Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190406053
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-05
- Monat1904-06
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1904
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
lichkeit, die nach der Verlängerung der Kommunikations linien noch größer werden kann, hat die Japaner in die Not wendigkeit versetzt, diese- Gebiet von unserer Kavallerie zu säubern." Deutsches Keich. * Vertin, 4. Juni. * v»» »rutsch-belgischen Handelsvertrag will es nicht still werden. Gegenüber der belgischen Melkung von Schwierig keiten bei den Verhandlungen schreibt die „Nat.-Ztg.": Die Brüsseler Meldung, nach der die Verhandlungen über den Handelsvertrag zwischen Deutschland und Belgien aus Schwierig, keilen gestoßen sind, wird uns von wohlunterrichteter Seite als völlig grundlos bezeibchnet. Eenso unbegründet ist die weitere Behauptung, die Unterzeichnung dieses Handelsvertrages liege noch in weitem Felde. Das „L. T." glaubt sogar nachdrücklich versichern zu können, daß der Vertrag von den beiderseitigen Bevollmächtigten beute bereit- unterzeichnet worden ist. Bestätigung dürfte gleichwohl abzuwarten sein. * Die KanaUommission des preußischen Abgeordneten hauses setzte am Sonnabend die Generaldiskussion über die ersten sechs Paragraphen des Gesetzentwurfes, betr. die Frei- haltungdesUeberschwemmungsgcbietsderWasfer- läufe fort und nahm sodann in der Spczialdiskusfion die Paragraphen 1, 2, 5 und 6 nach dem Anträge Bockelberg- Löbell mit einzelnen Abänderungen und die Paragraphen 3, 4 und 7 in der Fassung des Regierungsentwurfes an. Hierauf vertagte sich die Kommission auf Donnerstag. * Ama Prozeß HocnSbroech-Da-bach in Trier wird einem Berliner Blatte in Berichtigung verschiedener Irrtümer gemeldet: „In dem Termin am nächsten Dienstag wird noch nicht in der Lache selbst entschieden werden. Tas Gericht wirb vielmehr erst darüber befinden, ob es auf Grund des 8 657 oder des 8 66l des Bürgerlichen Gesetzbuches in die Verhandlung einlrcten soll. Wird nach 8 657 verbandelt, dann nimmt erst der eigentliche Prozeß seinen Anfang, der sich bei Vernehmung von Sachverständigen auf Tage erstrecken wird. Wird dagegen 8 661 das rechtliche Funda ment bilden, dann ist nach Vorschrift dieses Paragraphen Dasbach die Entscheidung in die Hand zu geben. Fernerhin war die in der BormittagSsitzung getroffene Gerichtsentscheidung, cs liege kein Schiedsantrag vor, kein Beschluß, sondern ein Urteil, gegen das Dasbach jedenfalls Berufung cinlegen wird." Die Quelle dieser Nachricht sieht darnach aus, als ob sie aus der nächsten Umgebung der Partei Dasbachs selbst käme. * Prinzessin Marie von Hannover 4». Die beute früh in Gmunden verstorbene Prinzessin Marie von Hannover war eine Schwester des Herzogs von Cumberland und am 3. Dezember 4849 in Hannover geboren. Sie schien die Blinddarmoperation, der sie sich vor einigen Tagen hatte unterziehen müssen, ganz gut über standen zu haben, wenigstens war ihr Befinden bis Freitag mittag zufriedenstellend gewesen: im Laufe dcS Nach mittags trat jedoch eine solche Verschlimmerung ein, daß die Mutter der Prinzessin und die gesamte herzogliche Familie die ganze Nacht am Krankenbette zubrachten, bis heute früh der Tod eintrat. Nach den bisher getroffenen Bestimmungen wird der Tag der Vermählung der Prinzessin Alexandra mit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin nicht verschoben, jedoch sind die für heute geplante Illumination und der für Montag anberaumte Fackelzug abgesagt und die Entfernung res Fahnenschmucks angeordnet worden, während die Aus schmückung der Häuser bestehen bleibt. — Ter Verband der Handelsgärtner Deutschlands hat an den Reichstag eine Petition gerichtet, in der er sich gegen 8 2 des Gesetzentwurfs gegen die Reblaus wendet, welcher den Be hörden das Recht gibt, die Anzucht von Reben, sowie den Rebhandel auf bestimmte Gebiete zu beschränken oder zu verbieten und dieses Verbot auch aus andere Pflanzen als Reben auszudchnen, trotzdem doch längst nachgewiesen sei, daß die Verbreitung der Reblaus durch andere Pflanzen al) die Rebe selbst ausgeschlossen ist. Dieser Paragraph wahre ausschließlich die Jnteresten der Winzer, lasse aber die ebenso berechtigten Interessen der Handelsgärtner und Handelsrebschulen vollkommen unberücksichtigt. Zum mindesten müsse eine billige Entschädigung den auf Grund des Gesetzes durch behördliche Verordnungen geschädigten Gärtnereien und Rebschulen gewährt werden. * Hamburs, 4. Juni. Die Brauereien erklären, daß sie die Streikenden nur »ach Bedarf wieder einzustellen ver mögen, und daß sie in den von den Arbeitern geforderten Termin von 14 Tagen nicht willigen können. Hf Mühlberg «. ». Eltze, 4. Juni. Die Ausstände der Korbmacher und der Zimmerer dauern fort. Die Korbfabrikanten erklären, den Betrieb eher ganz einzustellen, al- eine Lohnerhöhung zu bewilligen, da letztere ihr Ruin sein würde. * Gern, 5. Juni. Der Landtag unsere- Fürstentums wurde heute durch den Staatsminister v. Hinüber im Auf trage deS Fürsten vertagt, nachdem der Landtag in nament licher Abstimmung die Gesetz Entwürfe über Abänderung des Gesetzes über Errichtung öffentlicher Schlachthäuser, über die Handelskammer, Aenderung des Jagdgesetzes, des Schlacht viehversicherungsgesetzes, über die Bezirksausschüsse und über die Besoldungen der Geistlichen angenommen hatte. * Stuttgart, 4. Juni. Durch die Presse ging dieser Tage die Meldung, das Kultusministerium beabsichtige, in allernächster Zeit die Verordnung über das BestattungS- wcsen auszuheben und damit die Feuerbestattung zuzu lassen. Von Leuten, die es wissen können, wird diese Mit teilung bestätigt. Angesichts der Situation in der Ersten Kammer ist aber wohl sicher nicht zu erwarten, daß die Bekanntmachung vor der über die Volksfchulnovelle ent scheidenden Sitzung erfolgt. Wird die Fachschulaufsicht ab gelehnt, so wäre das dann freilich eine sehr gut passende und wirksame Antwort. * München, 4. Juni. Unter Mitgliedern der Kammer der Reichsräte werden noch immer Versuche gemacht, für das Wahlgesetz einen Boden zu gewinnen, von dem aus ein Ausgleich zur Rettung der Vorlage angestrebt werben könnte. Dahei wird geltend gemacht, cS entspreche das den Wünschen des Regenten. Der Ausschuß dürfte das Wahl gesetz kaum vor einigen Wochen erledigen. Iluslanü. Oesterreich - Ungarn. * Ter allgemeine Ausstand in Arad nimmt immer größeren Umfang an. 15000 Arbeiter stehen im Lohnkampfe. Die ganze Stadt ist von Militär besetzt. Seit gestern er folgten 200 Verhaftungen. Eine gütliche Einigung ist zurzeit aussichtslos. * Spiritusausstellung. Gestern fand die feierliche Preis- verteilung an die Aussteller der Spiritusausstellung durch Handelsminister Frhr. v. Eall statt. Der Minister dankte den Ausstellern für die außerordentlichen Opfer im eigenen, sowie im Name» des Ackerbauministers. Im Namen der Aussteller sprach Direktor Glaser den Dank der Aussteller dem Handelsminister für sein Entgegenkommen gegenüber den Ausstellern aus. Es sprachen ferner namens der französischen Aussteller Viger, namens der reichsdeutschen Aussteller v. Puttlitz, der dem Präsidenten der Ausstellung, Sektions chef Exner, im Auftrage Kaiser Wilhelms ein Bildnis Kaiser Wilhelms überreichte. Exner gedachte in seiner Rede dankend der Unterstützung des deutschen Kaisers, des Kaisers von Rußland und des Präsidenten Loubet und schloß mit einem stürmisch aufgenommenen Hoch auf Kaiser Franz Josef. Hierauf erfolgte die Preisverteilung. Großbritannien. * In Irland will es noch immer nicht Frieden werden. Während des letzten Jahres und besonders seit dem letzten Besuch deS Königs und der Königin auf der „grünen Insel" war in den englischen Zeitungen so viel von dem Kommen besserer Zeiten zu lesen, daß man sich wirklich versucht fühlte, zu glauben, die Versöhnungspolitik der Regierung fei, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, erfolgreich gewesen. Solche Hoffnungen scheinen jetzt aber gründ lich enttäuscht werden zu sollen. Die letzten Nach richten aus Irland melden von bedenklichen Un ruhen, die während der letzten Tage, besonders in der Grafschaft Eork, stattgefunden baben. Die irische Liga macht offenbar noch allen ihren Einfluß geltend, um die Pächter abzuhalten, auf die Bedingungen der Landlords bei dem Verkauf ihres Landes einzugehen. Viele der Pächter weigern sich, ihre Pacht zu bezahlen, und die Landlords haben fchließlich die Hülfe der Gerichte in Anspruch genommen und heginnen die Pächter zu pfänden und sie zu verjagen. Die Beamten, die das ausführen sollten, wurden von dem Mob mit Steinwürfen, mit faule» Eiern und dergleichen mehr empfangen, und es blieb schließlich nichts weiter übrig, als mit Gewalt vorzugeben. In vielen Häusern mußten die Türen erbrochen und sogar die Wände eingerissen werden. Schweden und Norwegen * Vom schwedische» Ausivanvkrungsgcsctz. Eine in recht ironischem Ton gehaltene Eingabe hat Lektor Waldenström, einer der bekanntesten Parlamentarier Schwedens, an den König Oskar gerichtet. Waldenström, der vom König bereits Urlaub erhalten hat, um eine Studienreise nach Kanada und den Bereinigten Staaten zu unternehmen, teilt dem König mit, daß sich der Reise plötzlich unerwartete Schwierigkeiten in den Weg stellten. Bisher habe das schwedische Aus wanderungsgesetz nur auf Passagiere dritter Klaffe Anwendung gefunden, aber da dem Agenten einer fremden Auswanderungslinie die Konzession entzogen worden, weil der Agent beim Verkauf von Fahrkarten zweiter Klasse die Be stimmungen des betreffenden Gesetzes außer acht ließ, könne er, Waldenström, bei keinem Agenten eine Fahrkarte zweiter Klasse bekommen, sofern er nicht den im Auswanderungsgesetz vorgeschriebenen Auswanderungskontrakt unterzeichne. Dies könne er aber nicht tun, da es ja nicht seine Absicht wäre, auszuwandern. Es wäre nun, sagt Waldenström, eine ganz leichte Sache, daS Gesetz zu umgehen, indem man ein Billet bis Kopenhagen oder Deutschland oder England löst und von dort aus nach Amerika fährt. Aber dieses Verfahren wider strebe ihm, da man ja dann seinen Spott mit dem Gesetz treiben würde. Sein Gesuch geht also dahin, der König wolle ihm gestatten, nach Amerika zu reisen, ohne auswandern zu müssen. Wenn er leben bleibe, sei es seine Absicht, zum nächsten Reichstag wiederzukvmmen. Asien. Englische Tibet-Hxpepition. Aus Lahore wurde nach London telegraphiert: Oberst JounghuSband sandte dem tibetanischen General in Gijangtse ein Ultimatum mit der Aufforderung, es nach Lhasa zu schicken. Der General sandte es mit einer verächtlichen Antwort zurück. Afrika. * Der eghptifche Sudan. In welchem Zustand afrikanische Landstriche versetzt werden, in denen kein europäischer Einfluß herrscht oder aus denen dieser verdrängt wird, davon gibt der Spezialbericht des Lord Cromer über den egyptischeu Sudan ein drastisches Beispiel. Die Bevölkerung des Sudan, welche sich vor dem Mahdisten-Aufstande auf 8 825 000 Menschen belief, ist gegenwärtig auf 1 870 500 Köpfe gefallen. An Krankheiten sind 3 451 000 umge kommen und 3 203 500 durch die Kriege. Somit hat die Bevölkerung in 24 Jahren einen Verlust von 75 Proz. erlitten. In den Bezirken der Flüsse Rahad und Dinder sind die 800 Dörfer, die man dort 1882 gezählt hatte, vollständig verschwunden. Mehrere Stämme, die mit dem Mahdi in Kampf geraten waren, sind gänzlich ausgerottet. Das nächste Erfordernis ist die Wiederbevölkerung des Sudan. Doch soll nicht auf den Vorschlag des Amerikaners Leigh Hunt eingegangen werden, daß amerikanische Neger eingefübrt würden: vielmehr soll die Sache nur schrittweise vorgenommen werden. Vor allem gedenkt Vord Eromer den Ueberschuß der ägyptischen Be völkerung dahin zu überführen. Die Sudanesen sind unglück licherweise sehr schlechte Arbeiter; damit hat man schon ungünstige Erfahrungen gemacht, da solche bei der Eisenbahn von Suakim verwendet worden sind. Lord Eromer glaubt, daß im Sudan Kohlen gefunden werben können, und setzt seine Hoffnungen auf Eijenbabn- bauten. Die Bahn von Suakim nach Berber soll im Oktober begonnen werden; das nötige Material ist bereits dahin unter wegs. Ueber die Kap-Kairo-Bahn sagt Lord Cromer: Ich bin nicht imstande zu sagen, ob vom technischen Standpunkte aus die Ausführung dieses Planes unbedingt unmöglich sei. Aber ich bin überzeugt, daß die Kosten des Baues dieser Baku ganz außer Verhältnis zu ihrem Nutzen sieben werden. Ich glaube, daß der Plan jetzt soweit ab geändert ist, daß man zwischen Kairo und Kapstadt auch Wasserstraßen benutzen wird. Für den ägyptischen und den sudanesischen Abschnitt der Linie ist dies schon verwirklicht, denn von Kairo nach Gondokoro findet bereits ein regel mäßiger Touristenverkehr teils mit Balm, teils mit Dampfern statt. Im Gegensätze zu General Gordon glaubt Lord Cromer, daß der Sudan, wenn auch langsam, vorwärts kommen werde. Gartenfest des Albertrweigvereins im Palmengarten. „Ein Fest in Weiß" mitten im Grün, hätte das richtige Signum für ben gestrigen Tag abgeben können, als der Albertzweigverein Leipzig in den herrlichen Anlagen des Leipziger Palmengartens unter gewaltigem Zudrang einer nach vielen Taufenden zählenden Besucherwelt sein großes Gartenfest beging und damit erneut seinen allzeit geübtem Wohlthätigkeitszwccke einen vielverbeißenden und in der Tat auch greifbaren Ersolg verlieh. Es wogte in Weiß um die breiten Terrassen, in den langen Promenaden, in den Gängen und auf den Spielplätzen, e« leuchtete das Weiß im schattigen Park und in den Wandelbahnen in duftigen Sommer- toilletten auf und es trua im lachenden Sounenscheiu seinen Schimmer in den großen Festsaal deS GesellschaftSyauseS, wo während des Nachmittags eine Reihe von Aufführungen viele Hunderte von Zuschauern um sich versammelte. Es war ein überaus glücklicher Gedanke, an dieser Stelle der Jugend den Vorzug der Mitwirkung einzuräumen und durch sie das Fest durch sinnige Aufführungen in Sviel, Tanz, Reigen und Gesang verherrlichen zu lassen. Wie bekannt, hatte der Albertzweigverein Leipzig vor Wochen noch gehofft, sein WohltätigleitSfest in Anwesenheit Ihrer Majestät der Königin-Witwe Carola begehen zu können, allein die düstere Trauerwolke, die unser Königshaus umzog, raubte in den jüngsten Tagen diese Aussicht. In huldvoller Weise hatte aber die erlauchte Protektorin des Vereins die Oberhofmeisterin Frau von Pflug k, Excellenz und Oberhofmeister Wirkl. Geh. Rat von Malortie, Excellenz, zur Vertretung zum Feste ent sandt. Mit ihnen nahmen eine Reihe von Ehren gästen, so der kommandierende General Graf Vitz thum von Eckstädt, Excellenz, Herr Oberbürgermeister Iustizrat I)r. Tröndlin, Bürgermeister vr. Dittrich, Polizeidirektor Bretschneider an den festlichen Veranstaltungen, bei denen die ersten Gesellschaftskreise unserer Stadt eine eoenso glänzende als zahlreiche Vertretung fanden, teil. Ein Wetteifer sonder Gleichen entspann sich unter den Verkaufszelten um deS edlen Zweckes willen und dem hier geübten Appel liebreizender junger Damen zu Gunsten eines humanen Werkes konnte so leicht niemand widerstehen. In der rebenumrankten Pergola der Weinfirma Philipp Jacob Weydt (kredenzte zarte Hand köstliche Erdbeerbowle; dicht daneben winkten Süßigkeiten aller Art, standen herrliche Blumen als schmückende Spenden bereit, kurz, überall, wobin das Auge blickte, fand es Stätten erquickender und unter haltender Art.- Um vier Uhr riefen Fanfarenklänge in den großen Fest saal des Gesellschaftshauses. Vom Hintergrund« der weiten Bogenhalle des Palmenhauses grüßten und nickten die breiten Wedel der exotischen Riesen herüber nach einer eigenartigen Märchenwelt, die hier den Sinn gefangen hielt. Alte liebe Märchengestalten, durch liebliche Kindererscheinungen verkörpert, gruppierten sich im Halbkreis um die von Birken umbuschten Häuschen — hier Aschenbrödel, Sneewitchen und die sieben Zwerge, dort der gestiefelte Kater und Hänsel und Gretel, bier Rotkäppchen, dort Frau Holle, Dornröschen und der Prinz und schufen einen phantastischen Zauberkreis. „Die Luft so still", erklingt es von der Gallerte — die Thomaner singen es in lyrischer Weichheit —, da schreitet die Blumenfec einher, den Lilienstengel schwingend und erweckt die im Gebüsch versteckten Schmetter linge und schlummernde Blüten zu fröhlichem Leben. Lockige Kinder zarten Alters gaukeln gleich Libellen einher und reichen gleichaltrigen Genossinnen, den Blumengeistern, die Hand zum fröhlichen Reigen. Kaum sind sie davongeschwirrt und gehüpft, da ruft dce liebliche Fee, Fräulein de Lalsky, eine Schar weißgekleideter Schülerinnen der höheren Töchterschule zu einem zierlichen und sinnigen Gesangsreigen auf den Plan, bis diese wieder von Schülern des Königin Karola- Gymnasiums abgelöst, unter lautem Beifall der Schauenden den Platz verlassen. Frisch, herzhaft, munter geben die Gym nasiasten, die grüne Mütze aus dem Ohr und mit Fahnentüchern mit des Reiches und des Landes Farbe in den Händen an Auf marsch und Reigen. Es ist eine Lust, ihnen znzusehen,wie sie die Fahnen schwenken, wie sie Figuren und Gruppen bilden und wie sie nach einer herzbaften Anspracbc eines der ihren mit einem dreifachen Hoch der erlauchten Fürstin l ul- digen, deren Namen die Schule trägt. Nun kommen die Kleinsten der Kleinen unter verständiger Aufsicht von Kinder gärtnerinnen dabergezogen, Schneeballblüten in Bogen tragend und Kinderlicdchen singend, die einen im festlichen Zuge, die anderen im Schnittertanz, alle allerliebst kostümiert. Glück selig lachen sie ob ihrer Luft, freudig schaut man ibrem artigen Spiele zu. Als es geendet, stimmen die Thomaner feierlich Richters „Dithyrambe" an, die Märchengestalten ordnen sich zu geschlossenem Zuge und alles strömt ins Freie hinaus in die herrliche ^ommcrluft, hinein in das sonnen bestrahlte Gewoge von vielen Tausenden von Menschen, um an all den sich hier bietenden Lustbarkeiten teilzunehmen. Matthey schwingt seinen Taktstock auf der Terrasse und Giltsch inspiriert seine Kapelle für einen verlockenden Walzer, weiter drüben spielt das Musikkorps des Feld-Artillerie- Regiments. Die Fontaine rauscht im Garten empor, unk im Stimmengewirr wirt der Jubel der Kinder laut, die zu allerlei Spielen ziehen. Ein echtes, wahres Sommerfest Hal sich Allen erschlossen, ein Fest der Freude für Jung und Alt. In einem Lampionzug der Kinder findet es seinen Abschluß. Feuilleton. Liliencrons sechzigster Geburtstag. Ein unvermeidliches Nachwort. Ein Grawlant, der stänkert, wird vor die Thür gesetzt. Dieser Gefahr wollte ich mich nicht begeben. Am Geburts tag Liliencrons wahrte ich das Gehege der Zähne und schüttelte nur den Kopf. Die Feststimmung ist verrauscht, die bengalischen Feuer verbraucht, der Weihrauch hat sich verzogen. Die Luft ist wieder klar, der Verstand wieder scharf, das Urteil wieder sicher. Angenehm ist's gleichwohl nicht, hinterdrein zu sagen: ihr habt euch übernommen. Wozu eigentlich der Lärm! Aber heute darf man'S sagen. Denn einmal Kat Liliencron selbst innerlich gar nichts übrig für den ganzen Rummel, der beispielsweise dem „Hamburgischen Korre spondenten" eine acht Seiten starke Beilage kostete Scherls, deS neuen Besitzers, Debüt?), und dann hat der ehrliche Dehmel ihm sogar am Geburtstage deutlich gesagt, was von der Feier zu halten. Die „Jugend" hatte den Dichter von ihrer Absicht, eineLilien- cron-Nummer herauszugeben, unterrichtet und ihn um Beiträge gebeten. Liliencron antwortete: „Dieser ganze Geb ur tstag- klimbim ift unerträglich. Wenn man 60 Jahre (infam!) alt wird, sollen die Trauerfahnen wehn! Biographisches hab ich nicht. Völlig unnötig. Schreiben Sie doch einfach: Liliencron wurde geboren am 3. Juni 1844 in Kiel, Schleswig-Holstein. Ober auch: Liliencron wurde als Sohn eines Schneiders in Tripolis geboren rc. rc. Ganz wie Sie wollen." Und Richard Dehmel schrieb im „Hamburgischen Corre- spondenten* daS treffende Wort: O Detlev, sechzig Jahre ward Dir Moral geleiert; jetzt hast Du graue Haare, jetzt wirst Du als der wahre Jugendmusterknabe gefeiert. Boshafte Gemüter möchten mir vielleicht nachsagen, ich schätze Liliencron nicht und suche ihm deshalb eins auszu wischen. Unnötige Aufregung. Ich schätze das, was ich von ihm kenne, sehr. Der Lyriker wie der Prosaist sind mir gleich sympathisch und ich möchte fast die Worte unseres Reichskanzlers unterschreiben, wenn's mein Stilgefühl zu ließe: „Lassen Sie mich Ihnen danken für die vielen Gaben Ihrer schneidigen Muse und für manches tapfere Wort der Vaterlandsliebe, mit dem Sie deutschen Jünglingen, Mädchen und Männern ans Herz gegriffen haben." Aber ich liebe es die Worte sorgfältiger (im Grunde: deutscher!) zu setzen als der Herr Reichskanzler. Liliencron ist ein tüchtiger Schriftsteller und sicher einer unsrer besten Lyriker. Aber .... . . . das liebe Publikum weiß davon so gut wie nichts. Liliencron ist ganz und gar nicht der populäre Mann, als der er einen Tag gefeiert wurde. Leider hat selbst die relativ billige Ausgabe seiner Werke, die der Verlag von Schuster und Löffler in Berlin unternommen hat, bis heute noch nicht die Erwartungen erfüllt, die man auf sie setzte. Liliencron beginnt Boden zu gewinnen, aber er ist noch nicht wurzelsest. Deshalb war'S also unangebracht, ihn zur Parade auf ellenhohe Socken zu stellen. Denn auch er bleibt am Ende, was er ist. Ferner aber, und das ist wichtiger: sechzig Jahre hat man ihm Moral geleiert, wenn man sich überhaupt einmal mit ihm beschäftigt hat. Ungesunde Neugierde trieb die Leute ins Ueberbrettl, als Liliencron sich — der Not ge horchend, nicht dem eignen Triebe — am Alexanderplatz zu Berlin als Deklamator hören ließ. Der Baron, der da Verse vortrug, interessierte und amüsierte. Es war etwas Neues, Sensationelles. Seine Werke kauften drei von zehn tausend. Liliencron wurde populär bei den Berlinern. Ei freilich. Aber so populär wie die Gebrüder Herrenftld oder der grobe Gottlieb in der Jägerstraße. Er wurde Sport. Voilä. Eingeweihte erzählten sich dann noch Räubergeschichten von seinem Durscht. Man feierte den Bohemien, den unausrottbaren Studenten. Erst Herr Scherl hat ein nenes Bild von Liliencron ent worfen. Die böse Sieben gab ganz neue Aufschlüsse. Der „Woche" Photograph ließ uns in Liliencrons Heim blicken und in einem andern Bilde sahen wir den Dichter mit Gattin und Kindern auf dem Spaziergang. So biedermeierlich normal und philisterhaft brav, daß jedes Pensionssräulein diesen Detlev in Andacht beschauen konnte. Nun denke ich nicht daran irgend welchen Zweifel in Liliencrons geordnete Familienverhältnissc zu setzen. Sie geben mich einfach nichts an. Den Detlev, den wir Litteraten im Kopfe haben, da« ist aber doch ein ganz anderer. DaS ist ein unverwüstlich fideler Kumpan, ein ehrlicher und wenn es sein muß derber Haudegen, den wir uns in erster Linie da denken, wo die Becher klingen und das Raketenfeuer von Geisterblitzen leuchtet. Und diesen Liliencron lassen wir unS nun einmal nicht nehmen. Ein typischer Fall liegt vor: obwohl zu Hundertmalen auf Liliencrons Werke und ihre Bedeutung von sachkundiger Seite sowohl wie von Schwärmern hingewiesen wurde, obwohl seitens der Presse und der Zeitschriften der Weg zu ihnen sogar sorgsam bereitet worden, die Leute, die aufihm gehen sollten, kamen nur spärlich. In Literaturkreisen war Liliencron seinem ganzen Werte nach von jeher geschätzt, aber das Publi kum geht nicht mit. Die ganzen Jahre über war'S still. Selbst die Brettlbewegung in Berlin hat Liliencron nicht populär gemacht. Und nun — ausgerechnet am sechzigsten Geburtstag — ist der Musterknabe fix und fertig. „Unser Liliencron", „der Liebling des Volks", „Der Meister" und Gott weiß waS Schönes ist er uns auf einmal. Noch mehr: eine Deputation des Vorstandes der „Literarischen Gesellschaft" zu Hamburg bat ihn am Geburtstag zum Ehrenmitglied ernannt und die Alt - Rahlstedter Bürgerschaft überreichte dem Dichter eine Schreibmappe „aus gepunztem Leder". Gutgemeinte Ehrungen. Aber was wollen sie im Grunde besagen? Eines wünschte sich der Dichter an seinem Geburtstag sicher von Herzen, daß er halb so populär sein möge als er e« schien. Und diesen Wunsch haben wir mit ihm. Aber wie stehen die Dinge? Liliencron sowohl wie Wolzogen, die beiden Brettlbarone, fassen nicht recht Fuß im Publikum. Wolzogen noch eher. Denn er ist der gefälligere, anpassungsfähigere. Seine Romane wenigstens sind beliebt. Aber die feine und kluge Idee deS UeberbrettlS ist zu Tode getrampelt, der prächtige Gedanke einer deutschen Singspielbühne blieb un verstanden. Heute noch wartet Wolzogen auf den Kapistalisten, den er vor Jahresfrist im „Tag" für seine Ideen suchte. Heute noch wartet Liliencron auf die Popularität, die gute Menschen ihm an seinem sechzigsten GevurtStage Vortäuschen zu sollen glaubten. Wir feiern unsere Dichter immer erst, wenn sie alt oder wenn sie gestorben sind. Sie müssen erst im Leben gelitten haben um uns, bis wir sie hören wollen und ihnen unserer Verehrung gönnen. S'ift immer so gewesen und es sieht nicht fo aus, als ob sich » nächstens ändern werde. An so manchem gehen wir vorüber ohne ihn zu kennen, obwohl er uns gut empfohlen wurde, und lernen wir ihn endlich kennen, dann ist der Hymnen kein Ende. Meist ist es zu spät. Bei Liliencron wär'« noch Zeit. Unser Wunsch wäre der, daß die erkünstelte Popularität vom 3. Juni eine echte werden möge. Dann wird ihm, der so gut wie die andern seine Dornenkrone trug, der All bezwinger Tod die Dornen mit Rosen und Lilien tauschen. In diesem Sinne: Heil Dir — Liliencron! kaul Asclwrlick. Kunstkalender für Leipzig. Theater. Leipziger Stadttheater. Neues Theater. Heure, Sonntag, gelangt als vierte Vorstellung im Weber-Cy- Flusdie romantische Lwer „Obero n" zur Aufführung. Mor gen wird Reinhardts Operette „Das süße Mädel" ge geben. — Der Wochenspielplan verzeichnet ferner im Neuen Theater am Dienstag als letzten Weber-Llbend „Der Freischütz", Donnerstag Maillarts komische Oper „Das Glöckchen des Eremiten" und Freitag Aubers beliebte Oper „Die Stumme von Portrci". Ferner erschei nen von Operetten am Mittwoch Millöckers „Gasparonc" und Sonnabend (als letzte Overettenvorstellung vor den Ferien) Tcllingers „Don C e s a r". — Tte geehrten Abon nenten werden darauf aufmerksam gemacht, daß die neuen Äbonncmentsbücher §um 3. Quartal von morgen Montag ab täglich von 10 bis 2 Uhr an der Abendkasse des Neuen Theaters verausgabt werden. — Altes Theater: Geschlossen. Leipziger Schauspielhaus. Heute, Sonntag abend, wird mit Herrn Heinrich Matthaes als Gast das Lustspiel „Ein toller Einfall" wiederholt, während nachmittags als Vorstellung für den Verein Gutenberg Sudermanns Schauspiel „Die Ebre" zur Aufführung gelangt. Ein Billettvcrkauf hierzu findet nicht statt. Als nächste Vor- stellungen im Klassikcr-CvkluS erscheinen am Montag Schillers „Räuber", Mittwoch Grillparzers „Der Traum ein L e b e n" und Sonnabend Schillers „DonCarlos" auf dem Spielplan. Dienstag wird zum Besten eines Gustav Moser- Denkmals des verstorbenen Dichter? Lustspiel „U l t i m o" ge geben, worin Herr Heinrich Matthaes sein erfolgreiches Gastspiel als Kommerzienrat Seberecht Schlegel beschließt. Sommerthrater Drei Linden. Heute, Sonntag, findet die erste Aufführung von Rosecs lustiger Posse „Der Braut vater" statt mit der Musik von H. Platzbecker. Morgen Montag wird der Schwank „L o S v o m Manne" zum letzten Male gegeben, und Dienstag ist mit Herrn Carl Treptow in der Rolle des Wulkow das Blumenthal-Kadelburgschc Lust spiel „Auf der Sonnenseite" angesetzt. Zentraltheater. Die heutige Vorstellung beginnt eben falls nm 8 Uhr abends. Der Schwank „Madame X" wird zum fünften Male gegeben. Die Original Tegernsrer, welche am 7. Juni im Albcrt- theater (Stadt Nürnberg) ein kurzes Gastspiel eröffnen, pflegen nur das heitere Genre und bringen zwei vollständige Neuheiten mit. Den Anfang macht „vr. Zanger ls
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder