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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041209022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-09
- Monat1904-12
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Leipziger Tageblatt. Leite T. Nr. V27. 98. Jahrg Freitag, 9. Dezember 1904. nonellen Tätigkeit mit dem Inseratenwesen zu beslim- inen. Da der „Vorwärts" an seine in beleidigendster Form gehaltenen Behauptungen meine Ehre ausS Lctnverste verletzende Schlußfolgerungen knüpft, so sehe ich mich als leitender und verantwortlicher Redak« teur der Handelszeitung des „Berliner Tageblatt-" veranlaßt, gegen den verantwortlichen Redakteur de- „Vorwärts" die'erhalb Strafantrag zu stellen. Arthur Norden." Auch der Verlag des „B. T." wird die Belei digungsklage gegen den verantwortlichen Redak- leur des „Vorwärts" erheben. Der „Vorwärts" findet . diese Absicht ausgezeichnet"' und meint, nur Herr Nor den verwahre sich ja gegen die Behauptmrgen des „Vor wärts". Im übrigen leugnet das sozialdemokratische Blatt nicht Singers Beziehungen zum Sctiettlerschen Hause, sondern bel>auptet nur, er sei nicht der Ver führer gewesen, habe auch nie zu Orgien oder anderen Ausschweifungen in dem genannten Hause Beziehungen gehabt. Koloniale Sorgen Englands. Aus London, vom 8. November, schreibt unser —n - Korrespondent: In denselben Tagen, in denen der Sarg mit Krügers Leiche nach Pretoria und Kapstadt gebracht wird, hat sich in Brandfort ein Burenkongreß versammelt, der eine äußerst scharfe Opposition gegen die britische Regie rung unternahm. Die Teilnehmer beklagten sich, daß die Versprechungen, die Kriegsverluste zu ersetzen, nicht ge lallten worden seien. Der Kongreß wünscht, die als .freie Gabe" verheißenen 3 Millionen Pfund Sterling sollten gleich gezahlt werden: auch müsse man die von den Offizieren während des Krieges ausgezahlten Schuldner- schrei bungen begleichen. Der Widerstand ging so well, daß die Bewilligung der Anträge als Bedingung für irgendwelches Zusammenwirken der Buren in der Orangeriver-Kolonie mit der englischen Regierung hin gestellt wurde. Der General Botha erklärte, das nationale Leben und der nationale Geist der Vurgher müßten besonders in Erziehungsfragen bewahrt iverden. Er sei überzeugt, dann sei das Volk bald fähig, die Pflichten einer selbstverantwortlichen Regierung zu üben. Der Kongreß bekannte sich zu der Forderung unab hängiger Afrikandcrschulen: auch die Reorganisation der Polizei wurde begehrt. Die Vurghers beriefen sich auf die Proklamationen des Lords Roberts, die im Namen Seiner Majestät erlassen worden seien, auf die inter nationalen Gesetze und sogar auf die Haager Konvention. Sie verstanden sich, ihre Loyalität unter der Ein- schränkung zu Protokoll zu geben, daß sie die holländisch, englische Verständigung zwar von Herzen unterstützen würden, daß leider jedoch die Unzufriedenhell beständig wachse. Die Resolutionen wurden dem Gcneralgouver- ncur unterbreitet, der sie dem König zu schicken hat. Man hofft auf Eduards VII. direkte Verwendung: von seiner Klugheit wäre zu erwarten, daß er das Aufkommen einer obstruktionistischen Widersetzlichkeit, wodurch die Iren der englischen Staatsautorität großen Eintrag toten, ver- hindert. Teni Kongreß, der zwei Tage lang stürmisch debattierte, hat auch der General Dewet beigewohnt. — Höchst fatal sind für das Londoner Auswärtige Amt, für die Eisenbahnkommission und für die ostafrikanische Ab- Teilung, die Feststellungen über die Ugandabahn. Sie hat 6 Millionen Pfund, 2^2 Millionen über Gebühr, gekostet: dieses Resultat ist der Mißwirtschaft einer Reaie- rung zu danken, die durch Begünstigungen den Kauf und die Verhandlungen sehr kostspielig gemacht hat. veutscbes seiest. Leipzig, 9. Dezember. * 3» ven LandtagSwahlen ves Jahres 1905. Am gestrigen Donnerstag abend fand im Italienischen Garlen ;u Leipzig eine engere Wäblerversammlunz statt, die ver provisorische Wahlausschuß des konservativen Vereins und des wirtschaftlichen Mittelstandes einberufen hatte. Den Vorsitz führte Herr Prof. Dr. Georg Steffen, welcher ausfübrte: Es handele sich bei den Land tagswahlen des nächsten Jahres auch um die Wieder besetzung zweier im Besitze der konservativen Partei be findlichen Wahlkreise Leipzigs. Der Vorstand des konservativen Vereins sei daher vor einiger Zeit mit einer größeren Anzahl von angesehenen Vertretern der hiesi gen Mittelstandsbewegung in einer erweiterten Vor standssitzung zusammengetreten und habe mit diesen verein bart, für den 3. Wahlkreis (Süden) die Wiederausstellung des Herrn Maurermeister Enke und für den 5. Wahlkreis (Westen) Herrn Fabrikant Earl Reißmann aus Plag witz (an Stelle des Herrn Geheimrat Dr. Schober, der eine Wiederwahl ablehnt) zu empfehlen. Herr Reißmann wurde besonders wegen seines Interesses an Kanalfragen empfohlen. Nach längerer Debatte wurden die Kandidaturen der Herren Enke und Reißmann unter lebhaftem Beifall proklamiert. Endlich wurde einstimmig beschlossen, ein gemeinsame« Wahl komitee sür de« 3. und den 5. LaudtaaSwahlkrn« zu bilden und den bisherigen Wahlausschuß des „Konservativeu Verein« und des wirtschaftlichen Mittelstandes" mit den weiteren Schritten zu betrauen. * vo» Sehted-gertchtstzof tn Lache« Lippe. Bevor der SchiedSgericht-hof beim Reichsgericht über die lippische Frage zusammeutreteu kann, müssen die beiden beteiligten Parteien ihre Ansprüche ausführlich begründen. Darüber werden noch verschiedene Wochen vergehen. * Die Metzer LandeSverralSasfärc wird am 14. Dezember die vereinigten zweite und dritte Strafsenate des Reichs gerichts beschäftigen. Die Anklage wegen versuchten Verrat« militärischer Geheimnisse richtet sich gegen den zuletzt in Ranch i wohnhaften Friseur Michel Hense aus Luxemburg. ' — Zentrums-Propaganda. Einem bayerischen Pfarrer in der Nähe von Augsburg ist die politische Agitation von der Kanzel herab schlecht bekommen. Er wurde wegen Verunglim pfung eines Augsburger liberalen Organs zu der allerdings gering, fügigen Geldstrafe von 10 oder entsprechender Haft verurteilt. — Die Agitation sür die Zentrumspresse wird aber nicht allein von der Kanzel herab, sondern auch in Krankenhäusern betrieben. Ein derartiger Fall, der durchaus nicht vereinzelt steht, ist jüngst in Metz vorgekommen: die katholische Krankenschwester nahm einem Kranken die „Metzer Ztg." fort und bedeutete ihm, er dürfe nur das Zentrumsorgan sich als Lektüre wählen, — wirklich, eine rührende Krankenpflege! * Berlin, 9. Dezember. * Die Konservative», und die Handelsverträge. Die konservative Partei des Reichstags läßt in der „Kons. Korr." erklären: Die konservative Partei werde niemals einem Handelsver träge die Zustimmung geben, durch welchen in irgend einer Weise au unserem Viehseuchenschutz gerüttelt werden sollte. Die Sache hat natürlich den Zweck, die Regierung für die demnächst fortzusetzenden Verhandlungen mit Desterreich- Ungarn scharf zu machen. * Konflikt im Berliner Stadtverordneten-Kollegium. In der gestrigen Stadtverordnetenversammlung wäre es beinahe zum Rücktritt des Stadtverord- netenvorstehers LangerhanS gekommen. Naächem dieser einen Antrag der sozialdemokratischen Partei ohne Widerspruch auf die Tagesordnung gesetzt hatte, nahm er unvermutet als erster Veranlassung, den Antrag mit Rücksicht auf die durch die Städtcordnung dem Beratungsgebiet der Stadtverordnetenversammlungen gezogenen Grenzen als unzulässig zu bezeichnen. Er setzte sich dadurch in Widerspruch mit allen Parteien des Hauses und wurde an den letzten Konsequenzen seiner Auffassung nur durch einen Antrag auf Vertagung gehindert. * Rechtsfähigkeit der Bcrufsvercmc. Der „Voss. Ztg." zufolge finden gegenwärtig wegen Aufstellung eines Gesetz entwurfs über die Rechtsfähigkeit der Berufs vereine Konferenzen zwischen dem Reichsamt des Innern und anderen Ressorts statt. ' Revision des preußischen Einkommensteuergesetzes. Wie bei den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses mit- geteilt ist, sind im Finanzministerium die Vorarbeiten für eine Revision des Einkommensteuerge setzes sckwn seit langer Zeit im Gange. Diese Vor bereitungen dürften inzwischen so weit fortgeschritten sein, daß Fühlung mit dem Staatsministerium genommen werden kann. Wenn daher demnächst die zur Vor beratung der Anträge auf Revision des Einkommen steuergesetzes eingesetzte Kommission des Abgeovdneten- lxmses ihre Verhandlungen beginnen wird, dürfte sie dies auf einer sicheren und festen Grundlage tun können. — Der Versicherungsvertrag im Bundesrat. Der Bundesrat wird frühestens Ende Januar in der Lage sein, sich mit dem Gesekentwurf über den Versicherungsvertrag zu beschäftigen. Zur Zeit unterliegt derselbe der Begutachtung der Emzelregierungen' Ta sich die vorgenommenen Aenderungen auf über hundert Punkte erstrecken, ist die notwendige Nachprüfung einigermaßen zeitraubend. — Von der „Nationalzeitung" verlautet, daß sie zwar nicht von der Partei als solche angkaust und zum offiziellen Zentral- organ bestimmt worden ist, daß aber mehrere nationalliberale Ab- geordnete Aktionäre der neuen Aktiengesellschaft sind, darunter auch der Besitzer des „Hannoverschen Kuriers" Dr. Jänecke. — Die „Fr. deutsche Presse" erklärt gegenüber den Mitteilungen auswärtiger Blätter, daß das Allgemeinbefinden des Ab geordneten Eugen Richter durchaus zufriedenstellend sei, ein Augenleiden nötige ihn, zur Zeit bei ungünstiger Witterung zu Haus zu bleiben. — Kein Klein Popo mehr! Die Ortsbezeichnung „Klein Popo" ist abgeschasft worden. Der amtlichen „Deutschen Verkehrs zeitung" zufolge wird vom 1. Januar 1905 der Name „Klein Popo" von der Bildfläche verschwinden. Statt dessen wird die Bezeichnung „Anecho" eingesührt werden. Klein Popo oder Anecho ist, wie man weiß, eine Kustenstadt in Togo. Früher war sie der Wohnort des Landeshauptmannes. Gegen 1896 wurde der Wohnsitz des Landes hauptmannes oder des späteren Gouverneurs nach Lome verlegt. Die Aenderung des Namens Klein Popo in „Anecho" geschah, wie die,^külu. Lolt«z«t»u»g" mitteilt, auf Antrag der katholischen Mission. — Warum wohl? * * Malchin, 8. Dezember. Der . mecklenburgische Landtag überwies den Antrag, eine Eisenbahn gemeinschaft zwischen Mecklenburg und Preußen anzubahnen, der Regierung zur Er wägung. * Pvfev, 8. Dezember. Dr. von Rakowski, früherer Re dakteur der „Praca, hat nach Verbüßung einer dreijährigen Gefängnisstrafe in Wronke di» Freiheit wieder erlangt. Dr. von R. wurde, wie der „Kuryer" berichtet, nach der österreichischen Grenze abgeschoben. — Ter „Dziennik" und der „Kuryer" drucken eine Anzeige ab, in der angrkündigt wird, daß ein schönes, LOOO Morgen großes Rittergut aus deutschen Händen erworben werden kann. Näheres ist in den Geschäftsstellen dieser Blätter zu erfahren. Von den Polen pflegen derartige Verräter gesellschaftlich geächtet zu werden. Und was geschieht bei uns'? * Aus tzem Grohherzsgtum Hessen. Gegenüber der düsteren Finanzlage im Reiche wirkt ein Lichtblick, der dann und wann aus den Einzelstaaten hervordrinat, um so Erfreulicher. Mit großer Zuversicht auf stetige Besserung der finanziellen Verhältnisse konnte diesmal die hessische Kammer daS Finanzexposb des HinanzministerS Gnauth entgegennehmen, Der Voranschlag für 1903 hatte zwar einen Fehlbetrag von 2 300 000 ^! aufgewiesen; tatsächlich belief sich diese« Defizit aber nur auf 1 189 000 ; daneben war ein Ausgleichsfonds in Höhe von 1 140 000 „»l geschaffen worden. Der Minister bezeichnete den Etat sür 1904 als eine „deutliche Wendung zum Besseren" und konnte beim Voranschläge sür 1905 fest» stellen, daß die Finanzlage wiederum erheblich besser ge worden sei. Dieser Voranschlag weist ein rechnerisches Defizit von 758 000 auf, dem aber ein Ausgleichsfonds von 2 Millionen und noch ein Vermögensrest von 1»/, Millionen aus früheren Jahren gegenübersteyt. flotte. * Schiffsbewegungen: S. M. S. „Falke" ist am 7. T«. zember in Coronel (Chile) eingetroffen und am 8. Dezember von dorr nach Talcahuano (Chiles in See gegangen. Kor- vettenkapitän Puttfarken Hat am 7. Dezember in Schanghai das Kommando S. M. S. „Seeadler" und Oberleutnant zur See von Zerboni am 7. Dezember in Jtschang c-as Kommando G. M. Flußkanonenboores „V orwärt s" übernommen Reichspostdampfer „Bayern" mit dem Transport für die Marinefeldbatterie des IN. SecbataillonS an Bord ist am 3. Dezember in Gibral tar cingetrosfcn und hat am 4. Dezember die Reise no.b Ge nua fortgesetzt. S. M. S. „Braunschwei g" ist am 5,. De zember von Kiel in Wilhelmshaven eingetroffen md am 7. Dezember wieder in See gegangen. S. M. S. „Fried rich Carl" ist am 6. Dezember von Kiel in See gegangen. S. M. S. „N ymphc" ist am 7. Dezember non 5kiel in See gegangen. Ter Ablösungstransport für S. M. 2. „M ö tv-" ist mit dem Reichspostdampfer „Seydlitz" am 8. Dezember in Hongkong eingetroffcn und setzt mit l-em Dampfer der Neu-Gumea-Zweiglinie am 12. Dezember die Reise über Friedrich-Wilhelmshafen nach Dkotupi fort. Ruslana. Oesterreich - Ungarn. * Tie tschechischen Studenten Prags. Vor der deutschen Lesehalle in Prag wiederholten sich gestern die Demonstra tionen der tschechischen Studenten, die Wert darauf legen, die pöbelhaften Angriffe vom EinweibungSabend fortzusetzen. Frankreich. * Vermutungen der Presse über Syvetons Tod. Die Pariser Blätter ergehen sich über Las Ende Les Herrn Gabriel Syveton, Las vollkommen Lem Ende Zolas ähnlich ist, in Len aufgeregtesten Mutmaßungen. Um 3 Uhr hatte sich Ler Abgeordnete in sein Arbeitszimmer begeben, um an Ler Verteidigungsrede für Len Prozeß, Lessen Beginn auf heute angesetzt war, zu arbeiten. Jin Zimmer legte er sich jedoch auf den Diwan und schliss ein. Als seine Frau eine Stunde später das Gemach betrat, fand sie den Gatten schwer röchelnd vor. Ter Arzt stellte Wiederbelebungsversuche mit rhythmischer Öungenbewegung an, doch starb Syveton alsbald. Bei einem Besuch des Polizeikommissars sand man, wie ge meldet wird, im Zuleitungsrohr des Gasofens ein zu sammengerolltes Stück Zeitungspapier, womit das Rohr verstopft war. Es entstand das Gerücht, daß Syveton durch Selbstmord geendet habe: einen Schein von Glaubwürdigkeit erhielt es dadurch, daß Syveton heute vor dem Gericht durch angebliche Enthüllungen aus seiner Wiener Sprachlehrerzeit kompromittiert werden sollte. Eine genaue Untersuchung Les Gas- laufs erwies, daß ein Riß im Gasschlauch vorhanden ist, also Unglücksfall vorliegt. Die Beerdigung erfolgt Sonntag, Coppöe, Lemaltre und General Jaquet werden am Grabe reden. Die nationalistischen Blätter machen kein Hehl aus ihrem Zweifel an einem natürlichen Tode: sie beschuldigen offen das Kabinett, sich Syvetons entledigt zu haben, weil man die Enthüllungen, die dieser über die Riachenschaften der Regierung geben würde, fürchtete. Der „Jntransigeant" legt eine besondere Heftigkeit an den Tag und über schreibt seinen Artikel „Ein Mord". Die „Libre Parole" betitelt ihren Artikel mit den Worten „Die Ermordung Syvetons". Die Aufregung unter den politischen Freun- den des Verstorbenen ist ungeheuer: ffie beharren in dem Glauben, daß Syveton das Opfer eines feigen Mordeß geworden sei. Infolge dieser Aufregung gestaltet sich die politische Lage sehr kritisch, und die heutige Kammer- sitzung verspricht eine sehr tumultuöse zu werden, so, wie man sie bisher noch nicht erlebt hat. Einen Tag nach dem Attentat auf Andrä l>at Syveton sein Leben bei einer amerikanischen Lebendversicherungsgesellschaft versichern lassen. Er gab dem Beamten an, daß er fürchte, mau werde ihn aus dem Wege räumen. Auffällig au der Leiche ist eine breite Stirnwundc. Die Witwe nimmt an, daß diese durch einen Sturz auf das Parkett verursacht sei. Wir geben alle Meldungen wieder: eine Kommentie rung ist vorderhand unmöglich. * Ressortmäßige Reue des Herrn Chaumis. Der Unterrichtsminiister des Kabinetts Combos leistet Ab- bitte. Gestern hat er an die Rektoren der Akademien einen Runderlaß gerichtet, in welchem er sich auf den von der Kammer am 28. Oktober gefaßten Beschluß gegen die Angebereien bezieht und auch seine eigene Mißbilligung über derartige Vorgänge ausdrückt. Sie seien den Ueber- lieferungen der republikanischen Lehrerschaft zuwider. Die Rektoren sollten sich von solchen Schwächen freihalten, damit die Lehrerschaft ein großer Schatz sittlicher Autori- lät für das Land bleibe. Diese Autorität würde ge fährdet, wenn die Professoren in dem Glauben, dem Werke der Regierung zu dienen, zur Rolle politischer Agenten herabstiegen oder sich so weit vergäßen, in Ge stalt von Inanisitoren crufzutreten. Bei den Unbedingten hat Chaumiä bereits durch die Erledigung des Falles Thalamas an Kredit eingebüßt. Großbritannien. * Die Wurmkrankheit unter den englischen Gruben arbeitern. Der von der British Association eingesetzte Aus schuß zur Untersuchung der Frage, ob die Wurmkrankheit der Bergleute in englischen Gruben dauernd sein werde, bat seinen Bericht eingereicht. Nach dessen Versicherungen lassen die gefundenen Zustände befürchten, daß sich in vielen Fällen die Wurmkrankbeit festsetzen wird. Die Ausrottung der Wurmkrankheit sei kostspielig und noch niemals gänzlich ge lungen. Der Ausschuß empfiehlt sofortige Borbeugungs maßregeln unv meint, man müsse vor allen Dingen dafür sorgen, daß jede Verunreinigung der Hauptwege unter der Erde und die Grubeneinfahrt durch menschliche Exkremente verhindert werde. Dem Minister fei von jedem Erkrankunzö- falle Mitteilung zu machen. * TaS ostafrikanische neue Jerusalem. Wie aus London gemeldet wird, soll der Ausschuß zur Besichtigung des von , der Regierung den Zionisten zur Verfügung gestellten Ge bietes in Ostafrika noch in diesem Monat abreisen und am 10. Januar in Ostafrika eintreffen; er besteht aus dem Major Gibbous, Professor Kaiser und Dr. Wilbusch. Professor Kaiser ist der wissenschaftliche Berater der Nordwest-Kameruu- Gesellschast und Dr. Wilbusch Ingenieur. Rußland. * Rücktritt beS Großfürsten Sergei. Nach einer Meldung des „B. T." hat der Großfürst Sergei die Absicht aus gesprochen, in der nächsten Zeit von dem Posten des General gouverneurs von Moskau zurückrutreten. Die Veranlassung sei, daß sich ter Großfürst den Befehlen des Ministers des Innern nicht fügen wolle. Swiatopolk-Mirski führte beim Zaren Beschwerde darüber, der sich auf Seite des Ministers stellte. Der Großfürst wird binnen kurzem nach Petersburg übersiedeln unv dort wahrscheinlich das Amt seine- kranken Bruders Wladimir übernehmen. Er gilt als das Haupt der autokratischen Partei. ' * Tie geheime Propaganda in Pole». Eine Depesche aus Warschau gibt an, jener Hausmeister, der der Polizei Angaben gemacht hatte, daß sie daS Versteck deS Revolutions komitees aüsfand, viele Verhaftungen vornehmen und eine große Anzahl Schriftstücke beschlagnahmen konnte, sei vom Komitee zum Tode verurteilt und bereits ermordet auf gefunden worden. Bulgarien. * Ter bulgarische Zolltarif. In der Sobranje kam, wie uns gemeldet wird, gestern der neue Zolltarif in zweiter Lesung zur Verhandlung. Nach dessen An nahme werden die Unterhandlungen mit dem Deutschen Reiche in Angriff genommen werden. Türkei. * Ein österreichisches Communiqus über die letzte Verwicklung. In offiziellem Auftrage schreibt das schreiben, unmittelbar nach diesem herrlichen Konzert, diesem schönen Erfolg .... pfui! Wie niedrig!" Sie wirft das Köpfchen zurück, ballt den Brief zu sammen: sie findet es unter ihrer, — unter Oswalds Würde, auch nur einen Zweifel zu äußern. Wäre Oswald nicht erregt gewesen, hätte er nicht dem Rheinwein, dem Sekt tapfer zugesprochen gehabt, — würde er nur einigermaßen vorbereitet gewesen sein, — es wäre alles glatt vorübergegangen! So aber — er konnte das unruhige Flackern seiner Augen, das Zittern seiner Unterlippe nicht verbergen, — vor allem, er konnte Annemaries Blick nicht ertragen, .... diesen stolzen, zuversichtlichen Blick, der ihm erzählte, daß kein Argwohn in ihrer Seele war! — Er wendet sich ab von ihr, tut, als suche er etwas, — nimmt ihr den Papierballcn aus der Hand, glättet ihn sorgsam und liest, anscheinend aufmerk sam, noch einmal den Brief, Wort für Wort. „Laß' doch den Fetzen! Lies das nicht!" ruft Anne- marie heftig. „Der Mensch hat sich gehütet, seinen Namen zu nennen, — du hättest ihm ja sonst eine Er klärung geben können, eine deutliche, bündige Erklärung auf Ehrenwort, wann und wo und wie die Serenade entstanden ist! Du hast nie gern über die Serenade ge sprochen. hast mir nie" — Sic stutzt mitten im Satz. Wirklich, Oswald hat weder ihr noch seinen Angehörigen jemals Rede stehen wollen über dies ihrer aller Lieblingsstück, er hat sich ge sträubt bis auf's äußerste, die Serenade jetzt im Konzert u spielen, — nur Johannsens, des Altmeisters, bestimmt ausgesprochener Wunsch hat seinen Widerstand besiegt. Zie schämt sich dieser Gedankepkette, — solch' ein ano nymer Brief ist doch wie ein fressendes Gift,... aber es soll ihr nichts anhaben l Nein! — „Du wirst das alles nachholen, nicht wahr?" fährt sie hastig fort. „Punkt für Punkt wirst du mir erklären" — „Nur heute nicht mehr. Kleines! Ich bin todmüde" — „O, — das war ich auch, — aber dies hat mich wieder munter gemacht! Sag' mir wenigstens: wer war Andre Villot? Existierte er wirklich? Kanntest dn ihn?" „Ein verkommener Mensch, — ein Trinker" — „Und besaß er Talent? Komponierte er?" . „Mein kleines Süßes, — wie wär' cs, wenn wir schlafen gingen? Komm', laß' mich dir die Nadeln auS dem Haar ziehen! Wie fein es duftet, dein Haar! So schön wie heute sah ich dich noch nie!" Sie blickt ihn aufmerksam an, während sie mechanisch hilft, ihr reiches Haar für die Nacht zu ordnen. „Oswald", sagt sie langsam, und ein beinahe feier licher Klang ist in ihrer Stimme, „nicht wahr, wir wollen einander immer alles sagen? Uns gegenseitig nichts verschweigen! Tas eben ist doch das Wesen der Ehe, daß einer in des andern Seele lesen soll! Sieh, für mich war der heutige Abend so schön, so wunder- schön" — „Das glaub' ich, kleine Eitelkeit! Unser Vogel hat überreichlich Zucker zu naschen bekommen, — wir sind ganz im Siegestaumel! Und wenn nun noch der eigene Mann kommt und betet die kleine Frau an" — Er be deckt ihr Wangen und Hals und Lippen mit seinen flammenden Küssen: sie kann nichts mehr sagen, — will es auch nicht mehr! Er hat sie wieder einmal gar nicht verstanden, — oder nicht verstehen wollen! Sie hat ihm von Hans Kühne erzählen wollen und wie sie sich über dies Wiedersehen gefreut hat, — daß er sie besuchen wird mit Tante Babette, .... vielleicht ist es besser, daß er es nicht erfährt, daß sie ihn nicht ganz „in ihrer Seele lesen läßt!" Es will ihr scheinen, als sei heute eine falsche Note in seiner Zärtlichkeit zu ihr, — so überhastet, so stürmisch alles, — er löscht die beiden hellbrennenden Kerzen am Toilettentisch, . . nur noch das »natte Flämmchen hinter der rosa Glasampel bleibt zurück. — Im Salon tut die schöne Rokoko-Uhr von Hans Kühne fünf Helle, eilige Schläge, — jetzt tanzen die Amoretten um das verliebte Schäferpaar! — In dem schwachrosigen Dämmerlicht legt Annemarie ihr heißes Gesicht auf das Kissen. Wie wohl das kühle, glatte Linnen ihr tut! Sie hört eine einschmeichelnde, süße Melodie, — das ist der Anfang der Serenade — und hat ein heimliches, sonder bares Wohlgefühl — das sind Hans Kühnes Lippen auf ihrer Hand — und hört einen Namen nennen, — wie hieß er doch gleich? Andr« Villot wer ist das doch? Wer hat ihr von ihm gesagt? Und was? Und was? — Ta ist sie hinüber in Schlaf und Traum! — Neuntes Kapitel. - Solch' ein tückischer, trügerischer Frühling! Kommt von Süden heraufgeflogen und narrt die arme Erde! Lockt hellgrüne Grasspitzen hervor und winzige, klebrig feuchte, zuiammengerollte Blättchen, — hängt schaukelnde Weidenkätzchen an die Zweige und schickt ein Lüftchen, so weich und kosend, wie einer Mutter Lippen, die behutsam ihr schlafendes Kindchen küssen, fährt den Bäumen streichelnd über die Kronen, daß sie ein zartgrüner Hauch umfliegt, — und, was daS schlimmste, das süßeste ist: er spricht den Menschen von Hoffnung und Glück, von allen Freuden ihres Herzens, die sich erfüllen könnten, von aller Trübsal, die sich wandeln will: Seht, seht! Die alte Erde wird jung und neu! Für Euch auch ist er da, der seelenlösende Lenz! — Und nun ein Nordostwind, so hart und eisig, daß sich Blattknospen und Grashalme zitternd zusammenducken, daß dieWeidenkätzcl-en sich wiegen wie in wildem Tanz und die alten Baumwipsel ächzen! Der Wind wird zum Sturm, der bläst und bläst und kein Erbarmen kennt! Noch wehrt sich alles ganz verzweifelt, was da keimen und knospen will, — da jagen am Himmel grauschwarze Wolken ein- her, Verderben in ihrem Schoß, — und es schüttet ein Schneeschauer herab, ...» nicht etwa ein leichter, ver- gänglicher Aprilschauer nein, nadelscharf und grau ¬ sam, Stunden und Stunden andauernd. Wieder alles unter einem gleichmäßigen weißen Leichentuch begraben! Zu Ende mit der jungen Herrlichkeit! — — Annemarie Mentzel-Lombardi steht am Fenster ihres Erkers im Boudoir und sieht hinein in den stiebenden Schneefall und wundert sich gar nicht in ihrem Herzen, daß er da ist, und sagt sich: warum denn nicht? Er paßt zu mir und meiner Stimmung! Man hat Oswald seine Stellung bei der Scherwitz- Oper gekündigt, in schärfen, rücksichtslosen Worten; der Sache ein Mäntelchen umzuhängen, hat man nicht für gut befunden. Der artistische Leiter des Unternehmens und die Aktionäre wissen nichts von des Kapellmeisters reizender Frau, und wenn sie es täten, würde es auch nichts helfen! Sie würden die Achseln zucken und sagen: „Schade! Aber Geschäft ist Geschäft! Zu unseren: jungen Unternehmen gehört ein schneidiger Dirigent, der sich Mühe gibt, dein Publikum die Sache mundgerecht zu machen! Der Mensch war unlustig, — er war lässig, — er verstand seine Sache nicht oder wollte sie nicht ver stehen, — mit einem Wort, der Mensch taugte nichts!" — Man hatte einen Mißgriff gemacht, als man ihn engagierte, er hatte merkwürdigerweise einflußreiche Fürsprache gehabt, — aber, wenn man die bedenklich wankende Scherwitz-Opcr überhaupt noch halten wollte, dann muhte vor allem hier gründlich Wandel geschaffen werden, denn der Kapellmeister war der wundeste Punkt des ganzen Unternehmens daher schleunigst fort mit ihm! Es wird wohl selten oder nie einen Menschen geben, der sich, angesichts einer solchen Situation, sagt: „Ich habe meine Stellung schlecht ausgefüllt! Wenn man sie mir nimmt, so wird mir nur das, was ich verdiene!" (Fortsetzung folgt.)
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