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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040311018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-11
- Monat1904-03
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4. MU W Lki-M ÄMt mi> AUW K. lM, Kcitlig, tl.Kkj 1!M. Morlieii-AOBe.) Zilchsischer Landtag. Zweite Kammer. üö. öffentliche Sitzung. 2. Dresden, 10. Februar. (Eigene Meldung.) Am Regierungstischc: Die Staatsminiiter von Metzsch, vr. von Seydewitz, I)r. Rüger und Kommissare. Die Tribünen sind start besetzt. Der Präsident 'Or. Meynert er öffnet die Sitzung um 10 Uhr vormittags. Auf der Tagesordnung steht die Schlußberatung über den Neubau deS Seminars Dresden-Friedrichstadt und die allgemeine Vorberatung über die Neuordnung des Gemeindesteuerwesens. Ueber die Seminarfrage referiert Abg. Härtwig (kons.). Die Finan^deputation .-V ist zu der Ueberzeuguna gekommen, daß eine Verlegung des Seminars das einzig richtige sei; sie beantragt zur Erwerbung des dazu nötigen Materials in Dres den-Strehlen 150 000 (ursprünglich waren 328 000 in den Etat eingestellt) zu bewilligen. Abg. vr. Bogel-Dresden (natl.) bedauert, daß in Bezug auf die Preisstellung ein Druck auf die Stadt Dresden auS- geübt worden sei, und daß das durch die Verlegung freiwer dende Areal in der Friedrichstadt nicht der industriellen Ver wertung erschlossen werden soll. Abg. Wittig-Rabenau (kons.) erklärt sich für die Annahme des Deputationsantrages und bittet, in Zukunft bei der Neu errichtung von Seminaren auch die kleinen Städte zu berück- i^bg. Heymann-GroholberSdorf (kons.) empfiehlt, das alte Seminargebäude zusammen mit dem 'Grund und Boden zu verkaufen, da der Abbruch auf Staatskosten sich erfahrungs gemäß sehr teuer stelle. Abg. Neutsch-Kamenz (kons.) bittet, den Neubau so lange hinauszuschieben, bis die Finanzen sich gebessert haben. Abg. Hähnel-Kuppritz (kons.) macht einige persönliche Be merkungen gegen den Abg. Ur. Vogel. Er empfiehlt eine Verwendung des Areals von großen Gesichtspunkten auS. Abg. Andrä-Braunsdorf (kons.) stellt fest, daß der Staat mit der Verlegung des Seminars nach Strehlen ein gutes Geschäft mache. Abg. Or. Stöckel-Dresden (kons.) stellt fest, daß die Stadt Dresden bei der Hergabe des Areals für i50 000 ein schließlich der Anlicaerbeiträge ein Opfer bringe, das nach Hunderttausenden zahle. Abg. Horst-Mulda (kons.) empfiehlt den Neubau in den einfachsten Formen zu halfen. Nach persönlichen Bemerkungen Ker Abgg. «Ur. Bogel, Hcymann, Ur. Stöckel, Hähne! und Horst wird die Debatte geschlossen. Der Deputationsantrag wird einstimmig angenommen. Dann tritt das Haus in die allgemeine Vorberatung über die Neuordnung des GemeindcsteuerwesrnS ein. Zur Begründung der Regierungsvorlage ergreift das Wort Staatsminister von Metzsch: Gei Begründung eines Ge setzentwurfs wurde kürzlich von dieser Stelle aus die Ansicht ausgesprochen, daß im Interesse des Gemeinwohls auch die Autonomie der Gemeinden sich gewisse Schranken auferlegen lassen müsse. Wenn dieser Grundsatz hinsichtlich des Äe- mcindesteuerwesens ebenfalls ausgesprochen wird, so geschieht dies, weil die bestehenden Unzuträglichkelten zweifellos eine Abhulfe erheischen. Das sächsische Gememdcstcuerwcsen baut sich auf einigen wenigen Bestimmungen auf, die der Autonomie der Gemeinden den weitesten Spielraum lassen. Dabei haben sich vielfach formell und materiell rechtliche Mängel ergeben, vor allen aber fehlt es an jedem System. Man begegnet zweifellos einer m die Augen svrmgenven Ucbcrspannung der Einkommensteuer, durch welche die Neigung m niedriger De klaration mehr und mehr erhöht wich. Die kleineren Einkcm- men sind dabei meist viel zu stark belastet worden. Unter der Herrschaft der gegenwärtigen Autonomie find Zustände ent standen, welche eine bessernde Hand unbedingt erfordern. Die Stände haben wiederholt die Regulierung des Gemeindesteuer wesens im Äesetzeswcge inAnregung gebracht und bereits 18S4 der Negierung die Einführung einer Gewerbesteuer empfohlen. Die unerfreulichen Zustände, wie sie jetzt auf dem Gebiete des Steuerwesens herrschen, werden eine Beschräifkung der Ge- meindeautonomie erfordern, doch soll das Selbstverwaltungs prinzip im übrigen nicht alteriert, die steuerliche Autonomie keineswegs gänzlich ausgeschaltet werden. Das gegenwärtig schon bestehende Aufsichtsrecht des Staates ist ein Analogon hierfür. Der Staat kann nicht dulden, daß seine Steuer quellen gleichzeitig von den Gemeinden in übermäßiger Weise mit ausgeschöpft und daß die Steuerzahler nicht ungleich mäßig herangczogen werden. In dem Gesetze sollen feste Nor men für eine rationelle Gestaltung der lokalen Steuerstatute geschaffen werden, damit es möglich ist, die bestehenden Rechts unsicherheiten zu beseitigen. Die Hauptsteuer wird die Nn- kommensteuer bleiben müssen, daneben haben dann als Prä- ziqualsteuern die Grund- und die Gewerbesteuer Platz zu greifen. Ferner ist noch gewissermaßen ein Bukett kleinerer steuern dargeboten worden (Heiterkeit. Ruf: Kinkerlitzchenll. Der Grundsatz „Leistung — Gegenleistung" ist in der Presse in letzter Zeit als veraltet bezeichnet worden (Sehr richtig!), dem kann man aber nicht zustimmen. (Leider! — sehr richtig!) Die Grundsteuer besteht ja bereits in der Mehrzahl der Ge meinden, ihr Anteil an dem Gesamtiteueraufbringen soll nur fixiert werden. Die Gewerbesteuer ist bei weitem schwieriger einzuführen, weil man sich derselben entwöhnt hat. Sie hat sick in Preußen und auch in süddeutschen Staaten als Lommu- nalc Steuerart gut ausgebildet und eingelebt. Warum sollte das in dem industriereichen 'Sachsen nicht möglich sein? Das Gewerbe kann ebenso gut wie der Grundbesitz eine Vorbe lastung vertragen. Das Gesetz verfolgt entschieden die Ten denz, auch bei der Gewerbesteuer die schwächeren Schultern zu schonen, ja ganz zu entlasten. Einen Gewerbebetrieb mit über 20 Arbeitern bezw. mit über 2000 Mete kann ich als klei nen Betrieb nicht ansehen. (Widerspruch.) Die kleineren ebenfalls als obligatorisch gedachten Steuern knüpfen vielfach an bestehende Verhältnisse an. Die Schank- uno die Tanz- üeuer sind durch den Konzessionsschutz durchaus gerechtfertigt. Neu ist die Zuwachssteuer. Diese würde in erster Linie die Bauspekulation treffen. Der sogenannte „Bezirksausgleich" ist em. Versuch, eine Basis zu finden, auf 'Grund deren eine Beseitigung des zwischen Wohnsitzgemeinden und Betriebsge meinden bestehenden Mißverhältnisses ermöglicht wird. Die Negierung hat sich nicht verhehlen können, daß sie mit dem Gemeindesteuerwescn eine sehr schwierige Frage aufgerollt hat. Der von ihr vorgeschlagene Weg ist mehrfach von vornherein als ungangbar bezeichnet worden. Dagegen ist der Beschluß des Vorstandes des sächsischen Gemeindetages mit Freuden zu begrüßen, der sich nicht auf den Standpunkt der reinen Ne gation gestellt, sondern eine präzeptive Regelung des Gemeinde- steuerwesens als wünschenswert bezeichnet hat. Von verschie denen Seiten ist gewünscht worden, daß die Kammer den Ge setzentwurf ohne Beratung » limine abweisen möge. Sollte hierzu wirklich eine Geneigtheit bestehen, so müßte die Re gierung von ihrem Rechte Gebrauch machen, zu verlangen, daß nach Z 15 der Landtagsordnung die Vorlage in einer De putation beraten wird. Betreffs der Kirchen- und Schullasten haben wir von maßgebender Seite die Zusage erhalten, daß diese stets in analoger Weise wie die Gemeindesteuern erhoben iverden sollen. Der jetzige Zeitpunkt ist für die Einbringung der Vorlage im Anschluß an die Regelung des StaatSsteuer- wcsens gewählt worden. Steuerfragen bringen immer Be unruhigungen der Gemüter. Damit mußte gerechnet wer- den. Bei ruhiger und sachlicher Ueberlegung wird es aber sicherlich gelingen, die Gemeindesteuerfrage zu einem befrie digenden Abschluß zu bringen. Wenn behauptet worden ist, daß die Regierung unter einem stark agrarischen Einfluß ge standen habe, als sie den Entwurf bearbeitete (Sehr richtig links), so muß ich dem entgegenhalten, daß die Regierung in jeder Hinsicht das Gesamtwohl im Auge gehabt hat. ES soll keine Erhöhung oder Abminderung der kommunalen Steuern herbeigeführt werden, sondern nur eine gleichmäßige Vertei ¬ lung. Die Regierung hofft, daß sie mit dem Gesetzentwurf eine Grundlage geschaffen haben wird, die dem Staate, den Gemeinden wie den Steuerzahlern von Nutzen ist. Bei gegenseitigem Vernehmen ist zu hoffen, daß wir zu einem befriedigenden Resultat gelangen zum Wohle das ganzen Landes. Abg. Rüder-Roßwein (kons.): Wir geben zu, daß in dem Gemeindesteurrwesen Mißstände vorhanden sind, und daß hier die bessernde Hand angelegt werden muh. Das Prinzip der Selbstverwaltung muh dabei aber möglichst geschont werden. Für die Kirchen- und Schulanlagen ist es wünschenswert, posi tive gesetzliche Bestimmungen zu erhalten. Der Redner be spricht dann die Einzelheiten des Entwurfs. Er tadelt, daß der landwirtschaftliche Pachtbetrieb nicht als gewerbesteuer pflichtig angesehen werden soll, daß den Staatsbeamten eine Bevorzugung zugedacht ist, daß bei der Gewerbesteuer die Apotheker u. a. frei bleiben, daß dem Staat neue Steuer befreiungen zuwachsen sollen. Die Fixierung des Anteils der Grundsteuer, fährt der Redner fort, können wir nicht accep- tieren, da die Verhältnisse in den einzelnen Orten verschieden sind, dagegen mühte das Höchstmaß festgelegt werden. Die Gewerbesteuer ist in der vorliegenden Form für uns vollstän dig unannehmbar. Man muß es jeder Gemeinde überlassen, ob sie eine Gewerbesteuer emführen will oder nicht. Die Bemessung der Steuer nach Arbeiterzahl oder Mietwert ist ganz ungerechtfertigt. Die Betriebssteuer für Gastwirtschaften wird von den Wirten gern bezahlt werden, wenn diese merken, daß die Zahl der Konzessionen eingeschränkt loird. Der Bier steuersatz müßte einheitlich festgesetzt werden. Mit der Besitz- wechselabaabe sind wir einverstanden, dagegen können wir unS mit der Zuwachssteuer in der jetzigen Form nicht befreunden. Die Sätze sind zu hoch angenommen. Der Bezirks ausgleich ist an sich diskutabel. Die Sparkassen-Ueberschüsse können in gewissem Maße zum Ausgleich dienen. Da die Gesetzgebungsdeputation mit Arbeiten überlastet ist, so mache ich den Vorschlag, daß die Regierung den Gemeinden Ge legenheit gibt, sich zu dem Gesetze zu äußern und daß das so gewonnene Material dann der Deputation zugängig gemacht werde. Ich beantrage die Einsetzung einer i5glredrigen Zwischendeputation zur weiteren Vorberatung des Gesetzentwurfs. Wir werden nach dem Grundsätze handeln: „Prüfet das Beste und behaltet alles!" (Beifall.) Abg. Or. Bogel: Wenn der Minister betont hat, daß die Autonomie der Gemeinden nicht alteriert werden solle, muß ich ihm einschalten: „Die Botschaft hör ich Wohl, allein mir ehlt der Glaube." In Preußen lagen die Verhältnisse ganz anders; die Grund- und die Gewerbesteuer bestanden schon und wurden nur den Gemeinden überwiesen. Der Grundsatz quiets non movere muß besonders für Steuerfragen gelten. Noch ist nicht einmal die Ergänzungssteuer in die Erscheinung getreten. Die vorgeschlagene Gewerbesteuer ist eine durchaus unhxrechte, ungleichmäßjig wirkende 'Sonltersteuer, die man der sächsischen Industrie nicht zumuten darf. Daß zu dem sogenannten Bezirksausgleich auch die großen Städte, die !)ar keinem Bezirk angeboren, mit ihren Sparkassenüberschüssen lerangezogen werden sollen, ist eine Ungerechtigkeit. Auch die kleineren Steuern geben zu erheblichen Bedenken Anlaß. LP i der Entwurf einen gerechten Ausgleich bringen würde, ist mir "ehr fraglich. Einzelne Steuerzahler würden entlastet wer den, andere aber müßten dieses Geld aufbringen. Ich möchte die Regierung bitten, die Vorlage zurückzuziehen. Einer Weiterbehandlung der Frage durch eine Zwischendeputation können wir nicht zu- timmen, weil wir den Entwurf in der Anlage ür verfehlt halten. Wir werden deshalb nament liche Abstimmung beantragen. (Bravo! links.) Staatsminister Or. Rüger: Als Finanzminister habe ich die Aufgabe, unsere Steuerauellen rein zu erhalten. Die Einkom mensteuer darf nicht überspannt werden. Am liebsten wäre es mir, wenn den Gemeinden überhaupt die Erhebung von Einkommensteuer verboten werden könnte. (Heiterkeit und Widerspruch.) Das ist gar nichts so Ungewöhnliches. In Frankreich erheben die Gemeinden überhaupt keine Einkom mensteuer. Ich möchte Sie bitten, das Ziel mit mir immer im Auge zu haben, daß die Einkommensteuer den Staat nickt allzusehr belastet. So verwerflich wie die Herren sie hin stellen, sind die neuen Steurn nicht. Wenn die Herren den Umweg durchaus wünschen solllen, wäre ich gern bereit, eine staatliche Gewerbesteuer, wie Preußen sie barte, einzusübrcn, um sie dann den Gemeind-n »u überweisen. (Heiterkeit.) Abg. Steinccker-Chemnitz (kons.) erklärt die Gewerbesteuer in der vorliegenden Form rür unannehmbar und erklärt die Einkommensteuer als die gesündeste und gerechteste Steuerart. Es müßten von Rechtswegen wenigstens alle auf Erwerb ge richteten Tätigkeiten besteuert werden. (Ruf rechts: Bankiers!) Redner: Ja, Bankiers und — Landwirte. (Heiterkeit.) Der Bezirksausgleich sehe sehr nach Staatssozialismus aus. Der größte Mangel des Gesetzes sei, daß es die Kirchen- und Schulanlagen nicht berücksichtige. Er bitte die Regierung ebenfalls, den Ge setzentwurf zurückzuziehen. Abg. Matthes-Schönbach (kons.). Es ist bedauerlich, daß das mit so viel Fleiß bearbeitete Gesetz so wenig der Praxis entspricht. Die vorgeschlagene Art der Cinhebung der Gewerbesteuer ist geradezu eine Hurte. Das Gewerbe würde damit vierfach besteuert werden. Man sollte sich hüten, immer mehr Elemente der Unzufriedenheit in die Arme zu treiben. Oberregierungsrat von Nostitz erläutert ausführlich die einzelnen Bestimmungen des von ihm bearbeiteten Gesetzentwurfs. Abg. Lr. Stöckel: Im Namen meiner politischen Freunde habe ich folgendes zu erklären: Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung ist für uns unannehmbar. Wir können uns von einer Beratung der Vorlage in einer Zwischendeputation keinerlei Erfolg versprechen und werden deshalb gegen eine solche Ueberweisung stim men. Wenn die Regierung, wie vorhin angedeutet wurde, auf Grund des 8 1k der Landtagsordnung die Behandlung der Frage in einer Deputation der Kammer verlangen sollte, so sind wir dagegen machtlos. Wir sind darin gebunden. Diese Erklärung ist von 21 meiner politischen Freunde und von mir unterschrieben. Dem Gesetzentwurf bastel ein wesentlicher praktischer Mangel an, nämlich der, daß er sie Steuerverbältnisse der Kirchen- und Schul gemeinde nicht mit regelt. Die Ausführungen des Herrn Regierungs kommissars haben mich nicht überzeugt. (Sehr richtig!) Die Be- stimmungen des Gesetzentwurfs bedeuten eine glatte Aufhebung der Gemeindeautonomie. (Sehr richtig!) Die schöne glatte Einkommensteuer möchte der Staat möglichst für sich allein in Anspruch nehmen, dagegen will er die anderen Steuern, die einen anrüchigen Beigeschmack haben, den Gemeinden überlassen. (Sehr richtig! Lebhafte Zustimmung.) Der Entwurf kann nur dadurch annehmbar gemacht werden, daß die Zwangsbestimmungen beseitigt werden. Die Arbeiten einer Zwischendeputation können nur dann von Er folg sein, wenn ein brauchbarer Entwurf als Unterlage vorhanden ist. Wird das ausgeschieden, was nach übereinstimmenden Aeußerungen in diesem Hause unannehmbar ist, so bleibt nur noch ein Torso. (Beifall.) Abg. vr. Schill-Leipzig (natl.) darüber, daß das Gesetz in der vor gelegten Form nicht angenommen werden kann, besteht wohl kein Zweifel. Nur über die Art des Vorgehens kann man noch uneins sein. Tie Gemeindeautonomie hat in Steuersachen bet uns in Sachsen bisher noch sehr wenig geleistet. In allen anderen Staaten hat der Staat in Steuersachen die Direktive ergreifen müssen, und es wird auch bei uns nichts anderes übrig bleiben. Der Gesetzentwurf hat nur des halb einen so schlechten Eindruck gemacht, weil er ein gar zu reichliches Steuerbouauet brachte. Es wäre einfacher gewesen, den Gemeinden vorzuschreiben, bis zu welcher prozentualen Höhe sie die Einkommensteuerzuschläge erheben dürfen und ihnen dann zu überlassen, dnrch welche Steuerart sie ihren übrigen strurrbedarf decken wollen. (Bewegung. Lebhafte Zustimmung.) Grund und Gewerbesteuer sind hier abfällig beurteilt, aher neue Vorschläge sind nicht gemacht worden. Die Grundsteuer ist voll berechtigt, so lange dem Grundbesitz seine bevorzugte Stellung in den Stadtvertretungen bleibt. Neue Steuern werden nie mit Hurra begrüßt. (Heiterkeit.) Ich werde für die Verweisung an eine Zwtschendepution stimmen, damit wir eine Unterlage schassen, mit der sich weiter arbeiten läßt. (Bravo!) Abg. Lchuljk-Dresden (natl.). Die Gewerbesteuer ist in dem Entwurf wenig glücklich begründet. Das Maß der Neubelastung durch sie ist in keiner Weise angegeben, ebensowenig wie das Maß der Entlastung bei der Einkommensteuer. Nicht eine gerechtere Ver teilung, sondern eine starke Verschiebuny der Lasten würde die Gewerbesteuer mit sich bringen. Die größeren Gewerbetreibenden werden ohnehin schon bei allen möglichen Gelegenheiten be lastet Auf preußische Verhältnisse zu exemplifizieren empfiehlt sich für Sachsen keineswegs. Sachsen ist zu seiner jetzigen in- dustriellen Bedeutung eben darum gelangt, weil es nicht die steuern hatte, wie Preußen. Abg. vr. Lptetz-Pirna (kons.) erklärt sich für den Antrag Stöckel. Er könne die vorgeschlagenen Steuern nur eum xrano «all« akzeptieren, vor allem dürften sie nicht obliga torisch gemacht werden. Eine Einbeziehung der .Kirchen- und Schullasten werde am leichtesten erzielt, wenn der Entwurf einfach von der Regierung zurückgezogen werde. Darauf wird nach achtstündiger Debatte die Sitzung auf eine Stunde vertagt. (Fernsprechmeldung.) Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen ergreift das Wort Staatsminister von Metzsch: Auf die von ver schiedenen Seiten geäußerten Wünsche habe ich erneut zu er klären, daß es der Regierung unter den gegenwärtigen Ver hältnissen aus verschiedenen Gründen nicht oppotun erschei nen kann, den Gesetzentwurf einfach zurückzuziehen. (Ich werde vielmehr nach z 15 der Landtagsordnung den Antrag wiederholen müssen, die Vorlage einer Deputation zu über weisen, zumal nach den Ausführungen deS Abg. Rüder ein großer Teil der Abgeordneten dem Rfformgedanken der Ne gierung nicht absolut ablehnend gegenübersteht. In der De putation wird sich auch die Regierung nochmals über die Ge danken äußern können, die sie bei ihren Vorschlägen geleitet haben. Die Kammer hat zwar gesagt, was sie n i ch t will, aber etwas Positives ist der Regierung nicht geboten worden. Die Verhältnisse drängen zu einer Regelung. Deshalb möchte ich nochmals dringend raten, die Deputationsberatung in irgend einer Form herbeizufü^cn. Andernfalls müßte die Regierung im Verordnungswege oen Maximal-Prozentsatz der Einkom mensteuer festsehen und den Gemeinden die anderweite Deckung ihres Steuerbedarfes überlassen. Abg. Günther-Plauen (freis.): Es wäre für den Minister eine direkte Niederlage, wollte er den Gesetzentwurf, den er im Aufwage der Kammer hat ausarbeitcn lassen, einfach zu rückziehen Der Redner kritisiert in längeren Ausführungen den Gesetzentwurf. Abg. Hähne! (kons.) schließt sich in demselben Sinne wie Abg. Or. Schill dem Anträge Rüder auf Einsetzung einer Zwischen-Deputation an, da der jetzige Zustand nicht mehr fortbestehen könne, daß die Einkommensteuer von den Ge meinden beinahe unbeschränkt in- Anspruch genommen werden könne. Abg. Langhammrr (natl.) erklärt sich für Verweisung der Vorlage an die Gesetzgebungs-Deputation. Abg. Opitz (kons.) stellt fest, daß die Vorlage in der gcgen- i wärtigen Form für das ganze Haus unannehmbar sei. Die Unter- und Mittelklassen sollten gewiß entlastet werden, das dürfe aber nicht ausschließlich auf Kosten der Großindustrie geschehen. Immerhin aber könnte die Vorlage eine brauch bare Unterlage abgeben. Deshalb empfehle sich die Ueber weisung an :ine Zwischen-Deputation. (Bei 'Schluß der Redaktion unserer Poftauflage dauert die Sitzung noch fort.) Preußischer Landtag. Abgeordnetenhaus. * Berlin, 10. M»rz. (Tel.) Das Haus setzte die Beratung des Eisenbahnetats bei den dauernden Ausgaben für Besoldungen fort. Von den Rednern stimmte die große Mehrzahl ^en Ausführungen des Ministers über die Stellung gegenüber der Sozialdemokratie zu, gegen deren Be strebungen besonders Frhr. v. Zedlitz scharf vorging. Im übrigen wurde die Frage der Arbeiterwohnungen und das Koalitionsrecht besprochen und Wünsche für die Besserstellung verschiedener Beamtenkategorien geäußert. Eisenbahnminister Budde legte nochmals seine Stellung zum Koalitionsrecht dar, in das er nicht eingegriffen habe, er habe nur eine Teilnahme an den staatsfeindlichen Bestrebungen verboten. Es sei überall angeschlagen, daß entlasten werde, wer sich sozialistisch betätigt. Hier eine Schwäche zeigen, wäre der größte Fehler. Während man ftüher einen Vertragsbruch für Untreue hielt, werde von der Sozialdemokratie jetzt der Streikbrecher, der die Treue hält, ge achtet. Der Minister wies nach, was für die Eisenbahnarbeiter bisher geschehen sei und betonte, daß alles unter der Zustimmung des Hauses geschehen und ohne Mitwirkung der Sozialdemowaten durckgeführt sei. Er sei deshalb nach wie vor der Ansicht, daß die Sozialdemokraten die schlechtesten Vertreter der Arbeiter seien. Im weiteren Verlaufe der Debatte erklärte der Regierungskommistar, die Regierung müsse die freie Aerztewahl für Eilenbahnbeamte und Arbeiter ablehnen, denn man könne im Eisenbahndienit nur Aerzte verwenden, die den Dienst genau kennen und wissen, welche körver- lichen Eigenschaften dazu erforderlich sind. Hierauf wird das Ordi- narium erlediat. Beim Extraordinarium werden zahlreiche lokale Wünsche vorgebracht. Nächste Sitzung morgen 11 Uhr. Aus den Kommissionen. * In der Kommission für Handel und Gewerbe kam eine Petition zur Verhandlung, welche ein Verbot des Verkaufs von Tabakfabrikaten in Gastwirtschaften nach Laden schluß verlangt. Es wurde Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. Dem Plenum soll schriftlicher Bericht erstattet werden. vrtrlrlanirenirasre uns Herrte. Die Versammlung von Mitgliedern der Ortskrankenkasse, die am Donnerstag Abend im „Pantheon" stattfand, war so außerordentlich stark besucht, daß schon vor der für den Beginn der Versammlung an gesetzten Zeit (8 Uhr) der Saal überfüllt war und ge schlossen werden mußte. Viele Hunderte der herbeige strömten Mitglieder mußten daher wieder umkehren. Das Referat erstattete an Stell« des ursprünglich an- gesagten Referenten Herrn Fraßdorf aus Dresden, der dorthin wieder abgerufen worden war, das Vorstandsmit glied Herr Haferkorn. Derselbe gab zunächst ein all gemeines Bild von der Entwickelung des Streites »wischen Aerzten und Ortskrankenkasse, und bemerkte, daß er bet den angeknüpften Verhandlungen sehr bald die Ueber- zeugung gewonnen habe, baß eine Einigung mit den Aerzten nicht zu erlangen war. Redner besprach die einzelnen Paragraphen des von den Aerzten vorgelegten Vertrages und wandte sich namentlich gegen die Bestim mung, daß die ärztlichen Vereine selbst über die An- stellung von Kassenärzten entscheiden wollten. Redner ging dann zu den finanziellen Einwirkungen der von den Aerzten geforderten freien Arztwahl über und betonte, daß durch die von den Aerzten gestellte Bedingung, daß nur die Vertrauenskommisfion der Aerzte Vermahnungen ufw. an die Aerzte erlassen könnte, die Kaffe eines jeden Einflusses beraubt werden müßte. Was die Verhandlungen bet der Kreishauptmannschaft betreffe, so zeigte bas Verhalten -er Aerzte sehr bald, daß an eine Einigung nicht zu denken war. So sah sich der Vorstand gezwungen, auf eine andere Regelung der ärztlichen Behandlung »uzukominen. Er tat es mit schwerem Herzen, denn man trennt sich nicht gern von Einrichtungen, die 20 Jahre lang bestanden haben. Herr Haferkorn erläuterte dann die vom Vorstände geplante neue Einrichtung der ärztlichen Behand lung. Darnach soll der Gesamtbezirk der Ortskranken kasse in verschiedene Distrikte eingeteilt und jeder Distrikl mit mehreren Aerzten besetzt werden Zwischen diesen Aerzten soll jedes Kassenmitglied im Distrikt freie Aus wahl haben. Die in Aussicht genommenen ärztlichen Beratungsan st alten sollen den ganzen Tag ü»ber geöffnet sein, damit die Mitglieder zu jeder Stunde ärztliche Hülse erhalten können und nicht auf die Sprech stunde -er Aerzte beschränkt seien. Mit der Aufforde rung an die Mitglieder, Schulter an Schulter mit dem Vorstände zu kämpfen, schloß der Redner seine mit großem Beifall ausgenommenen Ausführungen. (Die Versammlung dauert fort.) Ans aller Welt. — Die Folgen eines Versehens. Im Dorfe Schepelse (Landkreis Celle) sind in einem Schweine Trichinen gefunden worden. Durch ein „Versehen" des Boten, der das Fleisch zu dem Trichinenschauer bringen sollte, wurden die Fleischteile einen Tag zu spät, nachdem in -em betreffenden Hause noch ein Schwein geschlachtet worden war, abgeliefert. Jirzwifchen war bereits von dem ersten Schwein gegessen und von Teilen -es ersten Schweines zusammen mit solchen des zweiten Mett wurst ufw. bereitet worden. Als dann die Nachricht von dem Trichinenfunde eintras, mußten beide Schweine nebst den Würsten vernichtet werden. Die Leute, die von dem Fleisch gegessen hatten, wurden, dem „R. F. Flbl." zu folge, durch ärztliche Hülfe außer Gefahr gebracht. Die strafbare, aber anscheinend noch vielfach geübte Unsitte, die Proben nicht selbst zu entnehmen, sondern sich schicken zu lassen, wird den leichtsinnigen Trichinenschaner auf die Anklagebank führen, und hätte ihn, wenn nicht gleich Gegenmaßregeln ergriffen und Menschen gestorben wären, ins Zuchthaus bringen können. — Auf der Kanzel gestorben. Ein erschütternder Todesfall ereignete sich dieser Tage in Krakau. In der St. Barbarakirche pflegte der ?. Moritz Peter jeden zweiten Sonntag in deutscher Sprache zu predigen, wozu eine alte Stiftung die Kirche verpflichtete. Seine letzte Predigt behandelte das Thema, wie man sich auf den Tod vorzubereiten hätte. Er sprach mit ungewöhn lichem Feuer. Plötzlich jedoch schwankte er, griff mit der Hand nach der Brust und fiel nach rückwärts um. Eine begreifliche Unruhe bemächtigte sich des Publikums, welches die Kirche füllte. Aus der Sakristei eilte man dem Geistlichen zu Hülfe. Alle Belebungsversuche er wiesen sich jedoch als erfolglos. Ein Herzschlag hatte dem Leben ?. Peters ein Ende gemacht. — Ein hübsches Wort -er Sarah Bernhardt gibt der „Figaro" wieder. Die bekannte Pariser Hanüwahrsagerin Mme- de Thebes will für einige Zeit nach London über siedeln, um der englischen Gesellschaft die Zu kunft zu prophezeien. Da sie noch nise in England war, erkundigte sie sich bei Freunden und Bekannten, bb sie wohl das Klima vertragen und ob die Londoner Gesellschaft sich für ihre ,Kunst" inter essieren würde. Auch bei Sarah Bernhardt, mit der sie seit längerer Zeit befreundet ist, holte sie sich Rat. „Werde ich in London Glück haben und wird es mir -ort gefallen?" fragte sie. — „Was fragen Sie mich?" erwiderte die Künst lerin. „Fragen Sie doch Ihre Handl" ---- Der Knßballwalzer. Gin völlig neuer Tanz, eine Art Kombination von Walzer und Fußballspiel, erregt in Paris großes Interesse. Er ist bereits im Nouveau Cirque vovgeführt worden; aber er ist auch bereit- in Gesellschaft 'belieb» geworden und spielte bet mehreren Privatbällen eine Rolle. Auf dem Boden wird für diesen Tanz «in Rechteck markiert; innerhalb der Linien be- finden sich sechs Halbkreise, zwei an jedem Ende und einer an jeder Seite in der Mitte. Die GoalS sind durch große Reifen bezeichnet. Nur sechs Paare, drei an jeder Seite, können gleichzeitig an dem Tanz teilnehmen, und der Zweck des Spieles ist natürlich, so Viel GoalS rot« mög. lich zu erreichen, wobei -er Ball nur während deS Tanzens mit den Füßen geschleudert werden darf. Die Paare mitfsen jedoch in ihrem eigenen Halbkreis bleiben und sich nicht aus demselben rühren, es sei denn, daß sie einen Ball im Spiel haben, dann können st« sich überall hin bewegen, «bis der Ball ihnen von einem anderen Paar genommen wirb oder ein Goal gewonnen ist. DaS Walzertanzen geht die ganze Zeit hindurch fort; wenn ein Paar müde wird, kann ein anderes Paar seinen Platz einnshmen und das Spiel fortfetzen, bis „Schluß!" ge rufen wird. Aeitjweilig wird diqser Darr» ganz auf- regend, und die Zuschauer nehmen lebhaftes Interesse an -em Stand des Spieles. — Die Ueberrumpelvng eines Pfarrers. Au- Rom schreibt man uns: Eine Scene aus den „Verlobten" von Manzoni spielte sich kürzlich in einer römischen Kirche ab. Der neue Don Abbondio war Don Francesco di Paola, Pfarrer von Sant Andrea della Fratte; Nengo war der Student Cesare Lupo, ein Sohn des Professors Or. Davide Lupo; Lucia war Nunziattna Civitenga, die Tochter des Schusters und Portiers Gervasio Civitenga. Der zwanzig jährige Student Cesare Lupo verliebte sich vor zwei Jahren in die 18jährige Schneiderin Nunziatina Civi tenga, ein hübsches und lebhaftes Mädchen, das seine Liebe erwiderte. Die beiden Verliebten sahen sich jeden Tag. Cesare sprach mit seinem Vater von seiner Liebe, aber der Vater, der Untversitätsprofeffor und reicher Hausbesitzer ist, wollte nicht, daß sein Sohn die Tochter eines Portiers heirate. In der CarnevalSzeit dieses Jahres verschwand Cesare eines Tages aus dem väterlichen Hause. Der Vater benachrichtigte sofort die Polizei, die fast zu gleicher Zeit von dem Verschwinden der Tochter des Portiers be nachrichtigt worden war. Eine Woche später wurde bas Liebespaar in einem Gasthause entdeckt und nach einer ernsten polizeilichen Verwarnung nach Hause geleitet, der junge Mann zum Papa Professor, das Mädchen zum Vater Schuster. Cdsare war aber mehr als je entschlossen, die Geliebte, deren Ruf er durch daS Zusammenleben bloß- gestellt hatte, zu heiraten; aber seine Eltern blieben uner bittlich, und der Kardinal Refpighi, von de-m cr die Er- laubniS zu erlangen suchte, daS Mädchen in der Kirche zu heiraten, wieS ihn schroff zurück. Cdsare und Nunziattna betraten, begleitet von Freunden und von dem Vater des Mädchens, Arm in Arm die Kirche Sant Andrea della Fratte und knieten in der Nähe des Haupt- altareS nieder, wo der Curat die Messe las. Plötzlich er hob sich Cesare Lupo, zeigte auf Nunziatina und sagte:
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