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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190405089
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040508
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040508
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-08
- Monat1904-05
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1904
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3. Beilage Sonntag, 8. Mai 1904. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Nr. 233. S8. Jahrgang. veutrcher fteicbrtag. 86. Sitzung. D Berlin, 7. Mai. (Telegramm.) Im Reichstage wurde beute bei sehr schwach be- letztem Hause über eine sehr wichtige Frage beraten, die in die Verhältnisse nicht nur des Reiches im allgemeinen, sondern speziell auch in die der Einzelstaaten eingreift und zu den lebhaftesten Diskussionen in vielen Landtagen geführt hat. Die „kleine Reichsfinanzreform", die der Schatzsekretär Freiherr v. Stengel in Angriff ge- nommen hat und die heute den Gegenstand der Debatte bildete, hatte nicht vermocht, einen wesentlichen Teil der Abgeordneten nach Berlin zu locken, und die wichtigsten Abstimmungen fanden in der vierten Nachmittagsstunde m Anwesenheit von 75 Abgeordneten (von 397) statt. Zu Anfang der Sitzung wurden verschiedene Rechnungs sachen erledigt, wobei Abg. Sattler tnatlib.) wiederum die Schaffung eines Reichsfinanzministeriums anregte. Er fand Unterstützung bei dem Abg. Singer (Soz.), während Abg. Gröber (Zentr.) sich gegen das Projekt aussprach. Es folgte die zweite Beratung der Vorlage, betr. Aenderungen im Finanzwesen des Reichs ll«c Stengel). Nach den Kommissionsbeschlüssen soll die Franckensteinsche Klausel nur dahin eingeschränkt werden, daß lediglich die Zölle und die Tabaksteuer (also nicht auch die Stempelabgabe, wie die Regierung vorgeschlagen hatte) ihren bisherigen Charakter als Ueberweisungs- steuern verlieren. Auch soll zu der Branntweinver brauchsabgabe und den Stempelabgaben fortan noch die Branntwein-Material- und Maischbottichsteuer als lieber- Weisungssteuer hinzutreten. Reichsschatzsekretär Frhc. v. Stengel empfahl die Vorlage, die den Etat durch- sichtiger mache, der Finanzverwaltung Bewegungsfreiheit gewähre und die Einzelstaaten von einem Risiko entlaste. Der Bundesrat werde wohl der Kommissions fassung zustimmen. Unverständlich sei, wie die Freisinnigen und die Sozialdemokraten für die olsusnlL Franckenstein wie eine Löwin für ihr Junges kämvfen konnten, nachdem sie früher dagegen gestimmt. Diese Wendung gab dem Abg. Richter (freis. Vp.), der jetzt im Reichstage ein seltener Gast ist, heute aber erschienen war, Gelegenheit zu der Erwiderung, so afri- kanisch seien seine Freunde nicht, um so zu kämpfen. Seine Partei sei gegen die Vorlage. Für das Gesetz er klärten sich die Abgg. v. Richthofen- Damsdorf (kons.), Fritzen-Düsseldorf (Zentr.), Sattler (natl.), Arendt (Rp.) und Pachnicke (freis. Vg.), gegen die Vorlage Abgeordneter Südekum (Soz.) In der Abstimmung wurde 8 1 nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Nach 8 2 sollen etwaige Ueberschüsse des Etatsjahres zur Deckung etwaiger ungedeckter Matrikularbeiträge des selben Etatsjahres dienen. Abg. Richter (Freis. Vg.) sprach sich gegen die Bestimmung aus, die den Einzel staaten eine erste Hypothek auf etwaige Ueberschüsse sichere. Reichsschatzsekretär Freiherr v. Stengel wies auf den subsidiären Charakter der Matrikularbeiträge hin. Nachdem noch einige Redner gesprochen hatten, wurde 8 2 ebenfalls in der Fassung der Kommission ange nommen. 8 3 der Regierungsvorlage lautet: „Der budgetmäßige Betrag der von den Bundesstaaten beizu bringenden Matrikularbeiträge soll in der Regel den Be- trag der von ihnen in den fünf Vorjahren durchschnittlich empfangenen Ueberweisungen nicht übersteigen." ' Diese Bestimmung wurde von der Kommission gestrichen. Frei herr v. Stengel ersuchte das Haus sehr eindringlich, den Paragraphen aufrechtzuerhalten, und ließ sogar durchblicken, daß sonst eventuell das ganze Gesetz scheitern könne. Das Haus schloß sich aber dem Beschluß der Kom mission an. Der Rest des Gesetzentwurfes wurde darauf angenommen. Die Kommission hat außerdem eine Reso lution vorgeschlagen, die fordert, daß die Maischbottich steuer-Rückvergütung auf eine der tatsächlichen Ausbeute möglichst entsprechende Höhe herabgesetzt werde. Nach einer Debatte, an der sich auch der Reichsschatzsekretär Freiherr v. Stengel beteiligte, gelangte die Resolution gegen die Stimmen der Rechten und Nationalliberalen zur Annahme. Sodann vertagte sich das Haus auf Montag. D Berlin, 7. Mai. (Telegramm.) Am Bunüesratstisch: Staatssekretär Freiherr v. Stengel. Zur dritten Beratung stehen eine Reihe Rech nungsfachen. Die Kassenrechnungen der Ober rechnungskammer bezüglich der die Reichsverwaltungen betreffenden Teile, die Uebersicht der Reichseinnahmen und Ausgaben für 1901, allgemeine Rechnung über den Reichshaushalt 1899 werden nach den Beschlüssen der zweiten Lesung definitiv erledigt. Bei den Uebersichten über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete für 1900/01 kommt Abg. Sattler (natl.) auf die Frage zurück, wer die formelle Verantwortung für die Etatsüberschreitung der Schutzgebiete trage. Man müsse eine unabhängige Reichs- sinanzverwaltung haben, einen eigenen Reichsfinanz. Minister, wre in Preußen. Einstweilen müsse der Reichs- tag die Stellung des Reichsschatzsekretärs stützen. Abg. Gröber (Zentr.): Ich bin überrascht, vom Reichsfinanzminister zu hören, ohne daß man vorher andere Parteien instruiert hat; mag doch Abgeordneter Sattler einen formulierten Antrag stellen. Ein vec- antwortlicher Finanzminister paßt nur für einen Ein- heitsstaat. Wir müssen gegen das Projekt protestieren. Abg. Sattler erklärt: Die Anfrage richtet sich nur dahin, ob die Rechnunaskommission das gesetzliche Ver fahren beobachtet habe. Ich habe den Reichsfinanzminister heute nicht verlangt und will nur die Stellung der Reichsfinanzverwaltung stärken. Abg. Schickert (kons.): Die Rechnungskommission hat eine Anfrage an das Auswärtige Amt gerichtet und die Antwort bekommen von dem Kolonialdirektor, der sie er- suchte, in Zukunft die Fragen an ihn selbst zu richten. (Heiterkeit.) Abg. Gröber bleibt dabei, daß Abgeordneter Sattler das Projekt in einem Anträge zur Diskussion stellen wolle. Das Zentrum wache über die Zustän>"-ft--' Einzelstaaten, wie sie verfassungsmäßig garantiert ist. Abg. Sattler führt aus: Die Rechnungskommission wird bald dahin gelangt sein, nicht mehr den Reichs schatzsekretär, sondern bloß den jeweiligen Dezernenten um Auskunft zu bitten. Abg. Singer (Soz.): Der Reichstag kann dem Ab geordneten Sattler nur danken für die Anregung. Dis Auskunft der Kommissionsreferenten eröffnet angenehme Perspektiven für die Zukunft. Auch in der Budget kommission haben wir eigentümliche Anschauungen über das Etatsrecht des Kolornalamtes kennen gelernt. Wir haben nur mit dem Reichskanzler zu verhandeln, nicht mit den Ressorts. Es ist allerhöchste Zeit, da': der Reichs schatzsekretär den eigentümlichen Anschauungen ein Ende macht. Damit schließt die Beratung. Die Uebersichten werden nach den Beschlüssen der zweiten Lesung definitiv er- lcdiat. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfes, betreffend Aenderung des Finanzwesens desReiches. Referent der Budgetkommission Speck (Zentr.) führt aus: Nach den Kommissionsbeschlüssen zu 8 1 soll die teil- weise Ueberweisung des Anteils von Zöllen und Tabak- steuern an die Bundesstaaten aufgehoben, dagegen außer der Stempelabgabe und der Branntweinverbrauchs- abgabc auch der Reinertrag der Maischbottich- und Branntweinmaterialsteuer den Bundesstaaten überwiesen werden. Die von der Kommission vorgeschlagene Reso lution besagt, den Reichskanzler um einen Gesetzentwurf zu ersuchen, in welchem die Maischbottichsteuer-Rückver gütungen auf eine entsprechende Höhe herabgesetzt werden. Der Referent hebt hervor, daß die Francken steinsche Klausel durch die Beschlüsse nicht aufgehoben, sondern in genügendem Umfange erhalten wird. Durch weitere Beschlüsse zu 8 70 werde die Möglichkeit von Zu schußanleihen insoweit abgeschafft, als die Einzelstaaten Mehrüberweisungen nicht erhalten sollen, so lange noch Zuschußanleihen nötig seien. Staatssekretär Freiherr v. Stengel führt nochmals bei Eintritt in die zweite Lesung der Vorlage die Ziele des 8 1 aus. Dieser will den Reichshaushaltsetat klarer gestalten und die Haushalte der einzelnen Staaten von dem Risilo entlasten, dem Reiche die Mittel zu sichern, um die Verminderung der Reichsschulü möglichst wirksam zu gestalten. Daß es dem Zentrum nicht leicht gewesen sein mag, sich mit'der Beseitigung der Franckensteinschen Klausel einverstanden zu erklären, habe ich erwartet. Eine Ueberraschung war mir die Stellungnahme der Freisinnigen und der Sozialdemokraten. Als es sich um Einführung der Franckensteinschen Klausel handelte, haben sie dagegen gestimmt. Wenn wir heute die Klausel einschränken wollen, erleben wir, daß dieselben Fraktionen für die volle Aufrechterhaltung der Klausel eintreten. Die Erklärung liegt darin, daß die Klausel seit der Einführung sich in ihrer Wirkung in das Gegen teil verwandelt hat. Ta ein dringendes Bedürfnis für die Vorlage vorliegt, will ich den 8 1 in der Fassung, wie er aus der Kommission hervorgegangen ist, doch als wesentlichen Fortschritt bezeichnen. Wenn die ver bündeten Regierungen zu den Aenderungen auch erst nach der zweiten Lesung Stellung nehmen können, wenn der Beschluß des Plenums vor liegt, so glaube ich doch schon heute erklären zu können, oer Bundesrat werde die Aenderungen, die die Kommission angenommen hat, nicht scheitern lassen. Der Bundesrat wird nicht erreichbar Gutes wegen nicht erreichbarem Besseren zurückweisen. Abg. Richter (freis. Vg.): Der Staatssekretär irrt be züglich unserer Stellung zur Franckensteinschen Klausel. Für uns war die Klausel immer noch mehr als gar nichts. In der Kommission erklärte der Schatzsekretär, wenn das Zentrum als ausschlaggebende Partei nicht zustimmte, könnte er sein Amt nicht weiterführen. Nach den beweg lichen Worten des Staatssekretärs wurde beschlossen, tue Zölle aus den Ueberweisungssteuern herauszu- nehmen. Wir sind nicht gegen die Verminderung der Ueberweisungssteuern an sich; wir sind nur der Meinung, daß es gegenwärtig unrichtig ist, die Zölle aus den Ueberweisungssteuern heraus- l zunehmen. Wir befinden uns jetzt zwar in besseren wirtschaftlichen Verhältnissen, aber keineswegs in normalen. Man sollte nicht für die Einnahmen Sorge tragen, bevor man die Mehrausgaben nicht kennt. Tie Verhandlungen über 8 1, betreffend Schätzungen der Einnahmen und Ausgaben in den nächsten fünf Jahren, haben ergeben, daß diese nicht mit Sicherheit sich be rechnen lassen. Deshalb müssen wir gegen 8 1 stimmen. (Beifall links.) Abg. Freiherr v. Richthofen-Damsdorf (kons.): Meine Partei hat sich von jeher für die Reichsfinanz, reform erklärt. Der Reichsschatzsekretär hat den ge wünschten Weg beschritten. Wir werden ihn gern begleiten. Der Entwurf verfolgt die Absicht, die Finanzen des Reiches und der Einzelstaaten zu trennen und beide auf eine gesunde Grundlage zu stellen. Eigentlich bleibt alles beim Alten. Trotzdem hat man in der Kommission es für notwendig gehalten, durch Beschlüsse zu 8 1 die Position des Reichs- tages zu stärken. Ich wiederhole, daß ich gern weiter gegangen wäre als die Regierungsvoäage. Ich würde am liebsten die Regierungsvorlage über 8 1 unverändert annehmen. Ich brn aber auch bereit, dem 8 1 dec Kom mission zuzustimmen. (Beifall rechts.) Abg. Südekum (Soz.) erwidert: Durch die ein leitenden Worte des Staatssekretärs bin ich zur Er widerung politischer Natur genötigt. Wenn die Vorlage durchgeht, wird der Reichstag nur noch einen Schatten seines Budgetcechtes haben. Wir sind stets für die Reichsfinanzreform eingetreten, aber in der Vorlage sehen wir nichts, dem wir zustimmen könnten. Wenn Abgeordneter Freiherr v. Nichthofen meint, die Vorlage sei ein Schrittmacher für weiteres, so deutet er damit auf neue Steuern hin. Die Zusammensetzung des Reichs tages wird sich hoffentlich bald ändern. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit von Konflikten. Ich wünsche, von den Rechten des Reichstages nichts abgebrochen zu sehen. Wenn man die Diätenfrage und anderes an gewissen Stellen mit den Worten „Kerlsbande" in Verbindung bringt, so sagt das genug. Wir lehnen 8 1 ab, da es un möglich ist, mit kalkulatorischen Maßregeln einen schweren Fehler unheilvoller Politik verbessern zu wollen. (Bei- fall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Fritzen-Düsseldorf (Zentr.) führt aus: Wenn ich heute für das Gesetz stimme, ist damit die Finanz- reform nicht erledigt. Das Reich erhält die Berechtigung, auf die Einzclstaatcn zurückzugreften. Im anderen Punkte haben wir nachgegeben. Tie franckensteinsche Klausel soll beschränkt werden auf Branntweinabgaben und Stempelabgaben. Das sind immer noch 200 Millionen Mark. Abg. Sattler (natl.) führt aus: Seine Fraktion werde den Kommissionsbeschlüssen zustimmen. Abg. Arendt (Np.): Die Kommissionsbeschlüsse sind so ausgefallen, daß wir auch in der zweiten Lesung dem Gesetzentwürfe unsere Zustimmung geben wollen. Die Aufgabe einer Finanzreform bleibt trotz dieses Gesetzes noch vor uns. Mit Abg. Südekum habe ich die Hoffnung, da die Zusammensetzung des Reichstages sich wesentlich ändern w'rd. Nachdem zwei Nachwahlen für die Sozial demokraten ungünstig waren, hoffen wir auch den dritten Fraktionsgenossen entbehren zu können. Wir bleiben nach wie vor auf dem Standpunkte Bismarckscher Finanz- Politik und wünschen, daß das Reich nicht als lästiger Kostgänger bei den Einzelstaatcn erscheint, sondern eine finanzielle Unabhängigkeit erhält, damit es nicht wie das alte römische Reich mit dem Klingelbeutel bei den Einzel- staaten herumgehen muß. Die finanziellen Schwierig keiten hätten vermieden werden können, wenn die Einzel- staaten schärfer auf rechtzeitige Fertigstellung neuer Handelsverträge hingewirkt hätten. Im allgemeinen wünschen wir die Beseitigung der Zuschußanleihen, die der gesetzlichen Gestaltung des Reichsftnanzwesens nicht entsprechen. Wir wünschen, daß der Reichsschatzsekrctär eine wirkliche Finanzreform dadurch herbeisllhrt, da'- der neue Zolltarif in Kraft tritt. Abg. Pachnicke (freis. Vg.) führt aus: Keine Ausgabe ist deswegen abgelehnt, keine finanzielle Forderung zurückgewiesen worden, weil wir die Franckensteinsche ' Klausel hatten. In dieser Beziehung hat ihre Wirksam keit nur sehr bescheidene Grenzen gehabr. Wir wollten alles annehmen, was auf Vereinfachung der Staatsver- hältnisse hinzielt. An den Motrikularbeiträgen, an dem konstitutionellen Recht des Rückgriffs des Reiches auf die Einzelstaaten halten wir fest. Besonders der gestrichene 8 3 würde geradezu eine Anstachelung zur Einführuna neuer Steuern sein. Daß wir wieder- indirekte Steuern bekommen werden, ist sicher, da die Regierung direkte Steuern ablebnt. Das will der Reichstag nicht. Abg. Wolff (wirtsch. Vg.): Wir stimmen der Korn- missionsfossung zu, weil wir anerkennen, daß hier dec Weg zur Besserung gegeben ist. Damit schließt die Diskussion. 8 1 wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der freisinnigen Volkspartei in der Kommissionsfassung angenommen. 8 2 will nach den Kommissionsbeschlsissen dem Art. 70 der Verfassung folgenden Wortlaut geben: „Zur Be streitung aller gemeinschaftlichen Ausaaben dienen zu nächst die aus Zöllen, gemeinsamen Steuern, aus Eisen bahn-, Post- und Telegraphenwesen, sowie den übrigen Verwaltungszweigen fließenden gemeinschaftlichen Ein- nahmen. Insoweit die Ausgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der Einzel- staaten nach Maßgabe dec Bevölkerung aufzubringen. Insoweit die Beiträge in Ueberweisungen keine Deckung finden, sind sie den Bundesstaaten am Jahresschlüsse in dem Maße zu erstatten, wie die übrigen ordentlichen Einnahmen des Reiches dessen Bedarf übersteigen. Etwaige Ueberschüsse aus dem Vorjahre dienen zur Deckung gemeinschaftlicher außerordentlicher Ausgaben." Staatssekretär Freiherr v. Stengel: Der vor geschlagene Vcrfassungsartikel 70 hat in der Kommission wohlwollende Beurteilung gefunden. Er hat den Zweck, die bisherigen Schwankungen des Reichshaushaltsetats möglichst zu vermindern. Die Aenderungen, welche die Kommission in dem neuen Artikel 70 vorgenommen hat, sind so unbedeutend, daß man keine Bedenken haben kann. Abg. Richter (freis. Vg.) erklärt: Ich habe gegen 8 2 noch schwerere Bedenken, als gegen 8 1. Allerdings ist im letzten Absätze des 8 2 bestimmt, daß die Uebec- schlisse im eigenen Reichshaushalt zur Schuldentilgung verwendet werden. Das ist eine Verbesserung des gegen wärtigen Zustandes und entspricht den Anträgen, die wir selbst bei der Etatsberatung für einzelne Jahre ge stellt hatten. Der Wert dieser Bestimmung wird herab- gemindert durch den eingeschobenen letzten Absatz, wonach die Beiträge, die in den Ueberweisungen keine Deckung finden, üen Bundesstaaten am Jahresschlüsse zu erstatten sind. Wir halten die Tilgung von Reichsschulden für notwenüiger als die Tilgung von Lanüesschulüen. Es liegt in der Natur der Sache, daß man schon im Laufe des Jahres eine Vorstellung bekommt, ob der eigene Reichshaushalt mit einem Ueberschuß abschlic .en wird oder nicht. Wenn sich nun fünf Monate vorher ergibt, daß voraussichtlich der Rei^shaushaltsetat mit cmem Ueberschuß abschließen wird, so liegt darin für die Reichs- ressorts der Ansporn, weniger sparsam zu wirtschaften. Nach der Entstehungsgeschichte des Artikels 70 sollten die Matrikularbeiträge keineswegs ein trauriger Not behelf sein, wie jetzt beabsichtigt wird, sondern eine ord- nungsmä ige Einnahmequelle, so lange nicht direkte Rcichssteuern eingeführt werden. Das ist auch richtig. Wir beantragen, über den letzten Satz des ersten Absatzes actrennt abzustimmen. Falls er beibehalten wird, werden wir gegen den ganzen 8 2 stimmen. (Beifall links.) Staatssekretär Frhr. v. Stengel: Ich möchte auf die Frage der Einführung direkter Steuern meinerseits nicht näher eingehen. Der Vorredner ist bei der Beurteilung des Artikels 70 von Voraussetzungen ausgegangen, die ich nickt als zutreffend erachten kann. Ich bitte rhn, sich den zweiten Satz des allen Artikels 70 anzusehen. In dieser Aenderung des Artikels 70 liegt nicht etwa eine Dotation der Einzelstaaten, sondern eine Rechts einschränkung der Einzelstaaten. Es handelt sich bei diesem Gesetze um Verfassungsänderungen, und würden 14 Stimmen im Bundesrate genügen, um die Ablehnung der Vorlage herbeizuführen. Abg. Südekum (Soz.): Gegen die direkten Reichs- steuern hat sich der Bundesrat immer ablehnend ver hallen. In der Kommission sagte man uns, direkte Neichssteuern würden in absehbarer Zeit nicht eingeführt werden. Es wundert mich, daß der Schatzsekretär diese Erklärung nicht vor allem Volk wiederholt. Der Staats- sekretär übertreibt den subsidiären Charakter der Matri- kularbeiträge und will nicht zugeben, daß die Reichs verfassung an direkte Reichssteuern gedacht hat. Die Be gründung, die dem neuen Art. 70 auf den Weg gegeben wird, ist so dunkel wie möglich. Die Leistung der Matri kularbeiträge ist überhaupt kein Rechtsgeschäft, sie ist nur ein Vorschuß. Der ganze zweite Absatz des neuen Artikels 70 ist keine schöne Dekoration, denn auf eins Schuldentilgung des Reiches ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Abg. Sattler (natl.) führt aus: Ich halte gerade den zweiten Absatz für durchaus erforderlich. Er stellt die Erfüllung der lange aufgestellten Forderung dar, daß Ueberschüsse zur Schuldentilgung aufgewendet worden sollen. Die Kommissionsbeschlüsse zu 8 2 charakterisieren sich als Verbesserungen des Entwurfes. Der B^grift Ueberweisung wäre noch genauer zu definieren. Im ganzen erblicke ich in diesem Paragraphen einen gro en Fortschritt in der Behandlung der Ueberschüsse. Die un- gedeckten Matrikularbeiträge betrachte ich als eine rohe Art der Heranziehung der Einzelstaaten: sie zieht den armen Kartoffelbauer und den Bewohner des Tiergarten. Viertels gleichmäßig heran. Die Schäden dieser Matri kularbeiträge müssen möglichst beseitigt werden. Abg. Gröber (Zentr.) führt aus: Was Heber- Weisungen sind, beantwortet sich doch nach der jeweiligen Situation. Eine Basierung der Matrikularbeiträge auf die direkten Steuern der Bundesstaaten ist zur Zeit noch nicht möglich. Anders läge es, wenn die landesrechtlichc Einkommensbesteuerung durchgeftib.rt werden würde. Das ist erwünscht. Die Reichsregierung könnte auch die Anregung zur Verständigung über die Grundsätze geben. Wir bitten, die Anregungen wohlwollend zu erwägen. Abg. Südekum (Soz.) erwidert: Wir haben auch unserseits die Matrikularbeiträge nicht für eine Ideal- 6rÖ88t68 KlouvvaulL-83U8 kür unä 3,11s slsxantsn Vorsiänsss. kl AQlltVvIIv MS88Mdk»l! biliissSN Zrsissn! ksgerlmiieli für kkIkgeiilleikIMe 8klir loliiiknil, ohne Kgustmng! 8p66ia,Itiau8 vi-vNsss, istoltt, solta, vrsts^vsrriik l-olck. «. Nti- Volker, 6oI4. ». »Ild.
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