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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040127010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904012701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904012701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-27
- Monat1904-01
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Anzktszm-PretS die 6gespaltene Pctitzcile 25 Reklamen unter dem RrdaktionSsirich (4gespalten> 75 vor den Familiennach- richten <6 gespalten l 50 Tabellarischer und Ziffernlatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ostertenaunahme 25 Extra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Murgen-Aukgabe, ohne Postbesörderung 60.—-, >n i t Postbeförderuug .äl 70.—. Rnnahmeschlutz für Anzeigen: Abenv-Au-gabe: vonnittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrocheu geöffnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Klinkhardt). Nr. 47. Mittwoch den 27. Januar 1904. 98. Jahrgang. Var Wcdtigrir vom Lage. * Vom Aufstande in Deutsch - Siidwestasrila melden englische Quellen gräßliche, völlig unkontrollierbare Einzelheiten über Greueltaten der Aufständischen. Von der Kapgrenze bi» Windhoek sei alles im Aufruhr. * Im norwegischen Storthing sprach der Präsident allen, die ihre Opserwilligkeit für Aalesund betätigt haben, vor allem dem deutschen Kaiser, den Dank der National versammlung und des ganzen Volkes aus. * Die chinesischen Behörden traten nach einer „Reuters- Meldung an die Gesandten mehrerer Mächte mit Vorschlägen heran, um ihre Unterstützung für den Versuch einer Ver mittelung zwischen Rußland und Japan zu sichern. Die Regierung in Peking ist eifrig bemüht, den Krieg abzu wenden. * ES ist keine Hoffnung vorhanden, daß die in der Grube der Harwick Coal-Company bei PittS bürg ver schütteten Arbeiter, deren Zahl 184 beträgt, gerettet werden. Lum stebultttage Ser sialrerr. * Fast unmittelbar vor seinem letzten Geburtstage wurde Kaiser Wilhelm II. im Reichstage Ausgangs- und Mittel punkt einer beinahe dreitägigen erregten Debatte, in der die sozialdemokratischen Redner behaupteten, ihre Partei sei durch kaiserliches Hervortreten um ein wirksames Agitation-mittel reicher geworden. Seitdem hat der Kaiser erfahren müssen, daß dieses AgitationSmittel mit der ganzen Rücksichts losigkeit, deren die Gegner unserer Staats- und Gesell schaftsordnung fähig sind, auSgebcutet wurde und den Zweck, den jenes Hervortreten verfolgte, vereiteln half. Diese Erfahrung war wohl der tiefste Schmerz, den der Kaiser in dem abgelaufenen Lebensjahre hat erdulden müssen, tiefer jedenfalls, als der, den ein körperliches Leiden ihm ver ursachte. Die leidenschaftliche Liebe, mit der sein Herz das Reich umfaßt, an dessen Spitze die Vorsehung ibn gestellt, konnte auch kaum peinvoller verwundet werden, als durch die Wahlsiege jener Partei, deren Bekämpfung er als eine seiner Hauptaufgaben betrachtet und betrachten muß und deren verderbliches Trachten ihn ebenso wie die Wahl ihrer Mittel zu jenem Hervortreten bewogen hatte. Aber eben diese Liebe, die ihn zu strengster Prüfung seiner Mittel im aufgezwungenen Kampfe veranlaßt, und die hohe Gewissen haftigkeit, die ihn auf jedes Tages, jeder Stunde Mahnung lauschen heißt, haben ihm den Schmerz zum Segen werden lassen. Das beweisen seines Kanzlers von ruhigster Besonnenheit eingegebene Darlegungen über die künftig zur Bekämpfung der Umsturzbestrebungen anzuwcndenden Mittel. Diese Darlegungen bekunden einen Bruch mit jener „Nervo sität"', die nur zu leicht dem Gegner Waffen liefert, und das Einlenken in eine Bahn, auf der ein stetiges Fortschreiten allmählich sowohl zur Beseitigung verstimmender und auf reizender Mißstände, wie zur Beugung fanatischer Frevler am inneren Frieden unter die Majestät der Gesetze führen muß. Befreien sich auch die bürgerlichen Parteien von ihrer Nervosität und folgen dem Kaiser auf der von ihm vor gezeichneten Bahn, so eröffnen sich für eine — freilich noch ferne — Zukunft günstigere Aussichten, al- man unmittelbar nach den ReichStag-wahlen für möglich hielt. Auch daS körperliche Leiden, von dem der Kaiser zur sorgenvollen Ueberrasckung nicht nur des deutschen Volkes befallen wurde, ist bereits zu einer Segensquelle für ihn und sein Reich geworden. Nicht nur dadurch, daß es ihn in dem Beschlüsse bestärken mußte, an die Stelle des rasch ge prägten und schon deshalb leicht der Mißdeutung ausgesetzten Wortes die wohlübervachte Tat zu setzen, sondern noch weit mehr dadurch, daß eS die Welt zur Prüfung der Frage nötigte, was sie in dem Enkel Wilhelms I. besitzt. Noch zitterte im deutschen Volke die fieberhafte Erregung nach, mit der die Parteien einander bei den Reichstags wahlen bekämpft batten, und zwischen den Mächten schwebte ungelöst manche schwerwiegende Frage, als der Tele graph die Kunde von der an unserem Kaiser vollzogenen Operation über den Erdball trug und die schmerzensvolle Erinnerung an seines allgeliebten Vaters heldenhaftes Leiden und Sterben wachrief. Aber alle jene Erregungen und Fragen wurden übertönt von dem einen Rufe bangender Trauer, den diese Kunde weckte. Und wohin diese drang: überall zwang sich tiefbekümmerten Gemütern die Ueber- zeugung auf, daß der Verlust dieses kostbaren Lebens unermeß lich sein, vielleicht gar den Weltfrieden bedrohen, am schwersten aber das deutsche Volk treffen würde. Und dieses selbst, das so leicht den Besitz sich vergällen läßt durch Phantome, die sich nie verwirklichen lassen, und am Bekritteln mehr Genüge findet, als am Anerkennen und Bewundern, ward in allen Schichten inne, was ihm sein Kaiser und gerade dieser Kaiser mit seinem weltumspannenden Blicke, seiner Friedensliebe, die ihre Grenze nur da findet, wo die Sicher heit deS Reiches und sein Anteil am Welthandel in Gefahr gerät, seiner nimmer ruhenden Sorge um die innere Ent wickelung dieses Reiches, seinem in seltenster Weise gesteigerten Pflichtbewußtsein und seiner kräftigen Initiative bedeutet. Die bange Sorge, die mit diesem Erkennen wuchs, wandelte sich in innige Freude, als die Grundlosigkeit des Befürchtens erwiesen war. Aber dessen Segen bleibt, bleibt vor allem für den Kaiser selbst, dem jenes Sichbcsinnen seiner Nation und ihrer Freunde und Neider aus seinen vollen Werl für manche Mißdeutung und Verkennung einen Ersatz bietet, einen günstigeren Erfolg seiner Bemühungen um Erhaltung des Welt friedens verspricht, seine Tatkraft stählt und seine Zuversicht auf die Liebe und das Vertrauen seines Volkes bei unaus bleiblichen neuen inneren Wirren kräftigt. Und auch der deutschen Nation wird der Segen ihres Erkennens in bangen Stunden bleiben, wenn sie die Erbuntugend besiegt, die sie des köstlichsten Besitzes nicht froh werden läßt. Erst in jüngster Zeit bat sie sich wieder geregt und Tau sende Gefallen finden lassen an Tuscheleien über „Un stimmigkeiten", die zwischen Berlin und einigen anderen deutschen Residenzen herrschen und ihren Grund haben sollten in der kaiserlichen, die subtilen Grenzen der Berechtigung nicht genau genug innehaltenden Initiative. Sogar auf den heutigen Festtag werde ein Schatten fallen durch der artige Verstimmungen. Die Tatsachen werden diese Gerüchte zum Schweigen bringen. Aber auch wenn diese nicht allen und jeden Grundes entbehrten, was würden sie bedeuten? Durch die Seltenheit ihres Auftretens beweisen sie nichts Anderes, als daß der Kaiser als König von Preußen mit der peinlichsten Sorgsamkeit alles vermeidet, was zu Differenzen zwischen ihm und seinen hoben Verbündeten Veranlassung geben könnte. Als Kaiser ist ihm kaum Gelegenheit zur Er weckung einzelstaatlicher Empfindlichkeit geboten. Um so mehr in seiner Eigenschaft als Haupt des „führenden" Staates, von dem zumeist die Initiative in Neichsangelegenheiten ausgehen muß, wenn nicht ein unheilvoller Stillstand in der Gesetzgebung eintreten soll. Der Reichstag wird ja von Jahr zu Jahr initiativlüsterner. Aber je bunter seine Zusammensetzung wird, um so weiter geben die Richtungen seiner Wünsche und An regungen auseinander. Sie zu einem einheitlichen Plane zu verdichten, ist unmöglich; man muß schon froh sein, wenn eS gelingt, den einander am nächsten liegenden eine Gestalt zu geben, welcke die Einfügung in die bestehende Gesetzgebung gestaltet. Große, neue Bahnen eröffnende Reformen werden vom Reichstage niemals ausgeben können. Schwerlich auch von den Mittel- und den Kleinstaaten, deren Gesichtsfeld ein begrenztereS, deren historische, soziale, wirtschaftliche und kirchliche Entwickelung nicht so geartet ist, daß die Wege, in die sie um ihrer selbst willen die NeichSgesetzgebung lenken möchten, für diese wirklich gangbar werden könnten. Je verschieden artiger aber die Verhältnisse und die Wünsche der Mittel und der Kleinstaaten sind und sein müssen, um so schwieriger wird die Aufgabe des führenden Staates und des ihn regie renden Königs, bei der hauptsächlich ihm zufallenden Initiative alles in Betracht zu ziehen, was die übrigen Staaten und ihre Lenker mit Recht verlangen dürfen, und alles zu ver meiden, was hier verstimmen und verletzen lönnte. Und diese Riesenaufgabe, die noch vergrößert und erschwert wird durch die Erinnerung an die früheren Machtvollkommenheiten der jetzt im Reiche vereinten Glieder, sollte sich erfüllen lassen ohne jede jener kleinen „Unstimmigkeiten", die keinem noch so innigen Ver hältnisse zwischen Menschen, keinem FrcundeSpaare, keiner Ehe erspart bleiben? Wahrlich, es ist wie ein Wunder, daß die Gerüchte von solchen kleinen und flüchtigen Verstimmungen so selten sind, und die Erklärung dieses Wunders liegt ebenso in der opferwilligen Reichstreue der nichtprcußischeu Bundes glieder, wie in der peinlichen Rücksicht, die sie von dem er fahren, dessen Vorvorgängcr sie die deutsche Kaiserkrone auf das ehrwürdige Haupt gedrückt. Und in der dankbaren Anerkennung dieser Rücksicht feiern heute am Schlüsse eines Lebensjahres, das ihnen und der ganzen deutschen Nation Kaiser Wilhelm II. aufs neue ge schenkt, seine hohen Verbündeten den kaiserlichen Geburtstag freudiger, hoffnungsvoller und zuversichtlicher als je. Noch ver trauender als vordem erwarten sie seine Initiative und scharen sich um ihn als Palatine des Reiches. Und es entspricht ihrem Wünschen und Hoffen, wenn alle deutschen Stämme cs ihnen nachtun in Liebe und Vertrauen; eS erfüllt mit be sonderer Genugtuung das Her; unseres Königs, wenn seine treuen Sachsen sich heute wie früher mit ihm vereinen in dem Flehen: Gott schütze und schirme unseren Kaiser und segne sein edles Wollen und Wirken zum Wohle des Reiches und aller seiner Glieder! Deutsches Reich. * Berlin, 26. Januar. * Etnztchnng »er Beiträge zur Invalidenversicherung. Im Jnvalidenversicherungsgesetze ist es betanntlich auch ge stattet, daß mit der Einziehung der Beiträge besondere Stellen beauftragt werden. Von dieser Ermächtigung machen immer mehr Versicherungsanstalten Gebrauch. Nur in Bayern, Elfaß-Lothringen und Oldenburg existieren solche Einziehungsstellen nicht, in den übrigen Einzelftaaten sind sie und zwar teilweise reckt zahlreich eingeiübrt. So betragen im Königreich Sachsen die jährlichen Kosten für diese Stellen jetzt nahezu 600 000 in den Hanse städten rund 250 000 in Württemberg nahezu 200 000, in Thüringen, Baden und Hessen rund je 150 000 Auch von den Versicherungsanstalten in Preußen wird i» der gleichen Richtung vorgegangen. Nur die Provinzen Ost preußen, Pommern und Hessen-Nassau, sowie Berlin kennen die Einrichtung überhaupt nicht. Die Rbeinprovinz gibt dafür schon über lOO OOO aus. Je ausgebildeter in einzelnen Anstalten die Einziehung der Beiträge durch besondere Stellen ist, umso geringer sind die Kosten der Kontrolle über die Beitragszahlung. Während Hannover hierfür über 180 000 ausgibt, Ostpreußen nahezu 140 000 Schlesien lOOOOO zahlt das Königreich Sachsen, das an der Spitze mit der Zahl der Beitragseinziehungsstellen steht, etwas über 1000 hierfür, die Hansestädte 22 000 sk, Württemberg 41000 .^, Baden 17 000 Hessen 20 000 Mark. Man sieht also, daß, je besser die Einziehung der Beiträge durch besondere Stellen geregelt ist, umsoweniger Wert auf eine nachträgliche Kontrolle über die Eintragung der Marlen in die Quittungstarten seitens der Anstalten gelegt zu werden braucht. * Eine Ucbcrsicht der vom Bundesräte gesatzten Ent schlictznngcn auf Beschlüsse deS Reichstags während der beiden letzten Legislaturperioden ist dem Reichstage zugegangeu. Danach steht die Beschlußfassung des Bundesrats u. a. noch aus über folgende Beschlüsse des Reichstags: Wiedereinführung der konfessionellen Eidesformel, völlige, bezw. partielle Aufhebung des Jesuitengesetzes, Anwesenheitsgelder, Subventionierung einer Zentral- auStuiistSstelle für Fragen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels und Gewerbes, Wiedereinführung der Be rufung in Strafsachen, Toleranzantrag, reichsgesetz- lichc Regelung des Strafvollzugs, Schaffung eine» Reichs-Vereins- und VersammlungsrechtS, Reichs gesetz betreffend die eingetragenen BerusSvercine, Koali tionsfreiheit, Abänderungen des Krankenversiche- rungsgcsetzes, eventuell organische Verbindung der Krauten-, Invaliden- und Unfallversicherung. — Den Be schlüssen des Reichstags keine Folge gegeben hat der Bundesrat u. a. in folgenden Fällen: Neuregelung der Wahlen in Elsaß-Lotbringen, WohnungSreform, Statistik über Begnadigungen in Militärstrafsachen. Die große Mehrheit der übrigen Resolutionen des Reichstags ist vom Bundesrat dem Reichskanzler überwiesen worden. * Ucbcr Bebel als Erbe schreibt der „Vorwärts": Es läuft eine Notiz durch die Presse, welche sich mit dem Testa ment des im Mai vorigen Jahres in einer bayerischen Irren anstalt verstorbenen bayerischen Leutnants Hermann Kall- Feuilleton. Josef Kainz über das deutsche Nationaltheater. Die Schaffung eines deutschen Nationaltheaters, eines Zentralpunlte« für das geistige Leben der Nation, wie eS in der höchsten dichterischen Form im Drama zum Ausdruck kommt, ist ein immer wiederkehrender Lieblingsgedanke der Dichter, der Schauspieler und der Dramaturgen. Im Jahre 1849 schrieb Eduard Devrient, angeregt durch einen Auftrag des preußischen Kultusministeriums, eine Broschüre: „DaS Nationaltbeater des neuen Deutschland". Er verlangte darin, daß das Theater als nationale Anstalt direkt dem Kultus ministerium unterstellt werde »nd eine der Landes regierung verantwortliche Direktion erhalte. Devrient dachte an eine Verminderung der Spieltage, denn die Alltäglich keit deS Schauspieles ernüchtere Publikum und Künstler, und an eine Ermäßigung der Eintrittspreise, um aus dem Nationaltbeater ein wirkliches VolkStbeaterzu machen. Al- Zentren deS geistigen Lebens bezeichnete er Wien und Berlin, und sein Vorschlag gipfelte in dem kurzen Programm: DaS Nationaltbeater müsse ein StaatStbeater sein. In der Wiener „Neuen Freien Presse" behandelt Dr. Thomas daS Thema von neuem. Sehr beachtenswert sind in seinem Artikel die Mitteilungen über ein Gespräch, das er mit Josef Kainz hatte. Der Künstler äußerte sich Thomas zufolge in folgender Weise: „ES ist ein alter Gedanke. Schon der Großherzog Karl Alexander wollte immer solch ein Nationaltbeater in Älenach gründen. Gleich, morgen schon sollte eS in Angriff genommen werden. Aber die Ausführung wurde von Tag zu Tag ver schoben, und schließlich kam nicht» zu stände. Ich hab« wiederholt mit dem Großherzog den Plan durch und durch gesprochen. Den Grundstock hätte das Ensemble de» ständigen Theaters gebildet, da» nötigenfalls durch da» Meininger Ensemble hätte verstärkt werden können. Nur für die wichtigsten Rollen hätte man sich Gäste von auswärt» verschrieben. Aber für ein Stück nie mehr als drei. Also so zum Beispiel hätte man sich für den „Faust" den besten deutschen Faust eingelaken und ibm die Wahl gelassen, welchen Mephisto und welche» Gretchen er sich wünsche. Ich kann mir sehr wohl denken, daß diese Idee auf dem geheiligten Boden von Weimar durchführbar sei. Da müßte eben daS Weimarer Ensemble die Grund lage bilden. An ein Ensemble von aä two auS allen Ecken und Enden zusammengeladenen Schauspielern glaube ich nicht. Ein Ensemble muß wachsen und sich entwickeln, und man kann es nicht aus der Erde stampfen, es nicht rasch für einige Monate „zusammenstellen". Der Schauspieler ist ein individueller Künstler. DaS Persönliche ist das Beste an ihm. Er muß sein Licht leuchten lassen, und eS gibt nur eines, waö ibn in den Rabmen eine- Ensembles zwingt, dem Ganzen unterordnet, das ist die Autorität eines starken Leiters, der mit Hunger und Liebe die Disziplin aufrecht er hält. Um also wirklich ein deutsches National theater zu schaffen, müßte vor allem der Leiter da sein, die große überragende Persönlichkeit, der sich willig alles beugen würde. Bei einem solchen Nationaltheater müßten aber meiner Ansicht nach die nichtdeutschen Autoren von vornherein ausgeschlossen sein. Also weder Sophokles, noch AeschyloS, noch Ibsen. Ueberhaupt Ibsen in Weimar! DaS ist für mein Empfinden ein Anachronismus, ein Widerspruch, der meinem künstlerischen Gefühl webe tut. Vielleicht ist in diesem Falle mein Gefühl zu sein, aber in der Kunst kann man nie fein genug empfinden. Wie sehr ich Ibsen verehre und bewundere, gehört auf ein andere» Blatt. Aber Ibsen in Weimar, nein, da» geht nicht! Auch glaubt ich, hätte eine solche Musterbubne eine tiefere Aufgabe zu erfüllen, al» bloß die wohl bekannten und vielgesvrelten Werke darzustellen. Nicht die Schauspielkunst, die Literatur sollte sie vor allem fördern. Sie müßte auch Experimente machen, daS heißt, sie müßte versuchen, unbekannte, wenig bekannte oder zu wenig gewürdigte Werke populär zu machen, dem Verständnis und der Liebe der Massen näher zu bringen. Zu diesen Werken zähle ich auch den „Tasso" und die „Iphigenie", die trotz aller Versuche noch immer nickt recht Fuß im Spielplan der deutschen Bühne gefaßt haben, zahle ich viele Stücke von Hebbel und Grillparzer. Au» einem für einige Monate bestimmten Versuche konnte sich nach und nach eine ständige Institution entwickeln, etwa eine Art germanische» Burgtheater. Di« Schauspielkunst kann sich nur in kleinen Zentren entwickeln. Gewiß nicht in der Reich-Hauptstadt Berlin, wo Geschäft und Politik da» Interesse absorbieren und da» Publikum ermüdet und abgehetzt inS Theater kommt. In einer kleinen Stadt — und welche Stadt wäre durch ihre Vergangenheit besser geeignet als Weimar? — könnte also sehr Wohl eine klassische Bühne sich auftun. Ein wirkliches deutsches National lbeater. Gewiß kann ich mir ideale Aufführungen in schausvielerischer und sceniscker Hinsicht denken. Aber nur um GotteSwillen keine sogenannten Mustergastspiele. Wo soll denn eine so buntscheckige Gesellschaft die nölige Zeit für die Proben hernehmen, um sich einruspielen? Man komme mir nicht mit Bayreuth als Vorbild. Musik ist waS ganz andere», Stimmen lassen sich in Einklang bringen. Und dann wirkt in Bayreuth die Tradition deS Meisters. WaS aber soll in Weimar die granitne Basis des Spiels sein?" Dieser Pessimismus von Josef Kainz ist leider nicht ganz unberechtigt. Auch unser Schiller ist herzhaft für die Schaffung cinerNationalbühne eingetreten. Und vor ibm schon Lessing. 1766 wurde zu Hamburg ein „DeutschesNationaltbeater" gegründet. Aber schon 1768 wurde es wieder geschlossen. Die Uneinig keit der Schauspieler wie die Unfähigkeit der Unternehmer bereiteten der großartig angelegten Buhne ein frübeS Ende. Und al» alleinigen wertvollen Niederschlag aus jener Zeit haben wir die „Hamburgische Dramaturgie". Damals aller dings handelte es sich in weit höherem Grade um die Be freiung des deutschen Drama» von der Fremdberrschaft der französsschen Tragödie. Immerhin wäre eS verfehlt, wollte man die Flinte in- Korn werfen. Die Schaffung einer deutschen Nationalbühne ist und bleibt eine patriotische wie ästhetische Pflicht. * IV Ter Theater-Almanach für 1904, beran-gegeben von der „Genossenschaft deutscher Bühnenanaehöriger", fuhrt in seinem „Register her Intendanten, Bühnrnvorstände, Regisseure, der Vor- ssSnde der Musik und de- Ballett», des gesamten Laistellenden und Cdorperfonal»" rund 18000 Namen auf. Zu diesen l8tB0 nameni- ltch bezeichneten Kombattanten der deutschen Theater-Armee gesellen sich noch mindesten- ebenso viele namenlose Streitkräfte, die „Figuranten", „Komparsen", „Statisten" usw. Diese Zahle» sind lehrreich. Von Jahr zu Jahr schwillt da- Theaterbeer immer medr an. Wohl scheiden alljährlich nicht wenige Künstler und Künst lerinnen al- invalid oder enttäuscht und marode au- den Reihen au-, aber sie werden rasch und in Ueberzahl durch neue Rekruten ersetzt. An frischen Ersatztruppen, die tübn und mutig in die Lücken treten und trotz aller Gefahren freudig ihr Schicksal aus da- wandelbar« Theaterglück bauen, fehlt e- nie. Die große Masse voa nahezu 40000 Theaterleuten verteilt sich nach dem neuesten Almanach auf rund 650 deutsche Bühnen im deutschen Reich, in Oesterreich, in der Schweiz und nichtdeutsckcn Ländern. Bemerkenswert ist die Verteilung der großen Zahl von Theatern über das deutsche Sprachgebiet. Wäbrcnd es verhültnißmäßig nur sehr wenige Großstädte mit zablreichen Theatern gibt, finden sich viele ganz kleine Orte mir eigenem, selbständigem Theater. Die Zahl der wandernden Gesellschaften, die den Thespiskarren bald dahin, bald dorthin lenken, ist noch immer recht beträchtlich. Die meisten der Theater hat Berlin, nämlich 30 ständige Bübnen: daneben haben noch 11 Gastspiel- Ensembles ihren Sitz in der Reichshauptstadt. In weitem Abstand folgt Wien mit 12 ständigen Bühnen und 3 Gastspiel-Ensembles. Hamburg hat 9 Theater und München 8; in München haben außerdem 3 Bauerntheater-EnsembleS ihren Sitz. vom ParalleliSmna in der Literatur. I» einer inter- essanten Abhandlung über Militärssücke schreibt O-kar Bediener in der „Bokemia . Aufgefallen ist mir, daß nirgends auf die geradezu verblüffende Aekmichkeil bingewiefrn wurde, die da-Haupt- motiv de- Stücke-: der Kampe de- Offizier- und deS Mannschafts, angehörigen um dasselbe Weib mit dem Grundproblem des Dramas „Ter Gemeine" von Felix Salten besitzt. Ohne damit medr als die simple Konstatierung andeuteu zu wollen, scheint eS mir umiomehr ein Gebot der Gerechtigkeit, diesen Umstand zu betonen, al- gerade au- dem erwäbnten Kon flikt das eigentlich dramatisch triebkrästigr Moment erwächst, und alS dem Saltenschen Drama, da- sich ja freilich an technischer Durchführung mit Beyrrlrin- Werk nicht vergleichen läßt, bei auS- wärtüien Ausführungen kein sonderlich glücklicher Stern leuchtete. In Wien wurde es bekanntlich seinerzeit von der Zensur unter sagt, offenbar weil darin Verhältnisse der heimatliche» Armee mit ziemlichem Freimut geschildert waren. 0. L. Ein« Echnle für Tbeaterkrttik wird, wir an» Pari» berichtet wird, demnächst von der journalistischen Sektion der Schule für soziale Studien eingerichtet werden; der Kritiker Timmory soll die praktischen Hebungen organisieren. Die zukünftigen Theater kritiker werden zu Grnrralvroben geschickt und müssen dann über das aufgesührte Stück berichten und den Bericht im Sekretariat der Schule nirderlegen, und zwar in derselben Zeit, die dem Kritiker einer Tageszeitung zur Billigung steht. Am nächsten Tage wird Timmory vor den Schülern diese Kritiken kritisieren. — Richt üdrll </> Tte Errichtung einer dalne-k-sffchn» Matz««»« in Weimar ist geplant. Man schreibt unS au- Weimar: Hier hat sich eine Anzahl von Balneologen und väderinteressenten ,m Rat- Hause zu einer Besprechung zuiammea gefunden, an der auch Ober- dürgermeister Pabst und Regierung»- und Mediziualrat Professor l'r. Gumprecht teilnahmen. Zur Besprechung stand di« Frage der Errichtung einer da» gesamte Gebiet der physikalischen Therapie umfassenden balueologischen Ulademte. Ma» kam überein,
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