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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040628020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-28
- Monat1904-06
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Anzeigen-Preis die 6gespc>ltene Petirzeile 25 Reklamen unter dem Nedaktionsstrich (4 gespulten) 7b iL, nach den Ftmiliennach- richten (ßgrsvalten) 50 Tabellarischer und ZysrnNatz entsprechend hoher. — l/>ebührr» für Nachweisungen und Lfsertenannahine 25 -<L- stzstra-Betlage« gefalzt', nur mit der Murgen-AuSgabe, ahne Postbeförderung M-—, mit Pvstbeförderung 70.—. Nnnahmefchltttz ,ur Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochrniug» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. l>r. B., N. L W. Lltakhardt). Nr. 325. Dienstag den 28. Juni 1904. S8. Jahrgang. Var lvicdtigrle vom Lage. * In Kiel fand gestern abend zu Ehren der britischen Seeleute ein Gartenfest statt, an dem etwa 1500 deutsche und englische Macinesoldaten, sowie zahlreiche Offiziere teilnahmen. Prinz Hein rich brachte ein Hoch auf die englische Marine aus. (S. Artikel König Eduard in Kiel.) * Der Kaiser sandte an den deutschen K ü n st- lerverein in Rom ein Tankielegramm als Antwort auf die Huldigung anläßlich der Enthüllung des Goethe- Denkmals. (S. Deutsches Reich.) * Die Freiherr« AlphonS, Gustav und Edmund v. Rothschild haben dem Handelsminister mitgcteilt, -aß sie beabsichtigen, 10 Millionen Fr es. zur Schaffung billiger Wohnungen und zur Ver besserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter zu spenden. * In K i e w sind in den lebten Tagen 200 Sozial demokraten verhaftet worden: eS wurden viele Haussuchungen vorgenommen: hierbei wurde eine Gc- Heimdruckerei ausgehoben. * In einer Fabrik von Feucrwcrks- k ö r p e r n zu P b i l a d e l p h i a ereignete sich eine E r - plosion, die eine Feuersbrunst herbeiführtc. Dabei sind viele in der Fabrik Beschäftigte uingckoinmen. Von 22 Arbeiterinnen werden zwanzig vermißt: auch Feuerwehrleute wurden verlebt. ' Marschall OYama und Generalmajor K o d a in a werden sich am 6. Juli nach der Mantschurci be geben. Vie Lage in Ziichvertattllra. Unser ständiger Herr Mitarbeiter schreibt: Swakopmund, 2. Juni. Zur Zeit steht hier alles im Zeichen des Krieges, fünf Dampfer auf der Reede, mit Soldaten, Munition, Pferden, Maultieren und Lebensmitteln be laden: auf der Mole, die entgegen allen anders lauten- den Berichten in deutschen Zeitungen gut funktio niert, im Zollhofc, an Land fieberhaft arbeitende Menschen: Eisenbahnzüge auf allen Schienensträngen, die den Platz durchqueren, um die entlöschten Güter zum Bahnhofe zu bringen, von wo aus Tag und Nacht große Trains ins Innere abgeschoben werden, nach Karibik und Okahandfa, dem augenblicklichen Sammel plätze der Erpeditionstruppen und Standquartier des Truppenkommandos unter Oberst Leutwein. Alles liegt in militärischen Händen, so auch die Bahn, ein Haupt mann hat augenblicklich deren Oberleitung und bemüht sich nach Kräften, den an ibn herantretenden An forderungen gerecht zu werden — und das ist sehr schwer. Für Kaufleute und Private stehen nur ganz w e n i g e L o w r i es zur Verfügung, alles absorbiert die Truppe. Dadurch ist im Innern natürlich peinlicher Mangel an Le bens Mitteln eingetreten und wo Not an Mann, hilft die Truppe mit Proviant ufw. aus. Mit banger Sorge sieht man der Zukunft entgegen: denn eine derartig große Truppe, die nach Eintreffen der noch zu erwartenden Transporte nahezu 7000 Köpfe betragen dürfte, zu ernähren, ist bei den hiesigen schwierigen Ver hältnissen eine außerordentlich schwere Ausgabe. Dazu sind Wagen und Bespannung kaum erhältlich, was vor handen war, ist in den bisherigen Kriegswochen arg mit genommen und erschöpft. Die Anstrengungen waren aber auch ungeheuer und werden ungeheuer bleiben, da die Herero sich völlig bewußt sind, daß es für sie keinen Pardon, keine Gnade geben kann und nun mit einer Hart näckigkeit und Ausdauer kämpfen, die niemand ihnen zu getraut hätte. Tic Grausamkeit, mit der sie die ahnungs losen Farmer im Felde ermordeten, die Schändlichkeit, die wiederzugeben die Zunge und Feder sich sträubt, die sic an Frauen, Kindern, ia an den Leichen ihrer Opfer ver übten, der Vandalismus, mit dem sie alles in blinder Wut in Atome zerschlugen, was ihnen in die Hände fiel, alles deutet darauf hin, daß von vornherein bei ihnen fest stand, die Deutschen und das Deutschtum mit Stumpf und Stiel ausrotten. Seit langer Zeit, so kommt es von eingeborenen Zeugen heraus, hätte der Plan zum Auf stande schon bestanden: so ungeheuerlich es auch klingen mag: für jeden einzelnen deutschen Farmer sei bereits die Mördcrschar bezeichnet gewesen, die an einem gegebenen Tage loszuschlagen hätte! Und alles wurde in größter Stille beschlossen, kein Mensch hatte eine Ahnung! Waffen und Munition sollen die Herero noch genügend haben, vor einigen Tagen gelang es glücklicherweise, einen großen Transport von drei Wagen mit Munition, vom Ovambolande Herkommen-, ihnen vor der Nase wcgzunehmen : Kost und Wasser finden sie einstweilen auch noch im Felde, ebenso haben sic bei ihren ziemlich zahlreichen Herden auch noch keüien Fleisch mangel, dafür aber herrschen nach glaubwürdigen Ge rüchten Typhus und Malaria unter ihnen in hef tiger Weise, auch sollen ihre Ochsen anPest viele Opfer haben. Tie Aussicht, den Aufstand bald bezwingen zu können, ist in unterrichteten Kreisen als optimistisch bezeichnet worden, die Kampflust der Feinde, die des öfteren aus der sonst üblichen Defensive zur Offensive übergegangen sind, ist eher gewachsen, denn ge sunken. Allerdings wird schließlich unserer Truppe, deren artilleristischer Ausrüstung und Fcuerdisziplin der Feind nicht gewachsen ist, doch den Sieg davontragen, aber Opfer wird es auch noch genug kosten, darüber ist sich jeder klar. vrr rurrlrch-iapanftcke Krieg. Bericht -e» Statthalter» Alerejerv Wie ein Telegramm des Statthalters Alexejew an den Kaiser meldet, gingen nach den Berichten der Kontreadmirale Witthoeft vom 20. und Gri ll o r ow i ts ch voin 23. dem Auslaufen des Geschwaders langwierige, schwere Arbeiten zwecks Vernichtung der feindlichen Minen voraus. An diesen Arbeiten nahmen alle Schiffe Hafenkutter und alle Dampfer der Bagger- karawane teil. In der Nacht auf den 23. fand vor P o r t A rthu r ein Kamps zwischen russischen und japanischen Torpedobooten statt. Alls russischer Leite wurde ein Kapitän und ein Leutnant leicht verwundet. Um 2 Uhr nachmittags lief das russische Geschwader aus. Zur selben Zeit waren am Horizonte 11 japanische Schiffe und 22 Torpedoboote zu sehen. Meldung de» General» Ssacharow Nach einem Telegramm des Generals Ssacharow an den Geueralstab rückten japanische Truppeuabteilungen am 25. auf dem nördlichen, aus Ssiujau nach Kaitschou führenden Wege von Tauntu u nach Pandsiabei und weiter zum Uaidalinpaß vor. Alls der großen Straße nach Liaujang marschierte ein Bataillon, ostwärts da- von im Tale des Tsaohe zwei Eskadrons und ein Regi ment Infanterie und im Westen in den Bergen em Bataillon und zwei Eskadrons. Ter Vormarsch des Gegners auf der großen Straße nach Liaujang wurde an fangs von zwei Kompagnien Schützen ausgehalten, die sich langsam nach Norden zurückzogen. Hierauf erhielten sic noch zwei Komvagnien zur Unterstützung. Um 2V2 Uhr nachmittags besetzte der Feind Tuinp u, und die russi- schen Schützen zogen sich gegen Abend nach Pschaebegon, 35 Werst nördlich von Ssclutscban, zurück. Auf russischer Seite wurden eiu Oberleutnant und sünf Schützen ver wundet. An demselben Tage bedrängte eine japanische Abteilung bei Tafangou zwei.Kompagnien Schützen. Diese zogen sich langsa m z u r ü ck. Ein Hauptmann wurde verwundet. Als der Verwundete am einer Bahre weg getragen wurde, feuerten die Japaner auf die Träger, von denen drei verwundet wurden. Tic Verwundeten blieben in den Händen des Gegners. Ferner wurden auf russischer Seite zwei Schützen getötet, sowie ein Leutnant und dreizehn Schützen verwundet. — An, 26. ging der Gegner auf der von Liaujang nach Haitscheng sührenden Straße vor. ebenso aus der großen Straße von Tuinpu nach Pschagcgou. Auf der Straße nach Liaujang wurde das Porrücken von nickt weniger als einem Re giment Infanterie mit Artillerie bemerkt Scharmützel. General Ssacharow meldet weiter: Eine von einer russischen Abteilung am 22. ausgeführte Rekognos zierung der japanischen Ltrcitkrüfte bei Aiania- myn ergab folgendes: Vormittag 10'/» Uhr verdrängte die russische Kavallcrievorhut den Gegner aus den Laus gräben der vordersten Stellung. Nachmittag 1 Uhr 40 Minuten nahmen vier russische Gebirgsgcschütze gegen- über dem reckten Flügel des Gegners Stellung. Diese Geschütze unterhielten ein äußerst wirkungsvolles Feuer auf die zurückzieheuden Schützenketten und die zusammen geschlossenen Truppenteile der Japaner, die ein außer ordentlich starkes, aber fast ergebnisloses Gewehrfeuer entwickelten. Die inzwischen ausgerückte russische Infan terie wurde nun folgendermaßen verwandt. Vier Koni- pagnien wurden gegen den rechten Flügel der feindlichen Stellung vorgeschickt und eine Kompagnie zur Sicherung des rechten russischen Flügels ausgesandt, gegen den zwei japanische Kompagnien vorrückten. Unter dein Andrang der russischen Abteilung zog sich der Feind 3—4 Werst zu ¬ rück, indem ec die Laufgräben räumte. Nachmittags 4 Uhr wurde eine berittene Kosakenbatterie, als sie sich der Hauptstelluug des Feindes näherte, dem vereinigten Feuer von 1k Gebirgsgeschiitzen ausgesetzt. Sie verlor in wenigen Minuten: 8 Kosaken tot und 20 verwundet. Beide Kompagnien fnbren fort, den Gegner zu bedrängen und auf der Hauptstellung wurde in den Laufgräben zahlreiche lapanifche Infanterie bemerkt, etwa dre. Regi denter stark. Als der Abteilungschef die Stärke des Gegners festgestellt hatte, beschloß er, den Angriff einzu stellen und befahl der Gcbirgsbattcrie, die Stellung nicht zu wechfeln, um sie nicht vergeblichen Verlusten auszu- setzen. Da die russische Artillerie das Feuer eingestellt hatte, ging der- Gegner nachmittags 6 Uhr auf dem rechten Flügel mit einein Bataillon zum Angriff vor. Die beiden russischen Schützenkompagnien und eine abgesessene Sotnie Kosaken unter dem Kommando des StabsrittmeisterS Soedcrbcrg schlug den Feind durch Salven in völlige Flucht. Tas Bataillon erlitt bedeutende Verluste. Ta nicht nur das Erscheinen der Bedienungsmannschaft, son dern sogar einzelner Leute auf der Stellung der russischen Batterie ein Salvenfeuer der feindlichen Artillerie hervor rief, zog der Abteilungschef den Kampf bis zum Anbruch der Dunkelheit hin, unter deren Schutze die russischen Ge schütze fortgeschafft wurden. Ein bereits nach Anbruch der Dunkelheit ausgeführter vorsichtiger Angriff der In fanterie des Gegners wurde durch das Feuer drr russischen Schützen aufgehalten. Der Kampf war abends 9 Uhr be endet. Auf russischer Seite wurden 7 Offiziere leicht ver- wundet, 26 Manu getötet, 53 verwundet, darunter sieben schwer. Die Verluste des Gegners sind be» deutend. , DrachenbaUsn» auf -cin Aricgrschaaplatze. Tie Frage der Verwendung von „Drachen" (kleinen Fesselballons) im Kriegswesen wird neuerdings lebhaft erörtert. Kapitän Schmidt behauptet, sie könnten zahl reiche wertvolle Dienste leisten. Die Javaner verwenden sie sckon seit langem: während des Krieges mit China setzten sie in die Gondel einen Mann, der die belagerten Städte zu beobachten hatte. Zweisellos bedienen sich die Japaner auch jetzt solcher Ballons. Tie japanische Zensur har es der Presse verboten, zu verraten, daß die Japaner in dem Kampfe bei Kalieutle mittels „Trachen" über die Stellung der Russen unterrichtet wurden, was ihnen jene sonst unerklärliche Zielsicherheit im Schießen ermöglichte, duick welche die russischen Batterien weggefegt wurden. Kapitän Schmidt teilte einem Korrespondenten mit, Ad miral Makarow habe einen Spezialisten in Sachen des Trackenballons, Leutnant Schreiber, herangezogen, der nut einem großen Material ausgerüstet anlangte und in Port Arthur große Dienste leistete. Wie man berichtet, wird die aerostatische Abteilung in Warschau zahlreiche Trachenballons nach dem Kriegsschauplätze entsenden. Shinrsse. In jedem Kriege taucht früher oder später mit großer Regelmäßigkeit auf der einen oder anderen Seite die Be hauptung auf, der Gegner bediene sich völkerrechts widriger Kampfmittel. So werfen die Russen den Ja panern vor, sie gebrauchten in ihren Granaten ein un- erlaubtes Sprengmittel. „S h i m 0 s e" heißt es, und ein japanischer Professor dieses Namens ist sein Erfinder. Tie Brisanz des neuen Sprengstoffes wird als eine ganz gewaltige bezeichnet. Nicht nur, daß eine Handvoll der, wie es beißt, für den Verwender ungefährlicher« Masse 3,8 Meter Eisen durchschlagen soll: mit ihr gefüllte Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verbot«». Als ich Tich nach so langer Trennung wieder sah, da bohrte sich mir der Stackel nur noch tiefer in die Seele . . . es waren die Augen Deiner Mutter, ihr Lächeln, die Farbe ihrer Haare, jeder Zug, jede Bewegung die ihre. Das ist die Ursache meines Verhaltens gegen Dich. Jedes Opfer war ich bereit, Dir zu bringen, jedes Erdenk liche an Geld und Gut, in lleberfluß solltest Du leben, so weit es Dein Herz begehrte, das war meine Entschädigung an Dich ... in Deiner Nähe leben konnte ich nicht. Du hast weder mich noch meine Liebe entbehrt: in dem Egoismus Deines Lebensbegehrcns warst Tu Dir selber genug. Gottlob, daß es so ist! Es wäre sonst ein Scknnerz mehr in meiner Todesstunde. Aber siehst Tu, mein Sohn! Ter Mensch muß etwas haben, wofür er lebt, irgend etwas, woran sein Herz sich klammert, mag es noch so geringfügig, so elend und jämmerlich sein! Hat er für nichts mehr zu leben, dann . . . strebt er etwas zu vergessen. — Gelingt dies nicht durch einen höheren Zweck, durch Arbeit, io greift man zu einem niedriger», aber unfehlbaren Mittel — zum Trinken. . . . Und auch da gibt's noch Grade von oben nach unten.... Bei mir waren es auch erst die edlen Weine, in denen ich Vergessenheit suchte, dann kam der wohlfeilere Trostspender, der Branntwein, an die Reihe, der Geist und Seele leer brennt, die letzte Zuflucht des Verlorenen. . . . Und mich ekelt, mir graut es, ich kann und will nicht mehr! — Leb' wohl, mein Sobn Bethlcn! Wenn Tu kannst, vergib Tcinem unglücklichen Pater." V. Das Begräbnis war vorüber. Es hatte sich größer und feierlicher gestaltet, als es der Sohn nach den vor- hcrgegangenen Ereignissen gedacht hatte. Tas ganze Städtchen, der Pfarrer und die Hono ratioren an der Spitze, beteiligte sich daran. Tie Leute erinnerten sich plötzlich, wer Viktor Lavadi gewesen war. Sein trauriger Tod hatte seine lichtvolle Vergangen heit aufleben lassen. . . Dem Strome gleichend in seiner Ebbe und Flut, dem so grausamen Zurücktrctcn und Bloßlegen — und dem überschäumenden Geben . . . sühlten dieselben Menschen, die noch vor kurzem den Unglücklichen verhöhnt und verspottet hatten, plötzlich das überschwenglichste Mitgefühl. Der alte Kammerdiener empfand es als eine große Genugtuung, daß fein armer Herr wenigstens in Ehren zu Grabe gekommen war. Mit Selbstmördern pflegte man sonst anders umzugehcn. Selbst Pfarrer Pctrov, der nicht zu den Strengen und Harten gehörte, verstand in diesem Punkte keinen Spaß. Wie war eS aber auch seiuem armen, unglücklichen Herrn gegenüber anders möglich gewesen! .... Er sprach es vor dem jungen Grafen au-, als dieser am Abend in dem vereinsamten Zimmer saß, uni ihn zu trösten, wie es ihn selber getröstet hatte. „Und daß auch sie, die Gnädige aus Schloß Torma, mit auf dem Friedhof war, das hat mich am meisten ge freut", fügte Ianzsi zum Schluffe hinzu. Bethlen fuhr ans seinem trüben Sinnen auf. „Wer, sagst du war noch dort?" „Die gnädige Frau von Torma. Sie hat ein paar Handvoll Erde nachgeworfen und ist dann wieder ge gangen." Ter junge Osftzicr hatte keine Ahnung daß die Fran in dieser Gegend wohnte, -aß sie überhaupt noch lebte. Er hatte noch keinen Augenblick an die verlassene Frau lenes unseligen Mannes gedacht. „Sie wobnt also noch hier?" fragte er, von plötzlichem Interesse erfaßt. Ianzsi bejahte. Sie sei sehr reich und in der ganzen Gegend sehr angesehen und beliebt. Bethlen fragte, ob Krau pon Torma Kinder habe. Eigene nicht, zwei angenommene. Der junge Andreas sei im Priesterfemmar, das Fräulein Marischka lebe im Schlosset »Ist Frau Torma mit meinem Pater znsammenge- komnien?" fragte Bethlen nach einem Schweigen. „In den drei Jahren, die wir hier wieder wohnen, nur zweimal", berichtete Ianzsi. „Mein armer Herr ist niemals nach Schloß Torma gegangen: er hat's immer iin »veilen Bogen umschritten, aber die Gnädige war hier bei uns. Und dann erzählte er mit gedrückter Stimme weiter: In der ersten Zeit wär's gewesen, und die Baronin hätte ihn eines Tages in einem seiner schlimmen Zustände auf der Straße gesunden, umstanden und ver höhnt von den Leuten, da habe sie ihn in ihrem Wagen nach Hause gebracht. Und ein paar Tage später sei sie wiedcrgekommeu und habe eine lange Unterredung mit dem Grafen gehabt. „WaS es war, konnte ich mir denken. Und mein armer Herr hat's mir ja angedentct. „Zu spät, Ianzsi", hat er gesagt, „ein paar Jabre früher, und es wär' vielleicht noch gegangen. ... Sie hat Knrage, mehr als ein Mann . . . und hat sich darüber gestellt . . . Vielleicht hätte ich mich vor ihr geschämt.... jetzt ist es zu spät!" — „Und ein paar Tage später kam er wieder auf die Sache zurück. „Ianzsi, wenn ich noch einmal so vor dieser Frau stehen müßte . . . dann . . . dann wird ein Ende ge macht." - Was er damit meinte, wußte ich nur zu gut, und so bin ich zn Frau von Torma gegangen nnd hab' sie gebeten, von jede««« weiteren Versnch abznstehcn, da sonst ein großes Unglück geschehen könnt'. Sie sind nicht wieder znsammengekvmmen, aber das Unglück ist doch nicht ansgcblieben", schloß der alte Mann mit einem Seufzer. So gut es ging, richtete fick Bethlen Lavadi in dem Zimmer, das sein Vater bewohnt hatte, ein, nur den Schreibtisch und das Bild des Paters ließ er nach unten bringen: so sebr er auch an Komfort nnd Luxus gewöhnt war, das jinnner seiner Mutter zu bewohnen, wäre ihm unmöglich gewesen. Was er anfangen, wie sich von nun an sein Leben gestalten würde, wußte er nicht. Ans dem Briefe des Vaters nnd noch andern vorgefundenen Schriftstücken hatte er gesehen, daß von dem ehemaligen so reichen Besitz fast nichts mehr übrig geblieben war. Die Güter im Banat waren längst schon verkauft und verbraucht, von dem verwahrlosten Herrensitz hier waren die ansge- debnten Waldungen nnd Felder teils verkauft, teils ver pfändet, ans dem Innern des Schlosses alles Wertvolle veräußert. An Bargeld war nichts vorhanden: nur für den alten Ianzsi lagen 8000 Gulden gesichert in der Sparkasse der Komitatsstadt. Bethlen war sich nun über eines klar: unter den ver änderten Verhältnissen war sein Bleiben in -er Armee unmöglich. Ter flotteste und eleganteste Offizier der Hauptstadt konnte nicht plötzlich der Letzte, der Ae..nsten einer werden Dann lieber gleich eine Kugel durch den Kopf! Und er dachte, ob dies überhaupt nicht die beste Lösung des Knotens sei? - Vater nnd Mutter waren entgleist, der eine in seinem Vertrauen nnd Glück, die andere in ihrer Ebre und Pflicht War es nicht besser, in jungen Jahren ein Ende zu machen, al? das Häßliche, das Wider wärtige des Lebens an sich berantreten zu lassen und erst zu der befreienden Kugel zn greifen, wenn man gebrochen und zertreten im Staub an« Wege lag?! .... Tag für Tag saß er in dem vereinsamten Zimmer nnd sah durch die gardinenlosen Fenster auf den schmutzigen
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