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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190708247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19070824
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19070824
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-24
- Monat1907-08
- Jahr1907
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1907
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136 Plötzlich öffnete sich eine Türe und wutentbrannt, das Gesicht von Zorn entstellt, stürzte Zizingiberis auf den Gang. Deutlich drang seine schrille Stimme an mein Ohr. „Cannabis, Cannabis", rief er und dazwischen hörte man sein heiseres, kicherndes Lachen. Cannabis? hieß so das Weib, welches sich in meine Arme geflüchtet hatte? Mir kam es vor, als hätte ich diesen Namen schon irgendwo früher gehört, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo und wann, denn meine Gedanken tanzten noch immer im wilden Wirbel und überdies ließen mir die rasch herein brechenden Ereignisse keine Zeit zum Nachdenken. Die Schöne hatte sich beim Erscheinen des Tokdors nur noch enger an mich geschmiegt, ihre Hände um klammerten meinen Hals, ihr Leib preßte sich an den meinen, ihre Wange lehnte an der meinen. Die Lust dieser engen Umarmung war so groß, daß ich darüber ganz die Gefahr vergaß, die uns beiden offenbar von Seite des DvkbsrS drohte Er stürzte aus mich zu, umklammerte meinen Arm und rüttelte mich, daß ich beinahe stürzte. Ich konnte mich nicht wehren, da der andere um die Taille der schönen Cannabis lag, die ich auf keinen Fall lvslassen wollte. So setzte ich dem Ansturm des Doktor Zizingiberis einen mehr passiven Widerstand entgegen, bemüht, meinen Arm seinen Händen zu entreißen und durch allerhand Körperbewegungen meine Begleiterin vor ihm zu schützen. Aber er wiederholte stets von neuem sei,re Angriffe, wo bei er unverständliche Worte vor sich hinmurmelte, unter brochen von höhnischem Kichern. Nur ein einziges Wort, das sich aber oft genug wiederholte, drang bisweilen deutlich an mein Ohr: „Cannabis". Das stumme Ringen dauerte eine gute Weile. Ich zweifelte nicht, daß ich das dürre Männchen leicht über winden würde, wenn ich beide Hände frei hätte. Aber ich traute mich nicht, das schöne Weib loszulassen, das mich immer enger, immer heißer umschlang, getrieben von einem wunderlich gemischten Gefühl, das sich aus Liebe und Angst zusammensetzte, glühende Liebe zu mir und Angst vor dem andern. Und mir selbst war so eigen zu Mute, ich kann gar nicht beschreiben wie. Plötzlich griff Doktor Zizingiberis hinter sich ins Leere und hielt aus einmal etwas Weißes in der Hand, etwas Blinkendes. Hatte er cs aus einem Winkel hervor geholt oder war es ihm von einem unsichtbaren Helfer gereicht worden, ich weiß cs nicht. Aber er ließ es mit aller Wut aus meine Stirne niedersausen; im ersten Schrecken ließ ich die schöne Cannabis los, die mir im gleichen Augenblick wie von Geisterhänden entrissen wurde und verschwand. Ich hörte noch aus weiter Ferne ihre Stimme, wie s ie mich beim Namen rief, und dann schwand mein Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, lag ich ausgestreckt aus dem Svpha und vor mir stand Dr. Zizingiberis, der sich über mich beugte und mich finster, drohend, wie hypnoti sierend ansah; im Gegensatz zu diesem bösen Blick schien seine Miene freundlich, zu einem Lächeln verzogen," und er krähte vergnügt: „Er kommt wieder zu sich, Herr Kollege, er kommt wieder zu sich Ich bin wahrhaftig neugierig, was für ein Märchen er uns erzählen wird." Ich fuhr so schnell vorn Svpha empor, daß er mir nicht auAwrichen konnte und nun unter meinem Griffe stöhnte und ächzte, denn ich hatte ihn an den Schultern gepackt und schüttelte ihn hin und her wie der Wind einen Baumast schüttelt. „Schurke, gib sie heraus, die schöne Cannabis, die Du im Mitteltrakt gefangen hältst. Jetzt weiß ich warum ich jenen Teil des Hauses nicht betreten sollte, aper — Ein schlanker junger Mann, dessen Anwesenheit ich bis jetzt nicht bemerkt hatte, löste mit sanfter Gewalt meine Hände und drückte mich auf das Svpha zurück. Es war der andere Assistent; Doktor Pearsen. „Kommen Sie doch zu sich Herr Kollege," rief er. „Das Ganze war ja nur ein Traum, den Sie uns gefälligst ausführlich erzählen werden, bis Sie in besserer Verfassung sind. Ver stehen Sie, ein Traum, hervorgerufen durch eine unglück selige Verwechslung. Der Diener hat heute Morgen an statt der gewöhnlichen Zigaretten solche erwischt, welche eine Portion Cannabis indica beigemischt enthalten, Dr. Zizingiberis ließ sich dieselben jüngst zu Versuchs zwecken direkt aus der Türkei bringen. Wieviel von dem Zeug haben Sie denn geraucht?" Ich war noch ganz betäubt. „Cannabis indica?" stammelte ich. „Natürlich, indischer Hanf, das, was man Haschisch nennt." * * * Ich habe trotz der vorteilhaften Bedingungen den Posten als Assistent bei Dr. Zizingiberis nicht angetreten. Mir graute vor dem Manne. Und dann war da noch ein Umstand, der mir zu denken gab. Mitten auf der Stirne hatte ich einen großen blauen Fleck, wie von einem Hieb, und es gab doch im ganzen Zimmer kein scharfes Eck, an dem ich mich hätte anstoßen können. Und dann,, — als ich das Haus verlieh und mich an der Schwelle des Gartens noch einmal umdrehte, schien es mir, als blickte hinter den Gittern im ersten Stock des Mittel traktes ein schönes Gesicht auf mich herab und es deuchte mir, als ob eine halb erstickte Stimme Meinen Namen riest Ich hatte keine Zeit, der Sache nachzugehen, denw mit beinahe unhöflicher Hast drängte mich Zizingiberis^ der mich begleitet hatte, über die Schwelle und schlug die Türe hinter mir zu. Ich weiß noch heute nicht, was ich von den Vor gängen im Hause des Arztes zu denken habe. Manchmal^ in nüchternen Augenblicken, sage ich mir, daß das Ganze' wirklich nur ein Traum war, dann aber kommen wieder Stunden, wo ich zweifle, wo —. Doch es hat keinen Zweck, sich den Kops zu zer« brechen, denn die Wahrheit werde ich doch nie erfahren. Erntedank 1SV7. Mit banger Sorge sahen wir entgegen Der Ernte, die so arg gefährdet schien. — Statt Wärme täglich Kalte, Wind und Regem Kein Lohn in Aussicht für des LandmannS Mühn Doch wie so oft sich schon bewährt im Leben Das Sprüchwort: Wenn am größten ist die Not .. Wenn alle Hoffnung wurde aufgegeben, Ist meist mit Hülfe nah der liebe Gott! Der Höchste half! Durch graue Wolkenschichten Drang siegreich durch der Sonne goldner Strahl, — Was rauh geknickt, begann sich aufzurichten, Und frisch erblütr, was erst bloß und fahll Verscheucht, verstummt der Menschen Murren, Klagen! Man freute sich aufs neu auf Flur und Au, Denn nach so vielen, vielen trüben Tagen War ja der Himmel wieder azurblau. Voll frohen Mutes zog die Schaar der Schnitter Mit lust'gem Sang zum reifen Aehrenfeld. — Die Arbeit ist vollbracht! Kein Ungewitter Ward störend uns geschickt vom Herrn der Weltl So ist denn sicher alles nun geborgen, Was reich gediehen zu der Menschheit Heil! Der Fülle Brot wird tilgen Not und Sorgen, Dem Allerärmsten selbst schenkt Gott sein TeÜ! Da nun der große Weltversorger droben Mit allem es noch hat so wohl gemacht, Laßt uns ihn froh für seine Gnade loben, Ein frommes Danklied sei ihm dargebracht! Martha Grunbmann. Druck und Verlag von Langer öc Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. ErMler an -er Elbe. Bellet». Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". Ser. 34. Mesa, re« 24, Die Erbin. Roman von I. d'Anin. Berechtigte Uebersetzung von Adele Achard. Fortsetzung. XIII. Bei dem Anblicke seines so glänzend besetzten Salons, drückte der Direktor der Villa Mediei seine Freude in be sonders ergebenen Worten aus. Tie Pensionäre waren vollzählig erschienen. Länger wie sonst dehnte sich ihre schwarze Schlange an den Wänden hin. „Es freut mich aufrichtig, daß diese jungen Leute, endlich etwas Geschmack an der Geselligkeit bekommen", sagte er, „denn auch für den Künstler ist Welt- und Men schenkenntnis unentbehrlich." Jedenfalls hätte keiner von den Malern an diesem Empfangsabend fehlen mögen. Handelte es sich doch darum, einen letzten Mick auf ihr gemeinsam geschaffenes Werk zu werfen, bei dem die ganze Villa zur Mitarbei terin geworden tyar, auf die Kostüme von Nell und Nellie. Mehrere Svnntage vorher, infolge eines Gespräches mit ihrem alten Freunde Glaczkowicz, war dieser an die ser Künstlergruppe herangetreten: „Meine Herren", be gann er, „erlauben Sie mir. Ihnen eine Bitte vorzutra gen, die die Tomen von Verneuil nicht auszusprechen wagen. In diesem Augenblicke fiel ihm Nell tapfer ins Wort und fuhr im liebenswürdigem Tone fort: „Meine Herren, bei dem Herzog Roccabella findet ein Kostümfest statt und Sie würden uns zu großem Tanke verpflichten, wenn Cie uns die Kostüme betreffend, Ihren gütigen Rat er teilten. Es ist Ehrensache! Sie werden doch nicht wollen, daß Ihre Landsmänninnen unbeachtet bleiben. Nun, meine Herren Maler und Bildhauer, würden Sie nicht für meine Cousine und mich etwas Passendes finden können?" Hierauf war eine mehrtägige Tiskussion erfolgt. Zeich nungen wurden entworfen und die höchsten Kunstfragen erörtert. Endlich war eine Einheit von bestem Geschmack erzielt worden. Und heute sollte das fertige Werk ge prüft und einer genauen Kritik unterworfen werden. Herr von Valgrand und Glaczkowicz hatten in der Billa gespeist. Ersterer trug seinen Urlaub bereits in der Dftche, fest entschlossen, in zwei Tagen Rom zu ver lassen. Nur dssm alten Freunde hatte er seine Gründe hierzu entdeckt, ebenso die Furcht vor einer unbedachten Tat. Ter schlaue Pole hatte zuerst schweigend, dann traurig werdend, zugehört. Von RenS gedrängt, ihm seinen Rat zu geben, nahm Glaczkowicz endlich das Wort: „Was die Vernunft betrifft, junger Freunds kann ich Ihnen ja Nicht Unrecht geben. In meinem Alter dürfte das Urteil eben nicht ganz maßgebend sein, denn man bereut hin und wieder die nicht begangenen Torheiten. Sie lachen? Es ist dies dennoch gerade kein Widerspruch. Im Grunde genommen mögen Sie recht haben und möglicher weise würden Sie ebenso r'chtig handeln, Wien» Sie mor gen das genaue Gegenteil von dem tun sollten, was Sie heute für einzig vernünftig halten". In diesem Augenblicke traten Nell und Nellie ein und ein Gemurmel ringsum wurde hörbar. In der schwar zen Schlange machte sich ime Bewegung bemerkbar. Nel lie trug ein entzückendes italienisches Kostüm aus der Renaissancezeit. Tier zarte, rosa Allas, die Perlen und Goldfäden harmonierten auf das beste mit ihrer, einem August 1S07. S«. 3*hr>. seltenen Juwel gleichenden Schönheit. Und dennoch, fs bezaubernd sie auch war. erinnerte sie allzu sehr an ein Museumsfigürchen. Mit Nell dagegen feierte die moderne Schule einen vollkommenen Triumph. Ihre strahlend-frische Jugend trug das einfache Kostüm einer italienischen Blumcnvcr- käuferin. Boll und rund traten die weißen Arme aus den kurzen Leinwandärmeln heraus. Tie schlanke Taille schien biegsamer und üppiger in dem enganliegenden ge stickten Wvllenmieder und das schöne Haar, das zusammen geschlungen unter einem grellfarbenen Kopftuch hervor sah, war mit großen Goldnadeln oufgesteckt. Tie Maler hatten auf das Glücklichste mit ihrem invrgenvoten Teint zu rechnen gewußt. Nnen großen Korb Blumen auf dem Haupte wiegend, eine Rosrngarbe im Arm, ein lieb liches Lächeln um den hübschen Mund, machte sie den Eindruck einer lebenden Blume selber. Lange genug hatten die Künstler nach diesem Effekt gesucht, bis es ihnen endlich gelungen war, diese ein fache Tracht zu finden, die, weit davon entfernt die Per sönlichkeit zu entstellen, des Weibes vollendete Formen in das schönste Licht setzte. Alles umringte die beide». Nell hatte ihre Blumen auf den Flügel gesetzt. Fetzt näherte sich ihr, im Inner sten erregt, Herr von Valgrand. „Endlich ist das Geheimnis enthüllt!" murmelte er mit verschleierter Stimme. „Ich hatte eigentlich die Ab sicht, dem Ball bei Roccabellas fern zu bleiben, nun aber werde ich hingehen, um diese Vision, die ich tief in mich ausnchmen möchte, mit Hinwegzutragen in meiner Erinnerung". Nell schaute mit geheimer Angst zu ihm auf. Auch sie war von der unwiderstehlichen Angst ergriffen wor den, an diesem Abend schön zu sein, um den letzten Widerstand , den fle von seiner Seite instinktiv fühlte, zu besiegen. Herr von Balgrand seufzte tief auf, als schnüre ihm etwas den Hals zu. Sein Herz begann heftig zu schla gen, aber noch behielt die Vernunft den Sieg, er ivollte nicht unterliegen und dahier mußte er seine Schiffe end gültig hinter sich verbrennen. „Es wird für lange Zeit die letzte Erinnerung sein, die ich von Rom mit mir nehme und — die schönste —" „Sie verlassen Rom?" fragte Nell etwas erblassend, ohne jedoch die innere Erregung zu verraten, die ihr das Herz zusammenschnürte. „In zwei Tagen. Ich begebe mich auf eine Studien reise". Beide schwiegen und Nell fühlte sich plötzlich von einer unendlichen Traurigkeit cingchüllt. Sollte sie wirk lich das Spiel verloren haben? Mußte sie in der Jagd nach dem Glück unterliegen? Flog der Wundervogcl wie der davon, nachdem sie beriits seinen Zaubcrsang ver nommen hafte? Und dennoch fühlte sie, daß Rens sie liebe. Sie war ihm nicht gleichgültig geblieben. Aber er wähnte sie arm — und des Onkels Worte klangen warnend in ihr Ohr, als sie siegesgcwiß für den Kampf um die Liebe eintrat. Fest entschlossen, ihn bis zu Ende zu führen, hob sie jetzt den Kopf Herr v. Valgrand schaute ihr tief in die Augen und sie senkte sic unter seinem Blicke, dessen Ausdruck sie verwirrte. Tor junge Diplomat suhlte seinen Widerstand schwin den. In Nells Schönheit log an dem heutigen Abend
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