort ihre zusagende Antwort schicken. Er benötige pro Woche circa neun Druckjpalten des Romans, es sei deshalb durchaus nicht erforderlich, daß der Roman am 1. April schon fertiggcstellt sei, vielmehr stände cs in ihrem Be lieben, zuerst etwa die Hälfte und späterhin die Fort setzungen wöchentlich, oder den Roman gleich komplett zu liefern. Honorar: Sechshundert Mark. Zahlbar in vier Accepten zu einhundertfünfzig Mark, am 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli. Bedingung: Der Roman geht mit allen Rechten und zur beliebigen Vervielfältigung auf die Dauer von sieben Jahren in den Verlag über. — Bor einem Jahre oder noch vor Monaten hätte Thyra dies Anerbieten ohne weiteres von der Hand gewiesen, heute betrachtete sie dasselbe von einem anderen Standpunkte. Die Erfahrungen, welche sie gemacht, hatten ihre Illusionen beträchtlich herabgedrückt, außer dem sah sie sich in die Notwendigkeit versetzt, möglichst rasch Geld zu verdienen, und von diesen Gesichtspunkten aus mußte sie das Anerbieten des Herrn Bergmann sogar als ein willkommenes Geschenk -es Schicksals ansehen. Warum auch nicht? So wenig eS eine Schande ist, für Geld zu schneidern oder zu waschen und zu bügeln, so wenig konnte es ihr zum Vorwurf gemacht werden, dem Verlag Bergmann für sechshundert Mark einen Roman auf Bestellung zu fabrizieren. Ohne langes Besinnen schrieb sie, daß sie den ehrenvollen Auftrag annehmen und hoffentlich zur Zufriedenheit deS Bestellers erledigen werde. Sie hatte gerade in den letzten Wochen wieder Ent- würfe für eine neue große Arbeit gemacht, aber die waren natürlich nicht für die literarischen Borkostartikel, die Herr Bergmann gebrauchte, geeignet, und mußten bis zu einer günstigeren Zeit im Schreibtisch lagern. Also für zweihundert Taler Phantasie. Mit Galgen humor machte sie sich an die Schreiberei. Bald sah sie ein, eine wie mühevolle Fronarbeit sie sich aufgebürdet hatte. Das Ersinnen war angreifender, abspannender noch als das Denken. Es machte sie müde, immerfort neue verwickelte Situationen auszudenken, allerlei krauses, verworrenes, abenteuerliches, unmögliches Zeug zusammenzureimen, um dem flüchtigen Unterhaltungs- bedürfnis eines auf niederer Bildungsstufe stehenden Leserkreises zu genügen. Es machte ihr den Kopf so heiß, die Nerven schlaff, den Geist trocken und spröde. Wenn sie spät abends die Feder aus der Hand legte, war sie so erschöpft, al» ob sie den Tag über schwere, körperliche Arbeit verrichtet hätte: aber trotz des körperlichen Müde- seins konnte sie nachts nicht schlafen. Die künstlich an geregte Phantasie arbeitete mechanisch weiter: bis in ihren unruhigen Schlummer hinein verfolgten sie die unnatür lichen, überschraubten, fratzenhaft verzerrten Figuranten des belletristischen Mummenschanzes, den sie Herrn Berg mann für seine vier Accepte zu liefern verpflichtet war. Und wenn sie morgens unausgeruht und unerquickt er wachte, stellten sich -es öfteren niederschlagende, depri mierende Betrachtungen ein. Lag nicht wirklich ein Körnchen bitterer Wahrheit in -er gedankenlos auf gestellten Behauptung der Frau Geheimrat Leisemann, daß die Angehörigen besserer Stände, die nicht auf Geld zu sehen brauchten, Besseres, Schöneres, Idealeres leisteten, als diejenigen, die ihre Getstesschwingen nicht frei entfalten können, weil die Rotte drückender Alltags sorgen sie an die Erde und an die Materie der Erde fesselt, die ihre Ideen nicht ruhig ausbauen, ihre Ge- danken nicht sorgfältig feilen können, weil hinter ihnen das Gespenst der Sorge steht und die quälende Frage: ,^Wann werde ich für meine Arbeit den Lohn erhalten, damit ich meinen Hunger stillen, meine Miete bezahlen kann?" — ihnen di« Feder in die Hand drückt und zur Geißel ihrer Phantasie wird?! — Durch ihr eifriges, andauerndes Arbeiten kam sie in den ersten vier Tagen nicht dazu, sich nach Anna Balanb, die sich gar nicht bet ihr blicken ließ, umzutun. Dem alten Tischler Baland hatte st« schon am ersten Abend durch eine Karte Annas Landung in Berlin gemeldet, damit die Eltern sich keine unnötigen Sorgen um das Verschwinden ihrer Tochter machten. Als aber auch der fünfte Tag nahezu verstrich, ohne daß Anna sich einstellte, machte Thyra sich auf den Weg, um Erkundigungen einzuziehcn. Zu ihrem Erstaunen hörte sie, daß Anna das Heim am verflossenen Nachmittag verlassen hatte. Die Vorsteherin, mit der Thyra sprach, zeigte sich anfangs sehr reserviert, und erst als sie Thyras Bestürzung gewahrte, wurde sie mitteilsamer. Sie waren alle ganz froh, daß Anna sich nicht gesäumt hatte, denn daS Benehmen des jungen Mädchens hatte bet den Damen Bedenken erregt. Tags über war sie überhaupt nicht zu Hairse gewesen und an allen vier Abenden war sie wett über Mitternacht in Herrenbegleitung heimgekehrt. Die jungen Mädchen, die mit ihr im Zimmer schliefen, hatten sich über die Störung beschwert: es war behauptet worden, daß Anna eines Abends bei ihrer Rückkehr total betrunken gewesen sei. Nun, am verflossenen Nachmittag, hatte ein Herr sie mitsamt ihrem Gepäck abgeholt und auch die Rechnung für sie bezahlt. Auf die Frage -er Vorsteherin, ob sie eine Stellung gefunden, hatte Anna eine unartige Ant wort gegeben. Adresse hatte sie nicht zurückgelaffen. Thyra war nicht sehr beruhigt von dieser Auskunft. Im ersten Augenblick dachte sie an Bahne Lüpsen, aber die Beschreibung, welche die Vorsteherin auf ihre Bitte von dem Herrn, der Anna abgcholt hatte, gab, paßte in keinem Teile auf den Leutnant. Wie die Sachen standen, war es bei richtigem Uoberlegen auch kaum anzunehmen, daß Bahne Lüpsen sich seiner ehemaligen Flamme der artig widmen würde. Auf dem polizeilichen Meldeamte, wohin Thyra sich um Auskunft wandte, war von einer Anna Baland aus Altstadt noch nichts bekannt: folglich fehlte jeder Anhalts punkt, um Annas gegenwärtigen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Thyra machte sich heftige Vorwürfe. Warum hatte sie nicht früher nach Anna gefragt?! Was war ge schehen? In welche Hände war das in der großen Stadt völlig unbekannte und unerfahrene Mädchen geraten? Sie sand auf keine Frage Antwort: ihr bangte ernstlich um daS Schicksal der ehemaligen Gespielin. Anna war nicht die Erste, die der Schlammstrom des großstädtischen Nachtlebens ergriff und zum Untergang führte. Wenn sie wirklich moralisch umkam, trug Bahne Lüpsen doch am letzten End« die Verantwortung: er hatte sie auf -em Ge wissen. Mochte sein Vergehen nach den allgemein geltenden Grundsätzen kein sehr schweres sein, vor dem Forum des moralischen Richters war er allein schuld an allen etwaigen Konsequenzen seiner Handlungsweise. Anna war eine derb realistische Natur, auS grobem Holz geschnitzt, aber sie war bis dahin ein unverdorbenes, unbescholtenes Mädchen auS anständiger, geachteter Familie. Ihr fehlte die glatte Politur gefälliger Um gangsformen und äußerer Selbstdisziplin, die als daS elementarste Zeichen einer landläufigen Bildung gilt. Aber so, wie sie war, war sie nicht erst seit gestern und vorgestern, so hatte Rahne Lüpsen sic gekannt, als er das Liebesverhältnis mit ihr anknüpfte, daS Verhältnis, daS seine Gymnasialjahre überdauerte, das er bei jedem Urlaub, den er in der Heimat zubrachte, wieder aufnahm und durch eine regelmäßige Korrespondenz fortsetzte und als dessen natürliches Endziel die spätere Heirat von der naiven Vertrauensseligkeit de» Mädchens voraus gesetzt war. (Fortsetzung folgt.)
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