02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040613022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904061302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904061302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-13
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem Redaktion-strich («gespalten) 7b H, nach den Familteunach. richten (6gespalten) LO Tabellarischer und Zifsernsatz entsprechend höher. — V-ebühren ftir Nachweisungen und Ofsertrnannahme 2d Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbefbrderuna 60.—, mit Postbefvrderung 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wocheiuag« ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von Volz tu Leipzig (Inh. Or. B„R-L W. Kltukhardt). Nr. 287. Montag den 13. Juni 1904. 88. Jahrgang. Var lvichtigrtr vom lag«. 'König Georg hat in vergangener Nacht mehrere Stunden geschlafen. Tie Besse- rungim Befinden des K ö n i g s h ä l t a n. (S. Sachs.) * In Elberfeld streiken seit gestern die An- gestellten der Schwebebahn. (S. Dtich. Reich.) * In Stockholm und 14 anderen schwedischen Städten fanden gestern Protest Versammlungen «egen die russische Politik in Finland statt. * Die Wahlkollcgien von Argentinien, die am 12. Juni in der Hauptstadt und den Provinzen versam melt waren, wählten Guintano zum Präsiden ten, Joss Figueroa al Corta zum Vice- Präsidenten. Die Wahlen verliefen in vollster Ruhe. Die Uebergabe der Amtsgeschäfte erfolgt am 12. Oktober d. I. Mirbach und stsübielrki. Herr von Mirbach ist Moltke sehr ähnlich. Er hat allen Anspruch auf das Prädikat: der große Schweiger. Herr von Mirbach ist allerdings Moltke auch sehr unähnlich, denn er hat keinen Anspruch auf das Prä- dikat: der große Stratege. Der Oberhofmeister scheint gar nicht zu bemerken, wie sehr er sich durch seine Schweigsamkeit schädigt. Er scheint gar nicht zu ahnen, wie inzwischen die Gerückte herumschwirren, wie das Mißtrauen gegen sein Gebühren sich immer mehr ver schärft und die Stimmung im Publikum sich immer mehr gegen ihn verbittert. Niemand tastet ja seine persönliche Ehrenhaftigkeit an und wenn Freiherr von Mirbach so fort offen erklärt hätte, er sei ein Opfer feiner Leicht gläubigkeit geworden, so würde die Angelegenheit wahr- sckeinlich einer sehr viel milderen Auffassung begegnet sein, als es jetzt der Fall ist. Selbst konservative Blätter fordern dringend Aufklärung, und die gesamte Berliner Presse ist darüber einig, daß man nicht eher ruhen darf, ehe nickt volle Klärung geschaffen ist. So geflist'entlick auch das Gericht den Standpunkt der Diskretion betont hat, so ist man doch allgemein davon überzeugt, daß die Vorladung des Oberhofmeisters trotz dem noch erfolgen wird. Für die Beurteilung der Schuld kann es ja auch unmöglich gleichgültig sein, ob die An geklagten, wie Geheimrat Budde behauptet, fast siebenmal- hunderttausend Mark zu Wohltätigkeitszwecken verun treut oder ob sie, wie sie selbst behaupten, nur fünfund zwanzigtausend Mark an Herrn von Mirbach gezahlt haben. Träfe diese letztere Behauptung zu, so wäre ja Herr von Mirbach vollständig entlastet, denn Spenden in dieser Höhe sind keine allzugroße Seltenheit. Anders liegt die Sache, wenn ihm Hunderttausende eingehändigt worden sind. Dann mutzte Herr von Mirbach stutzig werden. Wenn er es nicht geworden ist, so kann" ihm eben der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß er es nicht werden wollte. Wenn die Geheimniskrämerei kein Ende nimmt, so ist es die Pflicht der Abgeordneten, im Parlament über die Vorgänge zu interpellieren, die ein gemäßigtes Blatt wie die „Münch. N. Nachr." eine „über aus traurige und schmachvolle Geschichte" nennt. Vor allen Dingen wird dann auch festgestellt werden inüssen, welche Nolle denn eigentlich Herr von Pod- bielski gespielt hat. Hat Herr von Podbielski, als er von Geheimrat Budde die ungeheuerlichen Tatsachen er fuhr, die jetzt bekannt geworden sind, nicht das Bedürfnis empfunden, dem Reickskanzler oder Seiner Majestät selbst darüber Vortrag zu halten, wie es sowohl das private Interesse der allerhöchsten Herrschaften, als auch ein wichtiges Staatsinteresse gebot? Wenn dem Kaiser nickt einmal dergleichen Tinge mitgeteilt werden, für die kein Superlativ stark genug ist, dann muß man sich wirk lich fragen, was die Minister denn eigentlich dem Kaiser noch berichten. Die „Franks. Ztg." erinnert gerade jetzt an eine Tatsache, die da zeigt, wie die Angeklagten es ver standen haben, ihre hohen Gönnerschaften zu Reklame zwecken auszunutzen. Ein besonderes Reklamebüchlein mit dem Königlichen Wappen auf dem Titelblatt bediente sich des Hofbanktitels zur Cm- pfehlung der Pfandbriefe der Pommernbank, also gewisser maßen als einer Garantie für die Bonität dieser Pfand briefe, und diese Broschüre ging vornehmlich den evan- gelischen Kirchenvorständen zu, denen der Bedarf der Pfandbriefe für die Kirchengemeinden empfohlen wurde. Unter diesen Umständen ist der Kaiser nicht allein als Herrscher, sondern auch ganz persönlich an der Aufklärung der traurigen Angelegenheit interessiert und das scheint Exzellenz v. Podbielski sonderbarerweise nicht begriffen zu haben. vrr Humana Orr Herero. Vie Lage im Schutzgebiet. Die neueste Meldung des Gouverneurs Leutwein be stätigt, »ach der „Nordd. Allg. Ztg.", die jüngst ausge sprochene Vermutung, daß Oberleutnant v. Zülow sich bereits in der Nähe von Grootfontein befinde. Nachdem er am 25. Mai Naidaus erreicht hatte, langte er am 29. Mai in Otawi an und unternahm von dort aus die Aufklärung südwestwärts gegen Otjenga am Omuramba- Ondengaura, der nördlich vom Waterbergplateau dem Lmurambo-u-Omatako zufließt, mit dem er sich bei Koblenz vereinigt. Die Meldung, daß Oberleutnant Volkmann letztere Station wegen Wassermangels und Krankheit habe aufgeben müssen, erinnert daran, daß nun mehr für Südwestafrika die regenarme Zeit Herein gebrocken ist. Die Beobachtung des Flußgebietes wird mit Hülfe von Spionen durchgeführt. Die Meldungen, daß der Ovambohäuptling Nechale von Omandonga, der Bruder des Häuptlings Kambonde von Olukonda, mit den Herero in Verbindung stehe, er halten durch die neuesten Angaben Bestätigung. Bisher war nur bekannt, daß sein Vormann Jute den vom Unter offizier Großmann mit drei Mann besetzten Posten Namutoni an der Etoschapfanne am 28. Januar an gegriffen hat, worauf sich die Besatzung nach Grootfontein zurückzog. Nun erfährt man, daß Nechale die Station selbst, die 240 Kilometer nordwestlich von Grootfontein liegt, zerstört haben soll. Nach dem jetzigen Bericht wird es wahrscheinlich, daß auch er es war, der die drei Wagen mit Munition aus dem Ovamboland mit 00 Mann Bedeckung nach Waterberg geschafft hat, wie am 27. Mai gemeldet wurde. Nach einer Meldung des „Berl. Lok.-Anz." ist von der Hauptabteilung die 7. Kompagnie unter Hauptmann Brentano am 10. d. M. von Otjosasu nordwärts gegen Okatumba vorgesandt worden, während Hauptmann Puder mit der 5. Kompagnie am Morgen desselben Tages nach Otjikurko vorrückte, um die Weiterlegung des Feld telegraphen zu decken und Wasserstellen für die nach rückenden Abteilungen herzurichten. Gouverneur Leut wein beabsichtigte heute (11. d. M.) nach Okutomba vor zumarschieren, um gemeinsam mit Major v. Estorfs, der bekanntlich seit dem 8. d. M. bei oder vor Okosondusu steht, die Stellung der Herero am Omurambo-u-Omatako, in der Gegend zwischen Okahitua und dem südwestwärts davon gelegenen Okosongoho zu erkunden. vrr nirrirck-iapankcke Krieg, wo ist Skrydlsw? In Petersburg wurde neulich das Gerücht verbreitet, Admiral Skryvlow habe an den Zaren telegraphiert: „Bin in Port Arthur eingetroffen." So unwahrscheinlich, ja unmöglich — der russische Draht beginnt ;a erst wieder in Liaojung — die Nachricht ist, wurde sie doch geglaubt. DaS Eintreffen Skrydlows in Port Arthur «st doch nur nach einer siegreichen Seeschlacht des Wladiwostokgeschwaders mit der japanischen Flotte möglich. Nun wird behauptet, daß Skryvlow wenigstens den Versuch gemacht habe, sich mit dem Port Arthur-Geschwader zu ver einigen. London, 13. Juni. „Standard" meldet aus Petersburg vom 11. d. Mts.: Wie verlautet, ist hier ein Telegramm des Admirals Skrydlow eingegangen, nach welchem das Geschwader von Wladi wostok am 7. d. Mts. 30 Meilen von Port Arthur auf die japanische Flotte gestoßen sei, sich aber, da von Port Arthur keine Schiffe ausliefen, zurückgezogen habe und am 10. d. Mts. nach Wladiwostok zurückgekehrt sei. Diese Meldung klingt ja weniger unglaubhaft. Wundern muß man sich ja über die Untätigkeit der russischen Flotte in Wladiwostok. Schon nach Laienansicht müßte sie doch die Küstenstädte im Norden Japans beunruhigen können und die japanische Flotte dadurch nötigen ihre Streitkräfte zu zersplittern. Russische Ariegrgesangene iir Japan. London, 13. Juni. Den „Times" wird aus Tokio ge meldet: Die Zahl der in japanischen Hospitälern befindlichen russischen Gefangenen beläuft sich auf 546, einschließlich 19 Offizieren. Hiervon sind 386 verwundet, darunter 10 Offiziere. Line engllsche Hnndrtagrpost. * London, 12. Juni. „Daily Chronicle" erhält auS Tokio die abenteuerliche Meldung von einem Geheim vertrag zwischen Oesterreich und Rußland, der Oesterreich verpflichtet, wenn Port Arthur gefallen, seine Truppen an der galizischen Grenze zu verstärken zur Unter drückung von Ruhestörungen, die erwartet werden, wenn dir mobilisierten Truppen aus den anstoßenden russischen Bezirken nach Ostasien admarschiereu. poMircke Lagerzcka«. * Leipzig, IS. Juni. Beschlußunfähigkeit und Diäte». Im Reichstage geht es kläglich zu. Das Haus ist von Tag zu Tag beschlußunfähig. Nach 8 54, Ab satz 2 der Geschäftsordnung ist jeder einzelne Abgeordnete berechtigt, die Beschlußfähigkeit anzuzweifeln und den Namensaufruf herbeizuführen. Die Sozialdemokratie wäre also imstande, auf durchaus gesetzlichem Wege die Tätigkeit des Reichstages völlig lahm zu legen. Dieser unwürdige Zustand läßt immer wieder die Frage auf tauchen, warum die Diäten nicht bewilligt werden. Wir sind zwar keineswegs von der Wirksamkeit dieses oft an- empfohlenen Allheilmittels überzeugt, aber der Versuch könnte doch gemacht werden. Der Reichskanzler ist dafür. Der zweitgrößte Bundesstaat hat kürzlich das Gleiche er klärt. Warum wird also nicht der Versuch gemacht, eine regere Beteiligung der Abgeordneten durch Gewährung einer Entschädigung in dieser oder jener Form herbei zuführen? Es wird vielfach an das apokryphische Wort erinnert: „Den Kerls auch noch DiätenI", und es wäre in doppelter Hinsicht erfreulich, wenn die Regierung durch die Tat den Beweis führen könnte, daß dieses Wort, das ja nicht gerade dazu angetan ist, die Beziehung zwischen den verfassungsmäßig gleichberechtigten Faktoren freund- lich zu gestalten, nicht gesprochen worden ist. Herr Schönstedt. Der Justitzminister Schönstedt hat vor einigen Tagen im preußischen Abgeordnetenhause mit seiner Vorlage, betreffend die Dienstaufsicht bei den größeren Amtsgerichten eine Niederlage erlebt. Un gefähr in einer Viertelstunde verwarf das Abgeordneten- Haus zum Teil unter stürmischer Heiterkeit den ganzen Entwurf. Daraufhin fragen nun einzelne Zeitungen, ob die Sache Konsequenzen haben werde. Wir können mit größter Sicherheit antworten: Nicht die geringsten. Wenn ein Minister beim Abgeordnetenhause kein Glück hat, so spricht das in den Augen der maßgebenden Kreise durchaus nicht gegen seine Befähigung, es spricht nur für die Böswilligkeit der Volksboten. Herr Schönstedt wird völlig unbeirrt weiterregieren, bis ihm das gliederlösende Greisenalter den Rücktritt notwendig erscheinen lassen wird. Die „Kreuzzeitung" und die „Post" freuen sich außerordentlich darüber. Ta aber die Verdienste des Justizministers doch augenscheinlich nicht auf dem Ge biete der Gesetzgebung liegen — denn hier ist er ja nur von Niederlage zu Niederlage geschritten —, so muß es doch wohl seine innere, administrative Tätigkeit sein, die die konservativen Blätter so entzückt. „Das läßt tief blicken"^ sagt Sabor. Folgen des Parteihaders in Oesterreich-Ungarn. Für allzu hitzige Parteimänner ist es außerordentlich ratsam, von Zeit zu Zeit nach Oesterreich-Ungarn hin über zu blicken. Dort haben die Delegationen der Re- qierung soeben vierhundert Millionen, für Heer und Flotte bewilligt. Nicht etwa nach stürmischen Kämpfen, sondern mit größter Gemütsruhe; nicht etwa so, daß die Regierung sich zu erheblichen Gegenleistungen verpflich- Feuilleton. Tamms Garten. 24j Roman von Wilhelm Jensen. Nachdruck verboten. Das batte der Mister Martin Tamm vor sich in die Luft htneingesprochen, kehrte jetzt mit den Augen zu Dieter zurück und sagte: „Tamms Garten heitzt's noch hier, sagst du, und dir ist er 'ne Heimat gewesen. Dann hat's zu was genutzt, daß ich ihn gepflanzt Habe. So alt wie du, oder ein paar Jahr' mehr. Ich halt' eine Braut, für die macht' ich aus dem Feld den Garten. Für sie und mich, im Sommer drin zu sitzen. Das dünkte mich ein großes Glück für unser Leben lang. Unten in der Stadt liegt ein Hans mit der Glücksgöttin über der Tür. Das kaufte ich uns, für sie und mich, drin wollten wir im Winter wohnen. Wir zogen aber nicht hinein, denn meine Braut zog vorher weg, mit einem andern zusammen. Ter gefiel ihr wohl bester, oder sie meinte, er hätte mehr als ich, ich weiß nicht. Daran tat sie denn klug, aber mich machte es dumm, denn ich kaufte mir so ein Ding, wie du. Gebraucht hab' ich'S aber nicht, sonst faß' ich heute nicht hier. Bloß eine Katze habe ich da mit umgebracht, die auf einen Vogel lauerte. Drüben überm großen Master, hört' ich, schössen und schlügen sie aufeinander. DaS bracht' mich drauf, ich könnte mir da den Schuß holen, den ich für nötig hielt. Mir kam wo von Feigheit im Weglaufen vor, auf das Ding losgehn schien mir anstündiger. Darum fuhr ich über das Master und ging drauf loS, gegen die Engländer, Jahre lang. Aber das Blei war für mich noch nicht gegossen, pfiff mir nur um den Kopf und die Dummheit aus thm her aus. So nach und nach, bis nichts mehr von ihr übrig war. Bon meinem väterlichen Geld hier hott' ich nichts mitgenommen. Mir war'S so gewesen, als klebte was dran, Schmutz und Unsegcn, ich wollt' nichts mehr davon. Das war auch dumm und damit kam ich auch zur Ver nunft auf der anderen Wasterseite. Ließ das Haus mit der Glücksgöttin verkaufen und mir znschicken, was mir gehörte. Drüben nannten sie's nicht viel, aber weil die Dummheit vorbei war, konnte viel draus werden. Ist auch geworden, wozu weiß ich nicht. Den Garten verkauft' ich nicht, wollt' ihn behalten. Nicht, um im Sommer in ihm zu sitzen, aber wenn ich zurückdächt', sollt' er noch so auf der Erde da sein, als ob ich drin säße. Er sollt' auswachsen, schrieb ich, wie er's vorhätte, zugeschlosscn, keinem zu Nutz und keinem zur Freud'. Verstand hatte das nicht, aber auch wenn man klug ge worden ist, bleibt im Kopf eine Stelle, wo der Beistand nicht hinkommt. Im Kops oder anderSwo. Ich bin auf der andern Wasterseite manchmal hier im Garten herumgegangen und hab' ihn mir angesehn. Mit der Hecke herum sieht er aus wie ein Platz, auf dem etwas begraben liegt. Solchen Platz muß keine Hand an- rühren, die Bäume und Sträucher müssen auf ihm wachsen, wie sie's wollen. Er ist, wie ich ihn mir vor gestellt habe, sechzig Jahre lang oder mehr. Morgen will ich wieder übers Master hinüber, da weiß ich dann, daß er so ist. Noch ein Jahr oder ein paar, so lang' es fortgeht und bis daS Wissen ausgeht. Aber daß er doch einem zu Freud' und Nutz geworden ist, hab' ich nicht gewußt, erst eben von dir gehört. Was man vor hat, weiß man, aber was man damit tut, weiß man nicht." Martin Tamm hielt inne; in einem Gegensatz zu seiner vorherigen Weife hatte er gesprochen, ohne eng lische Worte einzumischen, als ob diese ihm bei der Mit teilung seiner Jugendvergangenheit aus dem Kopf und von der Zunge weggolöscht worden seien. Dieter Lin denholz aber hatte, in seiner «Lage auf Len Knien ver harrend, ohne eine Regung zugehört, nur mit groß staunenden Augen, wie in einem Traum, zum Gesicht des Sprechers aufgeblickt. Der hob nach einem kurzen Schweigen wieder an: „Daß meine Braut mich noch zu rechter Zeit betrog, war ein Glück für mich, ress, blisskul. Denn sonst hält' ich sie geheiratet und mir mein Leben damit verdorben; qvits anä elsau. Do war'S nicht verdorben; VQ tsts ooutrarr. No. Ich hab' eine sehr gute Frau gehabt und sehr gute Kinder; » sov avä a äaugktsr. Viele Jahre, aber meine waren zu lang. Die haben sie nicht abgewartet, ar« goa« svsr. ?vss, sUtogetber. Wobm sie gegangen find, weiß ich nicht, weiß keiner. Die sagen, daß sie's wissen, tk« preseöers, misten'- auch nicht, gar nichts, votlüug. Ich weiß nur, daß sie nicht mehr da sind. Ich halt' gedacht, einer würd' da sein, io sllut w« tlls er«. Aber es ist keiner mehr da. No ovs." Ein paar Augenblicke schwieg derlllber Achtzigjährige and sah betrachiend aus daS junge Menschengesicht vor seinen Knien hinunter, dann fuhr er fort zu sprechen: „Du heißt Dieter Lindenholz und bist in Tamms Garten ausgewachsen, lltcs a livcievtros. Und du wollt'st dich hier mit dem Ding umbringen, wako vllikk anci past. Aber du bist noch lebendig, weil ich grad' in Tamms Garten saß. Br otranoe. No, it seows c>r provickenos. Du hast ein gutes Gesicht; Ich hab' dich verstanden, du wollt'st es wegen der Frauenzimmer. Wegen des einen und -es andern. Ohne das letzte wärst du vielleicht noch bei Verstand geblieben, but tlle rost was oontowpt ok seit. Das weist dein Gewissen in orckor, aber ich hab' Ver stand für dich. Darum schießt man sich nicht tot, nicht wegen der einen und nicht wegen der andern. Tors rnakss ivsanit^. Was einer in Irrsinnigkeit tut, kann er bei Vernunft wieder gut machen. Kür sich selbst; andere geht's überhaupt nicht an. No, vobock^. Du hast noch lange Zeit dazu Vor dir; ich habe wenig Zeit mehr. V7iU 50U sllut me tlls e^es? Drüben überm Wasser, wenn ich'S selbst nicht mehr kann; st ttw last. Was du aus dir machen willst, gehst -ich an, mich nicht; votkivg at all. Du wirst was Gutes aus dir machen; Geld tut's nicht, aber hilft dazu bet. Llelp ^ourselk anck wove^ will Help z^ou. Wenn dem Menschen die Augen zugemacht sind, ist'S ihm nichts mehr nutz. Aber deine bleiben dann noch eine gute Zeit offen, und so bleibt's auch noch weiter zu nutz. Ich bin merodavt, ein Mann, welcher kauft, um Vorteil zu haben. Du weißt von Tamms Garten und kannst mir von ihm erzählen; tiuct's tlls prokit. Noch 'mal davon au hören, zuletzt, wenn'S dämmert, vo ^ou Illre Io uullcv ins busiuoss, Dieter Oiucksvwoock, so steh' auf und ooma on! Dann woll'n wir morgen zusammen über'- Master. Hier haben wir nichts mehr zu tun. Ich nicht und du nicht; votsting wore." Oft hatte sich in letzter Zeit eine Betäubung um die Sinne Dieters gelegt, und so war'S ihm auch jetzt geschehen. Doch von anderer Art, kein kreisender Schwindel mit wildem, bewußtlos machendem Rasen deS Herzschlag-, über den eine tiefe, allen Sturm beschwichtendc Ruhe gekommen. Wohl vermochte er kaum etwas zu denken, zu begreifen, aber ein wundersame» Gefühl durchdrang ihn, baß er lebte, noch leben sollte. Stumm faßte er nach -er ihm htngestreckten alten Hand, einer knochig-mageren, fast als sei cS die -es Todes, und die doch ihn von der Todes- schwelle zurückgezogen. Nun richtete sie ihn vom Boden auf, und zugleich kam ein Ton durch die Stille; vom Turm der Stadt schlug die Mittagstunde, hell vernehmbar klangen die Schläge durch die Sonnenluft herüber. Auch der Mister Martin Tamm, Squire, aus Boston, horchte drauf hin und sagte, als der letzte versummt war: „iDaS tst noch die alte Glocke, sie hat mich oft in die Schule gerufen. Die erste, danach kam die andere, tüe sehool ok Üks. Die Menschen gehen weg, aber die Zeit bleibt, ^sss, rswaivs; ever rüe 8LW6." Er holte aus der Westentasche eine dicke Uhr in gewaltig- großem alten Silbevgehäuse und setzte draufblicken- hinzu: „'Sie gehen miteinander, haben beide Mttagzeit, time at ckivver. Wir woll'n auch miteinander in die Speisewirt schaft gehen, Dieter Lindenholz; tttat's regulär. Ordnung ist das Beste; so lange der Mensch lebt, muß er essen. Olo o-vl" An der Hand zog er den willenlos Folge Leistenden die Stufen hinunter, doch hielt er vor ihnen noch einmal an und sah nach -er Sonnenuhr und ihrer Umschrift an dem Giebelstück des kleinen Tempels hinaus. Unter einem Kopfnicken kam ihm vom Mund: ,,^sss, is hrokov, aber die Sonne ist noch ebenso da. Ich schrieb her, sie sollten'- um die Uhr schreiben. Imoic is tsts tstresttolck ok äisaster. Vsss. No. Das meint man, wenn man jung ist. Unglück ist die Schwelle zum wachen Leben. Vorher ist'- bloß ein Traum, a koolisst ciream. Laß daS Dina da auf dem Stein liegen. Ooms on!" Sie gingen über den verschneiten Boden der Garten pforte zu, die heute unverschlossen war. An ihr blieb Martin Tamm nochmals ein paar Augenblicke stehen und sagte: „Stehlen ist schlimm. Aber ich hatt'S nicht nötig, das war der Unterschied. Oors is insavitzr. Ickten tiiuosr woll'n wir zu deinem Vormund gehn und ihm das Geld wiedergeben. Danach woll'n wir zu deiner Mutter gehn; tüv wottisr eovtiuues to ds tste motker. s^oss. ES ist Zeit, daß du zu Tisch kommst. It soew«, zwu aro kseble " Das traf zu, denn Dieter vermochte sich kaum selb- stän>dig aus den Küßen zu halten. Sein Begleiter faßte ihn bei den letzten Worten unterm Arm, und das Höchste Alter führte stützend die Jugend zum letzten Mal durch die Pforte aus Tamms Garten Hinaus. Ueber dem lag ein SpätHcrbsttag mit winterlichem Schnee, noch kein wirklicher Frühling; aber an -en entblätterten Zweigen beuteten leise Ansätze, daß sie nur schlummerten, die Lebenskraft in ihnen nicht erstorben sei, sondern die Fähigkeit bewahrt Habe, beim Aufwachen auS Heimlichen Knospen neues Werden hervorzutreiben. (Ende.)
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