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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902120401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902120401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-04
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BezugS-PreiS t» b«r Hmivtrxp«dktto» oder de» tta Stadt- Ledaktton «vd Erpeditio«: Aohmmtsgafse S. Fernsprecher ISS und 822. FU1al«tp»VMM»« r UlfdedPah»,vachha»dlg^ üstversitStdstr.S, R. Lösche, Lachartuellstr. 14» o. KöMgSpl. 7. Hlmpi-Filiale Vrer-ea: Strehlen«» Straße S. Fernsp«cher Amt I Nr. INS. Haupt-Filiale Serllu: USntggrützer Straße II» Fernsprecher Amt VI Nr. »6SS. Str. «16. Morgen-Ausgabe Druck und Berlag von S. Polz in Leipzig. 8«. Jahrgang Donnerstag dm 4. Dezember 1902. eiMM.TagMM Anzeiger. Ätirksvintt des Königlichen Land- und des Königlichen Ämlsgerichles Leipzig, des Rates nnd des Rolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Annahmeschluß für Anzeigen: Sbind'Ansgab«: vormittag« 10 Uhr. vrorg«»-L»-gab«: Nachmittag« L Uhr. Anzeigen sind stet« «, di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh S bi« abend« 7 Ubr. Extra-Beilagen (gefalzt), aur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderuag SV.—, mit Postbeförderung ^tl 70.—. Anzeigen-Preis die «gespaltene Peittzrile LS Reklam«» uuter de» Nedattto»«ftttch (4 gespalten) 76 vor den Familtrnnach- richte» («gespaltr») «0 Tabellarischer und Htffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen »ad Offertenanuahm« L5 H (excl. Porto). Ver „parlamenlische Gewaltstreich." Me Blätter der linksstehenden Parteien bis herein in den linken Flügel der Nativnallibcralcn sind voll des Jammers über den „parlamentarischen Gewaltstrcich", den angeblich der Antrag Kardorsf verübt. Er sott den ParlamerrtariSmus an der Wurzel schädigen. Merk würdiger Weise wird dabei das Recht der Mehrheit, das Gewollte auch durchzusetzen, diese Stammwurzcl des Par lamentarismus, sehr wenig beachtet. Die Art und Weise, wie die Sozialdemokratie durch Daucrrcdcn, durch An träge ohne Zahl, die gar nicht ernst gemeint waren, die Mehrheit an der Ausübung ihres guten Rechtes hindern wollte, wird regelmäßig todgeschrvicgen. Skandalsecnen, wie sie in den letzten Tagen zur Schmach des Reichs tags vorkamcn, werden durch die Nervosität entschuldigt, welche sich der Sozialdemokraten wegen ihrer „Vergewal tigung" bemächtigt habe. Daß die Reichstagsmehrheit durch die Obstruktion nervös wurde, davon wollen die linksliberalen Blätter nichts wissen. Die Hartnäckigkeit, mit welcher die Agrarier die ernstesten Erklärungen der Reichsregierung ignorierten, der späte Zeitpunkt, in welchem sie sich zu Unterhandlungen entschlossen, soll nicht entschuldigt werden. Allein beide? entschuldigt die Ob struktion nicht, und diese würde um so mehr stattgesunden haben, wenn das Agrariermni früher begriffen hätte, daß es gut tue, etwas zu stände zu bringen. Man wird es selbstverständlich nicht gelten lassen, wenn man in diesem Streite von Zweckmäßigkeitsgründen sprechen wollte,' davon, daß noch kein größeres Gesetz gebungswerk zu stände gekommen ist, wenn nicht die parlamentarischen Gesctzgcbungsfaktoren auf Detail beratung verzichten oder doch eine weise Lelbstbeschrän- kung sich auferlegten, wie bei der Beschlußfassung über das Bürgerliche Gesetzbuch. Näher liegt aber eine andere Analogie. Man ist längst einig ärgster, daß, wenn die Reichsgesetzgcbung die beengenden Zuständigkeitsschrankcn des Art. 4 der ReichS-Versassnng l„Dcr Beaufsichtigung seitens des Reiches nnd der Gesetzgebung desselben unter liegen die nachstehenden Angelegenheiten nsw.") über schreiten will, es nicht erforderlich ist, daß vorerst die Reichs-Verfassung abgeändert werde, um dann erst das gewollte Gesetz zu beschließen, sondern daß es genügt, wenn alle Gcsetzgebungsfaktoren sich über ein durch den Art. 4 nicht gerechtfertigtes Gesetz einigen, und daß hierin imlüicito die Vcrfassungs-Acnderung liegt. Analog an gewendet, kann der Reichstag die durch Art. 27 („Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Ge schäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schrift ¬ führer.") seiner Autonomie überlassene Geschäftsordnung auch impliolto ändern, anstatt durch Beratung und Be schlußfassung über einen Aendcrungsantrag der Ob struktion ein neues Feld cinzuräumcn. Wenn manche Blätter den Art. -'7 zum Ausgangspunkt nehmen, die dem Reichstag vollkommen frei überlassene, einmal be schlossene Geschäftsordnung unter einer Art von ver sa s s n n g ö m ä ß i g c n Schutz zu stellen, so zeigt dies nur, wie weit die Begriffs-Verwirrung bereits ge diehen ist. Einen geradezu erschreckenden Grad nimmt diese Be griffs-Verwirrung an, wenn linksliberalc, sage liberale, Blätter die Frage aufwerfen, ob der Kaiser das „ordnungswidrig" entstandcnde Gesetz anSfertigcn und verkündigen dürfe. Die Frage kann nur unter der Vor aussetzung aufgeworfen werden, daß der Bundesrat daS Gesetz genehmigt bat. Wo sieht aber die Reichs-Ver fassung eine Prüsungsinstanz über das verfassungsmäßige Zustandekommen eines Neichsgcsctzes vor? Mrgends! Nach Art. 5 der Reichs-Verfassung wird die Reichsgcscy- gebnng durch Mehrheitsbeschluß des Bundesrats und des Reichstags ausgeübt. Nirgends ist den Minderheiten beider Körperschaften ein Beschwerderecht eingcräumt, ebensowenig irgend jemand das Recht, solche Beschwerden zu bescheiden. Dem Kaiser steht nach Art. l7 die Ausferti gung und Verkündung der Reichsgesetze als Recht und als Pflicht zu, nicht mehr. Nach Anschauung dieser liberal sein wollenden Blätter müßte der Kaiser selbst die Streit frage erhebe» und bescheiden, ob ein Gesetz riw zu stände gekommen ist. Er wäre Kläger und Richter in einer Person. Tas wäre ein Umsturz der Verfassung, von der man am wenigsten glauben sollte, daß ein liberales Blatt ihn befürworten könnte, und nun vollends ausgedehnt auf eine Verletzung der Geschäftsordnung des Reichs tags. Ueder was läßt sich nicht streiten? Wo könnte man nicht finden, daß bei dem Zustandekommen eines Ge setzes etwas nicht ganz korrekt geschehen ist? Zum Glück wird das Pflichtgefühl des Kaisers Deutschland vor einer solchen Revolution bewahren. Aber traurig ist es, wenn die Leidenschaft auf gesetzlichem Boden stehende Blätter zu solchen Extravaganzen treibt. üeschiiftigmlg junger Juristen in gewerblichen Betrieben. Die Klagen über mangelnde Füh lung der Richter mit dem praktische n Leben sind alt und leider wohlbegründet. Es ist deshalb freudig zu begrüße», daß wenig stens eilte Negierung die Berechtigung dieser Be schwerden durch die Tat anertennt. Eine wichtige, sehr erfreuliche, der Nachahmung in einem größeren Bereiche werte Neuerung wird jetzt ans Sachsen-Weimar gemeldet: Das dortige Staateministeriiim hat es für zweck dienlich erklärt, den jungen Juristen zur Er weiterung ihres Gesichtskreises und zur Schärfung ihrer Urteilskraft Gelegenheit zu geben, wenigstens eine Zeit laug — unter Anrechnung eines Zeitraumes bis zu drei Monaten auf den Vorbereitungsdienst — ineincmge werblichen Betriebe praktisch tätig zu sein, z. B. bei größeren Bankinstituten, Fabrikunternchmeu, land wirtschaftlichen Betrieben, städtischen Verwaltuugcu, Ver sicherungsanstalten, bei Forslinspektivnen, Obcri'örstereien nsw. Ten Gcrichtsassessorcn sollte hierfür ein Urlaub bis zu sechs Monaten bewilligt werden. Anfangs NE wurde die Verfügung für die Referendare dahin erläutert, daß die Zuweisung von Amtsivcgen zu erfolgen habe, und binnen bestimmter Frist hatte sich jeder zu erklären, wel chem Betriebe er zugcwiesen zu werden wünsche. Zu diesen Anordnungen des Großherzoglich Sächsischen Ministeriums läßt sich die „Deutsche Jnristcnzeitung" eingehend vernehmen. Das Blatt schreibt: Wohl jeder Referendar mochte schon läh mend empfunden haben, daß er mit der verkehrSmüßigcn Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses nicht hinreichend vertraut war. Mit Freuden hat denn auch der weitaus größere Teil bereits die Gelegenheit benutzt, mit dem für die Bedeutung der einzelnen Erscheinung nun mehr em pfänglichen Auge sich zeitweilig und ohne die Besorgnis, von anderen inzwischen überholt zu werden, ausschließlich wirtschaftlichen, gewerblichen Betrieben znzuwcudcn, nm zu beobachten, zu fragen und zu lernen, wie Arbeit und Umsatz, Ivie Handhabung nnd Berkehrssitte sich dort ge stalten. Außerhalb des Großhcrzvgtums freilich, wohin von Amtswegcn Vermittelungsbemühnngen nicht gerichtet wurden, namentlich in den großen Verkebrszeutren, fanden die jiiuaeu Furistcn verschlossene Türen. Die Be triebsleiter waren nicht geneigt, Opfer an Raum und Zeit und an der Arbeitskraft ihrer voll beschäftigten An gestellten ohne Gegenleistung zu bringen. Dafür gaben sie wohl den Rat, die Referendare auf Handelsschulen zu schicken. Die idealere Auffassung, daß ein Entgegen kommen im Grunde doch nur ihnen selbst wieder zu Gute kommen würde, war nur die Ausnahme. Vielfach wurde auch ein Zeitraum von drei Monaten für nicht ausreichend erklärt. Seltsamerweise ist nun aber gegen die Neuerung gerade aus juristischen Kreisen Protest er hoben worden mit der Begründung, daß die An rechnung der drei Monate ans de» Vorbereitungs dienst unstatthast sei, daß cs also zur Anfechtung eines Urteils kommen könnte, weil der Richter nicht den ge forderten Vorbereitunasdienst absolviert nnd somit über haupt nicht die Fähigkeit zum Nichteramt erlangt habe. Die damit eingetretene R echtsnnsiche r beit ist bis her nicht behoben worden. Unseres Bedünkeus wäre cS wertvoll und nützlich, wenn die in Sachsen-Weimar er möglichte Beschäftigung der snngen Furistcn in gewerb lichen Betrieben nicht nur durch übereinstimmende Ver fügungen anderer Regierungen verallgemeinert, sondern auch vor den erwähnten formalen Anfechtungen durch authentische Auslegung der Bestimmungen über den Vor bereitungsdienst gesichert wurde. Den Vorteil hätte der Richterüand ebenso sehr wie das Publikum, das aus die Richter angewiesen ist. Deutsches Reich. * Leipzig, 3. Dezember. In Sachen der Revision deS Strafprozeßrechts sind bekanntlich zwei Kom missionen einberusen worden, von denen die eine bereits zum ersten Mal: getagt bat, wäbrcnd die andere erst am 14. Januar n. I. zusammentreten wird. Die Einladungen zu dieser zweiten Kommßsiou sink rom Staatssekretär des NeichsjuslizamtS unterzeichnet und nach der „Nat.-Ztz." au folgende 21 Herren gerichtet worden: Ballermann, Mitglied des Reichstags, Oberjnslizrat Banm- bach, OberlandesgerichtSrat in Dresden, Baumstark, Rechtsanwalt in Karlsruhe, Behringer, LaudgrrichlSdireklor in München, Vr. Buss, Landgerichtsrat in Darmstadt, l)r. von Calker, ordentlicher Professor an der Universität Straßburg, Gammers- bach, Rechtsanwalt in Köln a. Nh., Groeber, Mitglied des Reichstags, von Hecker, Oberstaatsanwalt in Ulm, Himburg, Mitglied des Reichstags, Kaufmann, ReichsgerichtSrat in Leipzig, Or. Kronecker. Kammrrgerichltrat in Berlin, Lenzmann, Mitglied des Reichstags, Dr. Nagel, Reichs« anwalt in Leipzig, Lr. Opsergelt, Mitglied deS Reichstags, k>r. Oppermann, Landgrrichtsbirektor in Berlin, L)r. Rintrlen, Mitglied des Reichstags, Tanckert, Erster Staatsanwalt in Nürn berg, vr. Wach, Rektor und Prosefsor an der Universität Leipzig, Vr. Weichler, Oberstaatsanwalt in Berlin, und Ur. Wolfs so», RechtSanwalt in Hambur . Diese Namen sind nach unser» Informationen richtig; dagegen ist nicht zutreffend, was weiter über die Auf gabe dieser Kommission mikgeteilt wird, nämlich: ES sollen besonders die schon in der sogenannten lex Rintelen enthaltenen Fragen von ter Sachversländigen-Kommijsion erörtert werden, also die Frage» der Berufung in Strafsachen deS Nacheiües rc., aber auch andere Punkte tollen in dem Bereich der Beratung gezogen werden. Es handelt sich nicht „besonders" um die in der sog. lox Rintelen enthaltenen Fragen. Unter Ausnahme derselben in das Programm verbreitet sich dieses rrbeblich weiter und läßt ferner Anregungen aus der Milte der Kommission selbst freie Bahn. m Berlin, 3. Dezember. lAusdenDenkwürdig- keite» des Generals und Admirals von Stvsch.) Die Fortsetzung der Denkwürdigkeiten Storchs, die im Dezemberhefte der „Dentschen Revue" veröffent licht wird, erstreckt sich aus die Zeit vom 22. Dezember 187: bis zum 2ü. Januar 1871. Demgemäß ist in diesem Ab schnitte viel von der Beschießung der sranzö fi sch e n H a u p t st a d t die Rede. „Wir haben zu lange ge trödelt", klagt Stvsch am 22. Dezember, „und Paris ist langsam au unserer Schwache gewachsen, sie haben Armeen gebildet, einen Artilleriepark formiert und angefaugcn uns zu bedrohen." — lieber B luincnthals Eigensinn im Punkte der Beschießung *, tiagl Stvsch wiederholt; noch am 4. Januar schreibt er: „Blumenthal ist auch heute noch der obstinate Nichtschießer." — Dagegen mißt Stvsch dem Kronprinzen Albert von Sachsen, der die Beschießung auf eigene Hand betrieben habe, „ein vor zügliches Verdienst" nm den Beginn der Beschießung bei. „Der Kronprinz ist", schreibt Stvsch am 9. Januar an G. Krentag, „augenblicklich ohne Zweifel unser bester Heer führer, ein sehr guter Kamerad und strenger Vorgesetzter. Er ist so sehr Soldat, daß ich meine, es kann ihm nicht viel von Partiknlarismus verbleiben." — Sehr bemerkens wert ist eine Auslassung Stoschs über die Rolle, welche *) Wir wiederholen, daß Blumenthal sich in jener Herr wiederholt über die ..weiblichen Einflüsse" beklagt bat, die sich von B erli u auZ gegen die Beschießung geltend machten, ll. i<. Fririlletoir. Aus -en Ärieyserlebnilsen des Generals Christian Ve wet. Das vor einigen Wochen angekündigte und mit Span nung erwartete Werk des Generals De Wet über seine Er lebnisse im letzte» Boerenkriege ist im Verlage von Karl Liwinna in Leipzig und Kattoivitz nunmehr erschienen. Es trägt den Titel „D er Ka m ps zwischc n B v c r und Brit e". De Wet hat sich als ein Meiüer im Kleinkriege gezeigt, hat selbst den militärischen Fachmännern neue Wege und den Beweis erbracht, daß ein Volk noch nicht zu ver zweifeln braucht, selbst wenn sein ganzes Gebiet vom Feinde überschwemmt ist, wenn seine Hauptstadt vom Feinde besetzt und alle seine Hülssmittcl in Fcindeshand gefallen sind. Mit staunender Bewunderung hat man auch in deutschen Militärkreiscn die strategische Knust und Ge schicklichkeit De Wctö verfolgt. Als Politiker ist De Wet vor dem Kriege wenig hervor getreten. Er ist ein Manu der Tat, und nicht des Wortes. Ihm waren die langatmigen Verhandlungen im Volksrat zn Bloemfontein, bei denen manchmal nicht viel heraus kam, in tiefster Seele verhaßt. Er wurde nur einmal in den Voltsrat gewählt, besuchte aber verhältnismäßig selten die Versammlungen, und wenn er anwesend war und das Wort ergriff, so sprach er, wie es ihm ums Herz war, nnd nicht, nm seinen Wählern zu gefallen. Er wvhnte aus seiner prächtigen Farm nördlich von Kronnsiad an der Eisenbahn nach Pretoria, fuhr aber lieber nach Pretoria, um dort seine Geschäfte zu erledigen, als nach Bloem fontein, weil er eben den Beratungen im Repräsentanten hanse aus dem Wege gehen wollte. Er war durchaus für die Selbständigkeit des Oranje- Freistaates nnd daraus bedacht, wirtschaftlich sein Vater land in d>c Höhe zn bringen. Aber er suhlte sich im Innersten seines Herzens verpflichtet, auch zn Transvaal zu halten, weil die Bewohner dieses Staates BlntSver» wandte und Ltammcsgcnossen waren. Der Krieg gegen England, der im Oktober 1899 begann, war in erster Linie ein Transvaal-Krieg. Nicht der Oranje-Freistaat, sondern Transvaal ist mit England in Differenzen geraten. Aber der Oranje-Freistaat und vor allem sein späterer Haupt. kommandant und erster militärischerFührcr De Wet fühlte sich vom ersten Augenblicke an verpflichtet, mit Transvaal zu gehen nnd treu zn den Blutsverwandten nördlich vom Vaal-Flusse zn halten. De Wet ist ein einfacher Mann, aber er hat eine Menge natürlicher Anlagen. Fließt doch in ihm altes Hugenotten blut. Leine Familie ist am Ende des siebzehnten Jahr hunderts mit den hugenottischen Flüchtlingen nach dem Kaplande gekommen, wo diese neuen Kolonisten außer ordentlich viel zur Hebung und Förderung der südafri kanischen Staaten bcigetragcn haben. Tc Wet ist schlicht und einfach in seincmi Wesen, aber sehr energisch. Das haben diejenigen Bvercn erfahren, die sich der Disziplin nicht fügen wollten oder die feig im Augenblick der Gefahr entflohen. De Wet hat sie mit der Nilpfcrdpeitschc rücksichtslos zn ihrer Pflicht znrückgeführt. Leine Erfolge verdankte er vor allem dem vortrefflichen Kunbschasterdienst, den er eingerichtet hatte; ferner seiner List, Verschlagenheit nnd ununterbrochenen Wachsamkeit und Vorsicht. Er hat bei den Bocren, außer der Disziplin, auch noch einen geregelten Wacbtdienst eingeftthrt, war selbst stets in gefährlichen Augenblicken wach nnd ans dem Posten und nur durch seine eigene Vorsicht und Wachsam- keit, die durch einen lehr leisen Schlaf unterstützt wurde, ist er unzählige Male der Gefangenschaft entgangen. Ganze Armeen waren hinter ihm her, um ihn nnd den anderen Mann, der den Widerstand im Freistaatc aufrecht erhielt, de» Präsidenten Steijn, zn fangen. Armeen von lo und 00 000 Mann haben Kesseltreiben gegen De Wet nnd seine geringe Schar veranstaltet, und immer wieder wußte er ihnen zn entgehen. Durch die Art und Weife, ivtc er die englischen Ossi ziere und Mannschaften narrte, ivie er immer wieder ihren Nachstellungen entging, sogar in Augenblicken, in denen er rettungslos verloren schien, hat er sich den Haß gewisser englischer Kreise zugezogen nnd der Erbitterung gegen ihn gaben englische Blätter durch Verunglimpfungen Ausdruck. De Wet wurde der Roheit und Gefühlslosigkeit beschuldigt, und den eng lischen Lesern als eine Art Räuberhauptmann dargc- stcllt. Aber ein Sturm der Entrliftnng erhob sich gegen diese Beschuldigungen in allererster Linie in englischen Kreisen, und zwar in der englischen Armee. Offiziere und Mannschaften, die mit Dc Wet zn tun gehabt hatten, die seine Gefangenen gewesen waren ober jemals mit ihm zu verhandeln hatten, traten mit ihrer Erfahrung und mit ihrer eigenen Ehre für den Bocrenftthrer ein, um ihren Land-leuten kund zu tun, bah er ein lauterer Ehrenmann sei, von einer persönlichen Liebenswürdigkeit und Güte, von der gerade die Gefangenen, die er gemacht hatte und die er ans das rücksichtsvollste behandelte, zu erzählen wußten. Nie hat er etwas getan, was auch nur den Schein von Unehrlichkeit oder Unmenschlichkeit in diesem mit so großer Grausamkeit geführten Kriege auf ihn geworfen hätte. Höhere Anerkennung kann niemandem werden, als vom Feinde, nnd die englischen Soldaten und Offiziere haben dc Wet, trotzdem er ihr gefährlichster Feind war, stets hochgeschätzt und bewundert. Auch die Bevölkerung Englands hat Respekt vor diesem Manne bekommen, wie der begeisterte Empfang bewies, der ihm bei seinem ersten Erscheinen in London zu teil wurde. Tc Wet hat durch dcn Krieg auch persönlich viel gclitlen und große Berluste gehabt. Seine blühende Farm in der Nähe von Hviliilgsspruit wurde, wie viele andere Farmen, von dcn Engländern nicdergebrannt und vollständig ver wüstet. Ein bei dieser Gelegenheit erbeuteter Rock des Generals wurde in London als Kuriosität nm hohen Preis versteigert. De Wet lebt in glücklicher Ehe, und seine Fran Hut sich ebenfalls als Heldcuiveib gezeigt. Sechzehn Kinder hat sie ihrem Manne geboren, von denen zwei «Mädchen» gestorben sind. Drei Söhne befanden sich mit dem 'Vater im Feldzüge, von denen zwei gefangen genommen nnd einer schwer verwundet wurde. Mit fünf Söhnen und sechs Töchtern befand sich die Fran De Weis monatelang vor den Engländern auf der Flucht, bis sic endlich am 2(>. November in deren Hände siel und als Ge fangene nach Johannesburg gebracht wurde. Erst nach dem Friedensschlüsse sollte sic ihren Gatten Wiedersehen. Die großen Erfolge, welche De Wet als Soldat und als Politiker errungen hat, die Bewunderung der ganzen zivilisierten Welt, die ihm in so lauter Weile ans seiner Reise durch Europa knndgeivorden ist, hat ihn nicht im mindesten veranlaßt, sein bescheidenes Wesen zn ändern. Bescheiden nnd schlicht ist auch die Art und Weise, wie er seine Erlebnisse schildert. Unzählige Male Hütte er Ver- anlassung golmbt, sich selbst bei diesen Schilderungen einigermaßen in dcn Vordergrund zn stellen, aber nichts lag ihm ferner als das. Er berichtet von den staunenswerten Taten, die er vvllführt, von den Leistungen, welche er bei seinen Mitkämpfern ermöglicht hat, mit einer Bescheiden heit nnd Schlichtheit, welche uns diesen lauteren Eliarakter, diesen Gentleman im besten Sinne des Worte» noch glaub- würdiger macht. Als Beispiel dafür, wie De Wet cs verstand, den Eng ländern zn entwischen, sei folgende Episode von seiner Rückkehr aus Transvaal in den Oranje - Freistaat im August 1900 mitgeteilt: Ich mußte jetzt mit meinen 200 Reitern über die Magaliesberge. Die nächsten zwei Pässe, durch welche ich ziehen konnte, waren Olisantsnek und Kommandonek: aber ersterer lag zu weit westlich, nnd letzterer war wahr scheinlich bereits von den Engländern besetzt. Ich beschloß deshalb, einen zwischen beiden Pässen über das Gebirge führenden Fußpfad zu benutzen. Am 18. August kamen wir an einen bos, aus welchem Deutsche wohnten — die Eltern und Schwestern Penz horns, des Sekretärs von General Piet Eronjc; sie nahmen uns sehr freundlich ans nnd bewirteten uns mit der größten Gastfreundschaft. An demselben Tage zogen wir von hier weiter nnd ent deckten bald ein großes feindliches Lager auf dem Wege von Rnstcnbnrg und Pretoria zwischen Kvmmandonck und dem Krokodilflusse. Es war von der Stelle, von der au-: wir es sahen, etwa l> Meilen südwestlich entfernt, während ein anderes großes Lager 7 Meilen von uns in nordwest licher Richinng lag. Ter Feind konnte uns deutlich sehen, den» cs war ringsum vnenes, nur hier und da von kleinen Waldslächen iittlerbrochciieö Feld. Wir ritten in der Richtung des Wvlbutcrskop, dec in unmittelbarer Nälic der Magaliesberge lag, weiter. J<!> dachte, hier die große Straße von Rnstcnbnrg nach Pie toria gewinnen zn können, von welcher der Fußpiaa über den Magalicsbcrg dann noch 8 oder 9 Meilen -ntkernt Ivar. Wir kamen bis etwa 2 Meilen östlich vom Wo-Hnters- lop, als wir plötzlich zwei englische Kundschafter vor uns sahen. Wir nahmen den «inen gefangen, und er erzählte uns, daß direkt vor uns bedenkende englische Streitkräfte anrnclten. Was sollte nun geschehen ? Den Fußpfad konnten wir nicht benutzen; denn hier veriverrten uns die eben genannten Streitkräfte den Weg, im Norden und Westen standen ebenfalls, wie ich bemerkt batte, cngllschc Truppen nnd vor uns lag die Kcttc der Magaliesberge. Wir befanden uns alfo sozusagen zwischen vier Feuern. Dabei machte mir noch die furchtbare Er müdung unserer Pferde Sorge. Ich konnte mir zwar denken, daß dies auch bei den Engländern der Fall war, konnte aber nicht wisicn, ob sie nicht frische Pferde ans
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