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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.12.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19061221016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906122101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906122101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-12
- Tag1906-12-21
- Monat1906-12
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Bezuas«PrriS für Leipzig und Bororte: I» der Haapt- Ezpedilioa oder deren AuSgabefiellea ab- gehoU monatlich: Ausgabe (1 mal täglich) 70 Pf., Ausgabe k i2 mal täglich) 80 Pf^ bei Zufielluag in- Hau« Ausgabe 80 Pf., Ausgabe 8 I Mart. Durch unjere aus wärtigen Ausgabestellen und Lurch die Post bezogen ll mal täglich) für Deutschland und Oesterreich monatlich l Mark, für die übrigen Länder laut ZeitunnepreiSliste. Tiefe Nummer lostet aus S Sd td» allen Babnbösen und bei III oen KritungS-Berküufern i lKe-aMun u»o «»xpesrtro»; ZobanniSgaije 8^ Telephon Nr. 15L Sir. 22L Nr. 1173. Verttuer NeoattionS-Bnrcau: Berlin b>W. 7, Priuz LouiS Ferdiuaad- Stratze 1. Telephon t. Nr. S27S. Morgen-Ausgabev. lt-WM Tllgcklllt Handelszeitung. Amtsölalt des Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeiaen-PreiS die k gespaltene Petitzeilr lür Geschäft«. Inserate au« Leipzig und Umgebung 25 Pf., Familien^ WohnungS- a. 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Art.) * In der gestrigen Sitzung des Bundesrats fand der Ausichußbericht über die Ausprägung von Zchn- pfennig stücken Zustimmung. * Im Großherzogtum Hessen finden die Reichstags stichwahlen am 5. Februar statt. * Der bisherig« konservative ReichStagSabgeordnet« v. Dallwitz-Tornow ist gestern gestorben. * Im Weimarer Hoftheater ist gestern eia Braud entstanden, der in den Zuschauerraum vordrang und ihn au Sb rannte: Menschenleben sind nutzt zu beklagen. fL. Neue- a. a. W.s * Die russische Regierung erklärt, daß alle im AuSlande verbreiteten Gerüchte über eine geplante neue äußere Anleihe vollständig auf Erfindung beruhen. ver nationalliberske HukmarsO in Lachsen. Der Landesausschuß des Nationallibe ralen Landesvereins für das Königreich Sachsen ist gestern nachmittag in Dresden zu einer zahlreich beschickten Sitzung zusammenqetreten, in der die Taktik der Nationalliberalen in Sachen für die ReichStogs- roahl am 25. Januar eingehend besprochen wurde. Allgemein wurde betont, daß überall im Lande der Wunsch nach einem kräftigen und selbständigen Auftreten der Partei vorhanden sei, ohne daß dabei das Hauptziel, die Schwächung der Sozialdemokratie, durch einen allzu schroff geführten Wahl- kämpf unter den bürgerlichen Parteien gefährdet werden dürfe. Als allgemeine taktische Grundlage wurde die am Mittwoch in Berlin vom Zentralvorstand aesaßte und von uns gestern im Wortlaute veröffentlichte Resolution empfohlen. Die Zustimmung des Landesausschusfes baden folgende Kandidaturen gefunden: Freiberg-Hainichen: Bürgermeister Blüh er. Leivzig-Stadt: Stadtverorduetenvorsteher Justizrat Dr. I u n ck. Grimma-Oschatz: Professor Hasse Mittweida-Limbach: Rechtsanwalt Dr. Zöph«l» Leipzig. Chemnitz: Fleischerobermeister Kickelhayn. Glauchau-Meerane: Dr. K l a u ß - Lo'chwitz. Annaberg: Svndikus Dr. S t r e s e m a n n-Dresden. Plauen: Fabrikant Korengel. Aufgestellt werden nationalliberale Kandidaten ferner in Dresden-Alt st adt und Leipzig-Land. Bedingungsweise fanden Zustimmung die freisinnige Kandidatur von Buddeberg in Zittau und die Ke.c- didatur von Zimmermann in Zschopau-Marren- berg. Ebenso wird die freikonservative Kandidatur des Generalleutnants von Liebert in Borna unterstützt werden. Für mehrer« andere Kreis« sind Kandidaturen Vorbe halten. * * * Diese Kandidatenliste bedarf einer Erläuterung. Zunächst ist sie nicht so zu verstehen, als ob die unterstützten Kandi daturen sämtlich nationalliberale Parteikandidaturen wären. Dies ist wohl bei den meisten der Fall, aber doch nicht bei allen. Vorläufig ist sa z. B. die Annahme, daß Herr Justiz rat Dr. Junck in Leipzig sich der nationalliberalen Partei anschließen werde, noch nicht tatsächlich geworden, wie auch noch keine offizielle Erklärung Dr. Juncks in diesem Sinne vorliegt. Aehnlich sind die Verhältnisse bei der Kandidatur Hasse, wenn auch Professor Hasse der nationalliberalen Partei angehört und früher der nationalliberalcn Fraktion deS Reichstages beigetreten ist. Einige Schwierigkeiten ergeben sich trotz des guten Willens, zu einem festen taktischen Wahlverhältnis zu kommen, aus den Beziehungen zu den Freisinnigen. Die Klärung der Lage wird nämlich sehr erschwert durch das voneinander getrennte Vorgehen der freisinnigen Ver einigung und der freisinnigen Volkspartei. So war zu gleicher Zeit mit den Nationalliberalen der Landesausschuß der freisinnigen Vereinigung in Leipzig allein zusammen getreten, obgleich die Freisinnigen in Sachsen ein Wahlbünd nis geschlossen haben. Die freisinnige Vereinigung, die im wesentlichen nur in Leipzig organisiert ist, kann aber natur gemäß keine auch die Volkspariei bindenden Beschlüsse fassen, woraus wieder resultiert, daß auch die Nationalliberalen mit ihren definitiven Entschließungen in einigen Fällen zurück zuhalten gezwungen sind. Insbesondere trifft dies bei der Stellungnahme zu der freisinnigen Kandidatur von Budde berg in Zittau zu. Trotz mancherlei Bedenken ist man in nationalliberalen Kreisen gesonnen, diese Kandidatur zu unterstützen, verlangt dafür aber auch die Unterstützung der Sreijuurige» is audermr Wahlkreis«, vor alle» in Dübel» I Es steht ja zu erwarten, daß die Freisinnigen genügend bürgerliches Solidaritätsgefühl zeigen werden, um sich den nationalliberalen Wünschen entsprechend zu entscheiden, zu mal da ihnen dabei keine Opfer zugemutet werden: denn die Wahlhilfe wird nur in den Kreisen gewünscht, wo die Frei- sinnigen keine eigenen Aussichten haben. Aber es fehlt eben noch die offizielle Erklärung der beiden freisinnigen Gruppen, daß sie die eigentlich selbstverständliche Forderung der Na tionalliberalcn bewilligen wollen. Deshalb muß manches noch in der Schwebe bleiben. An den Freisinnigen ist es ietzt, die Geschlossenheit des bürger lichen Dablkampses in Sachsen zur Tatsache werden zu lassen. Wir zweifeln nicht daran, daß sie sich hierin, ebenso wie bei der Abstimmung im Reichstage, auf der Hohe der Situation zeigen werden. (Siehe ferner RerchstagSwahlkampf auf 2. Beilage.) gral v»n siokemdal unü Oie Mittelstanasveivegung. Wie wir schon in Kürze berichtet haben, hat der neue sächsische Staatsminister Graf v. Hohenthal und Bergen eine Abordnung der sächsischen Mittelstands verenigung empfangen, die die ebenfalls schon erwähnt« Denkschrift über die Lage und die Wünsche des Mittel standes übereichte. Nunmehr liegt auch die von dem Minister bei dieser Gelegenheit gehaltene Rede im offiziellen Wortlaut vor, den wir hier folgen lassen: „Volle Sympathie bringe ich den Bestrebungen entgegen, die Stellung des Mittelstandes zu festigen und seiner Be einträchtigung cntgegenzuwirken. Die Erhaltung eines wirt- schaftlich kräftigen und hoffnungssreudigen Mittelstandes in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel ist im Interesse einer gesunden Entwicklung von Staat und Gesellschaft dringend zu wünschen. Gegenüber den mannigfachen Einwirkungen, die den Mittelstand beeinträchtigten und den Glauben feiner Glieder an ihre eigea-i Zukunft erschütterten, ist eine st-rg- fältige Untersuchung der Quellen des Uebels notwendig. Die Denkschrift hat nach den eben gehörten Darlegungen einen sehr vielseitigen Inhalt. Eine Stellungnahme der Regierung zu diesen einzelnen Punkten wird nicht heute schon erwartet werden dürfen, zumal da ein erheblicher Teil der vorgetragenen Wünsche zur Zuständigkeit des Reiches oder des Finanzministeriums gehört. Zur Zu ständigkeit des Reiches gehören das Ausverkausswesen, die Abzahlungsgeschäfte, die Sicherung der Bauhamdwerker, die Gesellen- und Meisterprüfungen, die Befugnis zur Lehr lingsausbildung und andere Fragen der Jnnungsgesetz- gebung. Zur Zuständigkeit des Finanzministeriums gehört das Submissionswesen bei Staalsbauten und die Erbschafts steuer. Schon jetzt kann ich versichern, daß die vorgetragenen Wünsche vom Ministerium des Innern eingehend gerrüsi werden sollen. Das Ministerium des Innern wird für be- sonders wichtige Fragen, welche die Verhältnisse se? Mittel standes betreffen, gern Vertreter des Mittelstandes zum Beirat zuziehon, wie es schon bisher z. B. die Verhältnisse der gewerblichen Fachschulen durch Beratung m't besonders geladenen Vertretern des Gcwerbestandes er örtert hat und noch in diesem Monate die Verhältnisse der sächsischen Musikschulen mit Vertretern des Musikerberuss zu beraten gedenkt. Es wird ferner den gewerblichen Schulen als einer besonders wichtigen Einrichtung zur Förderung des Mittelstände? weitgehende Für'org; zuwenden. Hierbei ist übrigens daran zu erinnern, daß der Staat kür die ge werblichen Fachschulen schon jetzt erheblich mehr Beihilfen gewährt, als die beteiligten Gewerbe und Gemeinden zu sammen gewähren. Die Unterstützung der M e i st e r k u r se, denen das Ministerium eine nachgesuchtc Staatsbeihilse in keinem Falle versagt hat, wird auch ferner gern bewilligt werden. Die Zahl der Orte, in denen Kleingewerbetreibenden Staatsmittel zur Benützung elektrischer Kraft darlehnsweise gewährt wurden, wächst ,n erfreulicher Weise. Den gewerb lichen Genossenschaften ist durch Unterstützung des Gcnossen- schaftsverbandes, der Handwerkergenosscnschaftsbank und der mit ihr verbundenen einzelnen Genossenschaften vom Mini sterium Hilfe geleistet worden, die auch Weiler in Aussichr genommen worden ist. Durch Anschluß an den von der bel gischen Regierung angeregten „Internationalen Verband zum Studium der Verhältnisse des Mittelstandes" hält sich das Ministerium des Innern auch in Fühlung mit den gleich- artigen Bestrebungen anderer Negierungen. Nach alledem ersuche ich Sie, meine Herren, den Mut nicht sinken zu lassen. Freilich sind mannigfache Schwierig- leiten zu überwinden und nicht alle ins Auge gefaßten Wege führen zum Ziele. Aber die Erhaltung eines lebenskräftigen und freudig wirkenden Mittelstandes ist für unser ganzes Volk eine so wichtige Ausgabe, daß sie die Anwendung ernster Arbeit bei der Regierung und bei der Bevölkerung recht fertigt. Wir leben in einer politisch sehr ernsten Zeit. Eine kurz sichtige Parteipolitik bat geglaubt, den verbündeten Regie rungen die Mittel verweigern zu sollen, die zur endgültigen Niederwerfung des Aufstandes in Südwcstasrika erforderlich ist. Es bandelt sich darum, die weiten Gefilde Südwest- asrikaS, die schon überreichlich mit deutschem Blute getränkt sind, dem Vaterlande dauernd zu erhalten und die deutsche Wafsenebre unbeschädigt zu wahren. Ich zweifle nickt daran, daß der deutsche Mittelstand in dem kommenden Wahlkampfe die verbündeten Regierungen mit allen Kräften unterstützen wird." Es lag in der Natur der Verhältnisse, daß der Minister sich auf diese Antwort beschränkte. Tenn jedes weitere Ein gehen auf Einzelheiten würde bei der Vielseitigkeit der Wünsche ihn genötigt haben, über sein Restart hinauSzu- gehea, oder auch an die Stelle einer wohl begründeten Ant wort nur wirtschaftLpolitischa LekeaLttuss« zu setzen. WaS I er aber an freudiger Zustimmung zu den Wünschen sagen 1 konnte, trifft gewiß gerade Lebensfragen des Handwerks, vor allem die der guten Ausbildung, der vermehrten Ausnützung moderner Arbeitsmittel und der so überaus wichtigen Hilfs mittel, die im Genossenschaftswesen liegen. Und diese Hin weise werden in Verbindung mit dem Versprechen einer gründlichen Prüfung der anderen Forderungen allen be sonnenen Mittelstandsvertretern gezeigt haben, daß sie dem neuen Minister voll Vertrauen cntgegenkommen können. Vie steichsiagrauklösung . unü öayrrn. sVon unserem Münchner Korrespondenten.) Nirgends im Reiche konnte die befreiende Tat der NeichS- regierung größere Ueberraschung, aber auch größere Freude Hervorrufen als in Bayern bei allen national und antiklerikal Gesinnten. Wo im engeren Vaterland« eine ohnmächtige Regierung die Geschäfte des Zentrums besorgt, wo man eS längst verlernt hat, sich über den maßgebenden Einflutz ullramontoner Führer im kleinsten wie im größten zu ent rüsten, da mußte auch alle Hoffnung geschwunden sein, daß sich daS Reich doch endlich einmal ermannen werde. Auch heute, wo wir dankerfüllten Herzens vor dieser Tatsache stehen, läßt sich die Konstatierung nicht unterdrücken, daß unter den Ursachen, welche die ultramontane Herrschaft in Bayern ge- zeitigt und befestigt haben, die Konnivenz gegen das Zen trum, seine Verhätfchelung in Berlin, wahrlich nicht die letzte Stelle einnimmt. , Doch es ist keine Zeit mehr zu Reflexionen, nur zum Han- dein. Schon hat der Vorsitzende des Nationalliberalen Lan desverbandes, Professor Geiger-Erlangen, einen begeisterten Ausruf zur Wahlarbeit erlaßen, und die Jungliberalen rich ten an die Ihrigen und alle Liberalen die Mahnung zur Einigkeit. Die der Wahlkamps von den Gegnern betrieben werden soll, davon gibt ein neulich in München verteiltes sozialdemokratisches Flugblatt einen kleinen Vorgeschmack. „Preußische Kolonialwollust, Tropenkoller, weltpolitischer Wahnsinn, Vcrluderung deutschen Volksgutes und Volks blutes" sind noch nicht die kräftigsten Ausdrücke. Für die vaterlandslose Gesinnung mag bezeichnend sein, daß der Ausspruch des „Vollsmannes Jaures" in fettestem Drucke zinert wird, erheiternd mag in ernster Zeit wirten, daß die Partei Singers verächtlich von dem „Bör.enmann Leinburg" spricht. Die eigentliche Wahlparole aber scheint in dem Satze zu liegen: „Hinter dieser brutalen Reichstagsauflösung lauert noch etwas anderes, lauert die Gier, auch die letzte» Schranken einer wurmstichigen Neichsverfassuna niederzu reißen, lauert der ungehemmte Absolutismus, lauert der Staatsstreich." Man will also dem Volke weismachcn, daß es auf seine „Entrechtung" abgesehen ist. Von den Wahlaussichten in Bayern darf man sich freilich kein optimistisches Bild machen. Für die Liberalen gibt es ja nicht viel zu verlieren, aber, wenn nicht Wunder geschehen, auch nicht viel zu gewinnen. Zunächst wird es der größten Anstrengung bedürfen, den Besitzstand, so rn Hof und in Erlangen-Fürth, zu wahren. Vor allem tut Einig keit not, und cs ist nicht abzusehen, warum diesmal, da alle liberalen Schattierungen im Reichstage zusammcnstanden, der Bildung des liberalen Blockes bei der Reichstagswahl größere Schwierigkeiten erwachsen sollten als bei der Land tagswahl. Leider hat cs ja in letzter Zeit Reibereien zwischen Demokraten und Nürnberger Nationalliberalen ge geben, die weit besser unterblieben wären, aber solche ver- einzeltc Wichtigtuereicn bedeuten keine Gefahr für das Wahl abkommen. In einem angesehenen nationalliberalen Organe Bayerns, in welchem solche Befürchtungen für die Neich-Z- tagswahl ausgesprochen wurden, war auch die weitere zu lesen, daß der Grund zur Reichstagsauslösuna eine ungün stige Wahlparole bilde, da man in Bayern den Kolonien immer nur mäßiges Interesse gewidmet habe. Ganz abge sehen davon, daß die Behauptung in ihrer Allgemeinheit glücklicherweise nicht mehr richtig ist, wäre das aber auch eine tatsächlich und taktisch grundfalsche Parole. Sie kann und wird nur lauten: Für die nationale Edre, gegen den Ultra- montanisinus. Sie wird bei keinem versagen, der die baye rische Zcntrumswirtschaft als Schmach und Schande emp findet. Hoffentlich wird zu seiner eigenen Reputation — seine Hilfe fiele kaum in die Wagschale — der Bauernbund die Haltung seiner beiden Vertreter im Reichstage, die Hand in Hand mit dem Zentrum gegangen sind, gründlich ver- leugnen. Sonst wäre der letzte Grund vorteilhafter Un terscheidung vom Zentrum geschwunden. Wer endlich unserer glorreichen Regierung ins Herz sehcn könnte. Sie hat ,a ganz gewiß der Auflösung zugc- stimmt, aber mit welchem Zagen und Bangen mag es ge- schchcn sein! Wenn Bayern Kolonien besäße, die Regierung hatte auch bei Streichung des ganzen Budgets keinen Kampf gegen das Zentrum gewagt, und kein Kolonialdirektor, der übrigens ebne die juristischen Examina in Bayern niemals zu solcher Würde hätte kommen können, hätte einem bajuva- rischen Roeren auch nur ein Haar gekrümmt. Man erinnere sich: als Graf Crailsheim vor beinahe vier Jahren in Wah rung des Ansehens der Krone den Kampf gegen den ultra montanen Uebermut auszunehmen willens war, da ließen ihn die Kollegen in Stich, und seine Aktion wurde der Ausgangs punkt einer Intrige und seines Sturzes. Und die Moral? Die bayerische Regierung wird auch im Nahmen des Ge setzes angesichts der Reichstagsauslösuna und künftighin nichts gegen das Zentrum unternehmen, und wenn ich unsere Exzellenzen reckt kenne, so werden sic dieses in Bavern durck verdoppelte Liebenswürdigkeit zu entschädigen suchen. Für sopenannte Liberale ober, die zur Beförderung eines all gemeinen Mischmasches selbst beim bayerischen Zentrum eine oatioale Ader gefunden hatten — wer lacht da? —, mag's eine gute Lehre sein. Vielleicht werden sie wirklich liberal. Koben Hoch über Oie Zcdlaklrranlrbeit. Wiederholt ist schon an dieser Stelle von der Expedition des Professors Robert Koch nach Ostaftika »ur Erfor schung der Schlafkrankheit die Rede gewesen. Noch aber fehlten Kochs eigene Berichte über seine Erfahrungen. Sie werden jetzt in einer Sonderbeilage zu Nr. 51 der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift" ^Redakteur Professor Dr. I. Schwalbe) veröffentlicht. Die Berichte beziehen sich auf die Fliegen lGlossinens, die die Uebertragung der Schlafkrankheit veruuUelu, ihr Vorkommen, ihre LeoeuLwcii«, seruer auf die bei diesen Fliegen und bei anderen Tieren szum Beispiel Krokodilen) vorlommenden Trypanosomen, insbesondere das Drvpanokorus lranibiellsa als Ursache der Schlafkrankheit, auf das Aufsuchcn von Krankheitsfällen unter der Bevölke- rung, auf die Untersuchung und Behandlung von Kranken usw. In bezug auf die Behandlung hofft man, in dem Atoxyl, einer Arsenverbindung, ein Mittel erkannt zu Haden, das bei der Schlafkrankheit in ähnlicher Weile wirkt, wie das Chinin bei der Malaria. Wir geben den wichtigsten Teil mit freund- licher Erlaubnis des Verlags der „Deutschen Medizin. Wochenschrift", Herrn Gg. Tieme in Leipzig, im Auszuge wieder. Sese bei Entebbe sBritisch-Ostafrika), den 15. Oktober 1906. In Begleitung von zwei Mitgliedern der Expedition traf ich am 8. August in Entebbe ein. Tie Seseinseln nehmen den nordwestlichen Teil des Victoria-Nyanza ein. Sie gruppieren sich in der Zahl von einigen vierzig kleineren und gröberen Inseln um die lange und in Windungen ver laufende Hauptinsel. In kurzer Zeit waren die Zelte auf gestellt und mit Schutzdächern versehen. Die Laboratoriums vorräte wurden in einigen Räumen des Missionsacbäudes der Weißen Väter untergebracht, wo sie gegen die hier sehr häufigen und schweren Gewitterregen am beste» geschützt waren. Ueber den derzeitigen Stand der Seuche auf den Sese inseln habe ich folgendes zu bemerken: AIS die Krankheit vor etwa vier Jahren aus den Inseln erschien, betrug die. Zahl der Einwohner gegen 30000. Jetzt ist sie nach der Schätzung der Missionare auf 12 000 gesunken, und noch fortwährend werden zahlreiche Menschen durch die Krankheit weggerafft. Vorwiegend sind es die Männer im kräftigsten Alter, welche weggestorben sind. Es gibt einzelne Dörfer, in denen nur Weiber und Kinder übrig geblieben sind. Aber auch diese werden nicht verschont, und manche Inseln haben ihre Bevöl kerung ganz oder bis aus einen kleinen Nest verloren. Wie die Seuche gehaust hat und noch baust, mögen einige Beispiele erläutern. Durch de» Zugang von mehreren Kranken auf das Torf Busanga aufmerksam gemacht, be suchten wir dies Dorf und erfuhren, daß zu diesem früher über 200 Einwohner gehörten, von denen nur 55 übrig ge blieben sind. Von dielen wurden 22 genauer untersucht und davon 17 bereits mit der Trypanosomiasis /Schlafkrankheit) behaftet gefunden. Tas fast vollständige Äussterben dieses Torfes wird, wenn keine anderweitige Hilfe kommt, un vermeidlich fein. Zum Zwecke der Diagnose der Trypanosomiasis sind biS zum 1. Oktober 163 Drüsenschnitte vorgenommen und dabei 160mal Trypanosomen gefunden. Dieses Resultat liefert also eine vollständige Bestätigung der Angaben der beiden eng- lischcn Forscher Gray und Graig, welche diese Metode der Diagnose entdeckt und dringend empfohlen haben. Sie kam«- auf Grund der Untersuchungen zu der Ueberzeugung, daß in einer Gegend, wo die Schlafkrankheit herrscht, das Vorhan densein von geschwollenen Lymphdrüsen am Halse ein fast un trügliches Kennzeichen der Krankheit ist. Hiermit stimmen unsere Erfahrungen durchaus überein, indem wir nicht nur in den vergrößerten Lymphdrüsen derjenigen Mensche», welche fick krank meldeten, sondern mehrfach auch bei solchen, welche sich für gesund dielten und noch zur Arbeit ginge», Trypanosomen Nachweisen konnten. Nimmt man nun aber die Drüsenschwellung als sicheres Kennzeichen für das Vorhandensein der Trypanosomiasis an, dann siebt es mit der Bevölkerung der Seseinseln sehr schlecht, denn nach ungefährer Schätzung sind von den jetzt noch Lebenden 60—70 Prozent mit Trypanosomen infiziert. Rechnet man hierzu noch alle diejenigen Menschen, welche zwar schon infiziert, deren Drüsen aber noch nicht geschwollen sind, dann bleiben auf den Seseinseln nicht viele Menschen übrig, denen eine Prophylaxis noch zugute kommen würde. Hier kann nur noch ein Heilmittel helfen, das imstande ist, die Tryvanosomen in den kranken Menschen zu vernichten, gerade io wie das Chinin die Malariaparasiten vernichtet. Nachdem wir zu dieser Erkenntnis gekommen waren, haben wir uns sofort damit beschäftigt, ein derartiges Heil mittel auszufinden. Ta ich schon bei der Ausrüstung der Expedition mit dieser Möglichkeit rechnete, so hatte ich mich mit den beiden bis da hin als besonders gegen Trypanosomen wirksam befundenen Mitteln, dem Atoxyl und dem Trvvanrot, versehen. Wir be gannen unsere Versuche mit dem Ätoxvl, welches bekanntlich eine Arsenikverbindung ist. Dieses Mittel wird seit etwa fünf Jahren zur Behandlung von Haut-, Blut- und Nerven krankheiten vielfach gebraucht, und zwar in der für die Arsenikbchandlung üblichen Weise. Wir fingen mit einer verhältnismäßig kleinen Dosis an, nämlich 0,06 Gramm, welche unter die Haut aus dem Rücken injiziert wurde. Da hiernach keine merkliche Wirkung eintrat, so stiege» wir auf 0,08, dann auf 0,1 usw., bis schließlich auf 0,5. Selbst nach dieser hohen Dosis, welche an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, nach Analogie der Chininbehandlung, wiederholt wurde, traten nicht die geringsten Vcrgiftungserscheinungen ein. Wir hätten mit der Dosis also noch mehr steigen kön nen, aber das war nicht erforderlich, da die Trüsenpunktion ergab, daß nach derartigen Dosen die Trypanosomen auS den Drüsen nach verhältnismäßig kurzer Zeit verschwunden sind. Bis-jetzt konnte ferner festgeslcllt werden, daß sie mindestens 10 Tage laug in den Drüsen nach der Atoxylbehandlung nicht auszufinden waren. Nach dieser Zeit treten in einzelnen Fällen die Trypanosomen wieder auf. Die Beobachtung an einer großen Zahl von Kranken muß lehren, wie lange Zeit im Durchschnitt die Trypanosomen wegbleiben, und ob nicht eine Anzahl von Kranken schon durch die einmalige Anwen dung des Atoryls überhaupt von ihren Trypanosomen be freit wird. Vorläufig nehmen wir an, daß die Trypanosomen durch die einmalige Behandlung mit Atoxyl noch nicht vollständig beseitigt sind, und daß man, so wie das Chinin zur völligen Abtötung der Malariaparasiten in siebentägigen Zwischen räumen zwei Monate lang gegeben werden muß, auch das Atoxyl in mehrfacher Wiederholung während eines längeren Zeitraumes anzuwenden hat. Wann und wie oft dies zu geschehen hat, kaun nur auf experimentellem Wege ermittelt werden. Zunächst werden wir bei Sckwerkranken die Behandlung nach 10 Tagen und bei Leichtkranken nach 15—20 Tagen wiederholen. Von unseren Kranken haben 68 die Atoxyl- bebondlung schon zum zweiten Male, 7 zum dritten und einer zum vierten Male überstanden, ohne daß irgendwelche Er- 'Fcinungen eingetreten sind, welche zu einem Aussetzer! der Behandlung Veranlassung gegeben hätten. Zugleich mit dem Verschwinden der Trypanosomen aus den Lymphdrüsen scheint nach den Atoxylinjcktionen eine ge wisse Besserung in dem Befinden der Kranken vor sich zu gehen. Bei den unbestimmten und wechselnden Svmptomen der Krankheit und bei der kurzen Tauer unserer bisherigen l Beobachtungen ist «S unmöglich, hierüber jetzt schon eia be- 1 ftimmtcS Urteil abzugebeu. Aber auf lebe» Fall kühl« hi«
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