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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041119022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-19
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Seite 2. Nr. 590. 98. Jahrg. Leipziger Tageblatt. Sonnabend, 19. November 1904. nur von zwei angreifenden Torpedobooten spricht, hat der Leutnant a. d. Lrpel bereit- die vierfache Anzahl, also acht Torpedoboote gesehen, die die „Kamtschatka" angriffen! Eine merkwürdige Sympathie der Seelen zwischen Japanern und Russen, da diese auch acht Torpedoboote mit sich führten! — Eine zweite Abweichung von den offiziellen russischen und allen bisherigen Berichten zeigt da« Datum. Während nach allen anderen Berichten da- russische Ostseegeschwader die angebliche Attacke der Javaner in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober hat Überstehen müssen, ist nach Angabe deS Gewährsmannes des Scherl-Blatte- Angriff nebst Abwehr und Schießerei auf die Fischerflotte in derNacht zum 23. O ktober erfolgt. Zuguterletzt bat der Ingenieur einer hiesigen ElektrizitätSstrma einen privaten Bericht eine- gleich falls Berliner Ingenieur« und ehemaligen Offizier erhalten, der auch auf dem russischen Ostsee-Geschwader als Ingenieur für drahtlose Telegraphie angestellt ist und der strikt daS Gegenteil von dem erzählt, was der Gewährs mann de- Seherischen Weltblattcs berichtet. Nach diesen privaten, brieflichen Mitteilungen haben erstens die Appa rate für draytlose Telegraphie gar nicht funktioniert, so daß eine Berständiguug zwischen den Schiffen in der Nacht zum 22. Oktober gar nicht möglich gewesen sei, haben zweiten» in derselben Nacht die Russen ihre eigenen, abgeirrteu Torpedoboote beschossen und vioe vorsa, hat dritten» eine ueue Kanone ihre Ladung nach hinten entladen, da die Mannschaft die Bedienung des Geschützes noch nicht hinreichend verstand, haben viertens die Ruffen an Bord de» Schiffe», wo sich der berichtende Ingenieur be fand, achtzig Kisten Champagner gehabt, dem so fleißig zugesprochen wurde, daß die Offiziere in der Tat beständig — nun, wie sagen wir, um nicht den Zorn de- „Swet" und der „Now. Wr." zn erregen? — vom Sekt „illuminiert" waren! Da- einzige probate Mittel, um sich in dunkler Nacht die nötige Aufklärung zu verschaffen! Diese privaten Mitteilungen waren — wie ich es aus drücklich hervorhebe — hier vor dem Bericht des „Berl. Lok.-Auz." eingetroffen. Wer von den beiden Berlinern hat nun richtig gesehen und richtig erzählt?! DaS mögen die Götter wissen! 8. Englische wünsche nach St. fpeterrburg. Nachdem die letzte Komplikation behoben ist, ziehen nun einer Londoner Depesche der „Köln. Ztg.", vie „Times" da» Fazit, der Aerger über das, was man als neues Bei spiel russischer, gelinde gesagt, „Unzuverlässigkeit" betrachte, werde noch lange nachwirken und leicht bei emer andern ent scheidenden Gelegenheit einen äh nlich en russischen Reche li sch ler verursachen, wie den, der unmittelbar zum japa nischen Kriege führte. Au- Pari« bringt die „Daily Mail" eine Depesche ihres Berichterstatters mit neuen De nunziationen gegen Deutschland, das, wäh rend Rußland und England zur Einigung zu ge langen suchten, sich bemüht habe, in Rußlands Augen Frank reichs Dienste bei dieser Gelegenheit zu verkleinern und der russischen Regierung zu beweisen, Frankreich sei mit England unter einer Decke bestrebt, Rußland zu demütigen. Offiziell hört die Londoner „Preß Association", es bestehe kein Anlaß zur Besorgnis wegen der englisch-russischen Verhandlungen. Auf britischer «eite werde in keiner Weise gegen Rußland oder seine Vertreter der Vorwurf der mal» üäo-; erhoben, und man glaube auch nicht, daß die Aussicht auf friedfertige Regelung durch Verzögerung des Abschlusses das Abkommen gefährdet sei. Bei Einführung der neuen Form des internationalen Verfahrens, daS sich als Präzedenzfall als äußerst bedeutsam erweisen könne, sei man sich dessen bewußt, daß unangemessene Hast nicht wünschenswert sei. Im Rahmen der geplanten Untersuchung liege es nicht, auch nur darauf hinzuveuten, daß einer eine Schuld trage, es solle vielmehr bei Untersuchung der Tatsachen nur die individuelle Verantwortlichkeit für den Vorfall festgestellt werden. Alle Gehässigkeiten sind jetzt mit „feinen Nuancen" dcr Ueber- setzung zu erklären. Der Suezkanal. Die Pariser Ausgabe des „Herald" meldet aus Alexandrien: Gerüchtweise verlaute, die Japaner beabsichtigten, den Suezkanal durch Vernichtung eines russischen Kreuzers zu sperren. Nach wie vor würden die beiden Kanalufer durch be sondere Posten mit größter Sorgfalt Tag und Nacht bewacht. Au« Port Said wird depeschiert, um vie Sicherheit des russischen Geschwader« noch zu erhöhen, würden Vorbereitungen ge troffen, welche bezweckten, einen Teil des Kanal« mit Ketten abzusperreu, um so eine vollständige Iso lierung des Geschwaders zu erzielen. Der „Laftoropny". Die englische Nervosität ist vorüber, da keine Zwischenfälle mehr erzielt werden können ; daher besagt ein Londoner Telegramm, Offiziere und Mannschaft de»„Rastoropny" würden wahrschein lich nach Shanghai gesandt werden. Der japanische Konsul sei zufriedengestellt, die Chinesen bewachten da-Wrack. Hingegen wird dem „Standard" aus Tokio vom 18. ge meldet: Hier wird der Raftoropny-Borfall im Hafen von Tschifu al« Bruch der chinesischen Neutralität be trachtet, da der „Rastoropny" nicht wegen de- schlechten Wetter« Zuflucht suchte, sondern zu dem ausgesprochenen Zwecke der Depeschenüberbringuna dorthin gesandt wurde. Die Presse führt au-, die Berücksichtigung der Neutralität China« durch Japan könne nicht über die Art hinau-gehea, wie Rußland sich der Neutralität Chinas gegenüber stellt. Einige Zeitungen fordern die Regierung aus, strengstens einzuschreiten, falls weitere russische Schiffe in den Hafen von Tschifu einlaufen sollten. Um Mnkden. Aus Tschifu wird ebenfalls über London gemeldet: Ein chinesischer Kaufmann, der von Mulden am 13. November abreiste und hier eintraf, berichtet, daß die Ruffen ei» starkes Korps in der Stadt haben. Die Hauptmacht siebe 6 Meilen nordöstlich von Mulden. Der Geschäftsverkehr daselbst sei lebhaft. Zahlreiche Kranke und Verwundete gehen täglich nach Chardin ab. Fortdauernd treffen Ver stärkungen ein. Die deutschen und französischen Militärattaches sind in einer Kirche eine Meile südlich Mulden einquartiert, die Front der Japaner zieht sich 21 Meilen südlich vor Mulden hin. Lolittrcde Lagerrcdau. * Leipzig, 18. November. „Humoristisch" und „beruhigend"? Es ist vollkommen in der Ordnung, wenn in Deutsch land die P o st c n d er Kr i e g s m i n i st e r mit Gene- rälen besetzt werden. Auch gibt es bei uns wohl nie mand außerhalb der sozialdemokratischen Partei, der etwa den Vorschlag niochte, es solle der parlamentarische Berichterstatter über den Militäretat zum Kriegsmmister ernannt werden. Bei den ganz anders gearteten Ver hältnissen in Frankreich jedoch haben wir schlechterdings keinen Grund, die Ernennung eines Zivilisten zum fran- zösischen Kriegsminister als Quelle der Erheite - rung oder als besonders friedlichen Aspekt zu behandeln. Beides geschieht in dem tonangebenden Organ der deutschen Zentrumspartci und darf um so weniger ohne Kritik gelassen werden,, je einflußreicher das rheinische Zentrumsblatt ist. Seichte Spähe wie der, daß der neue französische Kriegsministcr Berteaux erfreulicherweise um die grünen Tische feines Bureaus nicht herumzu reiten brauche, würden von der „Köln. Volkszeitung" sicherlich beanstandet werden, falls zum Beispiel ein alldeutsches Blatt ähnliche Scherze über einen englischen Minister machte. Aber daß die „Köln. Volksztg." der Ernennung eines Börsen maklers zum Kriegsministcr solche „humoristischen" Seiten abgewinnt, ist nicht die Hauptsache. Wichtiger ist die Auffassung: „Es ist für uns beruhigend und für die Franzosen abk ühlend, wenn jetzt ein Börsenmakler, der zeitlebens nur mit Geld gehandelt hat, an der Stelle wirkt, wo einst Boulanger eine so große Rolle spielte." Dieser Ansclxwung liegt der Gedanke zu Grunde, daß ein Zivilist als Kriegsminister Frankreichs notwendig friedlicher Natur sein müsse, und in dieser Beziehung sich im natürlichen Gegensatz zu einem militärischen Kriegs minister befinde. Die neue sie Geschichte Frankreichs lehrt zur Evidenz, wie völlig verkehrt eine solche Auffassung ist. Man braucht sich nur an die Beispiele zu erinnern, die Gambetta und Freycinet darbieten. An und für sich ist ein Rechtsanwalt und ein Ingenieur wahrscheinlich nicht kriegerischer veranlagt und gesinnt als ein Börsenmakler: in allen Fällen wird eben die ein- zclne Persönlichkeit ausschlaggebend dafür sein, ob der Rechtsanwalt, der Ingenieur, der Börsenmakler kriegerische Neigungen und Fähigkeiten besitzt. Der Rechtsanwalt Gambetta hat derartige Fähigkeiten und Neigungen bekanntermaßen in einem Grade entwickelt, daß die „Köln. Volksztg." es nicht so leicht zu Papier bringen dürfte, die Ernennung eines Zivilisten zum französischen Kriegsminister als für uns beruhigend und für die Franzosen abkühlend zu bezeichnen. Derjenige aber, der nicht nur an allen militärischen Entwürfen Gambettas beteiligt war, sondern diesen Entwürfen durch selbständige Behandlung der Ausführungs- Vorschriften auch Gestalt und Leben verlieh, ist der In genieur de Freycinet gewesen, und derselbe Freycinei hat in den Jahren 1888 bis 1893 das Kriegsportefeuille mit dem Erfolge verwaltet, daß unbefangene deutsche Be urteiler ihm nachrühmen, er habe für Frankreich ge- wattige Machtmittel geschaffen. Reform der Militärpensionsgesetze. Wir haben bereits vor Wochen die Erwartung aus gesprochen, der Bundesrat werde seine Stellung zu den Militärpensionsgesetzentwürfen so nehmen, daß diese dem Reichstag alsbald nach seinem Wiederzusammentritt zu- gehen könnten. Wie wir dann aus Bundesratskreisen hörten, war eine solche Neigung im Schoße dieses Faktors der Gesetzgebung stark vorhanden. Es wird also dem entsprechen, was wir als erwünscht und was wir als zu erwarten hinstellten, wenn der Reichstag mit dem Etat und mit dem Gesetzentwurf über die neue Feststellung der Friedenspräsenzstärke bei der Wiederaufnahme seiner Arbeiten auch die Pensionsgesetzentwürfe vorfände. Wir sind früher mit großer Entschiedenheit dafür eingetreten, die Reform der Militärpensionsgesetze unverweilt zu be treiben. Wir haben die Lösung der Aufgabe, den bereits in verhältnismäßig jungen Jahren aus zwingenden Dienstbetriebsgründen zum Ucbcrtritt in den Pensions- stand genötigten Offizieren das Existenzminimum höher zu bemessen als bisher, als einen Akt auch sozialer Ge rechtigkeit bezeichnet. Wir wiesen darauf hin, wie in einer Zeit, die im Zeichen der sozialen Reform steht, es doppelt bedenklich erscheine, Herde der Unzufriedenheit gerade in solchen Schichten der Bevölkerung entstehen und um sich greifen zu lassen, die mit am bereitesten und geeignetsten seien, den bürgerlichen Parteien bei der Ab wehr von Uebergriffen der sozialdemokratischen Propa ganda als Stützpunkt zu dienen. Wir sind weiterhin für die möglichst Tasche Erledigung der Militärpcnsionsgesetze eingetreten, durch die auch die Pensionen der Unteroffi ziere und Mannschaften anders geregelt werden, was ebenso richtig ist, wie daß die Sätze für die Offiziere nach unten hin erhöht werden, weil wir uns gesagt haben, je eher die Sorge als eine festumschriebene dasteht, werden sich auch die Wege finden lassen, um die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Die Fortführung der Reichs steuerreform ist unbedingt notwendig. Immer wieder aber wird bald von der einen, bald von der anderen Seite gesragt, „wieviel ist erforderlich? Ehe wir das nicht wissen, bewilligen wir keine neuen Einnahmequellen." Die endgültige Feststellung des Betrages, den die Ueber- fübrung der Militärpensionsgesetzreform in die Wirklich, keit erfordern wird, kann nicht anders, sie muß vielmehr wirken, wie der über die Mauer geworfene Feldmarschall- stab. Die Parteien, welche ihn holen, werden dem Vatcrlande gut dienen. Die Kossuthpartei in der Schlinge. Die gestrige Sitzung des Pester Magnatenhauses ist die vorläufig letzte gewesen: Graf Tisza hat die Schlinge um den Hals der Obstruktionspartei zuzuziehen versucht, er hat seine Gegner gewürgt, aber im höchsten Eifer sind sie ihm entwickln, und der Gewaltakt ist auf die nächste oder in die fernere Zukunft verschoben. Mit wütenden Renkontres wurde die Kraftprobe eingeleitet. Vor dem Beginn der Verhandlungen schon wies der Minister- Präsident eine Drohung des Kossuthianers Justh als gegen die Rechtsordnung empörerisch zurück. Dann spielte der Graf Apponyi, der seine Nationalpartei zum Sturm führt, den treuen Eckart des magyarischen Vaterlandes: die Regierung gebe durch ihre Verletzungen der Hausordnung einer eventuellen antinationalen Re gierung das Thema für Gesetzesverletzungen. Wenn lemand, so legte Apponyi pathetisch dar, an der Grenze der Sechziger nach reiflicher Erwägung sich zu einem Schritte entschließe, der ganz gegen seine Individualität sei, so könne man daraus ersehen, daß er schon ernsten Grund dazu hat. Der Abgeordnete Hollo erklärte, dje Opposition werde alle Muskelkraft notlvendig haben, um den geplanten Schurkenstreich abzuwehren, und der Ab- geordnete Rakowszky donnerte etwas vom Eid des Königs, der wohl auch Nebensache sei; die Stimmung wurde revolutionär. Dessenungeachtet ging, nachdem erst Tisza, dann die Kossuthleute demonstrativ als Ge kränkte den Saal verlassen hatten, der Antrag, Parallel- sitzungen abzuhalten, durch. Die zweite Sitzung, die um 4 Uhr nachmittags eröffnet wurde, war auf die Parole: Biegen oder brechen! gestellt. Der große ÄarabaS verlangte Prüfung des Protokolls, und nach Herstellung der Klausur wurde der Skandal entfesselt. Es sollte über den liberalen Antrag Daniel, die interi mistische Hausordnung in Kraft zu fetzen, abgestimmt werden: die Opposition warf mit Scheren, Sesseln, Büchern, Tintenfässern, bis dann in die nationale Er- baulichkeit das vom Präsidenten verlesene königliche Ver tagungsreskript fiel. Später wird aufgelöst werden; diese unqualifizierbaren „Männer deS öffentlichen Ver trauens" graben sich selbst das Grab. Lord Curzon. Am gestrigen Freitag ist in London eine Maßnahme getroffen worden, die lange suspendiert war. Man hat den Lord Curzon aufs neue zum Dizekönig von Indien wieder ernannt, und da er bald abreisen soll, hat gestern der König ihn empfangen. Die Meldung überrascht: denn während der ganzen Zeit, die der Großwürden träger am Krankenbett seiner Gattin in London der- brachte, glaubte niemand, daß sein Gesundheitszustand oder seine politische Laufbahn je wieder befriedigen könn ten. Nun hat der Vizekönig, durch irgend welche Ein- flüsse, sich behauptet; er wird unter den höchsten Beamten der Aera bleiben, Eduard VII. schenkt ihm seine Gunst. Der Lord George Nathaniel Curzon ist 45 Jahre alt, seit 1886 war er konservatives Parlamentsmitglied und versuchte sich als Orientpolitiker. Von 1891 bis 1892 war er indischer Unterstaatssekretär, Vizekönig seit 1899. Er kommt in sein Reich zu einer Zeit zurück, wo Kitche- ners weitgehende, auf eine Aenderung der Truppenver- teilung im Lande gerichtete Pläne vertagt werden sollten, weil es an dem zu ihrer Durchführung erforderlichen Geldc mangele. Indessen läßt, wie der „Köln. Ztg." geschrieben wird, einen Armeebefehl für Indien erkennen, daß Kitchcner mit seinen Gedanken durchgedrungen ist. In diesem Befehle wird gesagt, daß die seit der letzten Regelung der Truppenverteilung entstandenen Eisen- bahn- und Telegraphenlinien das Bild völlig geändert hätten. Die Stärke des indischen Heeres bezifferte der „Indian Daily Telegraph" neuerdings auf 222 000 Mann, wovon 170 000 Streitbare wirklich ins Feld rücken könnten. Diese Streitmacht vermöge einer dop pelt so starken die Grenzen zu sperren, aber das genüge nicht, das indische Heer müsse so stark sein, daß es die etwa in Afghanistan eingedrnngcnen Russen aus diesem Lande zu vertreiben imstande sei. Hier werden CurzonS erste Operationen notwendig sein, die Verantwortung ist alsv größer, als daß ein Unfähiger sie zu tragen vermöchte. veulscbes seiest. * Leipzig, 19. November. * Die RechtSauwaUschaft beim Reichsgericht. Während bei allen übrigen deutschen Gerichten das Prinzip der freien Advokatur durchgesührt ist und sich ausgezeichnet bewährt Hal, ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht an die Zustimmung des Reichsgerichtspräsidenten und des Vorstandes der Anwaltskammer gebunden. Dagegen wendet sich nun der Berliner Anwaltverein, der am Donnerstag folgende Beschlüsse gefaßt hat: „Der Berliner Anwaltverein empfiehlt eine Aenderung der ge setzlichen Borschriften über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht dahin: 1) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am Reich-gerickt steht jedem gemäß 8 1 der RAO. Befähigten frei, ohne Rücksicht darauf, in welchem Bundesstaate er die Prüfung bestanden hat. Die Zulassung muß versagt werden auS den im 8 5 der RAO. (Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter rc.), sie kann versagt werden aus den im 8 6 der RAO. aus geführten Gründen. (Dreijährige Pause rc.) 2) Die Zulassung erfolgt durch das Präsidium des Reichs gerichts. Bor der Entscheidung über die Zulassung ist der Vorstand der Anwaltskammer beim Reichsgericht gutacht lich zu hören. 3) Erhöhte Voraussetzungen für die Rechtsanwaltschaft dürfen nur bestimmte gesetzliche, für alle Bewerber gleichmäßige Merkmale, sei es einer bestimmten Wartezeit, sei es eine bestimmten Alters, sein." Ferner wurde beschlossen, den einleitenden Vortrag de- IustizratS Dr. Strunz als Broschüre zu verbreiten und bei dem Vorstand des Deutschen Anwaltvereins den Antrag zu stellen, oie Frage der Umgestaltung der Revision und der Anwaltschaft beim Reichsgericht auf die Tagesordnung de- nächsten deutschen Anwalttages zu stellen. * Berlin, 19. November. * Das Kaiserpaar ist mit Gefolge sowie dem Reichs- kanzler Grafen Bülow und Staatssekretär von Tirpitz heute vormittag nach 8Vs Uhr in Kiel eingetroffen. Zum Empfange waren auf dem Bahnhof Prinz Heinrich mit dem Hofmarschall von Seckendorfs, Vizeadmiral von BückM und Polizeipräsident Schröter erschienen. Der Kaiser begab sich mittels Pinasse an Bord des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II.", die Kaiserin fuhr zur Prinzessin Henriette von Schleswg - Holstein. Später gedenkt die Kaiserin die Gräfin Platen zu be suchen Reichskanzler Bülow nahm im Schlosse Wohnung. * Bo« vuntzr»rate. In der am 17. d. MtS. unter dem Vorsitz des bayerischen Gesandten Grasen von Lerchenfeld- Koesering abgehaltenen Plenarsitzung de-Bundesrat- wurden die Vorlagen, betreffend eine Denkschrift über die Ausführung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleibegesetze und die Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag, eine zugehörigen Einführungsgesetzes und eines Gesetzes wegen Aenderung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über Seeversicherung, den zuständigen Ausschüssen überwiesen. kannte, so war die Verwickelung da. Wie harmlos hatte sie sich damals um Weihnacht über des jungen Mannes Idee, sie malen zu wollen, gefreut, wie unbefangen ihrer geschmeichelten Eitelkeit Ausdruck gegeben und jetzt I! Wie sie sie alle anstarrten, diese Menschen, — mit und ohne Augengläser, -- neugierig, — mißbilligend, — neidisch oder schadenfroh! Wie alle Gespräche rings umher allgemach verstummt waren und jedermann auf Tante Idas Trompetenstimme horchte und auf daS, was sie, Annemarie Lombardi, zu entgegnen hatte! Es sollte ihr aber Hülfe kommen I „Was ist denn das für eine wunderbare Frage, liebe Ida!" lieb sich Frau Bankier Ringhaupt vom andern Ende der Tafel her vernehmen. „Welches junge, allein- stehende Mädchen wird sich denn ohne weiteres von einein unverheirateten jungen Mann malen lassen? Fräulein Lombardi weiß doch, was sie sich selbst schuldig ist" „Und uns! U n 3 vor allem, liebe Babette!" fiel Frau Direktor Mentzel mit dringlichster Betonung ein. „Und auch uns, — natürlich, ja, liebe Mathilde! Im übrigen könnte man sich nicht wenig darauf einbilden, von Frank Holbein gemalt zu werden. Er gilt für sehr talentvoll, — ein steinreicher Mensch, hat ein wunder volles Atelier, daS eine Sehenswürdigkeit ist, — ich hab' es mir neulich, mit einer guten Freundin zusammen, an- geschaut. Es war nur unangenehm, daß der Hausmeister auf Schritt und Tritt mitlief, und nur da 8 zu sehen gestattete, was er selber zeigte. Ich hätte so gen: ein bißchen gestöbert I" Annemarie atmete auf; die Gefahr schien vorüber. Es folgte aber von anderer Seite ein neuer Angriff. „HolbeinI Frank Holbein!" Melanie Brückner 'vielte, anscheinend in Gedanken, sehr zierlich mit einem vergoldeten Kompottlöffelchen. „Den Namen muß ich doch auch schon gehört haben! War das nicht einer von den beiden Herren, die ich damals im Winter bei Ihnen antraf, Fräulein Lombardi, als ich auf zwei Minuten bei Ihnen vorsprach, um Sie zu unserem Familientag einzu laden?" Harmlos klang es und kindlich. Harmlos und kind- lich sah sie auch aus, die hübsche Sprecherin, wie sie zu Annemarie hinllberblickte und das Kompottlöffelchen ge schickt auf dem ausgestreckten Zeigefinger balancieren ließ. „livas, — tisns!" murmelte Graf Hüxter vor sich hin. Melanies Bräutigam gab feinem goldblonden Bärtchen wieder mit beiden Händen den raschen, auf- wärtsdrehenden Schwung und sah die Brant mit einem verständnisvollen Blick und Lächeln von der Seite an. Blitzkröte diel! „Melanie!" „Aber, Kind, ich bitte dich, davon wissen wir ja noch gar nichts!" „Wann ist das gewesen?" „Iadwiga, daS hast du unS nie er zählt!" „Ja, wie sollte ich denn? Ich höre eben jetzt das erste Wort davon!" „Nun, — ich muß sagen, — das ist stark! Tas ist denn doch stark! Hätten wir das ge- wußt... ." — „Wir müssen um eine Erklärung bitten!" „Liebste Babette, was ist da weiter zu erklären? Wenn Melanie es -och gesehen hat!" — „Wer hat wen ge- sehen? Wo? Bei wer.:, Elise? Was? Denselben jungen Mann, mit dem ich sie traf, der sie vielleicht gemalt hat? Das ist doch" „Armes kleines Mädel!" sagte Rolf Hennig Brückner vor sich hin. „Wie ein umstelltes Wild, hinter dem die Meute her ist! Kann ganz harmlos gewesen sein, die ganze Chose!" ES hörte niemand auf diese» ketze- rische Selbstgespräch. Die Empörung ging noch in zu hohen Wogen. „Fräulein Lombardi — bitte!" DaS scharfe Organ der Hausfrau dominierte endlich. „WaS haben Sie zu Ihrer Rechtfertigung vorzubringen?" „Rechtfertigung, gnädige Frau? Habe sch die wirk- lich Ihnen allen gegenüber nötig?" Ganz ruhig sprach Annemarie, ihr offenes Kindcrgesicht war kaum um einen Schatten blässer, furchtlos gingen die sprechenden Augen im Kreise umher. „Habe ich wirklich ein Unrecht be gangen, wenn ich, zum ersten Mal um Weihnacht von der Heimat fern, und sehr einsam, sehr in der Fremde hier, meine älteste Freundin Asta Kühne und ihren Bruder, beides meine Kindheitsgespiclen, bat, ein paar Stunden bei mir zuzubringen, da cm Hause meiner Freundin Krankheit herrschte? Und war es meine Schuld, daß Herr Frank Holbein, den Sitten seines Landes folgend, die ja einen ungezwungenen Verkehr zwischen Herren und Damen gestatten, unangemeldet und ungebeten, als Freund seines Freundes, dazu kam und eine knappe halbe Stunde mit uns beisammen war, da ich cs nicht über mich gewinnen konnte, ihm die Tür zu weisen?" Es blieb ein Weilchen still an der Tafel. Es hatte so unbefangen, so selbstverständlich geklungen, was Anne marie sagte, man wußte nicht sofort etwas darauf zu erwidern. „Recht passend ist eS immer nicht gewesen, mein Kind!" Wieder war es Frau Bankier Ringhaupt, die sprach, und wieder klang ihr Ton mehr mütterlich, als tadelnd. „Was hat denn Ihre PenfionSdame dazu gesagt?" „Die war nicht daheim, — ich weiß nicht, ob sie eS erfahren hat!" „Sehen Sie wohl! Glauben Sie mir, — hätte sie eS erfahren, sie würde eS nicht gebilligt haben! Wollten Sie Besuch empfangen, so mußten Sie die Dame um ihren Salon bitten, vor allem ihr sagen, wer die Be tteffenden waren und in welchem Verhältnis sie zu Ihnen standen. Sie find noch sehr jung und unerfahren, .... aber in Zukunst machen Sie so etwas nicht wieder! Wenn Sie den Jugendfreund künftig sprechen wollen" — „Das kann ich nicht. Er lebt in Paris!" „Das ist vernünftig von ihm!" Die Herren lachten, froh, daß die Geschichte, bei der sie kein Haupt- und Staatsverbrechen fanden, eine humoristische Wendung be kam. Babette Ringhaupt war unter all' den Damen des Familientages weitaus die gutherzigste und leichtlebigste. Sie nickte jetzt der jungen Sünderin zu und sagte freund- lich: „Also, nicht wahr. Kleine: nicht wieder tun! Das haben wir ja alle nicht gewußt, daß Sie sich hier so allem und in der Fremde fühlen. Haben Sie immer noch solches Heimweh?" „Ach ja zuweilen sehr!" sagte Annemarie treu herzig. Frau Direktor Mentzel, immer noch beobachtend die langgestielte Lorgnette vor die Augen haltend, blickte mißbilligend auf Annemarie, mißbilligend auch auf ihre Cousine Ringhaupt. Babette hatte eine viel zu leichte Art gehabt, die Sache abzutun, hatte gar noch persönliche Anteilnahme d'reingegeben, .... wie konnte sie nur? Für ein derartiges unerhörtes Vorkommnis, den Besuch junger Herren bei einem jungen Mädchen im Zimmer, gehörte sich ein ganz anderer Tadel — und gerade an- gesichts der ganzen Tischgesellschaft! Es gatt, die junge leichtsinnige Person gehörig zu beschämen, damit sie von derartigen Extravaganzen genug bekam! Eben setzte Frau Mathilde sich in Positur, um die Sache mit gehörigem Nachdruck vorzutragen, als ihr Nachbar, Bankier Ringhaupt, vielleicht im Vorgefühl un- angenehmer Erörterungen, jedenfalls auch von dem Wunsch beseelt, seiner Gemahlin und der „süßen Kleinen" zu Hülfe zu kommen, mit lauter Stimme sagte: „Ist es denn wahr, liebe Mathilde, WaS mir mein Freund Wil- helmi gestern an der Börse erzählte: daß dein Oswald die allergegründetste Aussicht hat, als Kapellmeister demnächst hierher an die neue Scherwitz-Oper zu kommen?" Die geschmeichelte Mutter ließ die Lorgnette herab finken und lächelte stolz. (Fortsetzung folgt.)
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