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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190405290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040529
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040529
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-05
- Tag1904-05-29
- Monat1904-05
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1904
- Autor
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Nr. 269. 98. Aahrg. 2. Garde-Infanterie-Brigade. Der Kaiser ritt die Front ab, übernahm selbst das Kommando und exerzierte die Brigade. Inzwischen war die Kaiserin, von Wildpark kommend, an der Billa Wabrendors eiogetroffen. Nach Besichtigung der Brigade holte der Kaiser die Kaiserin zum Feuergefecht, das über zwei Stunden dauerte, ab. Nach der Kritik folgte Parademarsch. Der Kaiser begab sich darauf ins OffizierSkasino im Barackenlager und nal;m am Frühstück teil. Die Kaiserin begab sich per Wagen vom Uebungsplatz direkt nach Potsdam. * * Hamburg, 27. Mai. Heute wurde hier ein wirt schaftlicher Schutzverband gegründet zur Unterstützung des gewerblichen Mittelstandes gegen den sozialistischen Terrorismus. * koburg, 28. Mai. Die Vermählung des russischen GroßfürstenKyrill mit der Großherzogin von Hessen soll bereits Ende d. I. stattfinden. Die Erlaubnis zur Heirat batte der Zar nach dem Tode der kleinen Prinzessin Elisabetb von Hessen erteilt. * Kattawttz, 28. Mai. In dem Strafverfahren gegen den Redakteur Kowalczyk vom „Gornoslazak" wegen der gegen die oberschlesische Geistlichkeit und deu Kardinal Kopp erhobenen Borwürfe kommt es doch noch zur Verhandlung. Den Strafantrag haben nur der Kardinal Kopp unk vier Geistliche zurückgenommen, der größte Teil der Geistlichen ist dem Ersuchen des Kardinals auf Zurücknahme nickt nach gekommen. Ausland. Frankreich. * Ler Konflikt mit dem Vatikan. Nach amtlicher Richtigstellung ist in der Deputiertenkammer der die Ab- berusung Nisards billigende Teil der Tagesordnung Martin mit 420 gegen 90 Stimmen angenommen worden; dafür stimmten sämtliche Mitglieder der fünf Gruppen der Mehr heitspartei, ferner 75 gemäßigte Republikaner und 60 Nationalisten. — Die radikalen Pariser Blätter heben als wichtiges Ergebnis der Debatte hervor, daß Ministerpräsident Combes einwilligte, den von dem Sonderausschuß der Kammer ausgearbeiteten Entwurf über die Trennung von Kirche und Staat und die Kündigung des Konkordats bereits im Januar nächsten Jahres in der Kammer zu erörtern. Der konservative „Gaulois" meint, der Papst und der König von Italien würden in dem Augenblick, wo Frankreich durch die Kündigung des Konkordats auf die ihm von der Kirche verliehenen Vorrechte verzichtet, einen mockus vivenäi finden, um diplomatische Beziehungen zu einander herzustellen. Frankreich werde dann der betrogene Teil sein. Schweiz. * Einheitliches bürgerliches Gesetzbuch. Der Bundesrat unterbreitete der Bundesversammlung einen von der Kom mission der Sachverständigen nkrchberatenen und von ihm genehmigten Gesetzentwurf, betreffend ein einheitliches schweize risches Zivilgesetzbuch. Italien. * köntgSbesuch in Bologna. Der König traf Sonn abend vormittag in Begleitung des Ackerbauministers Rava in Bologna ein und eröffnete die Ausstellung für Touristik. Die Bevölkerung bereitete dem König einen überaus enthusiastischen Empfang. Auch der Erzbischof Kardinal Svampa begab fich in feierlichem Zuge zum Rathause, um dem Könige zeine Huldigung darzubringen. Spanien. * Königsreisen. Nach einer Meldung des „Liberal" be gibt fick König Alfons Ende Juni nack Paris und kehrt, wenn die Kortes bi« dahin nock versammelt sind, nach Madrid, sonst aber nack San Sebastian zurück. In San Sebastian soll er den Gegenbesuch des Präsidenten Loubet empfangen. Die Reise nach Berlin soll im September erfolgen. Das Einvernehmen zwischen Frankreich und Spa nien sei vollkommen, auch zwischen Spanien und Italien, wie aus der Ansprache des Königs beim Empfange des neuen italieniscken Botschafters hervorgeht. Die Hoffnungen der Ultramontanen, daß Spanien zu Gunsten des Vatikans Stel lung nehme, haben sich demnach nicht erfüllt. Türkei. * HaremSskanbal in Konstantinopel. Die Ursache, wes halb der Schwiegersohn des Sultans Kemal Pascha ver- baftet wurde, »st die Entdeckung einer geheimen Korre spondenz zwischen Kemal Pascha und Hakidscke Sultane, einer Leipziger Tageblatt. Sonntag, 29. Mal 1904. Tochter des gewesenen Sultans Murad, die seit ungeführ zwei Jahren mit Wasfif Pascha, Sekretär im Uildiz, verheiratet ist, der vor kurzem den Veziersrang erhalten bat. Kemal Pascha und HadidschS Sultane sind derzeit im Bildiz cingeschlossen. Wie versichert wird, hat die ganze Angelegenheit keinen politischen Hintergrund; die befchlagnahmte Korrespondenz bestehe nur in einem Liebesbrief, und die verbannten Personen seien einfach die Vermittler zwischen den beiden Liebenden gewesen. Deutsche Lehrerversammlungen iu Ztönigsverg. Lehrer Gutmann- München sprach über die a l l- geniei ne Volksschule. Der Redner führte aus: Die allgemeine Volksschule werde dazu beitragen, die soziale Kluft zwisck)en den verschiedenen Volksklassen zu überbrücken. Es sei Pflicht jedes wahren Christen, ja jedes warmherzigen Menschen, alle Kraft cinzusetzcn, daß die allgemeine Volksschule sobald als möglich zur Wahrheit werde. Die allgemeine Volksschule werde dazu beitragen, die Klassengegensätze im deutschen Volke aus- zugleichen. Man müsse cs verhüten, daß schon im Kindes gemüt das Bewußtsein wachgerusen werde, daß die höhe ren Schulen nur für die besitzenden Klassen vorhanden seien. In Bayern, Oesterreich und der Schweiz, wo mit der allgemeinen Volksschule bereits ein guter Ansang ge macht sei, seien die Klassengegensätze nicht derart vor handen, als im übrigen Deutschland. Es fei notwendig, deck Kinde die Ueberzeugung beizubringen, daß nicht die Vermögenslage der Eltern, sondern die geistige Be gabung, Fleiß und sittliche Führung den Menschen bevor- zugen. Die Befürchtung, daß die Kinder vermögender Eltern an dem Schmutz und dem Elend der Armen Ekel empfinden könnten, sei vollständig grundlos. In der allgemeinen Volksschule werde der Sohn des Millionärs mit dem des armen Arbeiters wetteifern. Die allgemeine Volksschule werde den besten Einfluß ansüben auf die gesamten öffentlichen Verhältnisse: sie sei um so not wendiger in der Zeit der allgemeinen Wehrpflicht und der vollen Gleichheit vor dem Gesetz. Die allgemeine Volksschule werde das deutsche Volk zu größerer Selbst ständigkeit erziehen. Allein angesichts der großen Hin dernisse, die dieser Forderung noch entgeaenstehcn, werde es vieler, nachhaltiger Kleinarbeit bedürfen, um zum Ziele zu gelangen. Die allgemeine Volksschule werd-' ihren wohltätigen Einfluß nicht verfehlen, wenn auch einige bevorzugte Püppchen sich Privatschulen zuwenden werden. (Stürmischer Beifall.) Bürgerschullehrer Ries- Frankfurt a. M.: Er wisse, daß er mit seiner Meinung vereinzelt stehe. Dies könne ihn aber nicht abhalten, seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß er der Ansicht des Vorredners nicht bei pflichten könne. Die allgemeine Volksschule würde den höheren Bildungsbestrcbungen und auch der Volksschul- bildung schaden. Eine Schule könne nur dann etwas leisten, wenn sie ein einheitliches Bildungsziel habe, nicht aber, wenn die große Zahl der Schüler ein anderes Bil dungsziel habe. Die allgemeine Volksschule würde aber auch keineswegs zur Aussöhnung der sozialen Gegensätze beitragen, denn die Kinder der besitzenden Klassen werden die Volksschule im Alter intellektueller und geistiger Un- reife besuchen. Nach einigen Jahren würde den armen Kindern der Standesunterschied «6 ooulvs und ihnen erst recht zu Gemüte geführt werden, daß die höheren Schulen nur den besitzenden Klassen offen stehen. Die Lehrer befinden sich mit dieser Bestrebung in geistiger Vereinsamung. (Lautes Oho!) Während die Lehrer in vieler Hinsicht große Fortschritte zu verzeichnen haben, so seien sie in dieser Beziehung seit dreißig Jahren nicht weiter gekommen. (Widerspruch.) Lehrer K ö h n k e - Hamburg: Die allgemeine Volks schule habe Comenius schon vor 300 Jahren gefordert, sie sei einfach eine Forderung der Gerechtigkeit. Die all gemeine Volksschule könne allerdings erst dann fegens- reich wirken, wenn nicht bloß der Schulbesuch, sondern auch die Lehrmittel unentgeltlich feien und die Eltern Unterstützung erhalten würden, deren Vermögenslage es nicht gestatte, die Kinder länger als bis zum 14. Lebens jahre die Schule besuchen zu lassen. Die Volksschule müsse selbstverständlich befähigen, sogleich in eine höhere Schule einzutreten. Er ersuche, zu beschließen: die Lehrer versammlung erachtet es für notwendig, die Schulorgani- sation so zu gestalten, daß jedem Kinde diejenigen Lehr anstalten offen stehen, deren Besuch seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Lehrer Dr. Schubert- Leipzig beantragte folgende Beschlußfassung: 1) Das Gefühl nationaler Zusammen gehörigkeit gründet fick auf dem Bewußtsein gleicher Rechte und gleicher Pflichten aller Glieder des Volkes. Dies Bewußtsein muß in allen Volksschichten so viel als nur möglich gestärkt werden. Als ein in dieser Richtung bedeutsames Mittel erweist sich die allgemeine Volksschule. 2) Ein nach psychologischen und pädagogischen Anforde rungen organisierter vierjähriger unentgeltlicher Elemen- larkursus muß als gemeinsamer Unterbau für alle weiter fahrenden Bildungsanstalten anerkannt werden. Kreisschulinspektor Scherer- Büdingen bekämpfte die Ausführungen des Lehrers Ries. Dasselbe tat Lehrer D ö n g e s - Frankfurt a. M., der mitteilte, daß die Lehrersctsaft Frankfurts fast einstimmig für die allgemeine Volksschule sei. Der Antrag des vr. Schubert sowie folgender An- trag des Lehrers Polz - Weimar gelangte schließlich fast einstimmig zur Annahme: Die Schulbehörden der deut schen Bundesstaaten sind zu ersuchen, dahin zu wirken, daß den Vorschulen die staatlichen Unterstützungen ent zogen und die Vorschulen überhaupt aufgehoben werden. Tie Forderung: Jedes Kind mutz bis zum 10. Jahre die allgemeine Volksschule besuchen, ist in die schulgesctzlichen Bestimmungen aufzunehmen. Der Vorstand des Preußischen Volks schul l e h r e r v e r e i n s hat auf Antrag des Rektors Backes-Köln folgende Erklärung beschlossen: „Der Vorstand des mehr als 58 000 Mitglieder zählenden Preußischen Lehrervereins erklärt: Angesichts des im Abgeordnetenhause eingebrachten Antrages betreffs kon fessioneller Schulen, daß für ihn bei Errichtung von Schulen in erster Linie die pädagogischen Grundsätze maß- gebend sein müssen nnd bekämpft alle Bestrebungen, welche darauf hinzielen, lediglich konfessionelle Einflüsse mächtig werden zu lassen." Rektor Iuds - Kolberg hielt einen Vortrag über das Thenia „Die Schulaufsichtsfrag e". Nach einem Rückblick auf die geschichtliche Entwickelung der Schulauf sichtsfrage ging Referent auf das Wesen der Schulaufsicht des nähern ein, das darin bestehe, einmal für Bereit- stellung der nötigen Mittel für die Schulausbildung zu sorgen und dann auch die richtige Ausübung der Schul ausbildung zu überwachen. Hinsichtlich der geist- lichen Schulaufsicht führte Referent aus, sowohl das Amt eines Geistlichen wie auch das eines Schulaufsichtsbeamten verlange jedes für sich einen ganzen Mann und hier habe man diese beiden fs wichtigen Aemter zusammengekettet. Dazu komme das Fehlen der praktischen Erfahrung, oft genug auch das nötige Ver ständnis für das eigentliche Wesen der Volksschule und für pädagogische Methodik; andererseits wieder werde durch einen solchen Revisor dem betreffenden Volksschul- lehrer die notwendige Berufsfreudigkeit wesentlich ge- trübt. Der Wunsch nach Fachaufsicht werde von vielen Seiten wohl als begründet angesehen, doch halte man den geeigneten Zeitpunkt für Abhülfe auf diesem Gebiet noch nicht für gekommen und begnüge sich damit, an den Universitäten für praktische Vorbildung zn sorgen. Das deutsche Volk werde seine Hobe Knltnranfgabe erst dann voll und ganz erfüllen können, wenn die deutsche Volksschule von jederSchulaufsicht durch die Kirche, ganz gleich welcher Konfession, vollstän- digbefreit sein werde. (Lebhaftes, allseitigesBravo!) Mr aller Mit. — Der Roman des Pillendrehers. Aus London wird geschrieben: „Horch, im Himmel Engel singen: „Beechams Pillen" Heilung bringen. Friede auf Erden erlangst du geschwind, schluckst du zwei Pillen, eine dein Kind." So lautete in etwas freier Uebersetzung der Vers, den vor einigen Jahren der weltberühmte Lon- doner Pillendreher Beecham als Beginn des. bekannten Weihnachtsliedes in einem Satz anglikanischer Gesang bücher abdrucken ließ, die er dem Geistlichen einer Kirchengemeinde zum Geschenk machte. Am Weihnachts- tage wurde zum Entsetzen des Geistlichen und zur Er bauung der Andächtigen das Einschiebsel entdeckt; mit einem Brief voll Entrüstung über die profane Handlung wanderten die Gesangbücher an den Pillendreher zurück, der weidlich über die gelungene Reklame lachte. Denn das Geschichtchen erschien in allen Zeitungen, und immer mehr Leute kauften und verschluckten die Pillen, welche den himmlischen Heerscharen Heilung und dem von Der- dauungsbeschwerden geplagten überfütterten John Bull Frieden auf Erden verhießen. Beechams Wunderpillen sind nämlich ein unfehlbares Heilmittel für eine ganze Menge Krankheiten, gerade wie die von den chinesischen Acrzten verkauften Salben, die gegen Hühneraugen mindestens eben so rasch wirten, wie gegen Kopfschmerz. Wie einträglich em solches Universalmittel ist, hat man dieser Tage aus oen gerichtlichen Verhandlungen er fahren bei Anlaß des Prozesses, den Frau Josephine Beecham gegen iyren früheren Rechtsanwalt White vor einem Londoner Gericht angeregt hat. Frau Beecham ist nämlich von ihreist Mann geschieden und hat bei der Scheidung den Rechtsanwalt White mit der Führung ihrer Geschäfte betraut. Der Pillendreher Beecham war seiner Frau müde geworden.. Sie hatte ihm im Laufe der Jahre zehn Kinder geboren und war nicht mehr so jung und schön wie dazumal, als er ihr in jugendlicher Schwärmerei am Altar Liebe und Treue schwur. Da neben hatte er eine andere Frau entdeckt, die gewillt war, ihm „viel Liebs und Treus anzutun", ohne daß er ihr vor oem Altar ewige Liebe und Treue zu schwören brauchte. Um möglichen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, ließ er feine eheliche Frau, die der Skarr- dal verdroß, in einem Irrenhaus unterbringen, aus dem sie erst vor einigen Jahren auf Verwendung der beiden ältesten Kinder, die treu zu ihrer Mutter hielten, erlöst wuroe. Als Strafe für die der Mutter erwiesene Liebe hat der väterliche Pillendreher nach feudalem Vorbild seine eigenen Kinder enterbt. Aber mit der Mutter konnte er so rasch nicht fertig werden. Herr Beecham, dem seine wunderwirkenden Pillen 1 600 000 jährlich eintragen sollen, hatte seiner geschiedenen Frau einen Unterhaltsbeitrag von nur 30 000 gewährt; diese Summe genügte jedoch nicht zum Unterhalt der Mutter und der beiden ältesten Kinder, die es vorzogen, bei-der Mutter zu bleiben. Das Gericht erhöhte daher den vom Vater zu leistenden Beitrag auf 50 000 Nun kann die gute Fran auch mit dieser Summe nicht auskommen; denn als geschiedene Frau eines Pillendrehers muß sie standesgemäß leben, und für ihre Haushaltung braucht sie, wie sie ihrem Rechtsanwalt — der nebenbei bemerkt, auch der Rechtsanwalt der königlichen Familie ist — mitteilte, mindestens 100 000 Weil der Geschäfts- sichrer des Rechtsanwalts unterlassen hatte, die höhere Summe vor Gericht zu fordern, ist er von der erzürnten Frau Beecham gerichtlich belangt worden, und dabei kamen die anderen schönen Sachen heraus. Aber die 100 000 hat Frau Beecham doch nicht gekriegt, denn das gerichtliche Verfahren gegen den Rechtsanwalt ist auf den Rat des Richters hin eingestellt worden. — Ein Basler Okapijäger. Der aus Basel stammende Afrikaforscher vr. I. David richtet an die „Basler Nachrichten" ein interessantes Schreiben, das die erste ge nauere Beschreibung des von ihm als erstem Europäer er- legten und auch im Leben beobachteten Okapi gibt, jener so überaus sonderbaren Tiergestalt des östlichen Kongo- gebietes, die, obschon bis an Pferdegröße heranreichend, erst in letzter Zeit entdeckt wurde und in ihrem bizarren, aus Zebra, Giraffe und Antilope zusammengesetzten Habitus einem früheren Erdenalter anzugehören scheint. „Seit zwei Monaten", schreibt vr. David, „arbeiten wir wieder „untertags", um mich bergmännisch auszudrücken, d. h. im dichten Urwald westlich des Semliki; wir leben fast stets in „grünen Stollen", die wir in die Vegetation hineintreiben. Der Urwald ist nicht mein Freund. Schön ist er wohl, aber langweilig. Man sieht keinen Elefanten auf nähere Distanz als 25 Schritt. Wir ziehen durchs ureigenste Land der Pygmäen und Halbpygmäen, Wambutti und Walesse. Letztere sehr kriegerisch. Sie tragen Kürasse von Leder, die an einem „Hosen träger" auf den Schultern aufgehängt sind und linke Flanke, Brust und Rücken decken. Ende November schoß ich als erster Weißer eine Okapia. Haut, Schädel, Magen und Maße sind gesichert. Unter den Europäern der Ost- Provinz habe ich dafür nun schon einen mythischen Anstrich erhalten, wie etwa im Oberland die Grindelwaldncr Jossi oder Allmer, als sie die Nordwand des Eiger über kletterten. Was mir aber viel wichtiger ist: auch die Männchen des Waldes kennen mich nun infolge meiner Streifen, und ich habe durch die Wambuttis seither noch zwei vollständige und einen zertrümmerten Schädel der Okapia erhalten: alle Stadien des Zahnwechsels, vom Milchgebiß an, und verschiedene Zustände der Hörner- bildung. Leider ist eine zweite Haut, in einem Zwergen- lager vorgefunden, stark lädiert. Ich habe noch einen zweiten guten Fang getan, der ganz dieses Tertiärwaldes würdig ist: ein ameisen- und würmerfressendes Schuppen- tier von 1 Meter 22 Centimeter Länge, das durchaus seinen Verwandten aus der Riesenfauna der Pampas ähnlich sein dürfte. Es ist von unheimlicher Kraft. Meistens stellt cs sich auf seine Hinterfüße, die denen Feuilleton. Mirstk. * Richard Wagner über seinen „Parsisal". Die „Bay reuther Blätter" fuhren aus einem Briese Richard Wagners an König Ludwig folgende Stelle an: „Ich habe nun alle meine, noch so ideal konzivierten Werke an unser-, von mir als tief un sittlich erkannte Theater- und Publikumpraxi: ausliefern müssen, daß ich mich nun wohl ernstlich fragen mußte, ob ich nicht wenigstens dieses letzte und heiligste meiner Werke vor dem gleichen Schicksale einer gemeinen Opernkarrisre bewahren sollte. Eine entscheidende Nötigung hierfür habe ich endlich in dem reinen Gegenstände, dem Sujet meines „Parsifal" nicht mehr verkennen dürfen. In der Tat, wie kann und darf eine Handlung, in welcher die erhabensten Mysterien des christlichen Glaubens offen in Scene gesetzt sind, auf Theatern, wie dem unserigen, neben einem Opernrepertoire und vor einem Publikum wie dem unserigen vorgcführt werden? Ich würde es wirklich unseren Kirchenvorsländen nicht verdenken, wenn sie gegen Schaustellungen der geweihtesten Mysterien auf denselben Brettern, auf welchen gestern und morgen die Frivolität sich behaglich aus breitet nnd vor einem Publikum, welches einzig von der Frivolität an gezogen wird, einen sehr berechtigten Einspruch erheben. An ganz richtigen Gefühle hiervon betitelte ich den „Pariifal" ein „Bühnen- weihsestspiel". So muß ich ihm denn nun eine Bühne zuweihen, und dies kaun nur mein einsam dastehendes Bühnenfestspielhaus in Bayreuth sein. Tort darf der „Parsisal" in aller Zukunft einzig und allein aufgeführt werden; nie soll der „Parsifal" auf irgend einem andern Theater dem Publikum zum Amüsement dargeboten werden: und daß dies so geschehe, ist das einzige, was mich be schäftigt und zur Ueberlegung dazu bestimmt, wie und durch welche Mittel ich diese Bestimmung meines Werkes sichern kann. Siena, 28. September 1880." t. O. Nachträgliches zum Lonzogn-schen Lpern-Wettbewerb. Ter Theaterunternehmer Piontelle soll die Absicht haben, die Kom- vonisten, die bei dem Lonzognoschen Opernwettbewerb mit ihren Gerken durchgefallen sind, auszusordern, ihm ihre Arbeiten zu einer Nachprüfung zu überlassen. Er verpflichtet sich, die besten zehn von den vielen schlechten musikalischen Einaktern in allen größeren Städten Italiens aufzusühren. Man kann nur mit Bangen an dieses Zukunftstheater der Zurückgewieseneu denken. Zwei Preis- opern des Sonzognoschen Opernwettbewerbs werden übrigens schon in nächster Zeit vor einem andern als dem Mailänder Publikum die Feuerprobe zu bestehe» haben. Tas Carlo - Felice - Theater in Genua hat nämlich Duponts „Ziegenhirtin" und Filiazis „Manuel Meuendez" zur Aufführung angenommen. Dasselbe Theater wird auch Lrefices neue Oper „Moses" zur ersten Aufführung bringen. Orefice ist der Komponist der im vorigen Jahre mit großem Bei fall ausgenommenen Oper „Chopin". u Ein Dvotak-Ztztlus wird veranstaltet vom tschechischen Nationaltheater in Prag. Er wurde mit des Komponisten Requiem eingeleitet und in seinem Verlauf gehen sämtliche Dvorakschen Opern in Scene. t kostbare Violinen. Die Firma Puttick und Simpson versteigerte in London am Freitag etwa 70 alte Violmen, für die im ganzen 2200 Lstrl. gezahlt wurden. Tie höchsten Preise erzielten zwei Amati - Violinen, von denen die eine für 250 Lstrl. und die andere für 200 Lstrl. verkauft wurde. Ueber die Echtheit eines Stradivarius waren sich die Sachverständigen nicht ganz einig, sonst würde sic nicht für 160 Lstrl. losgeschlagen worden sein. Unter den anderen Violinen, die Preise von 80 bis 130 Lstrl. erzielten, befanden sich Guadagninis, Montagnanas und ein Sanctus Seraphim. * Las CorneliuS-Album. welches 21 der beliebtesten Lieder des bekannten Dichterkomponisten enthält, ist soeben im Verlag von B. Schotts Söhne in Mainz auch für tiefe Stimmlage erschienen, nachdem cs bis jetzt nur in hoher Aus gabe vorlag. ** „Ta Oodrera" (Lie Ziegenhirtin) von Gabriele Tupont, die in Mailand preisgekrönte Oper, erscheint für die Bühnen Deutschlands und Oesterreichs im Verlag von Albert Ahn in Köln. Auch die zweite Preisoper „Manuel Menendez" von Filiazi wird im gleichen Verlag erscheinen. - . Wisseirschast. r Heber »en Charakter der Krankheit »er Fran Prin zessin Johann Georg gehen uns von ärztlicher Seite noch folgende Ausführungen zu: Verschiedenen Meldungen zufolge istdie hohe Entschlafene einer im Anschluß an eine Myomoperation aufgetretenen Embolie zum Opfer gefallen. DaS Myom ist eine Geschwulst, die vorwiegend aus Muskelgewebe besteht und u. a. auch in der Speiseröhre, im Magen und Darm zur Entwickelung kommen kann, am allerhäufigsten aber als spezifisches Frauenleiden auftritt. Je nachdem die Neubildung noch von mehr oder weniger blutgefäßführendem Bindegewebe durchzogen ist, ist dieselbe weicher oder härter iFibromyom). An sich rechnet man die Myome, im Gegensatz z. B. zum Krebs, zu den gutartigen Geschwülsten; das gilt aber nur, so lange sie klein sind, frühzeitig erkannt und dementsprechend frühzeitig rein operativ oder auf ähnlichem Wege gefahrlos entfernt werden können. Zwar girbt es einzelne Er- icheinungen (deren genauere Besprechung in einer politischen Zeitung nicht möglich ist), welch« eine Frau auf ihr Leiden zeitig aufmerl- am machen und dazu veranlassen können, bald einen Arzt aufzu- uchen; ost genug aber entschließen sich die Frauen erst hierzu, wenn chon bedenklichere Symptome <gefährliche Blutungen, wahnsinnige Schmerzen) sie dazu nötigen. Bei den gefährlichen Myomen bedingt indessen nicht die bedeutende Größe der Geschwulst an sich, sondern auch ihr Sitz derselben die größere Gefahr, ob sie nun mehr nach der Seite de« Bauchfell« oder nach der Schleimhaut dr« Organs oder mitten in der MuSkelmasse desselben sich entwickelt haben. Wie groß die Geschwülste werden können, veranschaulicht die Tatsache, daß man solche von Kindskopf- bis Mannskopfgröße und solche im Gewicht von 50—80 Pfund beobachtet hat! So große Myome werden oft schon gefährlich durch die von ihnen bewirkte Zusammen pressung und Einklemmung der benachbarten Körperorgane iBlase, Darm ; die Hauptgefahren der einigermaßen größeren Myome be stehen indessen darin, daß sie sehr lange anhaltend« Blutungen Her vorrufen, die zu stärkster Blutarmut, Entartung der Blutgefäße und Herzerkrankungen führen können; daß durch allerlei Urfachen von selbst Abschnürung, Absterben, Vereiterung und Verjauchung der Geschwulst mit Vergiftung des ganzen Körpers eintreten kann; daß starke Blutergießungen (mit Neigung zur Vereiterung rc.) in die Muskelgeschwulst selbst erfolgen können infolge von Störungen im Blutkreislauf, die mit sogenannten Thrombosen verlaufen. Unter Thrombose versteht man die Blutgerinnung innerhalb der Adern des lebenden Körpers. Während bei einem Ge sunden eine durch eine kleine Verwundung entstandene Blutung durch ein pfropfartig die verletzte Stelle verschließendes Blutgerinnsel zum Stillstand kommt, welches nicht viel weiter in das Blutgefäß hineinreicht, als zum Verschluß desselben notwendig ist, jedenfalls also vor der Einmündung des nächsten Blutgefäßes endet und welches fest an seiner Stell« haften bleibt, können unter krank haften Verhältnissen (Aenderungen im Blutumlauf, in der Blut beschaffenheit, im Zustand der Blutgefäßwände) so weit sich in die Blutbahn fortsetzende und so locker sitzende Gerinnsel (Thromben) in den Adern sich bilden, daß Teile derselben vom Blutstrom ab- und sortgerissen und in andere Blutgefäße des Körpers verschleppt werden, wo sie je nach der Bedeutung letzterer urchr oder weniger schwerwiegende Folgeerscheinungen Hervorrufen können. DaS ereignet sich z. B. bei Thrombosen in den Bein- und Beckengefäßrn und kommt auch al« Folge der oben erwähnten Thrombosen in den Myomen selbst zustande, ganz gleich ob die Operation stattfand oder nicht, bezw. ost erst eine Reihe von Tagen nach glück lich vollzogener Operation. Während kleine Embolien in günstigen Fallen wieder repariert werden können (durch Entwickelung der be nachbarten Blutbahneu), schließen große Thromben, wenn sie in eine sogenannte End-Schlagader (z. B. der Lunge) geraten, dieselbe so vollkommen und so plötzlich ab, daß der Blutkreislauf jäh abge schnitten wird und sofortiger Tod rintrttt. Ein solcher Fall ist selbstverständlich immer auch für den Arzt ein höckst schmerzliches Ereignis. Und trotzdem wäre eS falsch, wenn er sich dadurch für die Zukunft von jedem Operieren der Myomgeschwiilstr abhalten lassen wollte: zeigt doch die Statistik, daß von ollen myomkranken Frauen durch Operation, deren Schwierigkeiten durch die Lage und Größe wie Beschaffenheit der Geschwulst und den sonstigen Gesund heitszustand der Kranken bestimmt werden, 8 bis 9 Zehntel gerettet werden. Der erschütternde Todesfall in unserem Königshaus muß daher als ein Unglück betrachtet werden, gegen welche« die Wissenschaft jetzt und wohl auch in aller Zukunft ohmnächtig ist und aus dessen Eintritt ,eder erfahrene Operateur in schwierigen Fällen leider gefaßt sein muß. k V Allgemeiner Deutscher Prtvatschuttag. Man schreibt uns: Der Allgemeine Deutsche .Prwatschul« verein (Vorort Leipzig) hatte für die Tage vom 23. bis 26. Mai einen Privatschultag nach Al tona einberufen, der von 300 Teilnehmern und Teilneh merinnen aus den verschiedensten Teilen Deutschlands besucht tpurde und einen glänzenden Verlauf nahm. In der Ver sammlung am 23. (sämtliche Verhandlungen fanden in dem Hotel Kaiserhof-Altona statt) wurde vom Vorsitzenden für die Tagung Direktor vr. Roth« Leipzig, zu seinem Stellvertreter Direktor Debbe - Neuenburg und Fraulein Stege- Altona gewählt und außerdem die Tagesordnung für die folgenden Versammlungen festgestellt. In der Hauptversammlung am 24. wurde der Privatschultag von Herrn Oberbürger meister vr. Giese im Namen der Stadt Altona und von Herrn Schulrat Wagner im Namen der Schulbehörde be grüßt. Dann sprach vr. Deppe über „Individuelle Be handlung der Schüler, eine Lebenskraft der Privatschule", und Fräulein Sp r e n g e l - Berlin über Altersversorgung. Ter erstere Vortrag wurde mit rauschendem Beifall angehört, bei dem zweiten handelte es sich um eine von Frl. Sprengel ein geleitete Umgestaltung der Berliner Pensionsanstalt für Leh rerinnen und Erzieherinnen; Frl. Sprengel ist selbst Mitglied des Aufsichtsrats dieser Anstalt. — An diese erste Versammlung schloß sich dann die Generalversammlung des Vereins, die neben der Erledigung der laufenden Geschäfte über Altersversorgungs fragen und die Verwertung einer vom Vorstand herausgegebc- nen Denkschrift zu beschließen hatte. — Dann fand nach dem Besuch des Altonaer Museums, das durch biologische Zusam menstellung einheimischer Tiergruppen ungemein interessant und instruktiv ist, ein sehr belebtes Festmahl statt, bei welchem vr. Roth den Reigen der offiziellen Trinksprüche durch den Kaisertoast eröffnete, Senator Höf ft auf den Verein, Direk tor Debbe auf Altona, Schulrat Wagner auf den Vor sitzenden sprach. Am 25. in der 2. Hauptversammlung hielt Herr vr: Bornemann- Hamburg einen fesselnden Vorttag -über: „Die Privatschulpläne von Ernst Moritz Arndt und Friedrich Albert Lange", und vr. Lorenz-Berlin berichtete über „Den Unterrichtserlaubnisschein in Preußen". Dann wurde als Ort des nächsten Privatschultages zu Pfingsten 1906 Braunschweig in Aussicht genommen und weitere Maß nahmen für eine lebhaftere Agitation bestimmt. — Am Nach mittag des 25. fand eine Hafenrundfahrt mit Besichtigung eines großen Dampfers und Besuch von Blankenese statt. Hierzu hatte in ungemein gastfreundlicher Weise die Stadt Altona einen Festdampfer mit Erfrischungen zur Verfügung gestellt, auf dem Altonaer Damen in der Tracht der Blankeneserinncn die Bewirtung übernommen hatten. Dazu hatte der Himmel das denkbar ichönste Wetter gespendet. — Der 26. vereinigte nochmals einen großen Teil der Teilnehmer zu einer Besich tigung .Hamburgs und nachmittags zu einem Besuch des „Rauhen Hauses", wo der Direktor Hennig selbst die Führung übernahm. Für viele hat endlich noch die Tagung ihren Ab schluß in einer Meerfahrt nach Helgoland und Sylt vom 27. an gefunden. A»Gftkmlander für Leipzig. Theater. Leipziger Sladttheater. Heute, Sonntag, gelangt im Neuen Theater A. Mamas' Oper „Mignon" zur Aufführung Montag wird Moser- unterhaltendes Lust spiel „Der «alontiroler" wiederholt. Im Alten Theater geht heute nachmittag )H3 Uhr für den Leipziger Arbeiterverein „Fatinrtza" in Scene; ein Billettverkauf hierzu findet nicht statt. Abends 7 Uhr erscheint HervLs
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