01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040205014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904020501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904020501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-05
- Monat1904-02
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Anzetgen-PreiS die 6 gespaltene Pctitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion«slrich («gespalten! 75 vor den Familieuuach- richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahm» 25 Srtra-Vtilasen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Poslbesörderung 60.—, m i t Postdesörderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Au-gab«: vonnittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind slet« an die Elpedition zu richte». Tie Erpedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol) in Leipzig (Inh. vr. V-, R. L W- KltukhardtX Nr. KL Freitag den 5. Februar 1904. 98. Jahrgang. Var Wcdtigrte vom Lage. * Der deutsche Kronprinz ist der deutschen Kolonial gesellschaft als Mitglied beigetreten. * In der Reichstagskommission für die Kaufmanns gerichte ist ein Konflikt zwischen der Kommissionsmebr- beit und der Regierung entstanden, die Kommission will KausmannSgerichte schon in Städten mit mehr als 20 000, die Regierung nur in solchen mit mehr al« 50 000 Ein wohnern errichten. * Im preußischen Abgeordnetenhause erklärt sich der Landwirtschaftsminister v. PodbielSki gegen das Koalitionsrecht der ländlichen Arbeiter. * In Köln amtieren die fremden Krankenkassen ärzte bis auf einen weiter. Die Krankenkassen halten sich an den Vertrag mit diesen Aerzten gebunden. Sie wandten sich besch werde führend an die Ministerien. Minder kiker. ES ist nicht immer böser Wille, der zu verhängnis vollen Katastrophen führt; eS ist viel häufiger die Un geschicklichkeit, mit der die Verwirklichung guter Absichten versucht wird. Mag immer der Spruch, daß eS bei großen Dingen genüge, das beste gewollt zu haben, in einer ge wissen Beschränkung zu recht bestehen: für die Politik gilt er nicht. Hier heißt eS vielmehr, nichts zu erstreben, dessen Durchführung unmöglich, und jeden Weg zu ver meiden, besten Ende nicht abzusehen ist. Gerade bei der heutigen Lage der deutschen Politik muß sich diele Erwägung dem prüfenden Blick aufdrängen Man hat angesichts des Herero-Aufstandes nach den Gründen geforscht, die gleich der Wirkung deS Funkens auf das Pulverfaß den elementaren AuSbruch des Hasses bei den Eingeborenenstämmen Südwestafrikas verursacht haben. Die Regierung stand bekanntlich vor einem Rätsel, die öffentliche Besprechung des Herero-Aufstandes Hut seitdem manchen Beitrag zu seiner Lösung gegeben. Man ist wohl heute darüber einig, daß die ganze Art und Weise unserer Kolonialpolitik den Schwarzen unseres Schutzgebietes gegenüber verfehlt war; man wurde sich be sonders darüber klar, daß die drückenden Schuldverhält- nissc und die rigorose Eintreibung der Schulden den Groll der Herero verstärken mußten. Aber es schien noch immer der eigentliche Anlaß zu der blutigen Empörung zu fehlen, eben jener Funke, der den aufgespeicherten Groll zum elementaren Ausbruch brachte. Wenn nicht alles täuscht, so ist auch dieser Nachweis jetzt geführt. Man erinnert sich, daß die Ermordung des Tierarztes Kämpny das Signal zum Aufstande der Herero gab. Die „Berl. klinische Wochenschr." macht cs nun wahrscheinlich, daß Kämpny dem Vorurteil der Herero znm Opier gefallen ist. Er hatte die Kochschc Rindcrpestimpsnng durchzuführen, was den Argwohn der Herero erregte. Offenbar ist eS unmöglich gewesen, diesen halbwilden Stämmen klar zu machen, um welch' segensreiche Bestrebungen es sich hierbei handelte. Süd- westasrika hat seit Jahren unter der Rinderpest schwer zu leiden. Es kann kaum eine größere und edlere Aufgabe geben, als das Land von dieser Seuche zu befreien. Aber der Herero, dem, wie allen Naturvölkern, der Blick für die allgemeinen Interessen völlig abgeht, sah nur, daß ein Teil der geimpften Rinder zu Grunde ging. So kam er zu dem Trugschluß, daß man ihn durch teuflische Mittel um seinen einzigen Reichtum, seine Rinderherden, bringen wolle. Kämpny, der Vollstrecker einer Kulturmission, wurde aus dem Hinterhalt erschoßen, und das Unheil nahm seinen Lauf. Man wird jene Natnrkinber zum Gehorsam zwingen, den der niedrigerstehende Volksstamm dem höherkultivier ten schuldet; aber man wird sie nicht zu hart wegen dieser Tat verdammen dürfen. Was dort die Herero in blinder Angst um ihre Habe und ihre Existenz getan haben, das lmbcn auch Kulturvölker nur zu oft sich zu schulden kom men lasten. Wie mancher Wohltäter der Menschheit hat mit Gefängnis und Tod dafür büßen müßen, daß er seiner Zeit zu weit voraus war; wie mancher ist Zeit seines Lebens geschmäht und verfolgt worden, weil ihn die Mit- melt nicht verstanden hat. Man braucht nur, um einen ähnlichen Kall heranzuziehen, an die Dchutzpockenimpfung zu erinnern, die ja ein Vorbild der Kochschen Jmpfmethode ist Wie zahlreich sind selbst im kultivierten Deutschland die Gegner des Impfens gewesen und sind eS noch heute, hundert Jahre nach der Einführung des Impfzwanges! Wie viel Aerger und Verdruß hat dieser Zwang, gegen den noch immer in endlosen Petitionen protestiert wird, verbreitet! Da kann eS nicht verwundern, -aß ein aus so niedriger Stufe stehender Stamm wie die Herero den Segen der Schutzimpfung nicht begretken kann. Aber wenn man sich schon in diesem Fall« fragen soll, ob eS in Düdwestafrika mit der obligatorischen Durch führung der Rinderpestimpfung nicht zu früh gewesen ist, ob man nicht bester getan hätte, durch Beispiel und Be- lehrung «tue« allgemeinen Impfzwang« vorzuarbeiten, so ist diese Frage erst recht berechtigt, wenn eS sich um An gelegenheiten -er inneren Politik handelt. Wohltaten soll nmn niemandem aufzwingen, das gilt gerade auf sozial- politischem Gebiete, aus dem jetzt so eifrig gearbeitet wird, das gilt aber von der Gesetzgebung überhaupt. Der Reichstag hat in den letzten Wochen einen geradezu fieberhaften Eifer in der Einbringung von sozialpolitischen Anträgen, Interpellationen und Resolutionen entwickelt, lieber alle möglichen und unmöglichen Dinge, die zur Ein renkung der aus den Fugen gegangenen Zett mtthelfen sollen, wurde bereits verhandelt und wird noch weiter verhandelt werden. Jede Partei bietet womöglich gleich ein Dutzend Rezepte, um den kranken Staat und die kranke Gesellschaft zu heilen. WaS wird die Folge sein? Wir fürchten sehr, daß auch in diesem Falle der Ueberetfer nur Schaden stiften wird. Bei dem allgemeinen Wettlaufen um die Bolksgunst und das Volkswohl geht schließlich allen der Atem aus, ohne daß wirklich etwas er reicht wird. Nicht, daß einem tatenlosen OutetiSmuS das Wort ge redet werden sollte. Aber eS wäre richtiger, anstatt die Kräfte in tausend Ansätzen zu verzetteln, wenn man sich einen einzigen Punkt, der besonders besterungSbedürftig erscheint, auswählte und auf ihn die ganze Anstrengung richtete. Dann hätte man Aussicht, wirklich zum Ziele zu kommen. So aber, wie die Sache heute gehandhabt wird, bleibt eS bei allgemeinen Beteuerungen eines platonischen Wohlwollens, währen- die Reformtätigkett nicht vom Flecke kommt. Auch ist wohl zu bedenken, -aß die Wirkung auf die Bolkskreise, -ie mit Wohltaten bedacht werden sollen, oft recht unerwünscht ist. Wir haben in dieser Beziehung Herero auch im eigenen Lande. Besonders soweit es sich darum handelt, die Arbeiterklasse wieder der bestehenden Ordnung zurückzugewinnen, sollten die manchmal über eifrigen Ltüriner und Dränger wohl erwägen, ob es ihnen die Arbeiter auch danken werden. Es könnte ihnen leicht gehen wie dem Tierarzt Kämpny, -er dafür büßen mußte, daß er den Herero Wohltaten erweisen wollte. Und doch hatte Kämpny immer noch das Bewußt sein, daß er nur tat, was seine Pflicht ihm gebot, während die freiwilligen Reformer den Schaden, den ihr Uebereifcr ihnen bringt, sich selbst zuzuschretben haben. Eine Abhülse für diese Vielgeschästigkeit ohne Ziel und Zweck ist freilich nicht so leicht zu finden. Es liegt im heutigen System, daß mehr experimentiert als wirklich geschaffen und gearbeitet wird. Soweit besonders der Reichstag in Betracht kommt, ist es zweifellos, daß der Diätenmangel die Ueberhandnahme nutzloser Debatten begünstigt, da jeder Abgeordnete eine Auszählung des Hauses beantragen und damit bei der schwachen Präfenz ziffer die Sitzung sprengen kann. Der Reichstag muß deshalb all das endlose Gerede der Weltverbesserer über sich ergehen lasten. Aber di« Regierung will nun einmal in die Diäten nicht willigen, vielleicht weil sie mit einem schwachen Reichstage bester auszukommen hofft, als mit einem straff gezügelten, der dadurch auch viel stärker würde. In einer oder der anderen Weise muß trotzdem eine Aenderung hcrbeigeführt werden. Fürst Bismarck hat mit Recht als politischen Grulvdsatz aufgestellt, das Rühende nicht zu bewegen. Daß er dabei sehr wohl im stände war, wo es not tat, die eingreifendsten Aende- rungen vorzunehmen, das zeigen unsere Versichcrungs- gesetzt. Er hat damit einen sozialpolitischen Status ge schaffen, über den wir heute noch nicht weit hinaus gekommen sind. ES ist dieses zielbewußte Arbeiten und Eingreifen am rechte Orte, was ihn auszeichnete. Seine Epigonen beweisen leider, daß sie noch viel von ihm lernen können. Das deutsche Reich ist glücklicherweise zu gesund, um nicht auch solche Prüfungen überwinden zu können. Es wird den Herero seinen Willen auszwingen und es wird auch allmählich im Innern wieder zu friedlichen Zu- ständen sich durchringen. Aber man sollte doch aus solchen bedenklichen Symptomen lernen. Und besonders sollten diejenigen Gesellschaftsschtchtcn, die vor allem die staatliche Ordnung verbürgen, sich hüten, durch blinden Eifer die Verwirrung noch zu vergrößern. Deutsches Deich. * Leipzig, 4. Februar. * Zur praktischen Sozialpolitik bei den preußisch- hessischen Staats bahnen schreibt die „Ztg. des Vereins D. Eisenb.-Verwaltungen": Daß die deutschen StaatSbahnverwaltungen sich ihrer Auf gabe, für ihr zahlreiches Dienstpersonal eine wohlwollende Fürsorge zu betätigen, voll bewußt sind, ist wiederholt hervor gehoben worden. In unzweideutiger Weise zeigen das wieder die neuen Etats, die gegenwärtig überall zur Beratung stehen. Die Mitteilungen über diese Beratungen werden voraussicht lich Gelegenheit bieten, auf die vielfachen Verbesserungen, di: zu Gunsten des Personals vorgesehen sind, noch zurückzukommen. Für heute möge nur auf zwei Anordnungen verwiesen werden, die kürzlich für den Bereich der preußisch-hessischen Eisenbahn gemeinschaft getroffen sind. Die «in« Anordnung geht dahin, daß künftig all« di« Ets«nbahnarb«t1er, di« aus d«r Beschäf tigung zur Fahne einberufen werden, ihre aktive Militärpflicht erfüllen und dann wieder in ihren früheren Beruf bei der Eisenbahn «intreten, bei ihrer Lohnbemessung so behandelt werden, als wenn sie auch während der Militärzeit gearbeitet hätten. Die Leute steigen danach im Lohn genau so, wie ihrs ununterbrochen tätig gewesenen Arbeitsgenossen. Das war an und für sich eine einfache Anordnung, ein Federstrich. Tie zweite Maßnahme ist erst am 1 d. M. in Kraft getreten. Bis her erhielten die unteren Hülfsbediensteten, Handwerker und Arbeiter, wenn sie einschließlich der Militärdienstzcit ununter brochen 25, 35 und 50 Jahre im Eiscubahndienst beschäftig! waren, bei der Erfüllung dieser Beschäftigungsabschnitte eine Geldbelohnung von 30, 60 und 100 Gegen 90 000 bis 100 000 wurden auf diese Weise alljährlich an die lanjährig beschäftigten Leute verteilt. Künftig soll das Verbleiben in der Arbeit bei der StaatSeisenbahnverwaltung schon nach einer 20jährigen BcschäftigungSdaucr und von da ab in je öjähriger Zeit belohnt werden. Es sollen nämlich nach einer ununter brochenen Beschäftigung von 20 Jahren 20 (neu), von 25 Jahren 30 ./k (wie bisher), von 30 Jahren 40 -K (neu), von 35 Jahren 60 (wie bisher), von 40 Jahren 80 </< (neu), von 45 Jahren 100 „zf (neu) und von 50 Jahren 150 (statt wie bisher 100 .Fl) gewährt werden. Beide Anordnungen zeigen, daß eS dem preußischen Staatsminister Budde Ernst damit ist, treue Arbeit nickst nur mit Worten, sondern auch mit klingender Münze anzuerkennen. * Sozialdemokratischer Terrorismus. Einer der schlimmsten Fälle von sozialdemokratischem Terrorismus wird im „Deut schen Metallarbeiter", dem Organ des christlich-sozialen Metallarbeiterverbandes, aus Frankfurt a. M. berichtet: „In der Metallwarenfabrik Knabenschuh zu Frankfurt a. M. trat vor etwa vierzehn Tagen der christlich organisierte R. B. in Arbeit. Dem Vertrauensmann des sozialdemokratischen Metallarbeiter verbandes erklärte er auf dessen sofortige Frage, daß er Mitglied des christlichen Metallarbeiterverbandes sei; gegenüber den nun vereint angestellten „Bekehrungsversuchen" der „Genossen" blieb er standhaft. Auch Drohungen blieben erfolglos. Doch nun ging die Hetze erst recht los. Eine Genosse, Kaspari, rief ihm zu: „Du Schwarzer, Du Piusbruder, Du Betbruder, Du hast wohl gestern wieder Vaterunser gesammelt"? usw. Als R. B. auf einen Augenblick seine Arbeitsstelle verlassen hatte, beschädigten sie seine Arbeit, die längere Zeit in Anspruch genommen hatte. Sie ruinierten das Stück derartig, daß äußerlich nichts zu merken war, dadurch, daß sie eine fertige Form aushöhlen. Bei einigem Hantieren damit mußte die Arbeit in sich zu sammenfallen. Nur einem glücklichen Zufall war es zu danken, daß R. B. den Streich frühzeitig wahrnahm. Er meldete es sofort dem Werkmeister, der die „Genossen" denn auch scharf tadelte. Aber dies schlug dem Faß den Boden aus. Kaum hatte der Werkmeister den Raum verlassen, da ging es los. „Genosse" K. erklärte dem B.: „Mir kommt es nicht darauf an, wenn ich auch ein paar Jahre ins Zuchthaus komme, aber Dich schlage ich dann, daß Du ebensolange ins Krankenhaus komm st. Wenn ich Dich schlage, läuft Dir der rote Saft davon. Wenn ich auch Frau und Kinder habe." Die übrigen Genossen unterstützten ihn mit höhnischem Lachen. Als R. B. am Dienstag morgen wieder zur Arbeit kam, ging die Schimpferei wieder los. K. gebrauchte Ausdrücke, die man gar nicht wiedergeben kann. Der christliche Arbeiter zog es nun vor, die Arbeit zu ver losten. Bisher ist es ihm noch nicht gelungen, eine neue Arbeits stelle zu finden. Die „Genossen" verfolgen ihn auf Weg und Steg und drohen ihm, daß dem B. nichts weiter übrig bleibt, als Frank furt zu verlassen." Und diese selben Leute singen in ihren Versammlungen „FreiheitS"-Lieder. * Zur ncuerlichc» Anwesenheit des Frhrn. v. Hertling in Rom schreibt die „Magveb. Ztg.": „Die abermalige Anwesenheit des Frhrn. v. Hertling in Rom gibt zu allerhand Vermutungen Anlaß. Wir haben unserseits keine Veranlassung, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, ob seine An wesenheit Verhandlungen wegen eines bayerischen Kardinals oder über die Stellung Roms zum Reformkatholizismus be treffe. Weder das eine noch das andere hat für uns das mindeste Interesse. Bedauerlicher schon wäre e«, wenn es sich, wie be hauptet wird, um eine Erweiterung der katholisch-theo- logischen Fakultät in Straßburg bandelte, bei der, wie bei der Errichtung dieser Fakultät, doch nichts anderes herauskommen wird, alS neue Zugeständnisse an ultramontane Begehrlichkeit. Das Schlimmste ist, daß er überhaupt verhandelt. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, wozu denn die preußischen und bayerischen Ver treter beim Vatikan da sind, wenn ein Mitglied des Zentrums für die Führung von Verhandlungen nötig ist und für geeigneter gehalten wird. * Der Kaiser unternahm beute morgen einen Spaziergang im Tiergarten, sprach beim Reichskanzler Grafen v. Bülow vor, empfing im Sternsaal des könial. Schlosses den Baurat Schwechten und hörte von 10'/, Uhr ab die Vorträge des Chefs deS Generalstabes der Armee und des Chefs des Militärkabinetts. Nachmittags empfing der Kaiser den königl. sächsischen Geh. Hofrat vr. Beseler. — Die Tagung LeS preußischen Landes - Oekonomie- Kollegium« wurde heute durch den Grafen Schwerin-Löwitz — Die soziale Geschäftsstelle für das evangelische Deutsch land ist nunmehr hier begründet worden. — Der sozialdemokratische „Vorwärts" brachte kürzlich folgende Notiz: „Tie „Freisinnige Zeitung" befindet sich — nicht zum ersten Male — in finanzieller Schwierigkeit. Es handelt sich diesmal um die nicht geringe Summe von 60 000 Mark, die aufgebracht werden muß, um die für den Ruin de« Liberalismu« unentbehrliche Zeitung zu kalten. Herr Abg. Kämpf ist einer von denen, dir besonder« bemüht sind, die Summe zu- fammenzubrtngen. Doch die Gcldleute scheinen nicht gebeeifrig und e« wird ihnen, damit tbr Vertrauen in die „Freisinnige Zeitung" wirderlehre, zugeflüstert, daß der Einfluß de« Herrn Richter auf die Zeitung in Zukunft «ine Verminderung erfahren werde." — Di» „Fritsinnige Zeitung" erwidert daraus nur: „AlS verlegerto der „Freisinnigen Zeitung" wird in der nächsten Zeit, ohne jede Aenderung in der polilffchcn Richtung oder Haltung der Zeitung, anstelle der „Aktiengesellschaft Fortschritt" eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung treten, weil diese Rechtsform sich in formeller Beziehung sür den Betrieb eines Zeitung.'unternehmens praktisch am besten eigne. Die neue Gesellschaft wird in derselben engen persönlichen Beziehung zum geschäft-führenden Ausschuß der Freisinnigen Volk-partei stehen wie die Aktiengesellschaft Fortschritt. Soweit überhaupt die neue Kesellschastsbildung zugleich größere Geldmittel mit sich bringe, seien diese bestimmt, mebr Spielraum zu schaffen für die weitere Ausgestaltung und Verbreüung der „Freisinnigen Zeitung". * Aus dem Fürstentum Ratzrburg. Der Landtag für das Fürstentum Ratzeburg, der zum 22. Februar nach Schön berg (Mecklenburg) einberusen ist, wird auch in diesem Jahre, rum 35. Malt, wie seit 1870, wieder nicht beschlußfähig fein, da die bäuerlichen Vertreter dem Landtage wie in den Vorjahren wieder fern bleiben wollen. * SsudnShausen, 4. Februar. Bei der Eröffnung unsere- Landtages wurde u. a. auch darauf hingewiesen, daß, wie bei allen Staaten, auch hier die Finanzverhältnisse vom Reiche abhingen, und daß seine NeichSf inanz- Reform von großem Vorteil sei. Dem Landtage wird eine Reibe Gesetze zugeben, u. a. auch eins, das dir Fürsorge für die Witwen und Waisen der Geistlichen und Lehrer regeln soll. Es sollen die Hinterbiebenen der jüngeren Geistlichen und Lehrer bester als bisher versorgt werden. 2. Greiz, 4. Februar. Zu der heute erfolgten Vermählung der Prinzessin Marie von Reuß ä. L. waren außer dem Bräutigam Frhrn. v. Guagnoni hier eingetroffen der Gemahl der Prinzessin Emma, Graf Erich Künigl-Ehrenburg, Graf Springenstcin und Baron Frankenslein (öslerr. Offiziere). Die Herrschaften wohnten gestern der Festvorstellung im Tivolitheater bei, wo „Mignon" gegeben wurde. Die Großherzogin Karoline von Weimar, die Schwester der Braut, batte rin« Brosche mit Brillanten geschickt; vom Bückeburger Hofe war eine Truhe ein getroffen. — Das neuvermählte Paar ist bereits nach München abgerefft. * Koburg, 3. Februar. Der diesjährigr Verbandstag Deutscher Mietervereine findet hier in Koburg am 25. und 26. September statt. * Straßburg, 3. Februar. Die elsaß-lothringische Handwerkskammer stellte für die auf 6. Februar an beraumte ordentliche Frübjahrssitzung des Eisenbahnaus schuss e S für Elsaß-Lothrinaen den Antrag, die in Baden beliebenden Kilometerhcfte für Elsaß-Lothringen ein zuführen. * München, 3. Februar. (Aus -er bayerischen Kammer.) Die „Liberale Landtagskorrespondenz" stellt in Aussicht, daß die liberale Landtags fraktion sich auch aus den Ausschüssen zurückziehen werde, wenn sie vom Zentrum wieder in der Art behandelt werde, wie bei der Beratung des Gesetzentwurfes über die Grundwertabgaben. Das Zentrum habe dort alle Anträge der liberalen Ausschuß mitglieder, die nur im Interesse des flachen Landes und der kleinen Städte gestellt waren, unter -en Lisch ge worfen. Ausland. Frankreich. Kulturkampsskandal. Paris, 4. Februar. (Tel.) Die Klerikalen verzeichnen hocherfreut einen Skandal im Frcidenkerlager. Ter ehemalige Geistliche Charbonnel beschuldigt den Senator Dclpech, einen der Vorkämpfer des Antiklerikalismns, seinen Feldzug gegen die Börsen makler als Söldling der Kulisse geführt zu haben. Del- pcch erklärt Eharbonnel für einen Lügner, Verleumder, Schurken und Söldling der Jesuiten; er fordert ihn auf, seine Verleumdungen einem Ehrengericht zu unterbreiten. Charbonnel lehnt das ab und gibt Delpech anheim, ihn vor den Geschworenen zu verfolgen. Die Nationalisten beeilen sich anzukündigen, daß sie den Zwischenfall znm Gegenstände einer Kammeranfrage machen werden. Rußland und Japan. Petersburg, 3. Februar. Hier wird plötzlich die ostasiatisch« Lage ernster aufgefaßt als bisher. Die Zeitungen bringen Mobilisierungsgerüchte aus dem Osten. Auf dem gestrigen Hcf- balle hat der Kaiser einem Diplomaten, der seine Befriedigung über die friedliche Haltung Rußlands ausiprach, erwidert: „Ja, alle« aber hat seine Grenzen". Auch die Meldungen aus Sofia werden beachtet und in Zusammenhang mit der Weltlage gebracht. (Frkf. Ztg.) London, 4. Februar „Reuter-Bureau" berichtet au- Tokio von heute: Ter japanischen Regierung ging die Mitteilung zu, daß alle russischen Kriegsschiffe, ausgenommen ein in Repa ratur befindliches, gestern von Port Arthur abgrgangen seien. Ueber ihre Bestimmung sei nicht-bekannt. Amtliche japanischeBerichte erzählen von einer großen militärischen Tätigkeit in dec Mandschurei. Die Häuser in Liaojana und anderen Orten seien zur Einquartierung russischer Truppen hergerichtet. In Liaojang seien tausend Wagen zum Transport von Munition und Vorräten requiriert worden. Die russischen Truppen rücken stetig in der Richtung nach dem Jaluslusse vor. Die Chinesen in Jinkau schicken sich zur Flucht an. Den japanischen Handel-agenten in Wladiwostok fei gestern von dem Kommandanten der dortigen Garnison mitgrteilt, daß er gemäß den Befehlen au- Peter-burg jederzeit in die Lage kommen könnte, den Belagerungszustand zu erklären. Er wünsche daher, daß der Agent alle- für die eventuell« Abreise der japanischen Bewohner von Wladiwostok vorbereite. Es ist nur natürlich, daß schon vor dem Au-bruche de- Kriege- erwogen wird, welche der streitenden Parteien die Verantwortung für den Kampf trifft. Da England, wenn nur irgend möglich, sich von einer aktiven Beteiligung fernbalten möchte, so erweist die englische Presse den japanischen Verbündeten wenigsten- den LlebeSdienst, die gan;e Verantwortung für den Krieg Rußland aufziibürden. Da« englische Hauptblatt, die „Times", schreibt: „Wenn Rußland sich für den Krieg ent schließt, so wird e« in Wahrheit ein Angriffskrieg sein, der keine Sanktion von der Tatsache hrrleiten kann, raß Rußland bereit« im faktische» Besitz« der Maodschuret ist.
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