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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191608230
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19160823
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19160823
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1916
- Monat1916-08
- Tag1916-08-23
- Monat1916-08
- Jahr1916
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1916
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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". INWIlbiiltiar »VM'igL«i»terttch, Mas«, «aschtfttMlar «seltzeftratze ». «»«uwortttch M Ned«cktt»n: Arthur Hähael,.Riesa; für «n-rigrnteU: Wtihel«.»lttrlchs-M«f^ Mittwoch, 23. August 1S16, uveuds. .1» 1VL. «S. Aahrg. Die Reichsfleischkarte. Äkntlich wird aus Berlin gemeldet: Nach der im Reichsgesetzblatt erschienenen Verordnung des Reichskanzlers und der dazugehörigen Bekanntmachung des Präsidenten des Krieasernährunasamtcs tritt die Verbrauchsregelung sür Fleisch und Fleischwaren im ganzen Reiche am 2. Oktober in Kraft. Damit bekommt also die Reichsfleischkarte, d. b. «ine Fleischkarte, die zwar von den LandeSzentralbehörden oder den von ihnen bestimmten Stellen, insbesondere den Kommunalverbänden hergestellt und ausgegeben wird, die aber im ganzen Reiche Geltung hat, Giltigkeit. Der Ver brauchsregelung durch die Reichsfleischkarte werden alle wirtschaftlich wichtigeren Fleischarten unterworfen. Hasen, Wild, Geflügel, Gänse und Enten unterliegen der reichs rechtlichen Regelung nicht. Sie können auch nach dein 2. Okto ber ohne Karte gekauft werden, eS sei denn, daß einzelne Bun desstaaten auch das Fleisch dieser Tiere der VerbranchSre- qelung unterwerfen, wozu sic berechtigt sind. Daß man diese Tiere der Rcichsflcischkarte »licht unterstellt, hat ver schiedene Gründe. Vor allem fürchtete man, daß bei der niedrigen Höchstmenge von wöchentlich 250 Gramm, die vorläufig nur gegeben werden kann, der Ankauf dieser Tiere sür die Haushaltungen unmöglich sein würde. Sie würden deshalb wahrscheinlich fast ausschließlich in die Gastwirt schaften wandern. Bei den Hühnern mußten diese Bedenken zurücktreten. Das Verbot des kartenfreien Verbrauchs von Hühnerfleisch ist erwünscht im Interesse einer starken Eier- vroduktion. Daß die wöchentliche Höchstmenge von 250 Gramm, die das Kriegsernährungsamt vorläufig fest gesetzt hat, überall sofort voll gegeben werden kann, auch in den Orten, die jetzt erheblich weniger erhalten, wird sich nicht erreichen lassen. — Tie einheitliche Rationierung im ganzen Reiche soll aber die Grundlage für eine solche Ver teilung des Schlachtviehes bieten, daß möglichst bald die Höchstmenge wirklich überall gegeben werden kann. Die Bewohner der Orte, die bisher mehr als 250 Gramm er halten, werden sich damit trösten, daß ihre Mindermcnge anderen bisher stiefmütterlich behandelten Bezirken zu gute komme. — Der Äerbrauchsregclung mußten auch die Selbst versorger unterstellt werden. Als Selbstversorger gilt, wer durch Hausschlachtung oder Ausübung dec Jagd Fleisch und Fleischwaren zum Verbrauch im eigenen Haus halt gewinnt. Diese Personen gänzlich von der Verbrauchs regelung freizulassen, war aus Gründen der Gerechtigkeit unmöglich. Andererseits wäre es unbillig und unklug ge wesen, sie allznsehr zu beschränken. Eine gewisse Entschädi gung sür Arbeit und Müde der Mästung, für den Verlust beim Einschlachten und des mit der Tierhaltung verbundenen Risikos mußte ihnen zugestanden werden, da anderenfalls vor allein die Schweincmästnng, die ja ganz überwiegend in der Hand des kleinen Mannes liegt, unfehlbar stark zu- rückgegangen wäre, und auch die Neigung, das Wild abzu schießen, geringer geworden wäre. Das mußte man unbedingt verhindern. Deshalb wird dem Selbstverbrauchcr das Schlachtgewicht des ausgeschlachteten Tieres nur zu einem Teil, zu "P, beim ersten Schwein, das eine Familie für sich schlachtet, nur zur Hälfte angerechnet. Man darf hoffen, daß hierin ein kräftiger Anreiz zur vermehrten Schweine haltung liegt. * * » Hierzu wird aus Berlin weiter gemeldet: Tie am 2. Oktober in .Urast tretende Verordnung für die Regelung des Fleischverbrauches bestimmt: Als Fleisch und Fleischwaren im Sinne dieser Verordnung gelten 1. Muskclfleisch mit eingeivachscnen Knoche» von Rind vieh, Schafen und Schweinen, sowie Hühner, 2. das Muskelsleisch mit eingewachsenen Knochen von Not-, Tam-, Schwarz- und Rehwild (Wilüprct), 3. roher, gesalzener oder geräucherter Speck und Rohfett, 4. die Eingeweide des Schlachtviehes, 5. zubereitetes Schlachtvieh, Fleisch und Wildpret, sowie Wurst, Flcischkvnscrven und sonstige Dauerwaren aller Art. Dagegen gelten vom Fleisch losgelöste Knochen, Euter, Füße, mit Ausnahme der Schweinepfoten, Flecke, Lungen, Därme, Gehirn und Klotzmaul, Wildaufbrnch, einschließlich Her- und Leber, sowie Wildköpfe nicht als Fleisch und Kleischivaren. Tic LandeSzentralbehörden rönnen den Verbrauch von Fleisch und Flcischwarcn einschließlich Wildpret und Geflü gel, die dieser Verordnung nicht unterliegen, ihrerseits re geln. Hierbei darf jedoch die vom KriegsernährungSamt fest gesetzte Höchstmenge von Fleisch und Fleischwaren, die dieser Verordnung unterliegen, nicht erhöht werden. Die Ver brauchsregelung erfolgt durch die Kvmmunalverbände. Fleisch und Fleiichwarcn dürfen entgelticl» oder unentgeltlich an Ver braucher nur gegen Fleischkarte abgegeben und von Verbrau chern nur gegen Fleischkarte bezogen werden. Dies gilt auch sür die Abgaoc in Gast- usw. Wirtschaften. Die Fleischkarte gilt im ganzen Reich. Die Abschnitte sind gültig nur im Zu sammenhang mit der Stammkarte. Tas Kriegsernährungs amt setzt fest, welche Höchstmengen von Fleisch und Fleisch waren auf die Fleischkartcn bezogen werden dürfen, nnd mit welchem Gewicht die einzelnen Arten Fleisch nnd Fleisch waren auf die Höchstmenge anzurechnen find. Hierbei ist auf eine entsprechend geringere Bewertung des Wildes, der Hüh ner und der Eingeweide Bedacht zu nehmen. Jede Person erhält für je 4 Wochen eine Fleischkarte. Kinder erhalten bis zum Beginn des Kalenderjahres in welchem sie das 0. Le bensjahr vollenden, nur die Hälfte der festgesetzten Wochen menge. Die Vcrbranchsrcgclurig erstreckt sich auch auf die Selbstversorger. Als Selbstversorger gilt, wer durch Hausschlachtung oder durch Ausübung der Jagd Fleisch und Flcischwaren zum Verbrauch im eigenen Haushalt gewinnt. Mehrere Per sonen, die zum eigenen Verbrauch gemeinsam Schweine mästen, werden ebenfalls als Selbstversorger angesehen. Selbstversorger bedürfen zur Hausschlachtung von Schwei nen und von Rindvieh, mit Ausnahme von Kälbern bis zu «> Wochen, der Genehmigung des Kommunalvcrbandcö. Tie Selbstversorger können das aus Hausschlachtungen oder das durch Ausübung der Jagd gewonnene Fleisch unter Zu grundelegung der festgesetzten Höchstmenge zum Gebrauch im eigenen Haushalt verwenden. Erfolgt die Vcrwenudung des Fleisches innerhalb des Zeitraumes, für welchen der Selbst versorger bereits Fleischkarte» erhalten hat, so hat er eine entsprechende Anzahl nach näherer Regelung des Kom- munalverbandes diesem zurttckzugebcn. Dir Landes,zentral- behördcn können anordncn, daß Fleisch und Fleischwären, mit Ausnahme von Wild und Hühnern, aus einein Kom munalverband oder größeren Bezirk nur mit behördlicher Genehmigung ausgeführt werden dürfen. Eine Bekannt machung des KriegsernährungsamteS bestimmt hierzu: Die Fleischkarte besteht aus einer Stammkarte nnd 40 guad- ratischen Abschnitten, je 10 sür eine Woche. Die Kindcrkarte enthält 20 Abschnitte, je 5 sür eine Woche. Die Höchstmenge an Fleisch und Fleischwaren, welche wöchentlich auf d.e Fleischkarte entnommen werden darf, wird bis auf weiteres auf SSO Gramm Scklacktviehfleisch mit cingewachsenen Kno chen festgesetzt. An Stelle von je 25 Gramm Schlachtviehfleisch mit eingewachsenen Knochen können entnommen werden 20 Gramm Schlachtviehfleisch ohne Knochen, Schinken, Dauer wurst, Zunge, Speck, Rohfett oder 50 Gramm Wildpret. Frischwurst, Eingeweide, Flcischkonserven einschließlich des Dosengewichts. Hühner sind mit einem Durchschnittsgewicht von 400 Gramm, junge Hähne bis zu einem halben Jahr mit einem Durchschnittsgewicht von 200 Gramm auf die Fleisch- karie r>> . rechnen. Kleinhandelsfragen. Aus Berlin schreibt man uns: Der Verband der Rabattsparvereine Deutschlands bat am 21. August dieses Jahres in Görlitz seine zweite Kriegs tagung abgehalten. Der Verband ist eine sehr bedeutende Vereinigung, in der die Interessen des Kleinhandels zum Ausdruck gelangen. Welchen Wert weite Kreise auf die Absichten des Verbandes legen, geht schon ans der zahl reichen Beteiligung hervor. Die Hauptsorge des Handels, und zwar sowohl des Großhandels wie des Kleinhandels, ist augenblicklich die wirtschaftliche Selbständigkeit. Der Kleinhandel hat schon in Fricbeiiszeiteu darum gebangt. Man denke beispiels weise au die Warenhausbewcgung, die ja nichts anderes war als ein Mngeu des Kleinhandels um sein Dasein. Dieser Krieg jedoch hat voll einer ganz anderen Seite den Handel bedroht. Heute fürchtet er nicht mehr so sehr die überragenden Pripatunternchniungen wie die Ein seitigkeit deS VerordnungSivescns, von dem nur.zu leicht -peile übrig bleiben könnten, die dem Handel das Leben sehr erschweren oder unmöglich machen würden. Die wirtschaftliche Selbständigkeit beherrschte denn auch die zweite Kriegstaguug der Rabattsparvereine. Man sagte dort mit Bitterkeit, daß den kriegerischen Erfolgen für die Zukunft in dem Bestreben nach >virtsck>aftlicher Gleichmacherei eine Gefahr sür die wirtschaftliche Selb ständigkeit gegenübcrstche. Man wies auf die schlechten Erfahrungen hin, die mau während des Krieges mit der Ausschaltung der bcmdclsgcwerblichen Freiheit gemacht habe. Man wird heut? zugcbcn müssen, daß ohne kriegs wirtschaftliche Organisation der Krieg nicht hätte durch gehalten werden können. Sicherlich aber Hütte diese Or ganisation oft erfolgreicher gearbeitet, wenn inan dem Han del mehr freie Hand gelassen hätte. Es gibt viele Fach leute, die der Ansicht sind, daß eine möglichst weitgehende Freiheit des Handels währens des Krieges preisdrückend gewirkt Hütte, nachdem erst einmal die ersten Borrüts- üngste vorüber waren. Ob das der Fall gewesen wäre, läßt sich jetzt natürlich nicht nachprüfen. Man hat entschieden innerhalb der kriegswirtschaft lichen Verwaltungen für den Kleinhandel in diesem Kriege nicht viel übrig. Mit Recht wurde auf der Tagung die Nichtberücksichtigung des Kleinhandels im Vorstände des KriegScrnührungsamtes bemängelt. Man kann es ver stehen, daß ein solches Uebergangenwerden die Furcht, daß bei Errichtung von Staatsmonopolen der Kleinhandel eben falls nicht zu seinem Rechte kommt. Mr wollen zugeben, daß daS eine der schwierigsten Monopolaufgaben ist, aber inan kann selbstverständlich nicht eine ganze Berussschicht durch einen Gesetzesakt ausschalten. Man muß im Gegenteil ernstlich daran denken, bei Friedcnsschluß nicht nur die Tätigkeit des Großhandels, sondern auch die des Kleinhandels nach Möglichkeit lvieder- herzustellen. Bis jetzt hat noch keiner ein Mittel gesagt, mit dem die betroffenen Kleinhandelspreise für ihre Aus schaltung entschädigt werden können. Ein solches Mittel gibt es auch nicht, es sei denn, daß man beabsichtigte, den Kleinhandel sich selbst zu überlassen, d. ln ihm zu sagen: sieh zu, wo und wie du unkerkomrnst. Eine solche Wirt schaftspolitik ist aber aus mannigfachen Gründen einfach unmöglich. Mair unterschätze ja nicht die wirtschaftliche Bedeu tung des Kleinhandels. Diese Bedeutung erstreckt sich so wohl auf die Preise wie auf die Verteilung der Waren. Heute erst erkennen viele, welchen Wert d-ie kleinhänd- lerische Vermittlung für die einzelne Hanshaltnng hat. Irr einem großen Lande läßt sich unmöglich auf die Dauer die ganze Verteilung und Preisstellung schematisch gestal ten. Dazu sind die Bedingungen an den einzelnen Orten und innerhalb der einzelnen Orte viel zu unterschiedlich. Wenn Kleinhändler, besonders Kleinhändler des Le bensmittelgebietes, im Kriege sich vergangen haben, so ist das gewiß zu bedauern und zu verurteilen, aber noch lange kein stichhaltiger Grund, nun den ganzen Kleinhandel in Bausch und Bogen zu verdammen. Würde man ihn aus schalten, so würde inan bald eine starke Sehnsucht uach ihm empfinden, die dann aber nur schwer zu befriedigen wäre. Denn, was man einmal zerstört hat, ist nur mit großer Mühe wieder aufzubauen. Rene französisch-englische Angriffe an der Somme qeschettert. Das ivoraehen in Mazedonien. Von einem militärischen Mitarbeiter wird uns um schrieben: Nach zweitägiger ErschöpfungSpause haben Engländer und Franzosen an der Somme zu neuen starken Angriffe» ausgeholt; sic suchen ganz offenbar noch in diesen Svät- sonnnerwochcu eine Entscheidung zu erzwingen. Die Eng länder möchten ja freilich die Kämpfe noch in die Länge ziehen, uns nach JoffrcS früherem Rezept nur „anknabbcrn", um uns dann im nächsten Frühjahr über den Haufen zu rennen. Aber beute drängen die Franzosen zu einer Ent scheidung: und Josfre hat schon unsere gänzliche Erschöpfung für die nächsten Wochen angekündigt: damit verraten die Herren nur ihre eigene Ungeduld, die Besorgnisse vor de» eigenen Erschöpfung. Aber eingestehen wollen sie das nicht und darum werfen sie immer neue Kräfte in den Feuer kessel an der Somme, in der Hoffnung, daß mir vor dein steten DraufloShämmcrn weich würden. Aber diese Hoff nung wird sich nicht erfüllen; auch am Montag sind alle Versuche des Feindes, die abhüngenden Flügel vorzutragen und zugleich die eigene Stellung im Sommebogen nördlich des Flusses auszualeichen, gescheitert. Nur eiw vorspringendes Frontstück aus der Linie PoziereS—Thiepval vermochten die Briten zu halten; im übrigen gingen alle Gewinne des Feindes wieder verloren: sowohl das Dorf Guillemont, wie Grabenstücke auf dem äußersten Südflügel (Estrees- Soyecourt), in die sie vorübergehend cinaedrungen waren, gingen wiederum verloren. Unsere Front steht unerschüttert. Unser Vorgehen in Mazedonien ist in Fluß geblieben. Die Franzosen verkünden ja nun, daß sie am 20. August die Offensive ergriffen hätten und wollen sogar östlich des Struma Erfolge errungen haben. Allem Anschein nach haben sie, als sie nuseru Anmarsch östlich des Struma er kannten, eiligst Truppe» über den Fluß geworfen, um uns aufznhalten. Aber diese französischen Kräfte wurden dann zwischen Butkvwa- und Tahinos-See wieder über den Fluß geworfen. Gleichzeitig wurde östlich des Struma die Smijnica-Planina, etwa 30 Kilometer östlich Demirhissar, j «sm MWll ! Amtsblatt. Hiermit richten wir an die geehrten Post bezieher das höfliche Ersuchen, die Bestell««- auf derr Monat September 1SL« :: sofort:: bewirken zu wollen, damit in der Zustellung keine Unterbrechung eintritt. Der Postbezugspreis frei Haus beträgt im Deutschen Reiche monatlich nur 84 Pfg. Mag der Msaw MMer - Riesa, Goethe slr. 59. Der Prager Friede. Vor fünfzig Jahren, nm 23. August wurde zwischen Preußen lind Oesterreich der Prager Friede geschloffen. Er beendete eine Kampfzeit, die man den ungeborenen Welt krieg nennen könnte: so voll von Möglichkeiten dessen, was heute verwirklicht wird, waren die Jahre um 1860. ES ist das Grauen, das aus Geschichtsbüchern aufstcigt: daß alles gewesen ist und alles wieder sein wird; daß in der hellsten Wirklichkeit die Schatten aufsteheu und vermoderte Hände ins Spiel hiucingreifen. Mit seinen im Verhältnis zum heutigen Erlebnis gering fügigen Menschenopfern, bescheidenen Truppeyzahlen und uach bescheideneren Geldsummen war dennoch der Krieg von 1866 ein europäischer — selbst in seinen» tatsächlichen Ver lauf: ein Weltkrieg — im Bereich seiner Möglichkeiten und seiner Folgen. Ein Gegenstück des jetzigen Kampfes, für Oesterreich; ein Eröffnungsgesecht, für Preußen — Deutsch land. Eine Vorprobc der großen Auseinandersetzung: sür die Welt. Oesterreich hatte schon damals zu zeigen, ob es eine Schicksalsprobc bestehen könne; schon damals kämpfte cs nach zwei Fronten, gegen den nordischen Feind nnd gegen Italien; schon damals sollte gegen das Habsburgerreich der Balkan mobil gemacht werden und ward — Rumänien vor die Versuchung gestellt, gegen Oesterreich cinzugrcifen. Gleicht nicht Italiens schwankende, aufgeregte Politik genau der heutigen? Hat es nicht auch damals aus eigener Macht keinen einzigen Erfolg errungen? Vor fünfzig Jahren wie heute erwies sich die unzerbrochcne Kraft des alten Kaiser reiches im Kampf mit dem südlichen Gegner. Weder zur See noch zu Land waren die Italiener der Teilmacht der iin Norden schwer bedrängten Oesterreicher gewachsen. Wie heute ließen sic sich von fremden Botschaftern in den Krieg hineimnnnövcrieren. Nnd ihre Hilflosigkeit nach dem Prager Frieden ist ein noch unveraltcteS Zeugnis dafür, was ihnen geschehen könnte, wenn sic dem „Erbfeind" — allein gegenüber stünden. Hatte Oesterreich sich tapfer um seinen Bestand gegen zwei Feinde gewehrt, und nach einem Krieg, der seine Lebens kraft von neuem erwies, einen ehrenvollen Frieden geschlossen: so war für Preußen der Prager Frieden ein Aufmarsch der Beginn ganz ncner Dinge, in einer friedlosen Zeit. Damal« wurden die Linien des Weltkrieges in die Geisterkarte der Zukunft gezogen. Aus dem Buch, das Friedjung über die Ereignisse des Krieges von 1866 schrieb, hebt sich keine Erkenntnis so ein drucksvoll heraus, wie diese: daß Preußen den Krieg nicht gegen Oesterreich geführt hat, sondern gegen die Feinde der deutschen Zukunft. Wer in diese Zeit hineinblickt, der sieht in eme Dämoncnrverkstatt: in der bereitet wurde, was heute geschieht. Unheimlich, wie zwischen Frühjahr und Herbst 1866 die Diplomaten einander umschlichen, wie List von größerer List überwunden ward, und wie sich die Fäden des europäischen Schicksals verknüpften. Nicht Preußen und Oesterreich waren Spieler nnd Gegen spieler in diesem Kriege — sondern Bismarck nnd Napoleon. Dec Kaiser der Franzosen halte geglaubt, der Lenker und Schiedsrichter der deutschen Dinge zu sein. Er hatte sich die Rolle zngedacht, die England sich heute zudcnkt. Auch da mals stand über dem Kampf das unheimliche Wort von den „Kompensationen". Die deutschen Mächte sollten einander schwächen twic heute die festländischen insgesamt); Jtalien sollte (zum Teil) seine „nationalen Ziele" erreichen. Frank reich aber würde als Lohn seines gerüsteten Abwartcns Mainz, die südlichen Rheinlande, die Pfalz und Rheinhessen erhalten; oder, zum mindesten — Belgien. - Ein schattenhafter Umriß hob fick, herauf: das Bündnis Frankreichs und Rußlands gegen Deutschland. Noch ehe der Friede geschlossen war, hatte sich die Kampfstellung Preußens verändert. Bismarck ließ Napoleon wissen, er werde, ehe er die Einmischung Frankreichs dulde, mit Oester reich um jeden Preis zur Verständigung kommen, und dann - „ganz Deutschland revolutionieren".... In diesem Angen- vlicke war das Künftige schon vorwegqciioininen. Nicht mehr gegen Oesterreich führtcNorddeutschland Krieg, sondern gegen Frankreich. Der Franzosenkaiser wollte ein starkes Deutschland nicht dulden; glaubte es trotz seines „Nationalitätenprinzips" (auch diese Formel übte schon ihre Wirkung) nicht dulden zn solle». Vor dem Prager Frieden war der deutsch-fran zösische Krieg in der Folgerichtigkeit der Dinge beschlossen. Und als, am 23. August, Preußen nnd Oesterreich den Friedensvertrag unterschrieben, waren die Fragen, um die sie gekiimvst hatten, schon nicht die entscheidenden mehr.
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