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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021218012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-18
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3.Mge z.ÄiWMMblM M WigcrNl.M, IRmrÄG ILLMder IM. stioW-AsM Abg. vr. Paasche über die Obstruktion. Gegenüber den wilden, aufreizenden Beschuldigungen der sozialdemoikratischen und der ihr ge- sinnungsverwandten Presse, die Mehrheit des Reichs tags habe von Anfang an die Absicht gehegt, den Zolltarif „durchzuipeitschen", hat -er n a t i o n a l l i b e r a l e Ab geordnete Professor vr. Paasche am 18. d. in der be rühmten Dauersitzung des Reichstags die Schuld der Obstruktion an der „Durchpeitschung" so überzeugend dargelegt, daß die wörtliche Wiedergabe seiner Rede sich empfiehlt. Sie lautet: vr. Paasche: M. H., der Herr Abgeordnete Barth hat es vorhin mit ganz besonderer Freude ausgesprochen, daß die Worte des Herrn Grafen Hompesch den Mythus oder die Legende vernichtet hätten, als ob die Obstruktion dazu beigctragen hätte, die Mehrheit zu einheitlichem Borgehen gegen die Obslruiktion zu veranlassen, und er hat gemeint, er und seine Freunde würden dafür sorgen, daß die Rechtsverletzung, die diese Mehrheit sich habe zu schulden kommen lassen, nicht so bald aus dem Bewußt sein des deutschen Volkes verschwinde. (Sehr richtig! links.) Ich möchte ihm nur das Eine sagen: er mag cs leugnen, weil cs ihm unbequem ist, datzdicObstruk- tion, die er und seine Freunde gemacht haben, die Mehrheit fester und schneller zusammengeschmiedet hat, als es sonst vielleicht geschehen wäre; tatsächlich aber ist — das kann ich ihm aus den Verhandlungen selber verraten — ein gut Teil Schuld, wenn Sic das so nennen wollen, Ihne» zuzuschrciben, die Sic mit der ganz ungewöhn lichen Art Ihres Kampfes sehr wesentlich dazu bcige- tragen haben, daß auch diejenigen, die aus sachlichen Gründen ungern sich auf den Antrag Herold vereinigt haben, ihre Unterschrift mit dazu gegeben haben, lSehr richtig!) Und wenn der Herr Abgc-ordnetc Barth ge meint hat, es solle aus dem Bewußtsein des deutschen Volks die Rechtsverletzung, die seiner Meinung nach in dem Antrag Kardorff liegt, nicht so bald verschwinden, so will ich ihm das Versprechen geben: auch wir wollen dafür sorgen, daß die Stellung seiner Freunde zu den grundsätzlichen Gegn er nderStaatsord nu ng,den Sozial demokraten, nicht so bald vergessen wird. (Lachen links. Sehr richtig! rechts.) Denn daß Sie, die bisher in nationalen Fragen mit uns Hand in Hand ge gangen sind, jetzt grundsätzlich der Sozialdemokratie Bor spanndienste leisten, das soll Ihnen so bald nicht ver gessen werden. «Sehr richtig! rechts. Lachen links.) Ich glaube, das deutsche Volk wird auch wissen, wie cs über einen solchen Liberalismus zu denken hat. (Lebhafte Zu rufe links. Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident vr. Graf z» Stolberg-Wernigerode: Meine Herren, ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen! vr. Paasche: Das ist in Ihren Parteikundgcbnngen der letzten Tage klar und deutlich zu Tage getreten für jedermann. Tie haben erst vor kurzem auf Ihrem Parteitage programmatische Erklärungen erlassen, die kein Mensch anders deuten kann (Zuruf links), als so, wie sie jetzt allgemein gedeutet werden. (Sehr richtig! rechts.) M. H., der Herr Abgeordnete Barth hat freilich iro nisch die Stellung meiner politischen Freunde und unsere Mitwirkung an diesem Werke als eine heroische, glanz volle Rolle bezeichnet, die wir gespielt hätten. Ich glaube aber, meine Herren, meine politischen Freunde haben gar keine Veranlassung, sich der Nolle, die sie in diesem Kampfe gespielt haben, irgendwie zu schämen (Bravo! und Sehr richtig! bei den Nationalliberalcn), sondern im Gegenteil, mir sind auf diese glanzvolle Rolle, wenn Sie cs so nennen wollen, stolz (Bavo! in der Mitte), und wir sind froh, daß es uns gelungen ist, durch Festhaltung an dem, was die Regierung für erreichbar erklärt hat, mit dazu bci- zutragen, daß sich auf dem Boden der Regierungsvorlage eine Mehrheit gefunden hat. (Zuruf links.) Wir wollen uns die Freude daran auch nicht verderben lassen. Die Verantwortung für den Zolltarif, die Sie uns zuschiebcn möchten, tragen wir gern: und wenn Sic draußen im Lande erklärt haben, die 50 Stimmen der Nakionallibe- ralen wären es neulich gewesen, die den Ausschlag ge geben hätten, so kann ich Ihnen heute erklären, wir wer den mit derselben Freude auch heute unser Gewicht in die Wagschale werfen zu Gunsten dieses großen natio nalen Werkes. (Bravo! rechts und bei den Nationallibe ralen.) Die Freude daran wird uns freilich getrübt durch die Art, wie der Kampf uns aufgezwungen worden ist,- denn auch wir hätten viel lieber eine ruhige, sach liche Diskussion dieses wichtigen Gesetzes gehabt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Das ist nicht unerhört, Herr Kollege Singer, sondern daS ist unsere feste und ehrliche Ueberzeugung. (Lebhaftes Bravo bei den Nationalliberalen.) Wenn Sie sich davon noch nicht überzeugt haben, daß es Ihre Obstruk tion gewesen ist, die jede sachliche Be ratung unmöglich gemacht hat, so will ich mit einigen Worten Ihr Gedächtnis auffrischen. (Sehr gut! rechts.) Ich will doch daran erinnern, daß in den ein zelnen Sitzungen der Kommission auch diejenigen, die Ihnen sehr nahe standen, es schließlich kaum noch aus halten konnten. Ihnen zuzuhören (Hört! hört! rechts), wie Sie mit übertrieben langen Reden jede Gegenrede unmöglich machten. Damals erschien in der „Frei sinnigen Zeitung", wenn ich nicht irre, jedenfalls von einem bekannten freisinnigen Abgeordneten, ein Artikel „Höllenqualen" überschrieben. Höllenqualen nannte eS ein freisinniger Abgeordneter, den sozial demokratischen Dauerrednern gegenüber sitzen und das Durcheinander Ihrer Reden mit anhören zu müssen (Leb hafte Zurufe bei den Sozialdemokraten) — ja, hören Sie es nur mit an, Herr Singer! (Andauernde Zurufe bei den Sozialdemokraten — Glocke des Präsidenten) — Ihnen gegenüber sitzen zu! müssen und mit anzuhören, wie Sie immer und immer wieder nur Reden halten, die den Zweck hatten, die Zeit zu vertrödeln, weil Sie, Herr Kollege Singer, noch in einer Fcbruarsitzung selber ausgesprochen haben: wir werben es nie zulassen, daß dieser Zolltarif aus der Kommission herauskommt. (Hört! 'hört! rechts.) Das vergessen Sie nur nicht: wir werden es draußen im Lande verbreiten. (Zurufe links und Un ruhe.) Bon der einen Sitzung — deren erinnere ich mich ganz genau, ich habe neulich den Bericht in einer liberalen Zeitung darüber nachgelesen — hieß es: von den fünf Stunden und 20 Minuten, die diese Sitzung gebauert hat, haben 4 Stunden und 80 Minuten die Herren Sozial demokraten für sich in Anspruch genommen (Hört! hört! rechts), ein einziger Redner .8 Stunden 30 Minuten. Dann kam Herr Stadthagen noch hinzu und ein paar andere (Glocke des Präsidenten.). Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg-Wernigerode: Ich bitte, keine Namen aus der Kommission zu nennen. vr. Paasche: Ich will Herrn Stadthagens Namen nicht genannt haben (Heiterkeit) — also: einer der Herren von der sozialdemokratischen Partei, dessen gewaltige Rednergabe ja allseitig bekannt ist. — Dann kamen noch wenige geschäftsordnnngsmäßige Bemerkungen des Herrn Präsidenten, ein paar Abstimmungen, damit war die Sitzung erledigt. Und, meine Herren, dabei saßen einige zwanzig Rcgiernngsvertreter und 24 Mitglieder anderer Parteien und mußten geduldig den Redeschwall der Sozialdemokraten über sich ergehen lassen, nur weil Sie erklärt hatten, wir wollen die Geschichte tvtreden. (Sehr gut!) Denken Sie doch auch daran, wie es weiter gegangen ist! Wir haben jetzt 46 Sitzungen der zweiten Lesung -es Tarif geseycs gewidmet. Glau ben Sie wirklich nicht, daß man selbst ein so wichtiges Gesetz, wenn cs in 1l0 Kommissionösitzungen vorberaten ist, in 46 Sitzungen gründlich erörtern könnte? (Zuruf links und Unruhe.) Und weshalb ist cs nicht möglich gewesen, meine Herren? Weil Sie mit Ihren ewigen namentlichen Abstimnmngen, Ihren Ge- schäftsordlningsredcn, mit Ihren Tauerreden von 3, 4 und mehr Stunden und Gott weiß, was sonst noch, es unmöglich gemacht haben, daß wir in eine sachliche Diskussion eintraten! (Sehr richtig! rechts. Lebhafte Znrnfe und große Unruhe links.) Und wenn der Tarif heute nicht so ist, wie er sein sollte und unseren Wünschen auch entsprechend wäre, so trage n Sie die Schuld (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalcn), die jede sachliche Erörterung ver hindert haben. (Bravo! rechts. Zurufe links.) Und diese Schuld werden Sie tragen müssen: denn Sie haben es absichtlich verhindert, weil Sie wollten, daß das Gesetz nicht zu stände käme. Denken Sie daran: Ihr Freund Bebel hat in Hamburg sich hingestcllt und seinen Genossen gesagt: wir garantieren Ihnen dafür, daß dieser Zolltarif nicht fertig wird! Nun, er iü ein ebenso schlechter Prophet, wie Herr Kollege Barth. Herr Kollege Barth hat in derselben Weise seit Monaten erklärt: wir werden alles tun, nm das Gesetz zn Falle zu bringen. Tas mögen Sie doch gesälligst im Gedächt nis behalten! «Lebhafte Zurufe links.) Dafür haben Sic doch längst keine Entschuldigung (wiederholte Zurufe links), — längst keine Entschuldigung! (Sehr gnt! in der Mitte.) Wenn Sie dann sich hier hinstellcn und nun über die Lackhüte und die Wassergasfabrikation und Gott weiß alles Mögliche lange Reden halten und den Schein erwecken, als ob Sic cs wären, die sachlich diskutieren «Sehr richtig! rechts. Zurufe links), — nicht sachlich haben Sie diskutiert, sondern Sic haben uns an der sach lichen Erörterung gehindert! (Sehr richtig! rechts, in der Mitte und bei den Nationalliberalcn.) Eine ganze Reihe von Wünschen sind in den: Tarif deswegen nicht zur Erörterung gekommen. Namentlich haben mehrere meiner politischen Freunde recht dringende Bitten au die Fraktion gebracht, wir möchten dafür sorgen, daß diese und jene Position im Interesse der nationalen Arbeit unter allen Umständen geändert würde. Wir hätten gern hier die helfende Vaud geboten (Lachen links) und hätten gern dafür gesorgt, daß in ruhiger, sachlicher Diskussion alle Gründe für nnd wider erwogen würden. «Sehr richtig!) Sic haben uns gezwungen, kurz abzubrcchen, und wir müssen nun ein Werk hin nehmen, von dein ich neulich schon gesagt habe, daß es so, «vie es dastchk, vielleicht niemanden voll befriedigt. (Leb hafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg-Wernigerode: Meine Herren, ich bitte, die Unterbrechungen zu unter lassen. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemokraten.) vr. Paaschr: Nein, dank Ihrer Obstruktion! (Große Unruhe und Lachen links. Zuruf bei den Sozialdemo kraten.) — Wie meinten Sie: „Faule Ausreden?!" (Glocke des Präsidenten.) Vizepräsident vr. Graf zu Stolberg-Wernigerode: Ich rufe den Herrn Abgeordneten, der eben den Aus druck „faule Ausreden" gebraucht hat, zur Ordnung! (Abgeordneter Reißhaus: I ch war cs!) Also ich rufe den Herrn Abgeordneten Reißhaus zur Ordnung (Bravo! rechts), zum ersten Male! (Große Heiterkeit.) Ich bitte, fortzufahren. vr Paasche: Ich werde gern fortfahren, sobald die Herren geneigt sind, mir ruhig zuzuhören. Also ich sage, Sie haben es verschuldet. Wir hätten gerne manche sachliche Wünsche in diesem Tarif mit zur Geltung ge bracht, und, ich wiederhole, in den 46 Sitzungen würde es einem ernst arbeitenden Parlamente unter allen Um stünden gelungen sein — so gut wie 1870 mit sehr viel weniger Sitzungen das damals sehr viel schwierigere Werk des Zolltarifs durchgcscyt wurde. (Hört! hört! rechts.) Damals handelte es sich darum, mit dem Prinzip des Freihandels zu brechen, das Prinzip des Schutzzolls einzuführcn. Damals waren es grundlegende Kämpfe, während es sich heute nur um rein quantitative Unterschiede handelt (Sehr richtig! bei den Nationallibcralen. Lachen und Zurufe links), nm ein paar Pfennige mehr oder weniger. (Widerspruch links.) Sie selber spotten ja nur über das 50-Pfennig- stück. Es sind quantitative Unterschiede, und wenn Sie ehrlich prüfen wollen (große Unruhe links), so sind die quantitativen Unterschiede nicht ein mal groß, Herr Kollege Stadthagen. Tie können sich die 046 Positionen dnrchsehcn: Sic werden nicht wenig Erhöhungen finden, und wo Sie solche finden, so ist doch immer und immer wieder betont worden, daß cs sich um einen autonomen Tarif handelt — nm einen aütonomen Tarif, den vorhin der Abgeordnete Molken- buhr sehr geschmackvoll als ein Schachcrwerkzcng be zeichnete, womit man nur nach orientalischer Manier schachern wollte — einen autonomen Tarif, wie ihn jede Regierung braucht, wenn sie in Handelsvertrags verhandlungen eintretcn will, um sich handelspolitische Vorteile einzuhandeln. Nennen Sie das im orientalischen Jargon „schachern", so nenne ich cs ein verständiges Rechnen oder Rechten mit auswärtigen Nationen nm das, was unsere und was die Interessen der fremden Völker erfordern. (Sehr richtig!) Der autonome Tarif soll und kann nicht so, wie ec da steht, als Grundlage der Zollerhebung eingeführt werden: darin hatte der Herr Abgeordnete Barth recht, und ich habe das auch meinerseits schon vor kurzem be tont, dec autonome Tarif soll die Grundlage der Handels- vertrüge bilbett. Manches, was darinnen steht, muß gemildert werden. Die Wünsche, die heute laut werden, und die vielfach so dringend an uns herantreten, können leider nicht befriedigt werden, so weit sie sich auf Erhöhungen beziehen, wohl aber, so weit sie Ermäßigungen wollen. (Sehr wahr!) Wenn der Herr Abgeordnete Richter bereits von einer Novelle, die in Aussicht stünde, gesprochen hat, so ist mir von einer solchen Novelle nichts bekannt, und ich glaube auch nicht, daß meine politischen Freunde geneigt wären, das Werk, wenn es eben vollendet ist, schon wieder reformieren zu wollen. Ein« große Zahl von Artikeln, bei denen die Zölle im Tarif höher sind, als im Interesse gewisser ver brauchenden Industrien wünschenswert ist, werden sich durch die verbündeten Regierungen heruntcrhandeln lassen. Es ist uns bei vielen dieser Artikel ausdrücklich erklärt worden: es sind handelspolitische Er wägungen, die uns veranlaßt haben, diesen oder jenen Zoll zu erhöhen. Ich kann deswegen auf diese Fragen im einzelnen nicht eingehen: denn das hieße das Ausland darauf aufmerksam machen, daß wir bei dieser oder jener Position uns abhandclu lassen wollen, und wir würden erst recht schlechte „Schacherpolitik" treiben, indem wir die Karten aus der Hand geben. (Sehr wahr! in der Mitte.) Ich würde sonst gern, entsprechend den Wünschen meiner politischen Freunde, eine Reihe von Anregungen vortragen: ich möchte aber nur einen Punkt erwähnen. Den so vielfach geschmähten Qnebrachozoll 'haben die Negierungen in der Kommission auss lebhafteste bekämpft, wie Sie aus den ausführlichen Darlegungen des Grafen v. Posadomsky und des Herrn Handels ministers, die den Protokollen und Berichten beigegebcn sind, wohl ersehen haben werden. Daraus wird jeder herauslesen müssen, daß die Re gier u n g am wenigsten daran denkt, den Zoll in der von der Kommission be schlossenen vollen Höhe cinzusühren. Die großen nnd wichtigen Interessen der Lederindustrie werden meines Erachtens jetzt vertrauensvoll in die Hände dieser Negie rung gelegt werden können (Lachen links), die dafür sorgen wird, daß der Ausgleich stattfindct, der gefunden werden muß zwischen den berechtigten Interessen der Schälwaldindiistrie und den Interessen unserer so viel größeren Lederindustrie. (Sehr richtig! rechts.) Dar über, glaube ich, brauchen wir uns heute nicht den Kopf zu zerbrechen, ob ein Freund des Herrn Abgeordneten Molkenbuhr seine Lederfabrik nach Belgien verlegen will oder nicht. Warten Sie ab, bis die Handelsverträge vor liegen, dann werden Sie darüber urteilen können. (Sehr richtig!) Wenn wir den Wunsch haben, daß die Kompensations objekte, die der Negierung gegeben sind, benutzt werden, um jenseits der Grenze uns die Tore zu öffnen, so möchte ich auf der anderen Seite aber auch den Wunsch aussprcchen, daß die Negierungen die Waffen, die sie zum Kampfe brauchen, und die der Herr Gras Posadowsku seinerzeit bei Einbringung der Zollvorlagc ganz beson ders als erwünscht bezeichnet hat, nicht leichten Herzens ans der Hand geben werden, sondern daß sie zum Sck'uye unserer nationalen Arbeit diese Massen gebrauchen. (Sehr gut! — Der Abgeordnete Bassermann tritt an den Ncdner heran. Große Unruhe nnd heftige Zu rufe links.) Vizepräsident Di-. Graf zu Stolberg-Wernigerode: Meine Herren, ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unter brechen! Dr. Paasche: Ich will eS Ihnen verlesen, wenn Sic Interesse daran haben. — Daß mein Freund Bassermann mich darauf aufmerksam macht, etwas nicht zu vergessen, was ich sonst vielleicht in der Hitze des Gefechts übersehen hätte, das werden doch wohl auch Sie für ein ganz be rechtigtes Frcundschastsstückchen halten. (Heiterkeit links.) Also ich wiederhole: ich wünsche, daß die Regie rungen die Waffen, die ihnen jetzt durch den Zolltarif in die Hand gegeben werden, nicht nutzlos und vergeblich bei Seite legen, sondern benutzen werden, um im Interesse der Landwirtschaft und der Industrie und damit auch im Interesse der arbeitenden Klassen (Oh! oh! nnd Heiter keit links) Handelsverträge zu schaffen, die der Gesamt heit der Nation nutzen. (Sehr richtig! bei den National liberalcn nnd rechts.) Ja, meine Herren, ich habe hier schon mehrfach auf die Interessen der ar beitenden Klassen hingewiescn. Jedesmal, sowie ich das Wort in den Mund nehme, erfolgt immer eine gewaltige Unruhe auf jener Seite (links). Herr Singer und seine Freunde können nicht genug tun mit ihren Zu rufen: „Aha! Oho!", wenn unsereiner es wagt, die Interessen der Arbeiter zn vertreten. (Lebhafte Zurufe links.) Auch das werden wir im Wahlkampfe gerne öffentlich anssprechcn. Nicht Sic, die heute das bißchen Konkurrenz der Zuchthäusler den Arbeitern vom Halse halten wollen, sind die Freunde der Arbeiter, sondern die jenigen, die unserer Industrie die Konkurrenz des Aus landes fern halten wollen. (Große Unruhe links. Leb hafte Zustimmung in der Mitte und rechts.) Sie werden es ja erleben (Rufe links); die verständigen Arbeiter werden es auch einsehcn. Es ist ja auch aus Ihren Reihen oft genug und laut genug ausgcsührk worden: man solle die Interessen der deutschen Arbeiter nicht leichten Herzens prcisgebcn. (Anhaltende Unruhe links.) Vizepräsident Dr. Graf zu Stolberg-Wernigerode: Meine Herren, ich bitte, den Herrn Redner nicht zu stören! Dr. Paasche: So hoffen wir also, wie ich wiederhole, daß die Negierungen nach der Richtung hin daS Ver trauen, das wir ihnen schenken, rechtfertigen, daß sie nus bald gute Handelsverträge vor legen werden, daß sie diesen Taris, der keineswegs ein Wnchcrtarif, keineswegs ein hochschutzzöllnerischer Tarif ist, gebrauchen werden auch dazu, um unsere Handelsbeziehungen in die Bahnen zu lenken, die den Interessen der Gesamtheit nutzen. Wir hoffen, daß diese Handelsverträge mit den Staaten, mit denen wir bisher schon in Vertragsbeziehungen gestanden haben, recht bald geschlossen werden, und würden wünschen, daß uns womöglich noch in dieser Session ein fertiger Handels vertrag vorgelcgt würde. Damit könnten alle die Pro phezeiungen, als ob die Negierungen keine Handelsver träge wollten und die Mehrheit in einen zollpolitischen Kampf hincintrcibc, so bald wie möglich zu schänden werden. (Sehr richtig! bei den Nationallibcralen.) Ich will aber auch weiter hinzusügcn: wir erwarten auch — und einzelne meiner Freunde geben nnr in dieser Hoff nung ihre Zustimmung zu den Kompromißvorschlägcn —, daß man die Meistbcgünstigungsverträge einer genauen Revision unterziehen werde. (Sehr richtig! bei den Na tionalliberalen nnd rechtS.) Nach der Richtung hin sind uns Erklärungen in der Kommission gegeben worden (Hört! hört! links), die Ihnen ebenso bekannt sind wie mir. (Lebhafte Zurufe links.) Ja, das will ich ganz offen aussprcchen. Ich habe es schon mehrfach getan, und ich scheue mich nicht, das zu wiederholen: wir haben keine Veranlassung, Ländern, die gern das annehmen, was wir gegen Gegenleistungen anderen Staaten gegeben haben, die gern unsere volle M e i st b e g ü n st i- g u n g n c h m c n , aber nicht daran denken, uns gleich zeitig meistbegünstigend zu behandeln, — ich sage, wir haben keine Veranlassung, solchen Ländern das, was wir anderen Ländern zugestehen, ohne Aequivalent aus dem Präsentierteller entgegenzubringen. (Sohr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) Und wenn jetzt Amerika einen Handelsvertrag mit Kuba schließen und den kuba nischen Zucker und anderen Produkten 20 Prozent Er mäßigung gewähren wollte, so mögen die Amerikaner offen und ehrlich erklären, daß sic bereit sind, das, was sie anderen zngestehen, auch uns gegenüber zu tun. Aber wenn man dort ein Meistbegünstigungsrccht in be schränktem Sinne einsührt — Herr Richter nannte es „un reine Meistbegünstigung" —, so werden die Herren jen seits -cs Ozeans sich nicht wundern können, wenn wir unserer Regierung ans Herz legen, die Interessen des deutschen Handels und der produktiven Arbeit ähnlich zu schützen. Ich null heute nicht weiter auf diese Frage ein gehen, sondern nur zum Schluß darauf Hinweisen, daß wir glauben und hoffen, daß die Regierung im stände sein wird, zum Segen für die Gesamtheit gün stige Handelsverträge zu schließen. Die Negierung hat festgehalten an dem, was sie zuerst vor gelegt hat, und wir hoffen, daß sie diese Vorschläge, die jetzt gemacht sind, benutzen wird, wie ich wiederhole, nm ein großes nationales Werk zum Segen des Vaterlandes zu stände zu bringen. (Lebhafter Beifall bei den National liberalen, rechts und in der Mitte. Unruhe links.) Deutscher und Oesterreichischer Alpenverein Sektion Leipzig. m. Leipzig, 17. Dezember. Die unter Vorsitz des Herrn Stadtrat Ludwig-Wolf im Blauen Saale des K r i st a l l p a l a st c s gestern abend abgehaltene Haupt- versa m m lnng gab, nachdem sie die Herren E. Bern hardt und F. Riedel zu Rechnungsrevisoren erwählt, ohne Widerspruch zu einer für die Erweiterung der V a j o l c t t h ü t t e notwendig gewordenen Rest ausgabe von 4000 .L ihre Zustimmung, so daß nunmehr der Gesamtcrwcitcrungsbau 15 000 erfordert hat. In dem von ihm erstatteten Geschäftsbericht wußte der Vor sitzende noch besonders dankbar der Verdienste zn ge denken, die sich die Herren Regierungs-Baumeister K r a u s c und May Fickler um den Uinbau dieser Hütte erworben haben. Ersterer erstattete später einen einge henden Bericht über die Bajoletthütte, vor ihm Herr- Professor Dr. E. Schulz einen solchen über die 2,(41 Meter hohe M a n d r o n h ü tt e, woran sich die Mit teilungen des Herrn Max Fickler über das gemütlich« alpine Heim der Grasleithenhütte und des Herrn Victor Dietrich über die Lenkjöchelhütte un über die aussichtsreiche Schwarzen st einhütts schlossen. Von diesen, von der Sektion Leipzig unter haltenen fünf Schutz- und Unterkunftshütten, die in diesem Jahre eine Gesamtcinnahme von 4360 brachten, zeigte die Grasleithenhütte eine Frequenz von 2071 Per sonen. Es folgten die Bajoletthütte nrit 1665, die Schwär« zensleinhüttc mit 830, die Mandronhütte mit 880 und die Lenkjöchelhütte mit 124 Personen. Seit ihrem fünfzehn jährigen Bestehen hatte die Grasleithenhütte eine Gesamt frequenz von 10861 Personen aufzuweisen, von denen 3347 Personen Besteigungen ausführten. Auf das Bereinsleben zurückgreifen-, gab Herr Stadt rat Ludwig-Wolf bekannt, daß im abgelaufenen Jahre 10 Sektionsversammlungen und 10 Vorstands sitzungen abgehalten worden seien. Aus den Erträgnissen des Alpenfestes, das im März einen Ueberschutz von 700 ergeben habe, sei für einen etwaigen Ausfall späterer Veranstaltungen ein Reservefonds von 3000 angesam melt worden, dessen Höhe bis auf 5000 anwachsen solle. Die Bemühungen der Lektion, den hier entstandenen aka demischen Alpenverein an sich zu fesseln, habe bet diesem leider kein Echo gefunden. Man habe daher beschlossen, die Vergünstigung des verminderten MitgltederbeitrageS von 8 auf alle Studenten zu erstrecken. Der Redner schloß mit einem herzlichen „Glückauf" für daS neue Ver- cinsjahr. Tic im Lause der Versammlung vorgenommenen Wahlen beriefen Herrn Stadtrat Ludwig-Wolf er neut zum Vorsitzenden, dann in den Vorstand die Herren Alfred Braun, Hauptbuchhalter E. Eberth, Rechtsanwalt A. Kretschmer, Professor vr. C. Schulz, Schuldirektor Professor Thomas, Rechtsanwalt Dr. P. Tscharmann, und Lehrer A. Wolf; in den Hüttcnausschuß die Herren Alfred Brann, Victor Dietrich, Max Fickler, Herrn. Habe dank, Dr. mocl. Korman, Reg.-Baumeister C. M. Krause, Rechtsanwalt A. Kretschmer, E. Leonhardt, Verwaltungs- Direktor Fr. Schiele und Professor vr. C. Schulz; in den Bibliothekansschuß die Herren Dr. M. Friysch, Ober-Post» sekretär Snck und Lehrer A. Wolf und in den Ausschuß zur Beschaffung von Vortrügen die Herren vr. M. Fritzsch, Dr. moci. Korman, Stadtrat Ludwig-Wolf, Professor vr. Schulz, Ober-Postsetrctär Snck und Lehrer A. Wolf. Vor Schluß der Sektionsversammlung gab noch Herr Clemens Thieme sehr anschauliche, packende, wahrhaft poetische Schilderungen seiner Wanderungen im „N osengarte n". Nach den Dolomiten zog es ihn in diesem Jahre, nach dem von Weiulaub und Reben umrankten Bozen, nach den: Rosengarten mit den Vajolett-Türmen, mit ihren, mit schneeweißen Schleiern geschmückten Zinnen, nach dem vielumworbenen Gebiet der Leipziger Sektion, der Gras- lcithenhüttc. Von hier -rang er in das Hochgebirge ein und bestieg zunächst, Kamine und Felienklemmen nehmend, die Grasleithentürme, um nach Üeberwindung einer steilen Wand den Gipfel des höchsten Turmes zu erreichen und hier eine herrliche Fernsicht über die Rosen- talgruppc nnd ihre Umgebung zu genießen. Seine zweite Fahrt inS Hochgebirge galt der Ucbcrfchreitung der drei Grasleithenspitzen von Osten nach Westen. Bon der Juni scharte führte ihn der Weg über rauhzackige Felsen an un ergründlichen Tiefen vorbei, bis zum Gipfel der westlichen Spitze in einem beschwerlichen, durch ein furchtbares Ge witter unterbrochenen Aufstieg empor und nach der Gras- lcithenhüttc zurück, die am nächsten Tage zum Ausgangs punkte einer Besteigung des Dolago-Turmes wurde. Acht Kamine und Risse mußten von ihm durchklettert werden, ehe er die überraschend schöne Aussicht genoß, ehe er nach Ass««! Sollck. Iwioktsr unä dUUßsr vis jsätzi- kodr- unä katsntkollsr. IllsKLllt. 8s«« r LSMtkSM 2, ÜSilI8ttSM 2, p»ri«rr« u. 1. Lt»»e. Nir LvAksr, r»»vttvo, r«I«v l,«ckvrM»»r«n. pariser« u. 1. Li»»».
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