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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030921022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-21
- Monat1903-09
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ll. mementr LiriAenleo iervk0r8 l), 80^16 trlct 18, uock > Bureau ckes er in allen Kreistagen. irantirt solide üusführung. laille. ;e 5, I. l. voll«, iftsgärtnerei, spr. 9034, Umänderung ). modernsten gen gratis, nsten. Hrertiurcä Frau terreic^). Stadt drnno. «ti-»»ü für Herren Ihr täglich. Tageszeit, «ab. v. V,9- '/.2-b llbr. Apparat, ktr. Licht-, and-, rusj. Massage. ipfbäder, urbäder. ^rostschupf. Hofmann. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau« ^1 3.78. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich .4l 4.ö0, für di« übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Erpeditionr Johanni«gaffe 8. Fernsprecher IL3 und 2L2. Fttialevpeditionrnr Alfred Hahn, Buchhandlg., UnivrrsitLt«str.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KdnigSpl. 7. Haupt/iiiale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Amt 1 Nr. 171S. Haupt-Filiale Lerlin: Earl Duncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4S0S. Abend-Ansgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Ämtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiainles der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 7K H, vor den Familiennach richten (S gespalten) SO H. Dabellarischer und Ztffernsap entsprechend höher. — tSebühren für Nachweisungen uud Ofserteuauaahme Kd (exrl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung Sv.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: Bormitlag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Pol, in Leipzig. Nr. 481. politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. September. Der sozialdemokratische Parteitag in Dresden ist genau so verlaufen und zu Ende gegangen, wie Kenner der sozialdemokratischen Partei und ihrer Führer Voraussagen zu dürfen glaubten. Der Parteidiktator Bebel hat förmlich geschwelgt in Verkleinerung und Beschimpfung der „Revisionisten^ und diese haben sich durch kaum minder schroffe Vorwürfe gerächt, aber Bebel ist trotz seines brüsken Auftretens und des herben Tadels, den er sich durch dieses Verhalten zuzog, in jeder Hinsicht Sieger aebliebcn. Selbst Vo llmar und der geradezu mißbandelteGö h re haben der Re solution zugestimmt, welche die revisionistischen Bestrebungen auf das entswiedenste verurteilt, den revolutionären Charakter der Partei scharf betont und demgemäß jeden Versuch verwirft, die vorhandenen Klassengegensätze zu vertuschen, um eine Anlehnung an die bürgerlichen Parteien zu erleichtern. Frei lich hatten die Bebelianer es verstanden, dem „Parteitage" eine Zusammensetzung zu geben, die ihnen eine erdrückende Mehrheit sicherte; aber diese Mehrheit hätte doch eine so überwältigende nicht werden können, wenn der alte Revolu tionär nicht mehr Herr der Partei wäre. Auf die viel gerühmte „Freiheit" innerhalb der Sozialdemokratie wirft diese Befestigung der Bebelschen Diktatur ein gar eigentüm liches Licht. Mit Recht sagt darüber die „Allgem. Ztg.": „Von den Erörterungen, die der sozialdemokratische Parteitag in Dresden gebracht hat, sind am interessantesten und lehrreichsten diejenigen über die Stellung der sogenannten Akademiker in und zu der sozialdemokratischen Partei. Weniger deshalb, weil sie einen Einblick gewährt haben in die bereits genügend bekannten Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten, die innerhalb der Sozialdemokratie bestehen; sie sind vielmehr darum so ungemein lehrreich, weil sie den bildungsfeindlichen und kultur gegnerischen Dogmatismus beleuchten, der die sozialdemo kratische Partei beherrscht, und zwar die Sozialdemokratie als Organisation der Masse, die instinktiv alles ans das niedrigste Durchjchnittsnivcau herabzudrücken bemüht ist. Dieser jeder sachlich überlegenen Leitung abgeneigte, terrorisierende Dogmatismus duldet keine Meinungsfreiheit. Er verlangt vielmehr unbedingte Unter werfung jeder Uebrrzengung vor dem, was jeweilig als Partei fetisch nach dem Willen der kürzer denkenden Mehrheit zu gelten hat. Tie Sozialdemokratie gleicht hierin religiösen Partei bildungen, die von Meinungsfreiheit ebenfalls nichts wissen wollen und ihren Dogmen gegenüber das Opfer des Intellekts, die Aufgabe der Persönlichkeit fordern. Auf diesem Standpunkte steht Genosse Bebel. Er „will", „daß die Partei der Fraktion die Marsch route vorschreibt", „und haben wir die Marschroute erst, dann muß die Fraktion danach marschieren.^. ." Und wer sich nicht fügt, der „fliegt" — trotz aller Gemeinsamkeit in grundsätz licher Hinsicht. In der Sozialdemokratie ist also nach der Bebel- Kautskyschen Auffassung keine geistigeBewegungsfreiheit möglich, sondern nur, um mit v. Vollmar zu reden, „eine einzige uniformierte Meinung". Damit hat sich die Sozialdemokratie zu einer Bildungsfeindin, zu einer Gegnerin jedes Kulturfortschrittes bekannt; denn ein solcher ist ausgeschlossen, wo der Entwicklung geistig freier und sittlich selbständiger Persönlichkeiten und ihrer Betätigung im Leben 97. Jahrgang. Montag den 21. September 1903. durch Dogmenhckrschast Schranken gesetzt werde». Solche Schranken wollen dir um Bebel und Kautsky, wie die Dresdener Verhandlungen gezeigt haben, für die Anhänger der Sozialdemokratie errichten. Die „Akademiker", d. h. die Leute mit wissenschaftlicher Bildung, sind ihnen als Genossen willkommen, so lange sie ihre Kenntnisse und ihre Bildung agitatorisch, unter Aufgabe jeder eigenen Ueberzcugung, in de» Dienst des proletarischen Klassenkampfcs stellen. Aber wehe ihnen, wenn sie es wagen, die Berechtigung des Kampfes und die Art, wie er geführt wird, ihrer wissenschaftlichen Kritik zu unter werfen oder gar an dem Marxistischen Dogma zu rütteln. Dann müssen sie es sich gefallen lassen, wie „Schulbuben" behandelt und zurechtgewiejen zu werden. Dann macht ihnen der Partcipapst Bebel unter Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Genossen vor aller Welt den Standpunkt in einer Weise klar, wie sie nieder drückender und verletzender nicht gedacht werden kann. Es wird ihnen rund heraus erklärt, daß sie aus eigene Meinungsäußerung über alle dir Dinge und Fragen zu verzichten haben, die von der Partei nicht ausdrücklich als Privatsache erklärt worden sind, und sie werden vor die Alternative gestellt, sich entweder löblich zu unterwerfen oder eines schönen Tages durch Parteibeschluß aus der sozialdemokratischen Genossenschaft ausgeschlossen zu werden. Die Kniebeuge, die die „Akademiker" in Dresden haben machen müssen, nachdem man sie in einer Weise behandelte, die als Ent ehrung wirkt, sie war dasAeußerste an Selbstherabwürdigung, die einem freien deutschen Manne und Gelehrten zugemutet werden kann." Bei der Beurteilung dieser Selbstentwürdigung darf man aber, wie immer wieder betont werden muß, nicht vergessen, daß die Revisionisten mit den Bebelianern völlig eines Sinnes sind über das Ziel und nur verschiedener Ansicht über die zur Erreichung dieses Zieles einzuschlagcnden Wege. Keiner der revisionistischen Redner, nicht einmal Bernstein, das enkant torridlo dieser Gruppe, hat darüber einen Zweifel gelassen. Und da diese Gruppe der Meinung ist, daß jeder Weg zum gemeinsamen Ziele nur gang bar gemacht werden könne durch eine starke Macht, so mußte eS ihr leicht fallen, die ihr zugemutete „Kniebeuge" zu vollziehen und ihre Ansicht Uber den rechten Weg zum Ziele zu opfern. Darin ist eben der Revisionismus den meisten bürgerlichen Gruppen »nd Grüppchen politisch so unendlich überlegen, daß er in entscheidenden Momenten nur daS nächste Ziel, die Erkämpfung der Macht, vor Augen hat. Und überdies wissen die Vollmar, Göhre usw. ganz genau, daß ihnen trotz der von ihnen selbst mit angenommenen Resolution gegen den Revisionismus kein Haar gekrümmt wird, wenn sie bei passender Gelegenheit Bürger- und Bauernfang mit der Versicherung treiben, die Sozialdemokratie suche ihre Ziele auf dem Wege friedlicher Entwickelung und nicht auf dem des Umsturzes zu erreichen. Sind sie doch auch in Bezug auf die Anwendung des jesuitischen Grundsatzes, daß der Zweck die Mittel herlige, die treuen Genossen des Herrn Bebel. Wenn freilich neue Reichstagswahlen unmittelbar bevor ständen, würden wohl die Herren Revisionisten mit ihren Versicherungen schlechte Geschäfte machen. Aber bei dem kurzen Gedächtnisse, daS unser Bürgertum nun einmal hat, und bei seiner Sucht, durch Streit und Zänkerei über die Wege zum Ziele der Sozialdemokratie die Macht förmlich in die gierig ausgcstreckten Hände zu zwingen, wäre es töricht, sich der Hoffnung hinzugeben, daß daS Bürgertum bei den nächsten Reichstagswahlen die rechte Lehre aus dem Dresdner „Parteitage", aus dem Siege Bebels und der Kniebeuge der Revisionisten ziehen werbe. Die Sozialdemokratie wird trotz dieses Parteitages und trotz der bei den letzten ReichStagswahlcn erkämpften Siege noch ganz andere Fortschritte auf dem Wege zur Macht machen müssen, ebe daS Bürgertum auf seine eigene Macht sich besinnt und diese einig und geschlossen in die Wag schale wirft. Gespannt darf man nur darauf sein, ob die Herren Or. Barth, H. Naumann und andere Ideologen, denen in Dresden der Kampf bis aufs Messer von den unter worfenen Revisionisten und ihren Beherrschern ebenso an gekündigt worden ist, wie dem gesamten Bürgertume, fort- sahrcn werden, sozialdemokratische Kandidaten als das „kleinere Uebel" und die Wahl solcher Kandidaten als das beste Mittel zur Umwandelung der Revolutionäre in fried liche Reformer zu betrachten. „Präsident" Singer und die Geschäftsordnung. Bekanntlich hat in Dresden der Abg. Singer.daS Prä sidium geführt, und zwar nach einer feststehenden Geschäfts ordnung, die sich an die Geschäftsordnung des Reichstags anlebnt. In Widerspruch mit dieser Geschäftsordnung hat nun Präsident Singer in der Sitzung deS Parteitages vom Mittwoch, ll>. September, nach Schluß der Debatte noch dem „Genossen" Mehring daS Wort erteilt. Als Bömelburg dies nach der Rede Mehrings rügte, erklärte Präsident Singer (Bericht des „Vorwärts" Nr. 217, II. Beilage vom 17. September): Zweifellos kann jede Versammlung, soweit kein Widerspruch erhoben wird, von ihrer Geschäftsordnung abweichen. «Sehr richtig!) Hätte Bömelburg gegen die Abweichung von der Geschäftsordnung rechtzeitig Einspruch erhoben, so würde ich die Frage zur Abstimmung gebracht haben. Wenn Herr Singer als Präsident eine Frage zur Ab stimmung bringen wollte, so mußte er doch dabei an eine Abstimmung per wuznru denken, also die Majorität darüber entscheiden lassen, ob sie Mehring noch hören wollte. Als nun aber „Genosse" Bömelburg meinte, daß diese Geschäfts praxis in der Arbeiterbewegung sonst nicht maßgebend sein könne, erwiderte Präsident Singer: Im übrigen, so sehr unser Parteitag mit der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung identifiziert ist, so kann es sich doch d«r Parteitag so wenig wie jede Arbeiterversammlung nehmen lassen, die Beschlüsse in Bezug auf die Ge schäftsordnung so zu fassen, wie er selbst es für richtig erachtet. (Zustimmung.) Wie der Parteitag in Dresden, schreibt die „Germania" sehr zutreffend, so können auch wir dieser Präsidial entscheidung deS Herrn Singer durchaus znstimmen. Nur müssen wir dabei noch auf einen — ähnlichen Hall zur Bestätigung der Richtigkeit dieser Auffassung des Präsidenten Singer Hinweisen. Was einem sozialdemokratischen Parteitag recht ist, muß selbstverständlich auch dem Reichstage wie jeder anderen Versammlung billig sein. Nun aber hat Prä sident Singer anerkannt, daß eine solche Versammlung es „sich nicht nehmen lassen werde die Beschlüsse in Bezug auf die Geschäftsordnung so zu fassen, wie sie selbst eS für richtig erachtet". Herr Abgeordneter Singer hat also mit dieser seiner Präsidial-Entscheidung auf dem Parteitage in Dresden nachträglich indirekt anerkannt, daß der Reichstag vollständig berechtigt ist, „die Beschlüsse in Bezug auf die Geschäftsordnung so zu fasten, wie er selbst eS für richtig erachtete", also auch tue Geschäftsordnung durch ge- schäftSordnungtzmäßige Beschlüsse abzuändern. Nun aber erinnere man sich einmal der „Entrüstung" und deS Mordspektakels, den die sozialdemokratische Fraktion und die sozialdemokratische Presse anstellten, als der Reichstag im vorigen Winter anläßlich derZolltarisverhandlungen in Abänderung der Geschäftsordnung genau so, wie Singer dies jetzt prinzipiell als zulässig anerkennt, „Beschlüsse in Bezug auf die Geschäftsordnung faßte, wie er selbst sie für richtig erachtete"! So hat die Meyrheit des Reichstags durch Singer und mit Zustimmnng des Parteitages von Dresden nachträglich das Anerkenntnis erhalten, daß sie bei der so viel angefeindcten Abänderung der Geschäftsordnung in ihrem Rechte war. Deutschland «nd Oesterreich-Ungarn. Die Innigkeit und Wärme der beiden kaiserlichen Trinksprüche, die am Freitag in der Wiener Hofburg ausgebracht wurden, sind ein neues scharfaeprägteS Kenn zeichen des andauernd engen deutsch-österreichischen Bundes verhältnisses. Es hat nicht an mißgünstigen Stimmen ge fehlt, die auf Grund des im Jahre 1897 abgeschlossenen österreichisch-russischen Balkaneinvernehmen« eine Entwicklung im entgegengesetzten Sinne zu prophezeien für angemessen fanden. Man wollte durchaus das Dogma konstruieren, daß ein Ausgleich österreichisch-russischer Interessengegensätze not wendigerweise eine Lockerung des österreichisch-deutschen Ver hältnisses nach sich ziehen müsse. Wer trotz mancher Er scheinungen, die seither zu Tage getreten sind, noch immer an jener irrigen Ansicht festgehalten hat, der ist durch die Trinksprüche eines Besseren belehrt worden. Deutschland hegt im Interesse des Friedens den aufrichtigen Wunsch, daß die österreichisch-russische Vereinbarung aufrecht erhalten bleibe; die deutsche Politik hat sich in dieser Beziehung niemals störend, dagegen in wichtigen Momenten, wie z. B. dem jetzigen, stets fordernd erwiesen. Jedenfalls trägt die Tatsache, daß man sich in Wien in lieber- einstimmung mit Berlin weiß, beträchtlich dazu bei, die Stellung Oesterreich Ungarns in der internationalen Balkan politik zu kräftigen und somit Len Weg, den Österreich ge meinsam mit Rußland eingeschlagen hat, auch weiterhin gangbar zu machen. Angesichts der Tragweite jener Fragen, welche die österreichisch-ungarische Monarchie gerade in diefem Augenblicke in erster Linie bewegen, wird es nicht an Ver suchen fehlen, dem lobenden Hinweis des Kaisers Wilhelm auf die beiden Heere, die „den Bund unserer Länder tragen und festigen", eine noch größere Bedeutung beizumessen, als es unter anderen Umstanden der Fall wäre. Der Trinkspruch wurde zwei Tage nach dem auf dem gali zischen ManLverfelde zu Chlopq erlassenen Armeebefehl des Kaisers Franz Joses gehalten, jener Verkündigung des kaiserlichen Willens, die in Ungarn eine so über aus tiesgreifenke Erregung hervorgerufen hat, weil sie alle „einseitigen Bestrebungen", die das „gediegene Gefüge" des Heeres zu lockern geeignet wären, mit außer ordentlicher Schärfe abweist. Allein man darf sich, wie die „Voss. Ztg." völlig zutreffend schreibt, durch dieses zeitliche Zusammentreffen nicht verleiten lassen, einen ursächlichen Zusammenhang zu suchen. Kaiser Wilhelm, dem selbstver ständlich jede Stellungnahme zu den inneren Streitigkeiten in der verbündeten Monarchie frrnlicgt, hätte über da« k. und k. Heer nicht anders gesprochen, auch wenn der Armee befehl von Chlopy seinem Besuche in der Wiener Hofburg nicht vorangegangen wäre. Faiiilletsn. isj Inyeborgs Kinder. Roman von Margarete Böhme. Vlaii tnikt Verbot«». UW sie legte den Kopf an die Mauer und heulte laut auf. »Ich gehe ins Wasser! Gan» sicher, ich gehe ins Wasser!" „Oho, Fräulein! Wäre hoch schade um Ihr junges Leben!" Weil ihr die Stimme bekannt dünkte, schielte sie nach dem Sprecher hinüber. Und da der Lichtschein direkt auf sein Gesicht fiel, erkannte sie in ihm den netten Herrn, den sie am Nachmittag in Thyras Zimmer getroffen hatte. Das Erkennen war gegenseitig. „Jesus . . . Sie sind'S? Aber liebes Fräulein! Was ist denn vorgefallen, daß Sie plötzlich in so unglücklicher Stimmung . . . Sie waren doch vorhin so munter. Kann ich Ihnen irgendwie helfen . . .?" „Ach . . . Wenn Sie mir einen Herrgottsdienst er weisen wollen, zeigen Sic mir nur, wo ich die Spree oder den Kanal finde ... ich muß hinein . . . Huhuhu .. Erneutes Schluchzen: „Ich muß ins Wasser." — wo! Kommen Sie mal her, Kindchen, und erzählen Sie mal, wo Sie denn eigentlich der Schuh drückt. Ins Wasser können Sic dann immer noch. Die Spree läuft nicht davon. Also mal frisch herunter vom Herzchen! Was drückt Sie denn?" Anna ließ es geschehen, daß er ihre Hand in seinen Arm nahm und sie weiter führte. Sie machte nie gern «ine Mördergrube aus ihrem Herzen, und heute war es ihr wirklich «ine Wohltat, mal alles, was sie bedrückte, herauszubürsten. Doktor Sonntag trat vor Vergnügen von einem Fuß auf den andern. „Sehr gut! Sehr gut! Das gefällt mir. Sind die Alistädter Mädchen alle so energisch? Geht einsach hin und verhaut den ungetreuen Liebhaber in Gegenwart der Braut. Gediegen, das! Alle Bonheur! Aber Herzchen! Das ist doch kein Grund, sich gleich umzubringen. Jemine, was liegt an einem Leutnant! Ueber- haupt an einem Mann! Ist doch keine Hand voll, son dern ein Land voll da! Und ein so veizendes Mädel ... Nein, da grämen Sie sich nicht länger. Der König ist tot, es lebe der König! Wer wollte sich mit Grillen plagen, so lang noch Len- und Jugend blühn ... Warum zittern Sie denn so?" Anna gestand, daß sie seit dem verflossenen Abend nichts genossen hatte, als zwei Glas Bier und zwei Butterbrote, und daß sie vor Hunger und Erschöpfung beinahe umfalle. „Sehen Sie ... da liegt der Hund begraben! Aus einem leeren Magen kommen Immer traurige Gedanken. Da ist aber, Gott sei Dank, rasch Wandel geschasst. Kommen Sie! Schenken Sie mir diesen Abend! Wir gehen gleich zu KcmptnSky, essen gut und trinken eine hübsche Flasch« zusammen. Und nachdem schlagen wir den Abervd auf irgend eine hübsche Weife tot. Vielleicht im Theater . . . Einverstanden?" Anna schluchzte »war noch immer. Aber die Tränen, die vorhin bächletnwetsc stürzten, kollerten nur noch in vereinzelten großen Tropfen über die rundlichen Wangen. „Ich meine, eS wäre für mich doch am besten, ich ginge inS Wasser. Mas soll ein so armes, betrogenes Mädchen noch auf der Welt?" ,Hm . . . Dazu ist, wie gesagt, ja immer noch Zeit. Morg«n, oder übermorgen, oder Wer ein Weilchen. Heute abend schlagen wir uns mal die Grillen aus dem Köpfchen und sind lustig, das andere läßt sich dann immer noch überlegen." Das leuchtete Anna ein. Mit dem Sterben eilte es schließlich nicht. Vorerst konnte man sich mal sattessen und vielleicht noch einen amüsanten Abend verleben. Ihre Hand legte sich ein wenig fester auf Sonntags Arm, und als sie den Potsdamer Platz überschritten, brachte sie es sogar schon fertig, über eine witzige Bemerkung ihres Begleiters zu lachen. In zufriedener Stimmung segelte das Paar der Leipziger Straße zu, nach dem bekannten Weinrestaurant. . . . Achtes Kapitel. Berlin 2. Februar 1801. Meine liebe Thilla! ES geschehen noch Zeichen nnd Wunder! Wie ost, wenn ich einen besonder« geschickt kombi nierten Roman lese, habe ich mir gesagt: Wenn eS im wirklichen Leben auch noch so wäre! Wenn man auch noch, wie der Autor, die verschiedenen Personen so, gleich sam im Schubfächchen, zur Hand hätte, um sie herbei- zunehmen, wenn man sie braucht, uud somit willkürlich die verschiedensten, gerade erwünschten und dem oder jenem Zweck entsprechenden Situationen zu schaffen. Aber im wirklichen Leben ist das Schicksal, oder vielmehr der Zufall, meistens weniger gefällig, als die phantasie- begabteu Nomanschreiber. Und dennoch — dennoch spielt eben dieser Zufall bisweilen so wunderbar wunderbarer, als wie die abenteuerlichste Phantasie des Fabulisten es sich ausdenken kann. „Ich habe Thyra von Rönniger kennen gelernt!" „Was sagst Du dazu?!" „Ganz zufällig. Ich traf sie auf einem Tee bet der Gcheimrättn Leisemann. Noch ehe sie uns vorgestellt wurde, fiel sie mir auf. Sie erinnerte mich an jemand, ich konnte mich nicht gleich entsinnen, an wen. Erst als ich ihren Namen hörte, fiel eS mir wie Schuppen von den Augen: An Dich! Sie ist dir wie aus den Augen ge schnitten. Deine Züge, Dein Haar, Deine Augen; nur ist sie wohl zwei Köpfe größer als Du; eine elegante, graziöse Erscheinung, mit jener echten, unbewußten Distinktion im Wesen und in Haltung, die nicht die sorg fältigste Erziehung zu geben im stände ist, wenn der Kern fehlt: die angeborene Vornehmheit, daS aristokratische Blut. Obgleich ich meiner Sache von vornherein ziem lich sicher war, wollte ich Dir doch nichts mitteilen, bevor ich mich von der Nichtigkeit meiner Vermutung vollständig überzeugt hatte, und da ich in der Gesellschaft keine Ge legenheit fand, mich eingehend mit ihr zu unterhalten, lud ich sic ein, mich zu besuchen. Sie ließ ziemlich lange auf sich warten; vor wenigen Tagen aber war sic bei mir. Und da erfuhr ich alles. Als dreijährige« Kind ist sie mit ihrem Baier nach A. gekommen. Au« ihrer ersten Kindheit erinnert sie sich nichts mehr; ihre Mutter hälh sie für tot, bald nach ihrer Geburt gestorben. Nach -em Tode des Vaters Hai sich ihrer ein altes Mädchen, eine wohlhabende Handwerkerstochier, angenommen, die sie mit einem ebenfalls verwaisten Knaben zusammen erzog. Sie scheint mit großer Liebe an dieser Pflegemutter zu hängen. Der Pslegcbruder hat Medizin studiert und ist gegenwärtig Assistent in LeisemannS Klinik. . . . Man munkelt sogar, künftiger Schwiegersohn de» Professor« . . . jedenfalls ein begabter Mensch, mit angenehmen, ge- fälligen Manieren. Sie selbst hat, wie gesagt, auch etwa» sehr Sympathische«, Anziehend«». Auch soll sie dervor- ragen- begabt sein; wie ich hört«, hat sie sich bereit» mit einigem Erfolg schriftstellerisch beschäftigt. Natürlich habe ich ihr nicht Las Geringste verraten, überlass« es vielmehr Dir selber, ihr eventuell die betreffenden Ent hüllungen zu machen. Ich meine nur, ein fo wunder bares Walten der Vorsehung dürfte man nicht unbeachtet lassen. Wenn Du irgend kannst, komme her. Ich würde mich sehr freuen, Dich einige Wochen hier zu haben. Bei unS ist soweit alles beim alten. Von unserem Prozesse mit Kurt und Helene schrieb ich dir bereits. Der für gestern anberaumte Termin ist wieder vertagt worden. Ich habe beinahe das Gefühl, als ob es Axel mit den Kindern hält, anstatt mit mir. Aber ich werde die Geschichte trotzdem durchsetzen. Also für heute Adieu und au rsvoirk Dein« alte Freundin. Eva Waldmeister, verw. Gräfin Riehl, geb. Baronesse JpSminghauS. An Hochwohlgeboren Frau Mathilde von Aspern, geborene Freiin von Havclanb. DreSben-Altstadt. Dres-en-Altstadt, den 8. Februar 1801. Meine gute, liebe Eva! DaS war eine Ueberraschung! Ich war einfach sprach los, als ich Deine lieben Zeilen las. Ich muhte weinen. Und -aS war gut, denn mein Mann überraschte mich ge rade und fragte nach der Ursache meiner Tränen. Da gab ich ihm Deinen Brief und daraufhin fand er meine Bewegung natürlich begreiflich, und auf meine Bitte, mich nach Verlin reisen zu lassen, gab er sofort sein« Einwilligung . . . Ist das ein Glück. . . Ich sage Dir, hier ist in diesem Winter rein gar nichts los. Eine vollständig tote Saison. Das Dres-eu ist überhaupt «ine kolossal langweilige Bude. Ich weiß gar nicht, wie -aS kommt. Stuttgart ist doch eine weniger bedeutende Stadt, und was haben wir un» da amüsiert! Was haben wir da für einen Fasching gehabt! Dies« Sachsen haben gar keine Verve! Um auf die betreffende Sache zurückzukommen: Auf richtig gesagt: Ich wußte ja, wo Thyra zu finden war. Aber, du lieber Gott, Altstadt ist so weit, und wa« hätte cS schließlich für einen Wert, daß ich dahin reiste. . . . Na, und dann da» Milieu de» Kinde« . . . lieber Himmel . . . wa» hätte man da erleben können! Damal», nach Eorneliu»' Lod, hätt« ich st« ja reklamier«,» könne»)
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