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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031009020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903100902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903100902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-10
- Tag1903-10-09
- Monat1903-10
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7014 Mandatsbestand erreichte die Partei 1882/85 mit 66 Litzen. Dann ging es in der nächsten Periode auf 72, in der da. rauf folgenden auf 86 Mandate hinauf, wonach wieder Rückgänge auf 84 und 75 folgten. Das Zentrum, das als solches in der 11. Legislaturperiode 1870/78 eS auf 58 Mitglieder gebracht hatte, zählte schon in der 12. Periode 88, dann 80, 07, 99, 98, 98, 95 und in der 19. Periode gar 100 Mitglieder. Die deutsche Fortschrittspartei, die in der Periode 1873/76 es auf 68 Mandate gebracht hatte, endete 1882 mit 38. In der nächsten Periode zog sie »msammen mit der Liberalen Bereinigung als deutsche Freisinnige Partei in das Abgeordnetenhaus und verfügte über 53 Titze. Diese sankon in den folgenden Perioden auf 40 und 29 Titze. In der Periode von 1894/93 waren Freisinnige BolkSpartei und Frei- sinnige Bereinigung mit 14 und 6 und in der letzten Periode mit 26 und 10 Mandaten vertreten. Die Polen besaßen in der Periode von 1866/67 unter den 352 Mandaten noch 21 oder nahezu 6 Prozent. Ihre Man- -atSzahl ist dann nie wieder auf dieser Höhe gewesen. Be trächtlich gesunken war sie aber erst in der letzten, in der 19. Legislaturperiode, wo sie nur 13 oder von den vor- harrbenen 438 Mandaten gerade 3 Prozent auSmachte. lD Berlin. 8. Oktober. sKonservative und Zentrum.) Di« „Kreuzztg." hat eS den National liberalen sehr verübelt, daß sie in ihrem Wahlaufrufe -war scharf gegen die Sozialdemokratie Stellung nehmen, aber nicht gleichzeitig von einer reaktionären Politik die Äbwehr -er sozialdemokratischen Gefahr erwarten. Auf Ler andern Seite zeigte sich die „Kreuzztg." sehr zufrieden stber -en Wahlaufruf des Zentrums. Beruht diese Zufriedenheit auch auf der klerikalen Schulpolitik, so ist doch die neuerdings bekundete Haltung deö Zentrums »ur Sozialdemokratie sehr geeignet, die konservativen Zentrum-schwärmer abzukühlen. Denn das leitende preußische ZentrumSorgan spricht sich heute sehr ent schieden gegen jede gesetzgeberische Bekämpfung der Sozialdemokratie auS, weil dadurch ein anderes Aus- «ahmegesetz, daS Jesuitengesetz, „konserviert" werde, und der Zentrumsführer Wacker in Baden erklärt: unter keinen Umständen könne ein ZentrumSmann einen Nationalliberalen gegenüber einem Sozialdemokraten unterstützen. Wird die „Kreuzztg." diese neue Bekundung klerikaler Politik mit Stillschweigen Mbergehen? — Vor der heutigen Plenarsitzung des BundeSratS hielten der Ausschuß für Handel und Verkehr und die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr, sowie der Ausschuß für Justizwesen Sitzungen. — Die hessische Regierung bat nach einer Meldung deS „Lokalanz." dem BundeSrate einen Gesetzentwurf be treffend die Entschädigung unschuldig Verhafteter vorgelegt. Der BundeSrat durfte schon in nächster Zeit zu dem Entwürfe Stellung nehmen, zumal der Reichstag wieder holt eine gesetzliche Regelung dieser Frage verlangt bat. — Der neue Marineetatsvoranschlag, der z. Zt. mit dem gesamten Etatsvoranschlag für daS Jahr 1904 dem Reichsschatzamt zur Nachprüfung vorliegt, enthält der „Voss. Zeitung" zufolge bei den Forderungen der großen Schiffs bauten (Linienschiffe und Panzerkreuzer) keine Titel für Ersatz bauten, sondern nur solche zu Vermehrungsbauten. Dagegen sind bei den Forderungen für kleine Kreuzer zwei als Ersatzbauten in Anrechnung gebracht. Von elfteren wurden bisher Ersatzbauten für die großen Kreuzer „Ersatz König Wilhelm", „Kaiser" und „Deutschland", von letzteren solche für „Zielen" und „Merkur" gefordert. — Die Stadtverordnetenversammlung beriet den sozialdemokratischen Antrag, den Magistrat um Auskunft zu ersuchen, ob und welche rechtliche Vorschriften besteben, nach denen der Polizei-Präsident von Berlin in der Laae sei, den Leitern städtischer Schulen Anweisungen über den Aus fall deS Unterrichts zu erteilen. Oberbürgermeister Kirschner führte aus, daß die Schließung der Schulen am Paradetage vom Kaiser befohlen sei. Der Polizei präsident habe nicht aus eigenem Rechte in den Schulbetrieb einaegriffen; er sei nur vom Kultusminister mit der Uebermitteluna des kaiserlichen Befehls an die Schulen be auftragt gewesen. — Zum beendeten Omnibusstreik wird der „Nat.-Ztg." geschrieben: „ES ist verschiedentlich die Ansicht zum Ausdruck gekommen, daß die Betriebseinschränkungen der Lllg. OmnibuS-Gesellschaft, welche gelegentlich des Streiks ihrer Angestellten eine Zeit lang stattgefunden haben, auf eurer Anordnung deS Polizer-Präsidenten beruhten. Diese Annahme ist nicht zutreffend. Die Direktion der OmnibuS-Gesellschaft hat vielmehr ihrerseits die Betriebs einschränkungen eintreten, insbesondere am Sonntag, den 27. September, den Betrieb ganz ruhen lassen. Nur am 30. v. M., dem Tage, an dem die Entlastung zahlreicher Metallarbeiter zu erwarten war, hat die Direktion der Ge sellschaft nach Benehmen und im Einverständnis mit dem Polizeipräsidium auf besten Anregung den Betrieb von 7 Uhr abends an eingestellt. Gleichzeitig wurde jedoch die Direktion ausdrücklich veranlaßt, fortan den Betrieb auf allen Linien in vollem Umfang durchzuiühren. Diese Erklärung ist ver anlaßt durch vielfache Preßangriffe auf daS Polizeipräsidium, baß es die Herrschast deS PobelS als ein vorläufig unab änderliches Faktunl hingenommen habe. — Der Breslauer sozialdemokratische Verein verurteilte den RevisroniSmuS, erklärte aber, daß keine Ursache vorliege, seinem Abgeordneten Bernstein das Vertrauen zu entziehen, nachdem dieser öffentlich die Dresdener Parteibeschlüste anerkannt habe. — Hier angekommen sind der hiesige braunschweigische Gesandte Freiherr von Cramm-Burgdorfs, der die Geschäfte der Ge- sandtschaft wieder übernommen hat, der Bevollmächtigte zum Bundes- rat, badische Geheime Oberregierungsrat Braun. — Abgereist sind der Präsident des Patentamts, Wirkliche Geheime Ober- regierungsrat Hauß, mit Urlaub, der Präsident der Seehandlung, Havenstein, mit Urlaub. — In der letzten Zeit ist dem Deutschen Ostmarken- Verein eine Reihe von besonderen Geldspenden zugegangen. So stiftete ein Teilnehmer an dem Gleiwitzer Tage, der nicht ge nannt sein will, 3000 Ferner hat der Königliche Musikdirektor Paul Runge in Kolmar im Elsaß dem Ostmarken Berein ein Kapital von 1500 .M überwiesen, besten Zinsen zur Unterstützung von deutsch-evangelischen Einwohnern des Dorfes Friedrichs dorf im Kreise Jarotschin zu verwenden sind, wo der Vater deS Stifters über 40 Jahre Lehrer gewesen ist. Weiter svendete ein ungenannter Gönner des Vereins in Berlin 500 ./L und endlich überwies die greise Schwester des Fürsten Bismarck, Frau v. Arn im-K röchle nd orff, der Bismarck-Stiftung des Ostmarken- Vereins 100 In dem Begleitschreiben der Frau v. Arnim heißt es: „Ich freue mich aller Betätigungen Ihres Verein-, weil sie so vollkommen in dem Sinne merneS teuren BruderS find. . . Möchte der Verein, der aus diesem Samenkorn entsprossen ist, sich immer kräftiger entfalten." * Hannover, 8. Oktober. Es steht nunmehr fest, daß au» An laß der Jahrhundertfeier der hiesigen 3 Regimenter Königs- Ulanen, Scharnhorst.Artillerie und Prinz Albrecht- Füsiliere die Offizierkorps der 3 Regimenter ein gemeinsame re stmahl veranstalten werden, zu dem der Kaiser erscheinen wird. Das Mahl findet am 19. Dezember statt. Für die Mann schaften finden Feiern in den Kasernen statt. * Görlitz, 8. Oktober. Zwei Görlitzer Sozialdemo kraten wurden beim Verteilen sozialdemokratischer Flug blätter in dem deutsch»böhmischen Grenzort Seidenberg- Ebersdorf verhaftet und dem Bezirksgericht Friedland überwiesen. C> Breslau, 8. October. In der heutigen Stadtverord- netensitzung wurde beschlossen, dem BolkSheilstättenverein zur Errichtung einer Volksheilstätte für weibliche Lungenkranke in Niederaieder oei Landeshut fünfzigtausend Mark als einmalige Bcihülfe und einen laufenden Jahresbeitrag von fünftausend Mark zu bewilligen. * Aus Baden. Die Hauptversammlung des badischen Lehrervereins, die vom 4. bis 6. Oktober in Baden- Baden tagte und zu der sich mehr als 1000 Lehrer eingefunden batten, hat einstimmig die von dem Referenten, Hauptlehrer Rödel in Mannheim, aufgestellten Forderungen genehmigt. Im einzelnen fordern die Lehrer: 1) die UmgestaltungdeS Normallehrplanes und der Volksschullesebücher unter Mit wirkung von Vertretern der Lehrerschaft; 2) Erweiterung der Interrichtszeit. 3) Schulaufsicht durch in der Volksschulpraxis gewährte Schulmänner lBeseitistung der schultechnischen Auf- ichtsbefugnisse der Ortsschulbehörde). 4) Solange dre VolkS- chullehrer ihre Ausbildung noch in besondere» Lehrer bildungsanstalten erhalten, sind diese so einzurichten: a. daß der erfolgreiche Besuch von sechs Klassen einer Mittelschule oder das Bestehen einer entsprechenden Prüfung Bedingung zur Aufnahme in das drei ZahreSkurse um fassende Seminar ist, d. daß dieses als höhere Lehr anstalt anerkannt wird, deren Absolvierung zum ordent lichen Besuch der Hochschule berechtigt, o. daß am Seminar nur akademisch gebildete Lehrer wirken, ä. daß mit demselben eine vollständige Uebungsschule ver bunden ist mit etatsmäßigen Lehrern, 6. daß daS Internat am Seminar aufgehoben wird. Eine weitere Forderung be trifft die gehaltliche Gleichstellung der Lehrer mit den gleich- ruachtenden Beamten. Daß die großherzogliche Oberschul behörde mit diesen Forderungen der Lehrer und mit der Art, wie sie vorgebracht wurden, nicht ganz einverstanden ist, läßt sich daraus schließen, baß der Oberschulrat keinen Vertreter zur Versammlung entsandt hatte. (AUgem. Ztg.) " In Clsatz-Lolhringen gewährt die Regierung jetzt auch den Veteranen der französischen Armee, die seit dem Kriege deutsche Untertanen geworden sind, eine Pension. Alle diejenigen alten französischen Soldaten sollen sie erhalten, die die Feldzüge von 1855 und 1870 mitgemacht haben und arm oder Invalide sind. * In Metz hat Bischof Benzler der klerikalen „Lothringer Volksstimme" ihren Arbeitsräumen und Maschinen den bischöf lichen Segen erteilt. Me Räume waren geschmückt: die Arbeiter, die Redakteure, die Mitglieder des BerwaltungSrateS waren ge kommen, ebenso eine Anzahl geladener Gäste, .die Vorsitzenden der katholischen Vereine, Geistliche und endlich die Redakteure der an deren am Orte erscheinenden katholischen Blätter. Nach der Be grüßung dankte der Bischof in herzlichen Worten, in denen er auf die Stellung der Presse und die Stärkung hiuwieS, die der katho lische Redakteur im Glauben und Gebete fände. Er vollzog dann die liturgische Weihe und machte mit sämtlichen Gästen einen Rundgang. Großbritannien. Freunde »nd Geguer Chamberlain-. * Leeds, 8. Oktober. In einer R«d«, die der Han- delSminister Gerald Balfour hielt, führte er aus, die vorzugsweise Behandlung der Kolonien wurde aus dem offiziellen Programm fortgelassen, weil sie eine Besteuerung von Rodmaterialen und Leben-Mitteln mit sich bringen würde, die das Land nicht dulden würde. Die Erwähnung des Rohmaterials in dieser Beziehung ist be- zeichnend im Hinblick auf die Ansicht Chamberlains, daß es möglich sei, den Kolonien annehmbar« Vorteile zu ge währen, ohne daS Rohmaterial zu besteuern. — Balfour erklärte ferner, obgleich der Schutzzoll keinen Teil de» Programms der Regierung bilde, würde die Lage sich möglicherweise ändern, wenn Chamberlain feine missio narischen Bestrebungen, die er so glänzend begann, voll endet habe. Die Regierung sei aber verpflichtet, keine finanzielle Reform einzuführen, bevor st« sich an das Land wandte. — Nach hierher gelangt«» Meldungen steht man dem Programme Chamberlains a m Kap allgemein günstig gegenüber. Nachrichten au- Kanada besagen gleichfalls, daß daS Programm dort eine gute Aufnahme gefunden habe (?), obwohl die kanadischen Industriellen nicht geneigt scheinen, eine weitere Ermäßigung auf Zölle für Manufakturwaren als Konzession an Großbritannien zum Dank« für die BorzugSbehanblung eintreten zu lassen. Ueber die Aufnahme de» Lhamberlatnfchen Pro gramms in Australien ist noch nicht» bekannt. — Die Bereinigung der Bergarbeiter von Groß britannien nahm in einer in Glasgow abgehaltenen Ber- sammlung mit 89 geaen 5 Stimmen «inen Beschlußantrag an, der sichgegen die von Lbamberlain vertretene Politik richtet. Die Delegierten vertreten 847 000 Berg- arbetter. Rußland. Indeukraivalle. * Orscha (Gouvernement Mohilew), 7. Oktober. Al- Heute verhaftete Juden durch eine berittene Wacht- Mannschaft auS dem Gefängnis zur Eisenbahn eskortiert wurden, versuchten threGlauben»genossen, die sich in einer Stärke von etwa 1000 Mann zusammengerottet hatten, die Verhafteten zu befreien, wurden «der mit blanker Waffe zurückgeschlagen: eS wurden zunächst 10 Ver haftungen vorgenommen. Orient. valkanmirre«. * Konstantinopel, 8. Oktober, i Nach einer amtlichen Mitteilung der Pforte hat der griechische Erz bischof von Castorta dem ökumenischen Patriarchat einen Bericht übersandt, wonach der Bandenführcr Tschakalarow mit feinen Genossen im Distrikte Castorta an der griechischen Bevölkerung Mordtaten und andere Missetaten begangen habe. Tschakalarow habe mehrere den Griechen gehörige Häuser in Brand gesteckt und drei Frauen und drei Männer entführt. Ferner wurden die verstümmelten Leichen einer Frau und eines ManneS im Gebirge aufgefunden. Tschakalarow habe außerdem eine Frau ermordet und einen Griechen namen» Lasso getötet, nachdem er ihn grausam verstümmelt hatte. * Sofia, 8. Oktober. Da» ministerielle Blatt „Duevnik" meldet: Die türkische und die bulgarische Regierung ver- ständigren sich in der Frage der Abrüstung. Bulgarien werde 20 000 und die Türkei 40 000 Mann ent lassen. Nach Durchführung de» Abkommen» werde Bulgarien all« kürzlich zu den Fahnen gerufenen Reser visten entlassen. Amerika. Verträge; Demission. * Ne» V»rk, 8. Oktober. Der Pariser Korrespondent -er „Associate- Preß" erfährt au» zuverlässiger Quelle, zwischen Frankreich und Großbritannien sei ein« Einigung über einen allgemeinen Schteds« gericht-vertrag zu stände gekommen. Alle wesent lichen Punkte seien geregelt, eS habe nur noch eine Eini gung über weniger wichtige Einzelheiten bezüglich ber Unterzeichnung stattzufinden. * Washington, 8. Oktober. Nach Mitteilungen au» dem Staatsdepartement ist der chinesisch-amerika nische Vertrag heute in Shanghai unterzeich- net worden; ber chinesisch-japanische Vertrag soll heute nachmittag unterzeichnet werben. * Santiago be Chile, 8. Oktober. Da» gesamte Mi nisterium hat seine Entlassung gegeben. Flotte. G Berlin. 8. Oktober. G.M. S. „Falke" ist am 7. Oktober in Kingston (Jamaika) eingetroffen. S. M. G. „Jaguar" ist am 8. Oktober von Lankau am Bangtse nach Nankig abgeaangrn. S. M. S. „Iltis' ist am 8. Oktober in Amoy emgetrofsen, an demselben Tage von dort nach Swatau in See gegangen und geht am 9. Oktober von dort nach Hongkong. S. M. S. „Eondor" ist am 8. Oktober in Suva (Fidjr-Jnseln) eingetroffen und geht am 11. Oktober von dort nach Samoa in See. S. M.S. „Victoria Louise ist am 7. Oktober in Kiel eingetroffen. Poslstation für S. M. S. „Beowulf" ist bi» auf weitere» Kiel. * Immer größere Panzerschiffe. Die deutsche Marine verwaltung hat bekanntlich, dem Beispiel der andern Staaten folgend, daS Deplazement der Panzerschiffe unausgesetzt erhöht. Die neuesten Linienschiffe werden 13 200 : grob sein. England scheint aber, obgleich die neuesten Linienschiffe New-Zealand und Hindustan bereits 16 600 t groß sind, auch damit noch nicht zu frieden zu sein: die drei neuen Linienschiffe deS diesjährigen Etats sollen das Riesen-Deplazemrnt von 18000 t erhalten. Japan folgt darin England; eS hat die englischen Werften zum Wettbewerb für ein Linienschiff von 18000 t aufgefordert. Kunst und Wissenschaft. Mnfik. I. AbonnementS-onzert im Gewandhaus». Leipzig, 9. Oktober. Zu Beethovens Ernst in Leben und Kunst gesellt sich die wunderbare Fähigkeit, für alle Arten und Schattierungen der Freude die echten und charakteristischen Töne und Weisen zu finden, die in den Symphonien in L-, ^», I'äur und Ümoll eine umge- heucrc Steigerung des Ausdrucks erfahren. Beethovens Symphonien sind Lebensgedichte, seine Werke sein Leben selbst und sein Leben und seine Kunst ist von einer einzig dastehenden Uebereinsttmmuing. Auf der einen Seite das Dasein mit all den grellen, unvorgesehenen Dissonanzen, auf der andern ihre Auflösung und ihr Ausgleich. Un gerade in des Meisters siebente Symphonie kommt die Helle, lichte und lebenswarme Freude am Dasein zu un verhülltem Ausdruck. Auch das trübe beginnende Alle- gretto in raoU vermag hier kaum einen Dämpfer aufzu setzen, denn e» bedeutet für mich nur eine vorübergehende Frage: „Was dann? nach so viel Glück und Lebensgenuß?" Und die Antwort wirb kaum erwartet, denn des Lebens und ber Liebe Wellen schlagen aufs neue über den Frager zusannnen. Durch das Ganze zieht sich eine seltene Schaffen»- und Herzensfreudigkeit; eine innige Wonne an wahrhaft Schönem tritt überall hier zu Tage. Und ein wahrhaft schönes u»!d ideales Musizieren war das auch gestern unter Meister NikischS Leitung! Die Sympho nie wurde prachtvoll gespielt, mit seltener Tonschönheit und dithyrambischem Schwünge, wogegen der eben er- wähnte Satz mit seinen schweren Accenten und seinem tiefen Ernste wundervoll abstach, vollends al» dann sein Teitensay mit dem milde versöhnenden Dur eintrat und allen Schmerz, alle Resignation in gedämpftem Lichte er scheinen ließ! Hier war alles individuelle, persönliche Tonsprache und die teilnehmende Phantasie de» Hörers fühlte sich zu nie ermüdendem Fluge emporgehoben. DaS ausgezeichnete Orchester bot unter Herrn Professor NtktschS Leitung noch den Reigen seliger Geister und den Furientanz aus Glucks „Orpheus". Auch hier be- wieö der geistvolle Leiter des Orchesters wieder einmal, daß es allein der Musik Vorbehalten sei, „das Mögliche, was doch unmöglich ist", zum Ausdruck zu brbngen. Ins besondere den Reigen fand ich ideal schön gespielt, mit süßestem Ton, unabhängig von allem Materiellen, im An- schauen wirklich klassischer Schönheitslinien schwelgend. Das tief empfundene und vorzüglich wiedergegebene Flötensolo verdient hier dankbare Erwähnung. Das klang wahrhaft hinein, wie ein Lied der Liebe, die nur Sehn sucht, Seligkeit und Frieden bedeutet. Mozarts herrliche Ouvertüre zur „Zauberflöte" eröffnete das erste Gewand- hauskonzert und wurde in ihrer etwas breiten, aber ge- radezu plastisch klaren und ausgezeichnet durchgearbeiteten Wiedergabe freudig ausgenommen. Die Solistin des in Rede stehenden Abends war eine einheimische, hochgeschätzte Künstlerin, Fräulein Helene Stacgemann, welche mit ihren außerordentlich fein durchdachten, künstlerisch abgerundeten und musikalisch seelisch belebten GesangSspenden reichen und wohlver dienten Beifall erntete. Fräulein Staegemann begann mit der schönen, auf den Ton edelster Empfindung gestimmten Arie (mit obligater Btolinbegleitung) aus Mozarts Oper „II re Pastors " und wurde ihrer vornehmen Aufgabe nach jeder Seite hin gerecht, umsomehr, als ihr künstlerisches Vermögen sie ganz besonders nach Sette ber liebevoll de- taillierenden Kunst der musikalischen Miniaturmalerei hin zuführen scheint. Die Dame kam der Forderung Mozarts nach, daß jede einzelne Note wirklich gesungen und em- Pfunden werden müsse zu gleicher Zeit. Der reich quellen, den, natürlichen Gefühlsäußerung kamen hier daS über aus sympathische, trefflich ansprechende Organ, vorzügliche Deklamation und erschöpfende Auffassung des jeweiligen » „Ja, zuerst die Musik und dann Edith. Aber sie darf nicht so häßlich weinen, sonst mag ich sie gar nicht. Kleine Mädchen weinen immer so viel, nicht, das ist doch ab scheulich?" Sie forschte weiter: wen er denn sonst noch so recht von Herzen lieb babe? Er machte ein sehr ernstes, nachdenkliches Gesicht. »Den lieben Gott, die Mutter Maria und den armen Herrn Jesus." »Hat dir Mama vom lieben Gott erzählt?" fragte sie lebyafter, aufrichtig erfreut. »Nein, Dtademoiselle bat mich einmal in die Sonntags, schule mitgenommen, da hat jemand Orgel gespielt und »och jemand hat uns schöne Geschichten erzählt und dann haben wir alle «in Bildchen bekommen." Er eilte -davon, kam gleich wieder und zeigte ihr das Blatt. Es stand eine rührende Ktndergeschichte darauf. Er wußte sie wörtlich auswendig, obgleich er so viel noch nicht lesen konnte: Ediths Bonne hatte sie ihm so oft vor lesen müssen, bi» sie in seinem Gedächtnis haften geblieben war. Sie spielte ihm nun aus seine Bitte das Kirchenlied, mit dessen Text die Geschichte schloß, auf der Violine. Er lauschte wie verzückt. In seinen Augen stand das Wasser, aber «S kam kein Laut von seinen Lippen. Das Kind war ihr ein wirkliches Rätsel. Er war im Grunde eine weiche, zärtlich«, liebebedürftiae Natur. Nur die Einsamkeit hatte ihn so scheu und verschlossen gemacht. Als sie ihm freund, lich zusprach, ihm die blaffen Wangen streichelt«, schämte er sich plötzlich und verbarg sein Gesicht vor ihr. „Hast du Tante Lotti nicht auch ein wenig lieb, Raoul" fragte sie ibn leit«. „Doch, doch!" sagt« er rasch. „Und Mama" Er schwieg lange. Die Lider hatte er scheu gesenkt. „Mama sagt nur immer: laß sein! Und ich soll Edith nicht anfassen." Das klang fast komisch wie er es so anklägerisch heraus- brachte — und doch lag dabei eine wahre Verzweiflung in dem blaffen, schmalen Kinüergesichte. Tie forschte nun nicht weiter. Es war ihr selbst ganz eng in der Kehle geworden. Mehr und mehr zog es sie zu dem einsamen Kleinen. Wenn sie morgen» eine Pause in ihren Uebunqen machte, so half sie ihm auch bei seiner Arbeit. Es entwickelte sich mit der Zeit ein drolliges kameradschaftliches Verhältnis zwischen ihnen. Marion erfuhr »ich» viel davon. Sie verließ ihr Schlafzimmer selten vor elf Uhr. In den Mittagsstunden war das Fräulein mit den beiden Kindern draußen im Bois. Das Dejeuner wurde nicht gemeinsam genommen. Die Kinder bekamen es vor ihrem Spaziergang, Marion frühstückte erst um ein Ubr. Liselotte bald mit dem einen, bald urit -em andern Teil der Hausgenoffen, je nach der Lage ihrer Mufikstunden. Zwischen Dejeuner und Diner erledigte Marion ihre gesellschaftlichen Pflichten. Wenn sie nicht selbst ihren „Jour" hatte, besuchte sie den der ihr bekannten Damen, oder es war eine Kunstausstellung zu besichtigen, ein Bor trag anzuhören, es gab Sitzungen von Bazarcomitss, in die sie sich hatte wählen kaffen. Ihr Hauptvergnügen aber war cs, in ihrer eleganten Charette Ausfahrten zu machen. Liselotte war selten zum Mitkommen zu bewegen, waS Marion gar nicht begreifen konnte. „Ich habe immer noch ein Gruseln vor dem unheim- lichen Apparat", gestand Liselotte der jungen Frau einmal. Marion lachte sie auS. „Das sagt nun meine leibliche Schwester. Und mein höchster Ehrgeiz ist e» doch, möglichst bald selbst unter die forschesten Chauffeusen von Paris gerechnet zu werden." „Du hast stärkere Nerven als ich, Marion. Mich macht schon der Lärm der Maschine ganz krank." „Aber die Geschwindigkeit, mit der man dahinsaust, ist es nicht, als ob man auf Windesflügeln durch die Welt käme?" „Ich werde de» Genusses nie so recht froh in meiner steten Angst, es könnt« irgend jemand überfahren werden. Und ich kann mir nicht helfen, bet der Schnelligkeit, mit der ihr bet «uern SportsauSslügen über die Landstraßen dahinrast, scheint mir alle Poesie, all« Freude an der Natur verloren zu gehen. Plan sieht nichts mehr, man oerfenkt sich in kein Landschaftsbild, sondern man saust am schönsten vorüber — man erkennt nur noch Chaufseesteine und Tele- graphenstanaen." „Du bist ja unbezahlbar. Kleine, mit deinen alt modischen Ansichten. Ich kann dir nur sagen: alle», Ma in der Welt «in bißchen was ist, huldigt heute schon dem Automobilismus. Und der Rest wird folgen. O, du mußt einmal in die Fabrik mitkommen und Donat darüber hören. Der ist vom Airiomobilteufel auch schon ganz un gar erfaßt." Liselotte hatte sich längst darüber gewundert, daß ihr Landsmann, seitdem sie hier weilte, bloß so selten sich auf Marion» „Jour" eingestellt hatte, wo sie ibn zudem nur immer flüchtig zu sprechen bekam. Schon öfters hatte sie eingehender nach ihm fragen wollen. Marion aber lächelte stets so überlegen, wenn sie seinen Namen auch nur erwähnte — als fände sie irgend etwa» höchst Amüsante- in ihrem Interesse, daß eine ungewisse Scheu sie immer wieder davon abbrachte. Nun ergab eS sich endlich einmal ganz von selbst, daß Marion ein bißchen ausführlicher über ihn sprach. „Er ist wohl sehr beschäftigt?" fragte Liselotte scheinbar leichthin, während aber doch ein flüchtiges Rot über ihre Wangen huschte. „Da er sich so selten hier zeigt." „Ja, er ist wieder einmal hinter einer neuen Erfindung her!" „Eine neu« Erfindung im Antomobilwesen?" Marion bejahte. „Nähere» bringt freilich kein Mensch aus ihm heraus. Georg« weiß ja Bescheid — aber am liebsten möchte dein kleiner blonder Prufsien auch ihm gegenüber sein Geheimnis noch so lang« bewahren, bis ihm die Sache selbst spruchreif erscheint. Ss ist die reine fixe Idee bet ihm geworden. Den lieben langen Lag steckt er in -er Fabrik da draußen in der Werkstatt bei feinen Zeichnungen und Modellen — da kombiniert er, rechnet, drechselt, montiert — er soll sich kaum «ine rechte Mittags pause gönnen. Wenn du dich übrigen- dafür interessierst, mal einen Blick in die Fabrik zu werfen, dann läßt sich da» ja zu jeder menschenmöglichen Tagesstunde machen", fuhr sie fort, indem sie die Schwester lächelnd musterte. „Ich meinte nur immer, weil du so wenig für den Sport an sich übrig hast, lohnte dir der Wea nicht." Liselotte verwickelte sich nun doch in ein paar Wider sprüche. Hinterher genierte sie sich vor sich selbst. Sie kam auf die Verabredung auch nicht mehr zurück. Und Marion schien sie rasch wieder vergessen zu haben. Da traf sie Donat unvermutet einmal auf der Straße, al» sie im Begriff war, vom Konservatorium nach Hause zurückzukehren. Zuerst erkannte sie ihn gar nicht. Er war ziemlich bleich geworden. In dem schlichten dunklen Ctvtlanzug sah er fast schmächtig au-. Er begrüßte Liselotte herzlich; aber e» lag doch etwa» Bedrücktes in seinem Wesen, da- ihr nicht entging. »Ich hörte, wie fleißig Sic die ganze Zett über waren", sagte sie zu ihm. „Sind Sie zufrieden mit Ihren Fort schritten?* „Ganz und gar nicht, gnädige» Fräulein. Ein paar Tage lang hält mich immer ein wilde- Srfolg-fteber ge packt — da gibt'- für mich nicht- andere-, al- meine Tabellen und KonstruktionSmobeue —, aber bann kommt plötzlich ryieder ein Nackenschlag: diese oder jene winzige Kleinigkeit hat man vergessen, nicht bedacht, nicht in Be rechnung gezogen, und sofort ist die Ernüchterung da. So hockt man wieder auf derselben Stelle. Ach, es ist manchmal zum Verzweifeln." „Daß Sie so mutlos sein können, daS habe ich mir bis jetzt gar nicht vorgestcllt." Nun lächelte er und schüttelte den Kopf. „O, so leicht unterkriegen lasse ich mich nicht. Im Gegenteil, wenn sich die Schwierigkeiten rund um mich so anhäufcn, daß mir kaum mehr ein Ausweg bleibt, dann reizt das die Kampfnatur in mir erst recht. Ich muß es durchsetzen — und ich werde cs." Er hatte dabei Fäuste gemacht, mitten auf dem Boulevard im Lichtesten Gedränge stehen bleibend. Liselotte fühlte sich in den Pariser Straßen sehr leicht verlassen und verloren. Sie fürchtete, den Omnibus nicht zu finden, mit dem sie täglich heimfuhr, wenn sie ihn nicht an der gewohnten Stelle abpaßte. Aengstlich blickte sie sich in dem Gewühl von Wagen, Fußgängern, Equipagen, Karren, Auiomobilrädern, VeloS und Droschken um. „Sie müssen schon nach Hause?" fragte er bedauernd. Als sie ihm über ihre Tageseinteilung berichtete, seufzte er leicht auf. „Es war mir nämlich gerade in diesem Augenblick, als ich Sie sah, eine solche Wohltat, daß ich in dem entsetzlichen großen Paris einen lieben Bekannten traf. Ich kann'S Ihnen kaum schildern, wie wohl mir das getan hat. Ich glaube, ich hätte sonst wieder, wie schon mehrmals, eine große Dummheit gemacht." Er war so sprunghaft, so wechselnd in seinem Aus druck; sie wußte nicht recht, wie sie ihn nehmen sollte. „Haben Sie Verdrießlichkeiten in der Fabrik gehabt?" fragte sie ihn, indem sie von neuem zögernd stehen blieb. „Ja. Ich habe die Arbeit, die ich nun schon zum fünften Male vorbabe, ohne baß sie vom Fleck will, zornig in die nächste Ecke geworfen und bin daoongelaufen — hierher, mitten in die Stadt herein." „Aber Tie geben sie nicht auf?" „Bewahre. Die vier ersten Male war'» gerade so. Und da war ich eine halbe Stunde später schon wieder in der Werkstatt und fing von vorn an." „Und da ging e» dann besser?" „Nein. Im Gegenteil. DaS war ja eben meine Dummheit: baß ich immer gleich wieder umgekehrt war. Ich hätte mich erst auslaufen oder irgend wem mein Herz au-fchüttrn müssen. So wie heute." (Fortsetzung folgt.)
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