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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190612235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19061223
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19061223
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1906
- Monat1906-12
- Tag1906-12-23
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BezuaS.PrciS tür Leipzig und Pocorte: Au der Hanpt» Trpetztlioa oder dereo Au-gabesiellro ab- gebält monatlich: An-gab«^ (1 mal täglich) 70 Pf , Au««ad, ö L mal täglich) 80 Pf, bei Zustellung io» Hau» Ausgabe X 80 Pf, Ausgabe 8 l Mark. Durch uoirre auS- wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezöge» ll mal täglich) für Deuilchland und Oesterreich monatlich l Mark, für die übriger» Länder lau« ZeitunaspreiSIiste. Diese -lummer lostet aal 4-» allen BgLndvfeo und bei I II den Zeitung».Berkäniern < 'I I . . Aedattu»» uuo irrvebUtorr: Jod«uat»gan« 8. Leleobon Str. ISS. Str. 222. Nr. 1173. Berliner Revatttons-Bureau: Berlin KV. 7, Prinz Loui» Ferdtuaud- : i Straße 1. Telephon l, Nr. SL7Ü. Morgeu-Ausgabev. rMgrr.TllgMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Aales und -es Volizeiamles der Ltadt Leipzig. Nr. 581. Sonntag 23» Dezember 1906. Anzeiqen-PreiS dir Sgrlvaliene Petllzeile für Geschäft», insernte au« Leipzig und Umgebung 2ü Pf.. Familien-, Wohnung»« u. Stellen-Äozeigrn, sowie An- und Perkäuir 20 Pf., sinanzielle Anzeigen 30 Pf, für Jnierate von auswärts 30 Pf. Reklamen 75 Pf, auswärts l Mark. Beilage- gebühr 4 Mark p. Lausend er kl. Postgebühr. Geschäftsanzeigen an bevorzugier Ltelle im Preise erhöht Rabatt nach Larii. FürJnserate vom Au-Iande bewnderer Tarif. Anzeigeu-Ännadme: Anguttnsplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allenAnnoncen- Elveditionen des An- und Auslandes. Für da- Erscheinen an benimmten Tagen u Plätzen wird keine Garantie übernommen. Haupt-Ftllale Berlin: CarlDu ucker,Herzgl.Bahr.HosbuchhonLIg.. Lützowilraße 10 lTelephon Vl, Str. 4603:. FiliLl-Krvedttion:TreSden,ManLniir.3L 100. IabMNsi. Var ivichtlgm vom Lage. * Der „StaatSan,eiaer" veröffenllicht eine königliche Verordnung vom 21. Dezember, nach der der preußische Landtag auf den 8. Januar 1907 einberusen wird. > ...... — * Der nationalliberale Fübrer RechlSanwalt Dr. V'affermann hat die ihm von neuem angeborene Kandi datur m Duisburg abermals abgelehul. * Der Rücktritt des bisherigen deutschen Ge sandten am norwegischen Kölligshofe Dr. Stübel gilt alS gew iß. * Zum Oberbürgermeister von Karlsruhe wurde der bisherige erste Bürgermeister Siegrist ge- »LHt.' * Nelidow, der russische Botschafter iu Pari», ist »mt-müde geworden. (S. AuSl.) Vie IsanckOattlk Zuncir. I» de« -reise« der Mittel st a«dSverei«rg»»s ist die Meinung verbreitet, daß die Bereinigung doch noch zu einer eigene« Laudidatur schreite« werde. Wie wir der- nehmen, handelt cS sich dabei um Wünsche, die vor dem A« stauch en der Kandidatur de- Stadt- verorduetenvorsteherS JustizratS Dr. Junck entstanden sind. Wir nehmen an, daß jetzt, nachdem die Iuncksche Kandidatur so diel Beifall gefun den hat, eine derartige Absicht falle» gelasie« wird, da diese doch amr dahin führte« könnte, daß daS ReichtztagS- «Mi-at für Leipzig-Stadt in de» Hände» der Sozialdetno- krntie verbliebe. Es gilt aber, jetzt »»verweilt eine» Entschluß za fasse». Biete» auch scheinbar die lammende» Feiertage wenig Gelegenheit, schon in die Agitation eiazutreteu, so muß es doch als dringend wünschenswert bezeichnet werde», daß die Kandi- Katar I»»ck »nnmehr ihre letzte Bestä- tignag findet. Es gilt einen schweren Kampf i» einer l«rz bemessenen Frist. Schoa in fünf Wochen ist der Wahltag. WaS sonst in monatclauger Arbeit vorbereitet werden lonate, muß ia dieser kappe« Zeit geschehen. Da bedeutet jederTageineuGewinafürdienatio- «ale Sache, und jede Stund«, die verlöre« geht, ist eia «uwiederbriaglicher Verlust. Möge das in all den Kreisen uuserer Bürgerschaft bedacht werden, die ernst haft Willens sind, Leipzig auS der Umklammerung der Sozialdemokratie zu befreie« und «userer Vaterstadt eine Vertretung im Reichstage zu sichern, wie sie ihrer reiche« nationale» Geschichte «ud dem patriotischen Sinn ihrer Bürgerschaft entspricht! War irt Liberalirmur? Herr v. Bethmann-Hollweg, Preußens Minister des Innern Alt-Fronkfurter Kultur, hat einmal im Abgeord netenhause des preußischen Landtages eine philosophisch-poli tische Rede gehalten. Tarin ist ihm das Kunststück gelungen, konservative Ideale mit liberalen Grundsätzen zu begründen. Er meinte, die Tiefengliederung der Gesellschaft sei das ge- treue Abbild der Natur und gewähre allein die Erfüllung der Forderung nach Individualitätenentsaltung. Und wenn dazu noch die Aufwärtsentwicklung des Individuums garan- tiert sei. so lebten wir so ziemlich in der besten aller Welten. Die Liberalen sahen einander ob dieser verblüffenden Kunst stücke des gewandten politischen Prestidigitateurs stumm an, während auf der rechten Seite des Hauses Heller Jubel er scholl. denn endlich schien ihnen nach dem einigermaßen anti- guierten „Stein" der Weisen eine neue Persönlichkeit er ständen zu sein, bereit und fähig, die höchst realen konserva tiven Bedürfnisse weltanschaulich zu begründen. Tie Kon servativen sind in diesem einen Punkte notgedrungen ziemlich anspruchs- und vorurteilslos. Sie lasten sich derartige Fun- domentierungsarbeiten auch von Männern fremden Stammes gefallen, sintemalen ihre eigenen nicht unbeträchtlichen Talente sich gewöhnlich auf anderen Bahnen zu entfalten pflegen. An diese inzwischen bereits wieder zur Episode gewordene Hastrolle der Tame Philosophie in der politischen Arena er innert ein Aufsatz, den Professor Dr. I. Reinke, Mitglied deS vreüßischen Herrenhauses, im „Tag" hat erscheinen lasten. Herr Reinke folgt errötend den Betbmannscben Spuren. Ihm M eS auch die „naturgemäße" Tiefengliederung angetan, worüber er sich folgendermaßen auSläßt: „DaS liberale Prinzip beruht auf einer konkrete« Unterlage, auf der Ungleichheit der Menschen nach Geburt. Erziehung, Besitz und Bildung: es heißt liberal, weil qs freie Bahn und freien Wettbewerb dieser ungleichen - Potenzen im Staatsleben fordert. Im Gegensatz dazu .^ stellt sich do» demokratische Prinzip auf eine ab- stra k te Unterlage, »ndem es von den einzelnen mensch lichen Individuen die Ungleichheiten abzieht und ihre / gleiche politische Geltung proklamiert. Tie Bevölkerung einatz Laude- wird damit in »datrnoto in Atome aufgelöst. deren Zahl allein bei der Grupierung zu Machtfaktoren in Betracht kommt. Diese staatsbürgerlichen Atome sind darin ungleich den chemischen, weil man sie lediglich zählt, nicht auch wägt." Diese Definition ist nicht ohne Geist, wie es übrigens die Bethmanniche auch nicht war. Und was über das demo kratische Prinzip gesagt wird, ist sogar richtig, deckt sich wenigstens völlig mit unserer An'chauung. Die Droergrnz erstreckt sich nur auf die Definition des Liberalismus. Reinke übernimmt nämlich einfach die Bethmanniche Defi nition für das konservative Prinzip und läßt sie für den Liberalismus gellen. Damit wird der Wirrwarr voll ständig. Eine Klärung ist nur möglich, wenn man sich vor her das liberale Jndividualitätsprinziv festlegt. Dieses tiefshe und heiligste Motiv aller liberalen Bestrebungen basiert natürlich auf der Voraussetzung der menschlicher! Ungleichheit. Herr Reinke, analog den Bethmannschen Direktiven, redet nur von der „Ungleichheit nach Geburt, Erziehung, Besitz und Bildung". Die man sieht, begrenzt er die Ungleichheit auf äußere Momente, während die liberale Weltanschauung das Schwergewicht der individuali stischen Berechtigung auf die Verschiedenheit des innere« Wesens legt. Hieraus ergibt sich alles andere von selbst. Der Liberalismus fordert also Betätigungsmöglichkeit für alle Individuen je nach ihrer Veranlagung,uud nach ihren äußere» Verhältnisse», während der Konservativismus den Menschen in den Grenzen seiner äußerlichen Verhältnisse halten will und ihn darüber mit dem anscheinend liberalen Satze tröstet, das sei naturgemäße Berücksichtigung deS Zndr- viduums. Nun sieht man klar. Unsere guten liberalen Grundsätze Goethischer Lehre „Höchstes Glück der Menschen kinder bleibt doch die Persönlichkeit" wollen uns die Kon servativen und Kryptokonservativen L In Bethmann und Reinke erstarren lasten i» Schematismus. Sie behaupten, die Persönlichkeit habe sich auf den ihr von den äußeren Verhältnissen zugemestenon Kreis zu beschränken und habe darin auch genügend Tummelungsraum. Der Zweck ist natür lich, daß dadurch all« oberen Stelle» den von der „Natur" dafür prädestinierten Geschlechtern Vorbehalten bleiben. Und wenn man zu diesem löblichen Zweck noch anscheinend liberale Motive inS Feld schickt, Hann ist es doch einmal Pflicht liberaler Torhüter, auf diesen Einbruchsversuch beizeiten aufmerksam zu machen, auf daß sicht gutgläubige Gemüter in Verwirrung geraten. Auch eine praktische Nutzanwendung ist noch zu ziehen. Professor Reinke überschreibt zwar seinen Artikel „Liberal oder demokratisch", schließt ihn aber mit dem charakteri- tischen Vorschlag einer liberaldemokratisch-konservatioen Dahlunion. Von Fall zu Fall mag das bei Wahlen gelten, so jetzt in Leipzig. Ganz abgesehen aber von der theoretischen Haltlosigkeit der Reinleschen Deduktionen vernachlässigt der Herr auch, was ihm als uneingestanden konservativem Autor, reilich kaum übel angerechnek werden kann, daß die Ver allgemeinerung seines Vorschlages eine eminente Schwächung der gesamten liberalen Wahlakten bedeutet. Und weiter ist es unsere feste Ueberzeugung, die hier übrigens nicht zum ersten Male ausgesprochen wird, daß der Erfolg des ganzen Wahlseldzuges in Frage gestellt wird, wenn die Attacke auf Zentrum und Sozialdemokratie nur unter der nationalen Flagge organisiert wird. Dazu ist der Anlaß materiell viel zu winzig. Die Umstände der Zeit, die Teuerung, die Kultur forderungen drängen auf schärfere Betonung des Liberalis mus , Aeibnachtrtage -er emopäirchen Parlamente. Seitdem die christliche Religion in Europa herrschend ge worden ist, Pflegen die Wcihnachtswocken eine wohltätige Ruhepause in das politische Getriebe zu bringen. Befonders unser Parlamentsleben ist einer solchen gar sehr bedürftig, einer Unterbrechung der anstrengenden Wintlrarbeit. Ta arbeitet man in den letzten Wochen mit um so lebhafterem Eifer, um den ersten Sefsionsabschnitt mit positiven Erfolgen zu schließen, wenigstens irgend eine wichtige Ausgabe zu voll enden und sich durch ein gutes Gewissen die Feslruhe zu ver dienen. Auch die Volksvertretungen Frankreichs und Italiens, welche aus Abneigung gegen die religiösen Ord nungen die.Feier der christlichen Gedenktage verschmähen, lasten sich durch die bürgerliche Jahresrechnung, die so be deutsam in alle Zweige des staatlichen Lebens eingreift, dazu bestimmen, in dieser Periode einen Teil ihres Arbeits pensums auszuarbeiten. Am wenigsten pflegen wir Deutschen in der Vorweih nachtszeit fertig zu bringen. Die verspätete Einberufung un- screr Parlamente steht dem entgegen. Unsere Staatsmän ner sind nun einmal nicht gewohnt, im Sommer vorzu arbeiten, der Oktober und November bleiben allemal tür unsere Gesetzgebung völlig unsruchtbar. Tiesesmal auch der Dezember, weil unier Reichstag dem Richterbeil verfiel. Desto zufriedener dürfen die Reichsbolen unseres Nach barlandes zu den heimatlichen Christbäumen reisen. Sie haben nicht mehr und nicht weniger als eine völlig neue Ver fassung »schassen. Wenn der Besiegte von 1866 mit feiner vormärzlichen Kurienwahl um einen ganzen Himmel hinter seinem deutschenBrudcr zurückgeblieben war, so hat er ihn jetzt, nach 40 Jahren, mit einem gewaltigen Sprunge wieder ein- geholt und beschämt unsere trägen und verrannten Schwarz seher, die noch immer nicht belehrt sein wollen, daß das all gemeine Wahlrecht wie die Lanze des Achill seine felbst- geschlaaenen Wunden auch selber heilt. Daß es das einzige ist, welches unseren Staatsschiffen gleich linderndem Oel die sturmbewegte See des demokratischen Alters glättet und sie unter sicherer Leitung verständiger Lotsen durch die um brandeten Klippen der Zeit hindurchzusteuern imstande sind. Diese Einsicht hat Oesterreichs erfahrener Herrscher, haben seine heutigen Ratgeber in einer 48jährigen Regierung erlangt. Der trotz seines äußerlichen Kultursirnistes tief im Mittelalter steckengebliebene Magyare ist zu dieser Einsicht noch beute nicht vorgedrungen. Jener rückständige Landadel Ungarns, der jo lange mit volkstümlichen Federn sein« nationale Verbohrtheit, seinen ständischen Egvismns aufzu putzen verstand, steht jetzt wie der Dastervogel der Fabel in feiner beschämenden Nacktheit da. DaS goldene Zeitalter einer überwältigenden Mehrheit, einer geradezu erschrecken den Alleinherrschaft der Kostuth-Pariei scheint ungenutzt ver streiche« -« sollen: für die Verwirklichung der heiligsten Der- seine gesundheitlichen Vorteile. Wer kennt nicht Ode: „Der Eislauf" mit jener denkwürdigen „O Jüngling, der den Wasserkothurn Zu beseelen weiß und flüchtiger tanzt. Laß der Stadt ihren Kamin! Komm mit mir. Wo des Kristalles Ebne dir winkt!" Und in der Tot, iede Bewegung, die dem Fliegen ähnlich scheint, bringt den Erdenkindern besonderen Genuß, also auch der Eislauf. Das Erngravieren von Schnörkeln in dos weiche Eis ist nur ein Nebenvergnüaen, das zum Scherz und zur Herausforderung dient. Die Hauptsrcude gewährt das flugortige Schweben und Gleiten aus dem durch den Frost gebändigten Element unter unseren Füßen. Auch Goetbe war ein leidenschaftlicher Anhänger des Eislaufes: er ist, als Schlittschuhläufer im Pelze der Frau Rat, von zahl reichen Künstlern dargestellt worden. Wir können deshalb seinen Ausruf wohl verstehen, den wir in der Weimarer Aus gabe seiner Briese finden: „Wann wirst du wiederkommen, wohltätiger Winter, die Wasser befestigen, daß wir unser» Schlittsckuhtanz wieder anfangen!" — Er hat wohl nicht ge ahnt, daß unsere Vorfahren bereits vor mehr als 80M Iah- I ren die Kunst, sich durch eigene Kraft auf dem Eis sortzu- I bewegen, kannten. Und doch ist dem so. zeugen doch die I Fund«, die sich z. D. im Märkischen Museum und im Völker- fordern wird, was jetzt in Güte, in Ruhe ihm zu geben I wie sie damals benutzt wurden, we Politiker unterlassen, die m der Wonne, endlich an die Staatskrippe gelangt zu sein, sich in einem Phäakenleben versiegen! ... Dem allgemeinen Wahlrecht tritt würdig an die Seite das großherzige Geschenk des Kaisers an die erste Kammer Oesterreichs. Durch die Einführung des nv^p'-'is clausus ist die Notobclnkammer zu einem von der Kro..e unabhängi gen politischen Faktor geworden, dessen Rätlichkeit allerdings ernsten politischen Bedenken unterliegt, im monarchischen wie im demokratischen Interesse. Immerhin mag diesem neuen Faktor u^ter den eigenartigen Verhältnissen Oester reichs, insbesondere angesichts eines künftigen Thronwechsels, eine der Volkswohlfahrt ersprießliche Nolle Vorbehalten sein. Unsere italienischen Freunde müssen allerdings aus eine gesetzgeberische Festgabe ihrer onorevosi verzichten und sich begnügen, die gefüllte Geldbörse noch einmal aus dem Weihnachtstische paradieren zu lassen, welche sie der Rcnten-Konversion des vergangenen Sommers verdanken. Sie dürfen sie auch mit den Palmenwedeln bekränzen, die Tittonis kluge Fricdensrede so geschmackvoll umrahmten. Sie werden selber sich bewußt sein, wie unendlich viel für den sozialen und kulturellen Ausbau ihres jungen Staates noch zu tun bleibt. Dagegen ist für ihren lateinischen Bruder an der Seine ein gewaltiges Werk der Gesetzgebung in das Staoium der Ausführung eingetreten: di« schwerere Hälfte jeder Reform arbeit. Ein Kulturwerk, welches^ dereinst vollendet, die allerchristlichste Nation zum klassilchen Muster eines mo dernen Volkes machen würde, dessen Staatswesen sich ohne das überliefert« christliche .Kulturelement entwickelt, ja sogar in einer bewußten und kokett zur Schau getragenen Feind schaft dagegen. Wir können nur als völlig unbefangene, nach keiner Seite durch Haß und Liebe bestimmte Zuschauer diest Entwickelung ver'olgen und ihre einzelnen Phasen aufzeichnen, lvr wir weder die mittelalterliche Kirchenhcrr- lchaft erhalten wollen, noch kür das heidnische S.taots- kirchentum Spmpatbien empfinden und ebensowenig für ein Protzentum der Religionslosigkeit. Der Sieg des letzteren ist im Augenblick noch keineswegs entschieden und scheinbar selbst dem radikalen, aber staatskluqen Clemenceau uner wünscht, der seine ganze Entschlossenheit aufbieten muß, um sich seiner jakobinischen Gegner auf der linken Flanke zu er wehren. Tritt Clerncncecm aber wenigstens mit einem vollendeten Kapitel de? Gesetzbuches in das neue Jabr, so bat seinem englisch'n Kollegen seine gewaltig« Mehrheit im Unter bause gar !nchts qehol'en, um seine Scbulvorloae durchzu bringen, eine kümmerliche Kompromißarbeit, verglichen mit der großzügigen wenn auch bedenklichen kirchlichen Nesorm- gesetzaebung der Franzosen. Obwohl Bannerman Schritt vor Schritt zurückwich und das Kompromißwerk weiter verkompromisielte lo ist es ihm nicht gelun^"^ den Wider stand der konservativen Gewalten zu überwinden, die in Englands durchgeistigter Geschickte so viel wirksamer sich behauptet haben, als bei den oberflächlichen Franzosen, deren Denken, weil weniger tief und breit, zur absurd werdenden Komcauenz ausscklägt. Das Schulgesetz ist in England ae- heitert Man erkennt an stinem Schicksal die gefährliche Machtfülle des im Oberhause fest bewurzelten konser vativen Elementes für Englands Fortschritt. So weit sind wir jetzt. Wird der alte Campbell noch die Entschlossenheit bebauvten, wenn der verfassungsmäßige Weg endgültig ver sagt. dem schweren und unglücklich verlaufenen Kampfe nm die Schule den schwerer-», auf die Dauer aber unvermeid baren Kamps um die VersallimaSresorm folgen zu kaffen? Darüber nachzudenken, mag die Weihnachtspause dem alten Herrn erwünschte Muße bescheren! Winterrpstt nna Wiittrssteuaen. Motto: Der Winter ist ein rechter Mann. Kernfest und auf die Dauer: Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an Und scheut nicht Süß noch Sauer. (Matthias Claudius.) Jede Jahreszeit hat ihre Reize, auch der Winter, den die Stubenhocker mit ängstlichen Augen kommen sehen, den Kranke und Schwächliche fürchten, dem aber Jugend und alle Freunde der Natur entgegenfauchzen, denn er ist nicht nur ein „kernfester Mann" »andern Claudius singt von ihm weiter: „War je ein Mann gesund, ist's er: er krankt und kränkelt nimmer!" Und deshalb, weil er es ist, macht er auch die Menschen geiund oder erhält sie bei der Gesundheit, wenn sie sich ihm nur anvertrauen wollen. Daß der Winter cs wirklich gut mit uns Menschen meint, das geht schon aus den vielen Annehmlichkeiten hervor, mit denen er sie ins Freie lockt. Unter diesen steht von jeher der Eislauf oder das Schlittschuhlaufen obenan, und ihm ist auch die Ehre geworden, von den größten Dichtern Deutschlands verherrlicht zu werden, besonders von Klop stock, der diese Kunst dre Kunst Tialss nennt, die durch Wittekinds Barden: Wilid, Haining und Wandor be sungen wurde. Er ist es auch gewesen, der nicht nur die Schönheit und Kunst des Eislaufes hervorgebobcn hat, son dern auch Klopstocks Strophe: sprechungen rührt sich keine Hand. Bis eines Tages das; museum zu Berlin befinden, von der Ausübung des Els- betrogene Volk an die Mauern des Parlamentes toben und laufes in aller Zelt. Allerdings sehen die Schlittschuhe, .. s-- —stentlich anders aus als beute, und der älteste Schlittschuh der Welt dürfte der von Geh.-Rat Friedel in einer Sitzung des Vereins Bran- denburgia vorgelegte — Pserdeknochen sein. Doch sei dem, wie ihm wolle, die Hauptsache ist, daß der Eislauf der Gesundheit förderlich ist. Wir dürfen als Zeuge hierfür wiederum Klopstock anrufen, der eine Ode, die den Erfinder des modernen Schlittschuhlaufens Bragi verherr lichen soll und daher Braga genannt ist, mit den Worten beginnt: „Neide mich! Schon, von dem Gefühle der Gesundheit froh Habe ich, weit hinab, weiß an dem Gestad gemacht. Den bedeckenden Kristall, und geschwebt Eilend, als sänge der Barde den Tanz." Fragen wir uns, worin der gesundheitliche Wert des Eislaufes besteht, so können wir ihn mit Fug und Recht mlt dem Rudern im Sommer in Parallele setzen, da beide ihre großen Vorzüge haben. Das Schlittschuhlaufen sollte um so mehr gepflegt werden, als in dieser Jahreszeit, wo die Lust in den Häusern durch Heizung und Beleuchtung verschlechtert wird und die lange Dunkelheit die Menschen ans Haus fesselt, Körperübungen in freier Luft doppelt not wendig sind. Das bedeuten die Worte Klopstocks: „Laß der Stadt ihren Kamin!" — Man hat gemeint, daß der Eislauf sehr anstrengend sei, und ist zu dieser Ansicht deshalb ge- kommen, weil Anfänger und solche, die mehrere Jahre aus gesetzt haben, leicht über Muskelschmerzen klagen. DaS hat aber gar nichts zu sagen und verliert sich bald, denn in Wirklichkeit ist der Kraftaufwand beim Schlittschuhlauf nicht groß, sondern für gleiche Wegstrecken jedenfalls viel ge ringer als beim Gehen, da die einmal erteilte Geschwin digkeit, wie beim Radfahren, nur allmählich durch die ge ringe Reibung verbraucht wird. So kann ein geübter Läufer ohne große Anstrengung 90—100 Kilometer an einem Tage zurücklcgen. Andererseits ist durch die Möglichkeit, das Tempo zu beschleunigen, die Wärmeproduktion stets groß c?n'lg, um selbst bei niedriger Temperatur eine gefahr bringende Abkühlung des Körpers zu verhindern, wahrend natürlich eine Ueberhitzung schon an und für sich ausge schlossen ist. Was das Erfrieren von Gliedmaßen anbe trifft, so kann das durch einen entsprechenden Schutz ver mieden werden, wobei daraus zu achten ist, daß jemand, der Verdacht hegt, seine Nase erfroren zu haben, nicht gleich in ein warmes Zimmer treten, sondern sich vorher tüchtig mit Schnee reiben vder mit recht kaltem Wasser abwasche« soll. — Man könnte noch die Frage auswersen, welche« Zweck daS Kunstfahren hat, wie eS namentlich auf den Eisbahnen größerer Städte betrieben wird und die Sportslustigen zu Wettkämpfen herausfordert. Es führt weit mehr als der gewöhnliche Schlittschuhlauf zur lokalen MuskelermRmOs^ und ist infolgedessen für Herz und Atmung nicht so kräftigend wie der Dauerlauf. Wie aber aus den verschiedenen Lehr büchern und Vorschriften und ihren Abbildungen bervorgeht und wie wir es selbst jeden Winter auf dem Eise sehen können, bildet es eine vorzügliche Geschicklichkeitsübung, erne Schulung zur Wahrung des Gleichgewichtes, so daß es mehr dem Gerätturnen an die Seite zu stellen ist. — Anhangs weise wollen wir hier noch erwähnen, daß der erste Kunst läufer Frithjos gewesen zu sein scheint, denn es heißt von ihm in der Frithjosssage: yEr ritzt in das Eis viel Runen wert, «Lchön Jngborg den eignen Namen befährt." In den letzten Jahren ist ein Sport zur hohen Blüte ge langt^ der aus dem Norden zu uns gekommen ist, nämlich das Schneeschuh- oder Skiläufen. Noch letzt ist der Schnee schuh m ländlichen oder gebirgichen Gegenden der nör dlichen Länder, die der Schnee zur Winterszeit säst zu völliger Abgeschlossenheit von der Welt verurteilt, ein un entbehrliches Verkehrsmittel. Allerdings, im Hinblick auf jein Älter ist die Beliebtheit des Skis heutzutage eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn schon in alten nordischen Gedichten und Gesängen, tue im 9. und 10. Jahrhundert ent- standen, wird ein Schneeschuhgott Ull erwähnt. Allmählich hat dieser Sport auch in Deutschland, namentlich in den ge- birgigen Gegenden, Eingang gefunden und steht in seiner Wirkung aus den Organismus dem vorigen sehr nabe. Den noch haben wir einen Hauptunterschied zwischen beiden fest- zustellen, weil nämlich der Krafwerbrauch beim Schnee- fchuhlausen viel wechselnder ist. Während zum pfeilschnellen Bergabfliegcn nur geringe Kraft zum Brem sen und im übrigen lediglich Balancierarbeit gehört, er fordert schon das Lausen auf der Ebene einen größeren Krastverbrauch. als das Schlittschuhlaufen, da die Nelbung auf dem Schnee stets größer ist, als aus dem Eise. Am anstrengendsten ist aber das Vergauflaufen und die Fort- bewcgung in schwierigem Terrain. Abgesehen von einer außerordentlichen Erschöpfung sind bei Ucbertreibungen, aber natürlich nur bei solchen, Herzerweiterungen in Verbindung mit Nierenaffeknonen, wie sich aus dem Be funde von Eiweiß im Harn seststcllen ließ, nach Beendigung einer Uebcranstrengung gefunden worden. Dem Schneeschuhlaufcn am verwandtesten ist das Fah ren mitdem Rennwolf, einer Art Stuhlschlitten, der ebensallS in Deutschland bereits bekannt ist. Dir können ihn als ein interessantes und praktisches Wintersportgerät bezeichnen. Er ist ein langkusiger, leichier Schlitten mit einer hohen Lehne, wobei der Fahrer mit einem Fuß auf einer der 2—214 Meter langen Kufen steht und mit dem anderen Fuße kräftig abstößt' mit den Händen stützt er sich dabei aus d>L etwa 1 Meter boke und mit einer Querstange versehene Lehne. Sowobl aus schneebedeckten Chausseen und Wegen als auf dem Eise gleitet der Rennwolf unt einem geübten Fahrer mit großer Geschwindigkeit dahin, so daß man mit ihm 20 Kilometer in der Stunde zurüaleaen kann. Infolgedessen ist er auch in gesundheitlicher Beziehung sehr empfehlenswert. Von ihm wird ungefähr das gelten, was vom Schlittschuhlaufen gesagt ist. Für Großstädter wird ein anderer Wintersport, näm lich das Schlittenfahren, nahezu unbekannt, und das kommt daher, weil aus Verkebrsrücksichten, hauptsächlich zu gunsten der elektrischen Straßenbahnen, gefordert werden muß, den Schnee möglichst rasch aus den Straßen der Stadt zu beseitigen. Es ist unzweifelhaft, daß eine Schlittensabrt bei mildem .rrostwetter ,n einem beschneiten Tannenwalde e>n Hochgenuß ist und zur Erfrischung von Körper und Geist beitragt. Der herrliche Anblick, die frische, staubfreie Luft spielen dabei eine groHe Rolle. Zu den Zeiten von Hans Sacks stand das Lcklittensahren als Sport noch auf gleicher Stufe mit anderen Leibesübungen, wi« sie von der Jugend ausgeübt wurden, und damals galt cs auch noch als bewndcres Dergnl'iacn, die Dame seines Herzens im Stuhl- lchlltten aus dem Eise vor sich herzufabrcn, womit eine ge sunde Körperübung verbunden war. Heute fährt man am I liebsten Schlitten, wenn es Berge und Abbänae bingbaebt, I wabei eine Anstrengung ausgeschlossen ist. so bei den so«». 1 Hörnerschlittcnsahrte«: es komme« da«« ähnliche Veralt-
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