02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041215022
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904121502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-15
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RrdaktionSstrich l4gespalten) 75 -<z, nach den Familiennach- richtrn (6gespalten) 50 — Tabellarischer und Ziffernsav werden entsprechend höher be rechnet. — Gebühren für Nachweisungen und Osserlenannahme 25 -H. Annahmeschluf; für Anzeigen. Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen (nur mit der Morgeu- Ausgade) nach besonderer Vereinbarung. Lie Expedtttou ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Slinkhardt). Nr. 838. Donnerstag den 15. Dezember 1904. 98. Jahrgang. Vas Mcdtigrle vom Lage. Bei der Zentrale der Deutschen Kolonial- gesellschaft waren bis zum 12. Dezember 273777 Mark für die füdwe st afrikanische Hülfe- leist» ng eingegangen. * Im Reichstagswahlkreise Jerichow findet heute dieStichwahl zwisckum dem freisinnigen Mertens und dem Sozialdenwkraten Voigt statt. * Die vereinigte ungarische Opposition hat aus furcht vor der Anklage wegen Aufruhrs erklärt, daß sie für die Kosten des zerftörten Mobiliars aufkomme. (S. Ausland.) * Der König von Spanien hat, nachdem Maura den neuen Auftrag zur Bildung eines Kabi netts ablehnte, den Senator Azcarragazu sich be rufen. (S. Ausland.) * Nach einer Reuterdepesche aus Washington unterbreitete Rußland der amerikanischen Regierung einen Schieds-gerichtsvertrag für beide Staaten, der enthält, was Rußland zu unter zeichnen bereit ist. Der Entwurf weicht voll- ständig von dem ab, was Staatssekretär Hay zum Vorschlag brachte. Die Verhandlungen werden des halb noch einige Zeit beanspruchen. Zacbren im sieichzinvalidenkonä;. Der Etat des Reichsinvalidenfonds für das Jahr 1905 weist einen Gesamtbedarf von 57 863 262 .6 aus. Es sind das 4 741 863 mehr als der Etat für 1904. Hiervon entfallen rund 2 400 000 auf Zuwachs an Pensionen für die Teilnehmer am deutsch-französischen Kriege, wogegen 130 000 .^.in Abgang kommen an P-nsionen, die den Teil nehmern an den Kriegen vor 1870 zu zahlen sind. Ferner ist der Betrag zur Gewährung von Beihülfen an hülfsbedürftige Kriegsteilnehmer aus den Feld zügen von 1870/71 und vor 1870 von 1 N/r Millionen Mark auf 14 Millionen Mark erhöht worden. Hierbei sei mit geteilt, daß die Verteilung der Mittel im Interesse möglichster Beschleunigung der Zahlungen nicht mehr nach dem Stande vom 1. April, sondern nach dem am 1. Mär; jeden Jahres erfolgt. Die Erhöhung des Betrages selbst ist zu dem Zwecke in Aussicht genommen, mehr be dürftige Kombattan ten als bisher zu unterstützen. Was nun die Aufstellung des Etats für den Reichs- Jnvalidensonds betrifft, so sind für das Jahr 1905 die Be standsziffern bez. Pensionsbeträge vom 30. Juni 1904 zu Grunde gelegt. An diesem Tage erhielten im Deutschen Reiche 38 478 Teilnehmer des Krieges von 1870/71, sowie 7780 Teilnehmer der Kriege vor 1870 Pensionen und Pensions zuschüsse in Höhe von 28 631 379 bez. 4 510 25t Nicht einbegriffen sind hierin die oben erwähnten Bei hülfen an hülfsbedürftige Kriegsteilnehmer, sowie die an ehemalige französische Militärpersonen auf Grund des Frank furter Friedensvertrages zu zahlenden Pensionen (etwa 70^000 ^) Ferner wurden unterstützt 11 875 Hinter bliebene von Teilnehmern des Feldzuges 1870/71 und 2543 Hinterbliebene von Teilnehmern an früheren Feldzügen mit Beträgen von 4 933 951 bez. 1 041 353 Ins gesamt wurden also an Pensionen und Unterstützungen für Kombattanten und Hinterbliebene 39 116 934 gezahlt. Auf Sachsen im besonderen verteilen sich die gewährten Pensionen und Unterstützungen wie folgt: Offiziere. Krieg von 1870/71. Kriege vor 1870 Kops- zahl Betrag Kopf zahl B-trag Divisionskommandeure . . 2 25 704 — — Brigadekommandeure . . . 11 100941 - 2 18 988 Regimentskommandeure .. 20 140 059 - 1 7 247 . Bataillonskommandeure. . . 52 240 570 . 4 13 809 - Hauptleute u. Rittmeister I. Kl. 32 112 856 . 3 9 503 . - - . II. - 6 18 254 . 1 2367 - Oberleutnants . 21 38123 - 1 2 754 - Leutnants ...... . 16 30 733 B — — Aerzte . 14 67 885 - 3 10 616 - Geistliche und Beamte . . . 14 35 445 - — — Zusammen 188 810570 15 65 284 .6 L. Mannschaften. v. Hinterbliebene von Mannschaften. Feldwebel usw 35 Sergeanten, Unteroffiziere . 151 Gefreiten, Gemeine . . . 1340 42 548 .6 18 88 831 - 20 697 001 - 358 24 742 .« 12852 - 196 272 - Zusammen 1 526 828 380 ./L 396 233 866 .« 6. Hinterbliebene v Witwen von Stabsoffizieren 6 - von Hauptleuten usw. 29 Vaterlose Kinder ..... -1 on Offizieren 7 584 .-il « 34409 . 5 150 - — 4800 .« 6 739 - Zusammen 36 42143.« 8 11539 .« Wittwen von Feldwebeln rc. . 26 13155 .« 5 2000 .« - - Sergeanten rc. . - - Gefreiten und 33 14 463 - 8 3300 . Gemeinen. . 331 105 564 - 59 17 070 - Elternlose Kinder .... 1 240 - 3 720 - Vaterlose Kinder 24 4 032 - 1 168 - Eltern 4 1000 - 1 250 - Zusammen 419 138 454 .« 77 23 508 .« Somit wurden in Sachsen an 1714 Teilnehmer des Feld zuges von 1870/71 1 638 950 und an 411 Teilnehmerder Feldzüge vor 1870 299 150 an Pensionen und Pensions zuschüssen gezahlt. Ferner erhielten 455 Hinterbliebene von Teilnehmern des Feldzuges von 1870/71 190 597 und 85 Hinterbliebene von Teilnehmern der Feldzüge vor 1870 35 047 an Unterstützungen. Das ergibt den Gesamt betrag von 2 163 744 oder 5,53 Proz. der im ganzen Reiche aus dem ReichsinvalidensonbS gewährten Pensionen und Unterstützungen. Der siukrtand in Ziilstvertattilra. Räubergeschichten. v Von einem angeblich vertrauenswürdigen Ansiedler in Deutsch-Südwestafrika erhält die „Preuß. Korr." eine Zuschrift, die eine Reihe Aufsehen erregender Einzel- heiten über unsere Kriegführung im Schutzgebiet ent hält. Obwohl -die genannte Korrespondenz versichert, dec betr. Farmer sei ihr persönlich als durchaus verläßlich bekannt, muß man doch Bedenken tragen, die Ausfüh rungen vollständig und wörtlich zu übernehmen, denn es ist unausbloiblich, daß das Oberkommando der kaiser lichen Schutztruppe seine Offiziere gegen die erhobenen Vorwürfe auf amtlichem Wege in Schutz nehmen wird. Die Haltung Leutweins gegenüber den Eingeborenen ist auch von uns als nicht zweckentsprechend bezeichnet wor den, wir halten diese unsre Ansicht noch heute aufrecht und können es daher verstehen, wenn der erwähnte Far- mer unter dem Eindruck persönlicher Verstimmung schreibt: Als die erste Nachricht von den Rebellen beim Gou verneur eintraf, war seine sofortige Ordre an die im Aufstandsgebiet im Süden der Kolonie überhaupt stehenden Truppcndetachements. es dürfe kein Schuß wider die Aufständischen abgefeuert werden. Man sollte die Feindseligkeiten überhaupt nicht erwidern. Leutwein war offenbar der mindestens naiven Ansicht, das bloße Erscheinen deutscher Schutztruppler im Auf- standsgobiet und seine persönliche Vermittlung werde genügen, die Bondels zur Raison zu bringen. Er wollte der Berliner Zentrale den Bondelaufstand als einen lediglich lokalen Putsch hinstell^n, der ein be waffnetes Einschreiten nicht nötig gemacht Hobe. Natürlich sahen die Führer des deutschen Detachements bald ein, daß sie dieser Werse Leutwoins unmöglich folgen konnten. Nichts destoweniger gingen sie unter den, Eindruck dieser Ordre erheblich schonender gegen die Aufständischen vor, als sie es sonst getan hätten. Weit schwerer, als die vorstehenden, aus prinzipiellen Verschiedenheiten in der Auffassung entstandenen Vor würfe gegen Leutwcin sind aber die, die gegen einzelne Offiziere erhoben werden. So wird z. B. die Abdrängung einer kleinen Abteilung der deutschen Truppe in die Kap- kolonie darauf zurückgeführt, daß der kommandierende Oberleutnant, der anfangs siegreich gewesen sei, nachts keine Posten ausgestellt habe und infolgedessen überfallen worden fei. Und noch bedenklicher und zweifelhafter er scheint es uns, wenn in der Zuschrift gesagt wird, der Ruhm, nach dem die Offiziere bei Sandfontein und an derswo getrachtet hätten, werde keineswegs mit h ge schrieben. Solche „Räubergeschichten" glauben wir gegenüber den anderen Berichten über heldenmütiges Verhalten unsrer Offiziere erst dann, wenn der volle Beweis dafür erbracht ist. Wir halten es aber gleich wohl für unabweislich, daß die höchsten amtlichen Stellen energisch für Aufklärung sorgen, sonst ist das Ansehen des deutschen Namens entschieden ernstlich bedroht. ver s«Z5izcd-japa»i5che Weg. Der Zwischenfall von Hüll Hal nochmals der Kolonialsekretär Lyttelton in Ipalding den Engländern unterbreitet, indem er ihnen sagte, ohne die bewiesene Ruhe und Weisheit wäre das Land beinahe in einen verhängnisvollen und lang wierigen Krieg verwickelt worden. Aus Petersburg erhalten wir heute die Wiedergabe folgender Darstellung, die ein russischer Geheimagent in London an den Palastkommandanten in Petersburg, General Hesse, gerichtet hat: Ta die Untersuchungskommission, die mit der Auf klärung des Zwischenfalles von Hüll beauftragt ist. demnächst in Paris zusammentreten wird, ist mir daran gelegen, eine ergänzende Information über diese Angelegenheit zuzufenden. Ich habe sie in London von einer Persönlichkeit erhalten, die mit den japanischen Gesandten Hayashi Fühlung hat.. Vier Torpedoboote, deren Mannschaften aus Japanern und Engländern bestanden und die englische Lotsen und Heizer an Bord litten, verließen die eng lische Küste am Lage des Besuches, den der Kaiser dem russischen Geschwader abstattete. Sie wollten im Kanal vor der Ankunft des russischen Ge schwaders an gewissen Punkten eintreffen. Zwei Torpedoboote fuhren nach der Meerenge, zwei andere legten sich aus die Schiffahrtsroute, die gewöhnlich von den großen Schiffen eingehalten wird. Fünf Tage vor dem Eintreffen des baltischen Geschwaders in den dänischen Gewässern verließen sieben Fischer boote, die seit dem Monat Juli angekauft, mit Kohlen und Lebensmitteln ausgerüstet, von Fischern mit Netzen bemannt und von japanischen Offizieren be fehligt waren, den Hüller -Hafen, um den Torpedo booten Kohlen undProviant zu überbringen. Diese sieben Fischerdampfer waren mit Torpedorohren versehen und hatten Unterseeminen an Bord. Als die beiden wachthabenden Torpedoboote bemerkten, daß das russische Geschwader, oder doch ein Teil, 50 bis 60 Meilen von der gewöhnlichen Route abgekommcn war, vereinigten sie sich mit einem dritten Torpedoboot und verfolgten das Geschwader bis zum Einbruch der Nacht. Trotz ihrer Vorsichtsmaßregeln wurden sie je doch von den Russen gesichtet und unter Feuer genommen. Ein Torpedoboot ging unter, ein anderes wurde schwer beschädigt und sank am Morgen, nachdem die Mannschaft aus ein Fischerboot gerettet worden war. Tas dritte vereinigte sich wieder mit der Flotille, bei dec sich der Befehlshaber mit den Offi zieren befand. Tie zwei unbeschädigt gebliebenen Torpedoboote erhielten Weisung, nach Portsmouth zu fahren und sich einem mit Munition nach Japan ab gehenden Dampfer anzuschließen. Ich glaube daher, daß die Mitglieder der Kommission gut daran täten, in Hüll das Register d e r F i s ch e r e i da m p s c r, das dort ausliegt, einzufordern, um festzustellen, an wen sieben dieser Boote verkauft worden sind. Es wäre auch leicht, durch dasselbe Register die Namen der in Hüll eingeschifften Lotsen, den genauen Tag, den Be stimmungsort und die Namen dieser Boote sestzustellen. Vie Geschwa-erabteilung FLlkersahn«. Aus A den meldet das Bureau Reuter, die von Admiral Föltersahm befehligte Abteilung des baltischen Geschwaders liege noch in Dschibuti; sic warte aus die übrigen Schiffe des Geschwaders. von -er Armee vor Port Arthur. In Tokio eingegangene Nachrichten besagen, die „Sewastopo l" sei erfolgreich mit Torpedos beschossen werden. Ter Befehlshaber des japanischen Schiffs- artilleriekorps in Port Arthur meldet amtlich, daß die Beschießung sich am 13. Dezember hauptsächlich gegen Feuilleton. Die heilige Caeeilie. bis Roman von Marie Bernhard. Nachdruck verboten. So überrascht ist sie, daß sie ohne weitere Ueber- legung herausstößt: „Tas sind ja zwei ganz gleiche Briefe, Oswald, — sieh doch! Ja — hast du denn auch" Ganz erschrocken hält sie innc„ Ist es das sinkende Dämmerlicht, ist es die Beleuchtung der Schncedächer draußen, was Oswald so entsetzlich bleich erscheinen läßt? Er versucht, kurz aufzulachen, nickt oin paarmal vor sich hin, nickt dann ihr zu. „Jawohl, — gewiß — ich auch! Warum denn nicht? Wir haben uns eben gegenseitig überraschen wollen, Annemarie! Ist ja auch glänzend gelungen, — was? Wollen einmal sehen, was die klugen Herren Preisrichter mir schreiben, — wollen auch diesen Brief zusammen lesen, — nicht wahr?" „Wie du —wie du willst, Oswald!" sagt sie stockend. Merkwürdig unsicher fühlt sie sich ihm gegenüber. Hätte sie doch nur den Brief unbeachtet gelassen! — Schließlich, — mein Gott, das ist doch nicht das schlimmste, wenn ihr eine Liederkomposition besser glückt, als ihm deshalb kann er noch viel Gutes später schaffen! — Ein paar Zeilen nur: höfliche Zurückweisung, ein in allgemeinen Wendungen gehaltenes Lob der „hübschen Kompositionen, die nur eben für den gedachten Zweck nicht reckst passend erscheinen wollten", — das Anerbieten der Rücksendung, falls das Porto eingeschickt würde, — ein aufrichtiger Glückwunsch, falls die beiden „so überaus talentvollen" Preislieder von seiner, des geehrten Ein senders, Gemahlin herrührcn sollten. Tann eine hoch achtungsvoll ergebene Firma. Osivald spricht kein Wort. Seine Nasenflügel zucken, die Gcsichtsmuskeln spielen, aber er sagt nichts. Und Annemarie, die ihn trösten möchte, legt ihm leise die Hand auf den Arm. „Du mußt das nicht schwer nehmen, Ossy! Heute bin ich es, — das nächste Mal wirst du es sein! Vielleicht eignet dein Talent sich gerade für die Liederform weniger. — das kann immer sein! Geh' du nur recht mit Lust und Freudigkeit an deine große Oper heran; ein Zweifel an deinem Talent darf dir jetzt, — gerade jetzt, nicht kommen! Wer imstande gewesen ist, ein Werk wie die Serenade zu komponieren" — Er schiebt ihre Hand von seinem Arm herunter, seine Stimme klingt schneidend. „Jawohl — die Serenade! Dank' dir, daß du mich an sie erinnerst! Meine beste Arbeit, — nicht wahr?" „Aber natürlich — gewiß! Tas sagen alle!" „Alle! Selbstverständlich! Die klugen Leute! — Ich bitte dich, laß' mach gehen", — er ist zur Tür gegangen, Annemarie ist ihm ein paar Schritte gefolgt — „du hast deinen jungen Ruhm zur Gesellschaft, und ich nun, ich muß auch allein sein! Ich muß über meine glänzen den Zukunftsaussichten Nachdenken!" — Elftes Kapitel. „Steht es wieder schlechter, Herr Nachbar? Glauben Sie, daß das Kind kränker geworden ist?" „Ach Gott, — ich weiß ja nicht, — ich weiß ja nicht! Es liegt ganz teilnahmslos da, — und wenn ich zu ihm spreche, sieht es mir mit woit offenen Augen, mit einem ganz fremden Blick ins Gesicht und scheint mich gar nicht zu crkennon!" „Ja, — dann hat sich doch aber eigentlich der Zu- stand seit heute früh nicht geändert, denn so, wie Sic ihn jetzt beschreiben, war er da auch!" Der Kopist Lombard!, der neben Frau Färbcrmeister Kühne in deren Küche stand und mit geistesabwesendem Blick zusah, wie sie einen dicken Klößcteig zurechtknetcte, seufzte aus tiefster Seele. Tann ließ er sich auf einen brcttcrncn Küchenstuhl fallen und sank dort ganz in sich zusammen. Sein langer, hagerer Oberkörper klappte vornüber, der Kopf hing ihm tief auf die Brust herab. Ter Mann sah grau und alt und verfallen aus, tiefe Furchen zogen sich zu beiden Seiten des Mundes hin, die Augen blickten unendlich kummervoll. Teilnehmend sah Frau Kühne, die Hände noch immer im Klößenteig, nach ihm hin. „Na aber, Nachbar, das ist dock) nichts! So dürfen Sie sich nicht anstellen! Noch lebt doch das Kind, und der Arzt —" „Ach, der Arzt! Was der sagt! Und geholfen haben seine Pulver und Tropfen noch kein bißchen!" „Ja, — es gibt eben Fälle, in denen auch die beste Medizin nichts nützt!" Der gebeugte Mann fuhr aus seiner Versunkenheit auf. „Soll das also heißen, Nachbarin, daß mein — daß mein" die Stimme versagte ihm, er mußte immer wieder ansetzcn, — „mein Karlemännchcn sterben muß?" „Gott bewahre, — wo soll cs das heißen? Ich bin kein allwissender Mensch, trotzdem ich in meinem Leben schon viele Kranke gesehen hab'! Schwerkrank ist das Kind, das steht fest, — und — und, — sehen Sie, guter Lombardi, wenn es Ihnen genommen wird — ich sage ja bloß wenn dann kommt es, so lieb und un schuldig, wie es ist, mitten in den Himmel hinein unser Herrgott hat ein Engelchen mehr bei sich oben, — und Sie, — ja, Ihnen bleiben noch fünf andere prächtige Kinder — wirklich, Nachbar, um Ihre Kinder könnte Sic mancher reiche, vornehme Mensch beneiden!" „Ich weiß, — ja, ja! Aber dieser Kleine. — der — der — sehen Sie, Nachbarin, wir waren gänz unglücklich, als er kommen sollte, meine liebe Frau und ich! Nicki! weil wir arm waren und Kinder genug Italien! Ach Gott, — wo fünf satt werden, wird auch noch Rat für das sechste sein. Aber nun war doch meine Frau jo schwach, war so viel krank gewesen, die jüngste wir sic auch nicht mehr, da sic ja spät heiratete nb halte immer bloß den einen Gedanken: dies Kind, — das wird ihr Tod! Um dies Kind wirst du sie hingeben müssen! Sie wissen ja, sie lebte noch einige Monate nach des Kindes Geburt, aber wie! Gar kein rechtes Leben mehr war das! Meine Annemarie, die eigentlich doch noch in den Kinderschuhen steckte, mußte den ganzer: Haushalt führen und den kleinen Wurm besorgen und alles! Was für eine schwere Zeit ist das gewesen! Sre standen uns getreulich bei, Frau Kühne, und hätten wir Sie nicht gehabt nein, nein, ich sag' nichts Mehr, — ich weiß, Sic wellen das nicht bören und haben cs nicht um Dank getan. Ich will bloß sagen: nun hätten wir eigentlich müssen ans den Kleinen schlecht zu svrechcn sein, oenn, unschuldig, nie er war- ungelegen kam er uns, und ebne ibn Härten wir seine Mutter vielleicht noch lange belialten! Aber nein, — cs geschah das Gercnteil! Man hört ja manchmal, daß solche Kinder, die nicht gewünscht werden, später die Lieblinge sind. — und wenn ich auch sagen muß: mein Liebling :st und bl'eibt mein Aolötind, meine Annemi . . . von den jünge ren Kindern ist das Karlemännchcn mir das liebste! Unser aller Spielzeug, un'er Herwlättchen, unser" — Lombardi zog ein :c:„-ebümres Baumwolltuch aus seiner Tasche und r.si'ck:. sich die Augen. „Ja, ja." besi.i.'i.ne Frau Kühne kepfnickcnd, „es ist ein liebes Ker.chen bildhübsch, und so klug und lustig, und immer d bis jetzt gewesen, — ein wahres Prachtsi.War e n elendes Mückchen, wie er auf die Welt !e c.-cr wie er erst die Zähnchen batte und so an> -Vn rrobsien heraus war, — frisch und rund und avv. :. ch wie ein Apselchen ist das Kind geworden. An d< :: bat die Annemi ihr Meisterstück bewiesen! Sic war ja auch immer ganz närrisch mit dem Karlcmännchen" — „Wie sollen wir ihr unter die Augen treten, wenn uns das Kind stirbt?" Lombardi ballte sein Taschentuch in einen formlosen Klumpen zusammen und legte diesen mechanisch aus einer Hand in die andere. „Sie will ja doch zum Sommer, zum Juni oder August, meine ich,
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