02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040310026
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redattionsstrich («gespalten) 75 /H, nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweifungen und Offertenannahme 25 /H. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung ^ll 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen stad stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E- Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kliukhardt). Nr. 127. Var Aichligrte vom Lage. * AuS sicherer Quelle vernehmen wir, daß die sächsische Regierung im Bundesrate ihre Stimmen gegen dieAuf- hebung des §2 des Jesuitengesetzes abgegeben hat. * Nach englischen Meldungen haben die Japaner im Süden der Liaotung-Halbinsel Truppen gelandet. Es wird eine Schlacht erwartet. * Es darf als sicher angenommen werden, daß der Wider stand gegen die Gewährung von Diäten, der an maß gebenden Stellen bestand, überwunden ist. Dem Reichs tage wird in nächster Zeit eine entsprechende Vorlage zugehen. Man hält daS für einen Beruhigungsversuch wegen der Jesuitenaufregung. Loyola, Scherl unä «ülsm. Erst vor Kurzem belehrte unS eine offiziöse Korrespondenz darüber, daß der Greisenrat des Fürsten Bismarck „tzuieta non movers" die Richtschnur der heutigen Regierungs politik sei. In gewissem Sinne konnten wir uns dessen freuen. Wenn die Zeiten deS Zickzackkurses auf Nimmer- Wiederkehr vorüber wären, wenn die leitenden Kreise sich entschließen wollten, wachsen und reifen zu lassen, anstatt künstlich Treibhaustemperaturen zu schaffen, so würden wir gewiß zufrieden sein. Indessen Programme sind bekanntlich nur dazu da, um nicht innegehalten zu werden. Die deutschen Regierungen — „Preußen im Reiche voran!" — rufen die Jesuiten zurück, der Bundesrat hat der Aufhebung des K 2 des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu vom 4. Juli 1872 zugestimmt. Da eS, wie wir gehört haben, der Grundsatz des Reichs kanzlers ist, Dinge, die da ruhen, nicht unnötig aufzustören, so muß Wohl im deutschen Volk eine tiefempfundenes Bedürfnis bestehen, Loyolas finstere Jünger wieder auf deutschem Boden zu sehen. Gar vielen Deutschen wird freilich, als sie den Beschluß deS Bundesrates lasen, zu Mute gewesen sein, als habe sich derHimmelverdunkelt. Die Hagern, asketischen Gestalten werden wieder schattenhaft bald hier und bald da zahlreicher auftauchen, und bald werden wir wieder das Gefühl haben, daß wir belauert seien und der Feind ins Herz des Landes eingedrungen. Zunächst die eine Frage: Warum mußte es sein? Wird ein einziger Katholik durch die größere Bewegungsfreiheit der Jesuiten zu innigerer Frömmig keit erzogen werden? Schwerlich. Wohl aber er fährt die politische Macht res UltramontanismuS eine Stärkung, die wir in wenigen Jahren schmerzlich empfinden werden. Und es ist ganz sicher, daß diese Maßregel, die versöhnend wirken soll, den heftigsten Hader der Konfessionen Hervorrufen wird. Die eine segensreiche Folge wird sie hoffentlich zeitigen, daß sich der deutsche Protestantismus zu energischer Abwehr zusammenschließt. Donnerstag den 10. März 1904. 98. Jahrgang. Wir sehen keine Notwendigkeit für die Aufhebung, keine wenigstens außer der parlamentarischen. Und nun müssen wir gegen den Grafen Bülow die schwere Anklage erheben, daß er, um sich seine Situation im Parlament zu erleichtern, die höchsten Güter der Nation zu Handelsobjekten macht. Preußen allein trägt die Verantwortung für den Beschluß des Bundesrates und Graf Bülow in seiner doppelten Eigenschaft als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident ist ziemlich für ihn haftbar. Um das Nestchen Kanalvorlage durchzuschleppen, zu dem die Konservativen schon jetzt die Stirne runzeln, vor allem aber, um für die nächste Flottenvorlage Stimmung zu schaffen, wird dem Zentrum der Gefallen getan. Die Jesuiten sind dem Wesen ihres Ordens nach erbitterte Feinde der Geistes freiheit; Graf Bülow ist ein philosophisch gebildeter Mann, der Fichte undKant mit Verständnis zu rühmen weiß. Aber er bringt daS Opfer seines Intellekts; er konstruiert sich einen Toleranz- Begriff, der es ihm gewissermaßen zur Pflicht macht, der eoclcsia militans, den Kämpfern des UltramontanismuS bei uns eine Stätte zu bereiten. Geht es so fort, so muß man an dem charmanten, hochkultivierten Mann mit Shakespeares Caesar sagen: „Er denkt zu viel, die Leute sind gefährlich." Wir wünschten dem Kanzler etwas weniger philosophischeBeschaulich- keit und etwgS mehr aktives Temperament. Vor Allein aber ein sicheres Gefühl für den Pulsschlag der Nation, ohne das auf die Dauer eine gedeihliche Politik unmöglich ist. Sind die Protestanten Deutschlands nichts mehr? Lohnt cs sich gar nicht mehr zu fragen, wie sie empfinden? Wird Luther nur bei Gedenkfeiern und Einweihungen gepriesen und ist sein Geist an Werktagen aus dem Reiche Wilhelms II. und seiner Verbündeten verbannt? Parität im mechanischen Sinne ist das Wort, das alte Bedenken niederschlagen soll. Einige Gymnasiasten gehören protestantischen Bibelkränzchen an, folglich müssen die Maria- nischen Bruderschaften gestattet werden und die Jesuiten wieder frei umherzieben dürfen. Die Regierung übersieht, daß die Frage ganz anders gestellt werden muß. Es handelt sich um die eine folgenschwere prinzielle Entscheidung, ob in Deutschland der freie germanische Geist unseres Luthers oder der romanische Kadavergehorsam Loyolas herrschen soll. Und diese Frage beantworten tausend und abertausend Deutsche klipp und klar: „Das ist ein fremder Tropfen in unserem Blute. Fort damit! Mögen die breitkrämpigen Leise treter, die skrupellosen Rabulisten, die schon Pascal geißelte, in den Ländern ihr Unwesen treiben, deren Ruin sie verschuldeten. Wir wollen sie nicht auf deutschem Boden dulden." Die Ausübung des katho lischen Bekenntnisses ist in Deutschland nirgends gefährdet, ein Jeder kann nach seiner Fasson selig werden. Möge man, wenn der Regierung ihr paritätisches Gewissen schlägt, noch pein licher als bisher abzählen, wenn wieder ein katholischer, wenn ein protestantischer Geheimrat ernannt werden muß. Hier aber droht eine Armee einzurücken, die die Fundamente unserer Kultur unterminiert. Ihr die Grenzen zu öffen, ist Heller Wahnsinn, mag dieser Wahnsinn auch noch so viel Methode haben. Wir wissen wohl, so weit ist es noch nicht — noch steht der tz 1 ves Gesetzes, aber wie lange? Das Zentrum geht einfach nach Einnahme der ersten Schanze zum Sturm auf das Hauptwerk über und verlangt die Zulassung des ganzen Ordens. Und wer wäre kühn genug zu behaupten, der Fall der Vorwerke habe die Festupg nicht geschwächt, der Orden werde nicht seinen Einzug in Deutschland halten! Ob man Wohl „oben" glaubt, daß der Orden, weil er den Gehorsam eines Leichnams fordert, die Monarchie stütze und die monarchische Gesinnung fördere? Die geheim- rätlichen „Offenbarungen" sind bisweilen so merkwürdiger Natur, daß man selbst diese sonderbare Voraussetzung nicht ohne weiteres von der Hand weisen kann. Aber aller dings würde dies ein schwerer Irrtum sein. Jesuiten haben die Lehre formuliert, daß der Papst die Könige absetzen könne; Jesuiten haben den Königs mord gebilligt, wie ihre Casuistik ja überhaupt jedes Verbrechen billigt, wenn es aä maiorem ecclssias gloriam begangen wurde. Soweit ihr Einfluß reicht, leiten die Kosmopolitischen, nach dem Willen des Ordensstifters Vater landslosen, ihre Anhänger in den Bannkreis der Kirche und entfremden sie jeder andern Pflicht. Ein protestantischer Monarch sollte in den Jesuiten seine Feinde erkennen. Er bleibt ihnen der Ketzer, zn dem sie niemals ein aufrichtiges Verhältnis gewinnen können. Auch von diesem Standpunkte aus muß der Beschluß gemißbilligt werden. Allerdings, insofern wirkt die Maßregel zweifelsohne „staatSerhaltend", als die Jesuiten von jeher und überall mit erstaunlichem Erfolge gegen die Kultivierung der Völker ge arbeitet haben, die ihrem Regime überantwortet waren. Und wir glauben, die Regierung könnte nach dem Fall des ganzen Gesetzes ohne Sorge auf die Gründung einer neuen staatlich gebilligten Scherlschen Meinungsmaschine ver zichten, wenn sie es nicht vorziehen sollte, nach dem Erfahrungssatz: „Doppelt hält besser" das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen. Politische Grundsatzlosigkeit auf der einen, krasser Obskurantismus auf der anderen Seite, wahrlich, das ist auch ein Programm. Eine andere Frage ist es, wie eine so versimpelte Nation die Initiative zu welt politischem Handeln in sich finden soll und ob die Energien, die Deutschland groß gemacht haben, nicht allzu rasch ver siegen würden, wenn August Scherl und Ignatius Loyale zu StaatSheiligcn befördert werden sollten. Toleranz und Versöhnlichkeit sind Eigenschaften, deren ethischen Wert wir nicht verkennen. Wer aber als Politiker einem Gegner mit diesen holden Gaben naht, der frage sich vorher, ob er auf Gegenliebe rechnen kann. Der Jesuit darf nicht tolerant, nicht versöhnlich sein; sein geistlicher Beruf verbietet es, Intoleranz ist ihm Lebenszweck. Nähern wir uns einem Wilden zu brüderlicher Umarmung, so stößt er dem Vertrauensseligen daS Messer ins Herz. Hier haben wir eS freilich nicht mit einem unkultivierten, sondern im Gegenteil mit einem bewunderungswürdig ge schulten, intellektuell hochstehenden Gegner zu tun, aber dem Wilden ist er insofern nicht unähnlich, als ihn mit der menschlichen Gesellschaft kein Band verbindet, daS sein Handeln sänftigt. Er ist nur Glied deS Ordens, steht nur in Reih nnd Glied der kämpfenden Kirche; seine Pflicht ist, zu siegen, die Wahl der Waffen beschwert sein Gewissen nicht. Wir verdienten Hohn und Spott, wenn wir uns von Sentimentalitäten irreführen, wir verdienten noch mehr, wenn wir das unveräußerliche Gut der Geistesfreiheit still schweigend gefährden ließen. 0. Der rnffrsch japanische Krieg. Es kommt wieder etwas Leben auf die KrieaSbühne. ES bat, wie wir noch in einem Teile der Auflage unseres heutigen Morgenblattes melden konnten, eine neue Veschietzung Hort Arthur» stattgefunden und zwar in der Nacht vom 8. zum 9. März. Gleichzeitig bombardierten japanische Schiffe den Hafen von Talienwan, der gleichfalls an der Südspitze der Liaotung- Halbinsel, an der Ostküste, liegt, lieber den Erfolg der Angriffe liegen noch keine Nachrichten vor. — Aus Tokio wird dem Reuterschen Bureau berichtet: Hier wird versichert, bei dem am 24. Februar unternommenen Versuch der Japaner, Port Arthur zu blockieren, sei ein russischer Torpedobootzerstörer, als er in den inneren Hafen zu entkommen versuchte, auf eine Mine ge stoßen und gesunken. 8 von 13 russischen Kriegs schiffen, dre im Hafen lagen, seien kampfunfähig ge macht. Das Hwangtschinschau-Fort von Port Arthur sei durch die japanischen Granaten zur Hälfte zerstört; nur drei Batterien seien jetzt brauchbar. An der Reparatur der russischen Schiffe arbeiteten 400 Chinesen und 400 Russen. Die russischen Streitkräfte in Port Arthur sollen etwa 2000 Mann betragen. Dasselbe Bureau will weiter wissen, die Russen hätten gestern in Riutschevang zwei Belagerungsgeschütze und zwei Haubitzen auSgeladen. Der englische Konsul habe die englischen Frauen und Kinder ausgefordert, Niutschwang zu verlassen, ehe der Fluß eisfrei wird. — Demnach scheint es doch, daß die Russen Niutschwang zu halten gedenken, während bisher die Annabme vorherrschte, daß sie sich ins Innere der Mandschurei zurückziehen wollten. Der Korrespondent der „Ruff. Telegr.-Agentur" meldet aus Wladiwostok vom 9. März: Der Statthalter Alexejew teilte dem Kom mandanten der Festung den Befehl des Kaisers mit, der Garnison und allen Verteidigern der Stadt Dank und Glück wunsch zu der in der ersten Schlacht erhaltenen Feuertaufe auszusprechen und der Ueberzeugung des Kaisers Ausdruck zu geben, daß alle mit ihrem Körper die Festung gegen die Angriffe des Feindes schützen werden. Die Mitteilung von dem Befehl des Kaisers wurde von der Garnison und der Bevölkerung freudig ausgenommen. Die Japaner ans Liaotnng. * London, 10. Marz. (Tel.) Die Morqenblätter melden au« Washington: Das Departement des Aeußern erhielt ein Tele- Feuilleton. Ni Ein angenehmes Erbe." Roman von Viktor von Reisner. Nachdruck verboten. Nachdem sie weit über eine Stunde gezecht hatten, mußten sie sich doch entschließen, den Waldhüter zu melden, welcher auch gleich darauf in -en Speiscsaal beordert wurde. „Nun, was ist denn los, du Esel?" fragte der Graf leutselig. Verlegen drehte der Bauer seinen großen Filzhut in den Händen herum. „Eh, Herr, was soll los sein, ich habe einen wild- diebernden Lumpen erwischt." „Nanu, Hinko, seit wann gönnst du den armen Leuten nicht mehr ihren kleinen Sonntagsbraten?" fragte der Pfarrer verwundert. „Meinen Leuten gönne ich alles" — verteidigte sich der Graf gereizt —„aber diese Kerle aus der Stadt schießen mir, nicht einmal die Schonzeit respektierend, meine ganzen Fasanen herunter, und du weißt doch, was ich mich gerade meine Fasanerie kosten lasse und wie mein Herz daran hängt." „Und er hatte es gewiß nur auf unsere Fasanen ab gesehen" — bestärkte ihn Stevo, den günsttgen Moment schlau auSnützend, in seinem Zorn — „ich habe es mi. meinen leibhaftigen Augen gesehen, daß er sich um die neben ihm aufspringenden Hasen gar nicht bekümmerte." „Kennst, du den Gefangenen vielleicht zufälliger weise?" — erkundigte sich der Pfarrer. „I, wie sollt' ich, Hochwürden!" — verwahrte sich der Bauer. — „Anständig «»gezogen ist er freilich — der Wahrheit die Ehre — aber es scheint doch nichts weiter als ein städtischer Strolch zu sein, der unserm gnädigen Herrn Grafen sein bißchen Freude verderben will." „Nun, ich werde ihm und dem andern Gelichter dies Vergnügen gründlich verleiden" — erklärte Stepenaz wütend — „morgen wird er den ordentlichen Gerichten übergeben — ich will einmal ein Erempel statuieren." „Papa, habe Erbarmen" — bat Ljnbiza — „vielleicht hat er Weib und Kinder." „Natürlich, ich werde die ganze Familie dieses Galgen vogels mit meinen Fasanen sattfttttern!" — entgegnete er ärgerlich — „nichts da, er wird dem Gericht übergeben " „Hinko, laß Gnade vor Recht ergehen" — redete ihm auch der Pfarrer zu — „der arme Teufel konnte doch gar nicht missen, wie viel dir an deinen Fasanen liegt." „Ach was, armer Teufel! Ein armer Teufel soll zu frieden sein, wenn er zu einem Hasenbraten kommt, aber einen Fasanen .... ." „Hinko, du blamierst dich unsterblich" — hielt ihm der Pfarrer vor - „du wärst der erste im Lande, der wegen eines lumpigen Jagdfrevels Anzeige erstattete." „Und wenn!" — trotzte dieser. Nun wurde aber der Pfarrer rabiat, und indem er mit der geballten Faust derart heftig auf den Tisch schlug, daß die Flaschen und Gläser ins Wanken kamen, rief er wütend: „Und ich dulde es nicht, daß du dich lächerlich machst! Meinethalben laß den Kerl bis morgen früh brummen, das ist genug Strafe, dann aber gib ihm den Laufpaß!" „Ach ja, lieber Papa, folge dem Herrn Pfarrer" — schmeichelte Ljubiza, und auch die Gräfin schloß sich dieser Bitte an. „Nun, in Gottes Namen" — gab er endlich nach, und zu Stevo gewandt, befahl er — „führe mir den Hader lumpen morgen vor, damit ich ihm noch einen Denkzettel auf den Weg mitgebe." „Und was soll mit den zwei Zigeunerinnen geschehen?" — fragte Stevo untertänig. „Hast du sic bei irgend einem Diebstahl ertappt?" „Das gerade nicht, Herr, aber wenn wir sie nicht trotz dem bestrafen, so haben wir im Handumdrehen den ganzen Wald voller Zigeuner." „Gebt ihnen eine Tracht Prügel" — entschied Stepenaz kurzweg — „und diesem Fasanendieb könnt Ihr in Aus sicht stellen, daß es ihm morgen auch so gehen wird — ein bißchen Furcht kann jedenfalls nicht schaden." Ljubiza wollte auch für die armen Weiber, die ja gar nichts getan hatten, bitten, doch darin war der Vater unerbittlich „Mach' dir deshalb keinen Kummer" — beruhigte er sie — „Zigeuner sind an Schläge gewöhnt, sie erwarten es gar nicht anders" — dann gab er Stevo einen Wink, der sich demütig empfahl nnd viel schneller, als er gekommen, nach dem (Äemein bestall zurückkchrte. Voller Freude berichtete er von dem über alle Maßen günstigen Ausfall seiner Schlauheit, und um den Tag recht festlich zu beschließen, trug man auch gleich die Bank znm Auspeitschen nach dem Stall, welcher Ver gewaltigung sich die armen Weiber ohne ein einziges Wort des Protestes unterwarfen. Dem Major standen vor Abscheu die Haare zu Berge und die ironischen und drohenden Blicke, die man ihm zuwarf, ließen ihn das Schrecklichste befürchten. Die Zähne aufeinandcrgepreßt, stellte er sich mit dem Rücken gegen die Wand, um wenigstens von einer Seite gedeckt zu sein — und nun sollte sich einer an ihn heran wagen: wie einen räudigen Hund wollte er ihn nieder schlagen! Die Bauern, die es ja nur darauf abgesehen hatten, ihm Angst einzujagen, bemerkten recht wohl, wie sehr ihnen ihr Plan gelungen, und freuten sich darüber nicht wenig. Nun mußte aber dem bösen Spiel ein Ende ge macht werden, und Stevo winkte einen alten Mann, der sich bisher im Hintergründe gehalten hatte, heran, und be sprach sich mit ihm. „Ich soll dir sagen" — wandte sich dieser darauf an Herrn von Höchstfeld — „daß du morgen an die Reihe kommst — du kannst dich dafür bei unserem hochwürdigen Herrn Pfarrer bedanken." Herr von Höckfftfeld erfaßte zuerst nur das eine, daß endlich einer Deutsch konnte. „Sage diesen Hunden, daß ich " — im selben Moment flog die Tür hinter dem sich eiligst Zurückziehen den dröhnend ins Schloß und schnitt ihm jede Er klärung ab. Wie vernichtet stand Herr von Höchstfeld die längste Weile da. Er war nicht imstande, auch nur einen einzigen Gedanken logisch zu verfolgen, und nur eines begriff er, daß vom Pfarrer die Rede gewesen sei, der also von seinem Mißgeschick wissen mußte, und der ihm dennoch nicht zu Hülfe kam. In ohnmächtiger Wut die Fäuste ballend, verschwor er sich, für diesen Schimpf Rache zu nehmen, und ließ sich dann, dumpf dahinbrütend, so weit als möglich von den leise winselnden Zigeunerinnen nieder. Zehntes Kapitel. Obgleich man an ein längeres Ausbleiben des Majors nicht gewöhnt war, so hegte man bis zum Dunkelwerden doch keine ernstlichen Besorgnisse und hoffte, daß er von Minute zu Minute erscheinen müsse. Als es aber immer später und später wurde, rannte Frau von Höchstfeld in unerklärlicher Angst von einem Feldweg znm anderen, um auszuspähen, ob er nicht doch endlich irgendwo austanchc! „Vielleicht ist er gar bis Mariancc oder Stepcnavze gegangen und dann bei dem Pfarrer oder bei dem Grafen eingekehrt" — meinte Erich, allerdings ganz gegen seine Ueberzeugung und nur in der Absicht, die Mutter von ihren Befürchtungen abzulenken. „Wenn du mich damit zu beruhigen gedenkst, dann er reichst du nur das Gegenteil" — entgegnete sie ihm — „denn eher kann ich an ein Unglück, als an eine solche Möglichkeit glauben." Erna war die einzige, die vollkommen unbesorgt blieb, sie machte sich sogar im stillen über die Angst um einen vollkommen ausgewachsenen Menschen — und das war doch ihr Papa — nicht wenig lustig. „Wo kann er denn weiter sein" — meinte sie über legen — „er wird sich in den Waldungen verirrt haben und nicht gleich herausfinden." „Wie kommst du darauf, daß er in die Waldungen ge gangen ist?" — fragte die Mutter in höchster Unruhe. Herr von Szabo sagte mir doch, daß er sein Gewehr umgchangen hat." Frau von Höchstfeld starrte erst wie entgeistert in die Luft, dann knickte sie zusammen, und wenn nicht Erich hin zugesprungen wäre, um sie rasch in seinen Armen aufzu sangen, so würde sie wohl ohnmächtig zur Erde gesunken sein. Ohne daß ihr jemand befohlen, ganz von allein kam Erna auf den vernünftigen Gedanken, nach Eau de Cologne zu laufen, mit welcher sie der noch immer bewußt- losen Mama die Schläfe etnrieb. Nur langsam erholte sich diese und suchte mit irren Blicken in der Runde umher. „Liebe Mama, so rege dich doch nicht unnötigerweise so schrecklich auf" — sprach Erich besänftigend auf sie ein — „was sollte ihm denn passiert sein — ein alter Militär wird wohl mit -em Schießprügel umzugehen verstehen!" „Nein, nein, es ist ihm sicher ein. Unglück zugestoßen, ich fühle eS, meine Ahnung betrügt mich nicht" — be- harrte diese, vor Angst an allen Gliedern zitternd „Nun sage aber doch selbst, waS kann ihm denn passiert sein?" — drang Erich in sie. „Wäre es vielleicht das erste Mal, daß auf der Jagd ein Unglück geschah?" — jammerte sie — „er kann über eine Baumwurzel gefallen sein — das Gewehr sich dabei entladen haben — oder " „Aber, liebe Mama, du weißt doch, wie vorsichtig unser Vater ist" — suchte ihr Erich diesen Gedankrn auSzu» reden, und dann einer anderen, nicht ganz unwahrschein lichen Vermutung Ausdruck gebend, sagte er — „wir ängstigen uns sicherlich ganz grundlos, Papa wird sich der angckommenen Maschinen erinnert haben, und um diese in Augenschein zu nehmen, wird er zur Station ge gangen sein." (Fortsetzung folgt.)
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