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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040930022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904093002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904093002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-30
- Monat1904-09
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Leipziger Tageblatt. Lette 2. Nr. 500. 98. Iahrg. konnten. Mehr zu 'ordern und an den bisheri-ieu Er- folgen zu mäkeln. zeugt lediglich von der Unkenntnis der zablloien Schnsierigkeilen, die von den Truppen in Süd- westa'rita läglich lind ilundlich ;u überwinden und. weitere verstärk»,ng»tran»porte. Der Dammer „Haus Wo er mann" geht a>n 17. Oktober iviedcrlnn nur einer Gebirgsbalterie, 180 Monn, 10l> P'erveu, der Dampfer „ Gcrrr n d W o c r. in a n n " am 2. Lc'ovember mit 300 Monn und 300 Pser- den nach dem .Krieis'chauplatze in Südwestafrila ob. Ter letztgenannte D.uuv'er bejiudct sich augenblicklich mit 3 verivundeten Otiizieren und 8 Monn auf der Henureise noch Teuttchland. «Gouverneur ^entu ein und die Nurnhen. Bei der Erörterung über die Unruhen in Deutjch- Südwestafrila in dem Gouverneur Leuiweiu der Vor- wuri gemocht uorven, dos; er durch die Erhebung Ucb Hove völlig überroschen lassen, lveil er die Stimmung nnler den Eingeborenen verkonnt bobe. (Gegenüber iolckjem Vor- nnnr erklört ('Gouverneur Lentwein in einer vom 18. August aus Windhuk dotierten B erichri g u n g on die „koloniale Zeitschr.", dos; er den Ausspruch, inan könne, nnr nut einem Wasscrfack und Wauverstabe ver- seben. durch Vas ganze Land reisen, nie getan, ivobl ober während ein - Heiinaturlaubes gelegentlich geäußert bobe, ..man tönne lediglich mit einem Spazierstock bc- ivosruet üche'er durch das Schutzgebiet kommen, als z. B. durch den Tiergarten in Berlin." Gouverneur Leutwciu behauptet: Dieser Ausspruch stimmte damals vollkom men mit den tatsächlichen Verhältnissen überein. Warum solches ein Jahr später nicht mehr der Fall gewesen ist, diirrte on dieser Stelle nicht zu erörtern sein." Tie .Kolon. Zeitschr." nennt die'e Berichtigung eine Haar spalterei. Ter (Honvernenr erklärt, das; er im Jähre 1002/03 der Ansicht gewesen ser, man könne lediglich mit einem Svazierstock bemannet sicherer durch das Schutzgebiet kommen als durch den Tiergarten zu Berlin. Darüber, dos; der Gouverneur vier Wochen vor Ausbruch des Aufstandes noch der gleichen Ansicht ivor, enoln-en wir folgendes: Ter Former Schlcttiveiu reifte gegen Ende Dezember 1i>03, kur; vor Ausbruch des Aufstandes, nachdem die Bildung von Eingeborenen Vrompagnicn befohlen Ivar, noch Windhuk, nm dagegen beim Gouver nement vorstellig zu werden. Auf die Worte: „Sw bringen unser oller Leben und Besitz durch dieie Maß- regel in Gefabr" erwiderte der Gouverneur: „Tas; Sie mir derartiges sagen, wundert mich sehr, denn Sie kennen die Herero ebenso gut wie ich und wissen, das; sie nut Elenden aus ihre Brüder schießen werden, wenn es verlangt wird, Im übrigen werden Die durch Ihre Vorstellung nichts mehr ändern, denn die Bildung der Eingeborenen Compagnien ist beschlossene Dache." Durch diese Acns;crnng gibt der Gouverneur selbst zu, das; er bis ;nm lohten Augenblick die Eingeborenen ver kannte, was nach Ansicht der Ansiedlerabordnung den Ausstand herbcigefnhrt bat." Gouverneur Lentwein bestreitet ferner, das; ein Deut scher im englischen Düdafrika, der sich in Deutsch Süd- westafriko onüedeln wollte, auf eine Zuschrift einfach von dem Gouverneur den Bescheid erhalten habe: „Wir garan tieren Ihnen Leben und Eigentum im Schutzgebiet, mit Ausnahme des Ovambolandes". Demgegenüber erklärt die „Kol. Zeitschr.", „dar; ein solcher Bescheid vom Obcr- ricbrer Richter als dem damaligen Vertreter des Gouver- ncurs Lentwein ergangen ist. Ter Beweis kann durch Vorlegung des Originals erbracht werden." Krr ni55!§Ä-jgyzr>i§cbe Krieg. Japanische Kriegsschiffe vor Tfchifn. Ans Dschifu wird rein „L.-A." über Petersburg gc- melret, das; das Erscheinen von drei japanischen Kreuzern ans der dortigen Reede große Beunruhigung erweckte. Alle drei Dchisfe haben in einer Linie, fast vor dein Hasen- auSgang, Ausstellung genommen. Es scheint eine neue Maßnahme Admiral Togos zu sein, nm jegliche Verbindung mit Port Arthur abzusckneidcn. Tie europäische Kolonie iu Tsclüfu ist überzeugt, raß das Vorgehen der Japaner nickr ohne Einwilligung des chinesischen Admirals geschehen iü. In der gestrigen Nacht ;eigten sich auch im Hasen von Tscknsu javanische Minenboote, die sich am Tage mil rem japanischen Geschwader vereinigten. vor rNnkden. Aus zuverlässiger Quelle wird aus Tieling nach Peters burg gcmelret, daß auf beiden Flügeln der Japaner die beliebten Umgehungsbewegungen im Gange sind. Die Japaner arbeiten rurch Emissäre in der Düdmongolci daraus bin, dort Doldaten für Frestckaren zu werben, die in Inkan bewassnet werden. Tie japanische Hauptmacht werde aus Hantscholin zu dirigiert: rock sind rorl die Russen stark verschanzt. Ein schlechtes Zeichen für die Lage in Mukden bedeutet das Fort ziehen chinesischer Arbeiter, sogar jener, die kontraktlich ge bunden sink. — General Kuropatkin hat persönlich die .Üaisergräbcr bei Mutdcn in Augenschein genommen und sich überzeugt, daß keine Zerstörung, wie die Chinesen böswillig verbreiteten, stattgefunden habe. — Für rie Winterkampagne bereitet sich Japan ebenfalls eifrigst vor. Warme Bekleidung, Dticfel wie Decken sind in Amerika bestellt. Tem „Standard" wird aus dem Hanptauarticr Kurokis gemeldet, daß täglich kleine Gefechte zwischen der Kavallerie der russischen Arrieregarkc und der Armee knrotis ftatt- sinden. Da» Gros der Russen soll sich in die Gegend nörd lich von Mukden zurückgezogen baben und aus dem Marsche nach Tieling befinden. Tieling sei befestigt und augenblicklich von Kosaken besetzt. — Starke russische Insanterieabteilnngen stehen südöstlich von Mukden aus Bcobachtungsposlen — Die Japaner haben chinesische Räuber, die ihnen am Viaoslussc in die Hände fielen, geköpft. „Daily Telegraph" meldet aus Schanghai, in Japan würden die Rekruten in diesem Iakre mehrere Monate früher eingezogen werden, als sonst. Japan trifft angeblich Vor bereitungen, um noch im Oktober Sachalin zu besetzen. Un unterbrochen gingen Verstärkungen nach der Maulschurei ab. Tie Japaner litten sehr unter der Beriberikrankkeit, rie erheblich mehr Opfer fordere, als alle Kampfe. Man glaube, die Epidemie dem Genuß von Reis zusckreiben zu müßen, ter vor langer Zeit gelockt woroen fei. Am meisten leide die Belagerungsarmee. Die XI. Division fei durch Krankheit nnd sonstige Verluste fast ausgericben. — Viele Eisenbakn- züge brachten Brückenmatcrial nach Norden zur Uebcrbrückung des HunflusseS. — Der japanische Vormarsch auf Mukden werte Anfang Oktober erwartet. — Japanische Soldaten haben angeblich die französische kircke in Vianjang zerstört und geplündert, die sie für ein russisches Gebäude lnelte». Sun» Thema Alexejew und Auropatkin schreibt man uns aus Petersburg: Das Reskript des Zaren vom 21. (ll.) September, das den General- adjudanken General der Infanterie Oskar Grippcnberg — ein Finländer — zum kommandierenden einer zweiten mantschurischen Armee ernannt, spricht von „ allgemeinen Anweisungen des Höchstkommandierenden", die sich General Grippenberg zur Richtschnur zu nehmen habe. Es entstand nun in der Gesellschaft die <>rage, wer eigentlich als der „Höchstkommandierendc" anzufehen iei, ob Kuropatkin oder der Statthalter Alexejew, der »bisher ganz allge mein nur als der „ H ö ch ft t e l e g r a p h ie r e n d e" galt. Erkundigungen an maßgebender, offizieller Stelle haben nun ergeben, daß Kuropatkin — der H aupt- ko m man vier en de ist, Admiral Alexejew aber — der Kuropatkin übergeordnete Höchslkom mankierende, in dessen Stabe auch die Schlacht- unk Opera tionspläne ausgearbeitet werken unk kessen „allge meinen Anweisungen" sich somit auch ker Kommandierende Grippenberg unterzuorcnen hat. Diese Entdeckung hat all- seitige Ueberraschung hervorgcrnfcn, da Niemand etwas davon weiß, daß Armiral Alexejew sich anderer kriegerischer Ruhmes taten erfreut, als ker, die er sich mil jener Leier erworben, die schon Schiller in seinem Gedicht „Männcrwiirte" preist! ?slili5che Tagesschau. , Leipzig, 30. September. Tas Zeitmai; der Sozialpolitik. Als eine Art sozialpolitischen Programms der nationalliberalen Partei kann man wohl folgende, von der „Natlib. Corresp." abgedrnckte Auslassung anfeheu: Die nationalliberale Partei hat durch ihr tatkräftiges Wirken niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß sie auf eine stetig fortschreitende Bewegung der sozial-reformatorischen Be strebung unk auf den Ausbau der großen sozialpolitischen Ge setzgebung bedacht ist. In welchem Zeitmaße und Um fange dies geschehen soll und muß, hängt freilich von viel fach differenzierten Faktoren ab, auf welche in großen unk allgemeinen Zügen Dr. v. d. Borgkt, der jetzige Präsident, in seinem soeben erschienenen Lehrbuche: „Grundzüge ker Sozialpolitik" (Leipzig, Verlag von E- L. Hirschfeld) hinwcist. Er sagt kort im ersten allgemeinen Teile seines Werkes: „Eine umfassende Sozialpolitik be dingt eine Fülle von sich ergänzenden Maßnahmen, die in sehr vielen Fällen in bestehende Gewohnheiten ein greisen, mit Belästigungen und Beschränkungen ver bunden sind und finanzielle Opfer von den Beteiligten er fordern. Es tritt eine Umgestaltung bestehender Ver hältnisse ein, und jede derartige Umgestaltung bedingt zunächst Störungen, die erst allmählich ausgeglichen werden können. Die Störungen find unvermeidlich. Aber es liegt gleichwohl kein Anlaß vor, sie ohne triftige Gründe in einer gegebenen Zeit so zu häufen, daß eine starke Reaktion der Kreise eintritt, auf deren Mitwirkung die Sozialpolitik vor allem rechnen muß. Sowohl die Unternehmer wie die Arbeiter können trotz des guten Zweckes rurch das gleichzeitige Anfassen vieler sozialpolitischer Aufgaben und durch schnelle Aufeinanderfolge der Eingriffe beunruhigt und unzufrieden gemacht werden, und dadurch kann sich eine Auffassung ent wickeln, die eine gewisse Abneigung, einen passiven Wider stand gegen weitere Eingriffe zur Folge hat. Schon das mahnt dazu, das Zeitmaß der sozialpolitischen Eingriffe nicht unnötig zu beschleunigen. Man braucht keine wichtige Maß regel zu unterlassen, aber man kann ihre zeitliche Aup einanderfolge in' den meisten Fällen so regeln, daß sie immer auf einen aufnahmefähigen und aufnahmewilligen, nicht über sättigten Boden rechnen können. Eine Ueberstnrzung ist von Ucbel. Zu einem verständigen Zeitmaß mahnt auck die Er wägung, daß gerade auf sozialpolitischem Gebiete Fehlgriffe sorgfältig vermieden werden müssen. Es ist sehr schwer, ein mal in Geltung gesetzte Umgestaltungen wieder rückgängig zu machen. Die damit verbundenen Enttäuschungen der ar beitenden Klassen bieten eine willkommene Handhabe zu allerlei Agitationen unk leicht wird dadurch eine Unzu friedenheit in den Arbeiterkreifen erzeugt, die manchen mora lischen Erfolg anderer Maßregeln hinfällig mackt. Die Auf gaben, die von der Sozialpolitik zu lösen find, bieten überdies so erhebliche und zahlreiche Schwierigkeiten, daß es nötig ist, die Pläne zu Lösungsversuchen erst auüreisen zu laßen, wenn nicht dringende Gründe vor allem ein schnelles Eingreifen nötig machen. Es ist weiterhin nötig, ein planloses Arbeiten von Fall zu Fall möglichst zu vermeiden. Bis zu gewissem Grade wird freilich das sozialpolitiscke Eingreifen immer een Charakter eines durch besondere Anlässe gerade in der betreffenden Zeit nahegelegten Vorgehens tragen. Denn es läßt sich nicht vermeiden, daß von den einzelnen Wirkungen der vorhandenen Hauptgruppen ter Uebclstände mancke erst bei be stimmten, mehr zusälligen Anlässen die Aufmerksamkeit erregen und dann das Streben nach Abhülfc Hervorrufen. Aber in den Hanptzügen des sozialen ResormwerkcS muß eine gewiße planmäßige Aufeinanderfolge inncgehalten werden, weil die eine Gruppe von Maßregeln durch andere beeinflußt und oft geradezu bedingt ist und deshalb erst nach Erfüllung be stimmter Voraussetzungen in Angriff genommen werden kann. Derartige Rücksichten schließen nicht im mindesten einen „Stillstand" der Sozialreform ein, von dem von Zeil zu Zeit in den öffentlichen Blättern die Rede ist, sondern be deuten nur den Versuch, die zweckmäßigste Aufeinanderfolge der sich beringenden und ergänzenden sozialpolitischen Maß regeln ausfindig zu machen, um so die Widerstände persön licher und sachlicher Art, die dem Erfolge des Eingreifens enkgegenstehen, auf das geringste Maß herabzudrücken." Tie Erbschaft des Herrn v. P-dbiclski. Dem Minister v. Podbielöki wurde vor längerer Zeit die Aeußerung zugeschrieben, daß er „nach der Heuernte ver duften" werde, und dies Gerücht erhielt neue Nahrung, als in diesen Tagen die Ernennung des Herrn v. Conrad zum Unterstaatsiekretär im Landwirtschaftsminifterium erfolgte. Die „Ttsch. Tagesztg." bestätigt jetzt, daß vor einigen Monaten der jetzige LandwirlschaflSminifter ernstlich mit dem Ge danken umgegangen sei, aus feinem Amte zu scheiden. Dieser Gedanke sei aber längst aufgegeben worben: Herr v. Pod- biclöki erfreue sich nach wie vor des Vertrauens des Mon archen und des Ministerpräsidenten; und es dürfte in nächster Zeit zu einer Krisis kaum kommen, falls nicht, was sich heute selbstverständlich noch nicht übersehen lasse, die Handelsverträge eine solche herbeisühren. Auch uns wird mitgeteilt, daß Herr v. Potbielsti zwar vor läufig im Amt verbleibt, aber nicht mehr gar zu lange, vielmehr aus diesmal echten, gesundheitlichen Rücksichten feinem Nachfolger Platz machen dürste. Herrn v. Podbielskis Scheiden wird gerade in landwirtschaftlichen Kreisen bedauert werden, da er durchaus kein Bureaukrat ist, einen ungemein praktischen Blick besitzt und in zahlreichen Fällen Verbesserungen des landwirtschaftlichen Betriebes an geregt hat. Persönlich hat ihm daneben auch sein joviales Wesen viele Freunde erworben. Die „Dtsch. Tagesztg." baut übrigens gleich vor, sie macht schon jetzt Herrn v. Conrad als dem zukünftigen Landwirtschaftsminister ihr Kompliment, indem sie ichreibl: Wir haben in Herrn v. Conrad immer den liebenswürdigen Mann nnd den vortrefflichen Beamten geschätzt, obgleich auch er wie sein Nachfolger kein Agrarier in unserem Sinne war. Sollte er künftig einmal wirklich zum LandwirtfchastSminister be rufe» werden, so würden wir keine Beranlassnng haben, ihm unser Vertrauen zu versagen. Es ist immer gut, den Minister nicht al« waschechten Agrarier zu bezeichnen. Geht es gut mit ihm, so sagt man: Trotz der bekanntlich nicht unbedingt bundesfreundlichen Ge sinnung usw. Geht es aber schlecht, so rst man nicht gebunden. Lrcckurcuu e-ct. Tas Tentschtum in Böhme,,. Wie bedeutend und vom nationalen Standpunkte ans entmutigend der Rückgang des Deutschtums i n Böhmen ist, wird aus einer in der „Ascher Zeitung" gegebenen Gegenüberstellung ersichtlich. Vor hundert Jahren hatten die Teutschen noch die Majorität der Be völkerung in Böhmen; sie zählten im Jahre 1800 1 800 000 gegen 1 700 000 Tschechen. In den fünfziger Jahren des'vorigen Jahrhunderts bildeten die Deutschen nur mehr zwei Fünftel der Bevölkerung (3 000 000 Tschechen, 2 000 000 Deutsche) und bei der Volkszählung 1900 sogar nur noch ein Drittel (2 300 000 Deutsche gegen L 250 000 Tschechen). Ein deutsch-böhmischer Schuhmachermeister in Buvwcis, welcher seine Kinder in die tschechische Schule schickt, äußerte, als ihm darob Vorhalt getan wurde: „Es ist alles eins, ob die Kinder deutsch oder tschechisch erzogen werden, wenn sie nur ordentliche Leute werden." Eine solche Einsichtslosigkeit ist vom deutschnationalcn Standpunkte aus tief be klagenswert. —— Zur inneren Lage Rußlands. Aus Petersburg, 15./28. September, wirb uns ge schrieben: Vor einigen Wochen verbreitete sich das Gerücht, am Zarenhof fei eine Palastrevolution versucht, aber unterdrück! worden. Was daran wahr ist, hat sich bisher nicht ermitteln lassen. Jetzt kommen aber aus dem Innern des Reichs Nachrichten, nach denen dort alles zu einer Revolution bereit sei. Und zwar richte sich diese nicht nur gegen das bisherige Regime, sondern auch gegen die Person des Zaren selbst, der entthront werden solle. An seine Stelle soll dann der als aufgeklärter Mann nnd als Dichter bekannte Großfürst Freitag, 30. Sevternber 1904. Konstantin Konstantiuowilsch, ein Obeim des Zaren, ans den Thron erhoben werden. Diese Meldung klingt einigermaßen verväcktig, da, seitdem der Großfürst Konstantin, der Bruver Alexanders l., zu Gunsten seines jüngeren Bruders Nikolaus 1. auf den Thron verzichte! hatte, den Konstantins überhaupt Aspirationen auf den Zaren tron nackgesagt werden. So allo dem eben genannten Groß- sürsten Konstantin Pawlowitick, rann dem liberalen und aufgeklärten Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch — einem jüngeren Brnder Alexanders II. — und heute kessen nickt minver liberalem Solinc Konstantin Konstantinowitsch. Es ist aber nickt unwahrscheinlich, daß durch lolche Gerüchte im Zaren Mißtrauen gegen leinen liberalen Obeim Konstantin erweckt werden sollen, da dieser einen gewissen, wenn auch nicht gerade bestimmenden Emflnß auf seinen Neffen aus üben soll. Aber auck die gesamte liberale Partei soll viel leicht rurck solche Gerückte unv mutmaßliche PalaftrevolutionS- k om ödien diskreditier! werken. Gilt doch in Rußland jeder, der nicht auf das Programm des herrschenden Stockrusseiltmus schwört, für einen „Revolutionär". Durchaus wahrscheinlich ist es indes, daß die liberale AusklärungSpartei heute lebhafter denn je darauf aus ist, ihren Prinzipien nnd Anschauungen znm Siege ;n verhelfen. Nickt minder wahrscheinlich ist es aber auck, daß die revolutionären Elemente die heutige prekäre Lage der Regierung für ihre Zwecke auszubcuten pichen. Ernst, sehr ernst sogar muß die Lage in der Tat sein, wenn sogar die höhere Geist lichkeit Neigung zum Aufgeben ihres bisherigen Programms zeigt nnd zu konfessioneller Duldsamkeit rät. So schreibt das offizielle, kirchliche Organ, der „Zerkowny Westnik" <Kirchenbote!: „Tie Feit ist tatsächlich nicht dazu angetan, sich aus innere Streitigkeiten einzulassen, Zwietracht und Feiiidichasi zu säen. Tie Meinungsverschiedenheiten zwischen den Orthodoxen und den Altgläubigen sind durchaus natürlich, aber jetzt ist es au gebrachter denn je, sie durch Milde zu verdecken, nicht unnütz zu verschärfen. Dasselbe kann man überhaupt von den Nicki orthodoxen und Nichtrusscn sagen, die als treue Unter taiien des russischen Reiches alle Beschwernisse des Krieges mit de» orthodoxen Sohne» Rußlands teilen. Wie groß auch Ler Abstand sein mag, der sie in religiöser nnd nationaler Beziehung trennt, durch das Pflichtgefühl, das alle in gleicher Weise beseelt, durch die patriotische Entschlossenheit, daS Lebe» siir das Vaterland zu ovfern, wird er beseitigt. Ter Krieg muß unvermeidlich als ei» Hebel der konfessionellen Duldsamkeit dienen." Interessant ist an diesen Auslassungen, daß hier endlich einmal, wenn auck in indirekter Form, von offizieller Seite aus das Zugeständnis gemacht wird, daß bisher im „heiligen Rußland" konfessionelle Duldsamkeit nicht geherrscht hat! veulscbes Retcd. Berlin, 30. Septeniber. * Ter Bundesrat und die lippcschc Erbfolgefragc. Die Annahme, daß ter BundeSrai fick sofort mit der Frage der lippetcheu Regentschaft zu beschäftigen haben werde, wird mehrfach als unzutreffend bezeichnet, vielmehr die Ansicht ausge sprochen, daß ein Eingreifen des Bundesrates erst dann zu er folgen haben werve, wenn ker Graf-Regent einen neuen Bevollmächtigten zum Bundesrat ernennen unv dem BnnveS- rat namhaft machen wird. Dann muß natürlich die Legiti mation des Auftraggebers umso mehr geprüft werden, als die schaumburg-lippefche Linie Protest gegen den Uebergang der Regentschaft auf den Sohn teS verstorbenen Graf- Regenten erhoben hat. * Unsere Gesandtschaft in Tanger. Verschiedene Blätter Haven Vic Meldung einer Korrewouvenz wievergcgevcn, Vaß bei nnserer diplomatischen Vertretung in Tanger ein Personenwechsel bevorstehe, unv zwar sollte znm Vortigen Gesandten Vcr bisherige Gouverneur von Kcnnernn, Jesko v. Puttkainer, auserfehen sein. An unter- richteter Stelle ist von einem solchen Wechsel nach der „Post" nichts bekannt. Für Vie nächste Zeit ist ein solcher nicht in Aussicht genommen. * Gottvcrnkmcrttsschulc in kiautschu«. Die kaiserliche Go nvern einen t ss chn le zu Tsingtan übergibt der Oeffentlichkeit zum ersten Male einen Jahresbericht, (lllwtnl. > Sie ist eine staatliche, paritätische höhere Unterrichksanstalt für Knaben nnd in erster Reibe siir die Söhne der dcutschen Rcicksangehörigcn in Ostasicu bestimmt. Der Schulbetrieb wird vorläufig durch Verordnungen des Gouvernements geregelt, die meist den betreffenden siir höhere Schulen in Preußen geltenden Bestimmungen nachgebilret sind, bis die Verhältnisse durch ein definitives Statut von reich« wegen fcstgelegt werten. Bisher ist nach einem vorläufigen, im November I'.W2 ausgestellten Ucbcrgangslehrplan unterrichtet worden, der Vie Lehrziele des preußischen Realgymnasiums zur Grundlage hat. Ein endgültiger Lehrplan, in einer den Inter essen der Kolonie und der Deutschen Ostasicns entsprechenden Form, dem aber die heimischen Lehrvcrfassungcn zu Grunde gelegt sind, ist ausgearbeitet worden und harrt der Genehmigung. Das nächste Ziel der Schule nach Abschluß ihrer Entwickelung ist die Verleihung einer deutsch - nationalen Bildung, welche die praktischen Interessen Ostasiens berücksichtigt, und deren äußerer formeller Abschluß die Erteilung der Berech tigung für den einjährig freiwilligen Dienst ist. Die Schule bat gegenwärtig außer 3 Vorschulklassen Sexta, O.uinta unk Onarta. Die Untertertia soll mit dem neuen Schuljahr er öffnet werden. Lateinisch und Englisch werden von der Sexta, Französisch wird von der Onarta ab gelehrt. Die „Wer ist draus?" fragte die Beckhaberin. Ei liebe Frciu God! kenlit's Euch uit mehr ous auf nü? 's Leuerl, — der Silkbäuerin ihr armes Lcucrl, das Ihr über die Tauf gehalten habt, bin i, und weil i so arg tief im Elend bin, vermein' i, — Ihr nehmt mi um der heiligen Jungfrau willen auf!" „'S Leuerl! — Gott erbarm' sich, 's ist das Lcncrl!" klang die Stimme Vcr alten Frau, der Fensterladen schlug zu und cs blieb ein Weilchen still, daun rief eine Stimme hinter der Haustür: „Gleich komm' ich! Schau, Leuerl, die Tür ist zug'pflöckt, — geh' um den Zaun herum, ich laß dich zum Hinterpförtcl ein!" „Na, da bist ja ausgenommen, Frau!" sagte der Postillon zufrieden. ..Gehab dich wohl, und verlustier' dich uit allzuviel hie droben!" Er lachte und schnalzte den Pferden mit der Zunge, da zogen sie wieder an. Tas Leuerl aber machte ein recht sauertöpfisches Ge sicht und murmelte: „Spott' mich nur aus! Ich hab' kein' Wahl mit 'm Unterschlupf, und mit dem Ver lustieren ist s siir eine Witfrau so schon aus!" Sic wickelte das Kind auf ihrem Arm fester in das Tuch unv schritt um Vas Haus herum, bis sie die kleine Pforte im Zaun fand, an welcher bereits Vic Großmutter stand und der Nahenden mit angstvoll großen Augen cntgegenstarrte. „Ei, Linvbäuerin, äfft inich's Gesicht, oder bist's fein selbstL und um solche Zeit kommst da herauf, mit dem Kind gar . . . und hast ein schwarz' Tüchel um . . . . und hab' vermeint, du sitzest drunten im reichen Bauern Hof zwischen lauter Speck und Wurst und weißt gar nix mehr von der alten God am Paß droben!" Da fing die junge Frau bitterlich an zu weinen, und das Kind auf ihrem Arm weinte auch, und sie traten in das Haus. „Ach God, was Ihr an mir schaut, ist nix als ein Häuflein Elend! — Speck und Wurst sind ausgebrannt. — Ter Lindbauer, mein Mann, ist ein Loderer gewest und hat gesoffen und gespielt und all sein reiches Erbe ver bracht, und ivie ihm das Messer am Hals gesessen ist, daß er nimmer aus und ein gewußt hat, da hat er an seine hohe Fcncrkass' gedacht, und hat selber Haus und Hof in Brand gesteckt. — Ter Nazi aber, der grad bei der Evi gefcnstcrlt hat, — der is' gewahr worden und hat Lärm geschlagen und den Lindbaucr ein' Brand stifter genannt, und wie die Gendarmen koinmcn sind, da hat mein Mann sich j„ der Angst im Garten am Nuß baum aufhängt. — Ter Hof liegt in Schutt und Asche, und ich bin als ein bettelarm's Witweib z'rückblieben, hier mein unglückliches Wunncl, das kleine Creszcnzl, ist alles, was der reichen Lindbäucrin noch z' eigen ge blieben ist!" Die Großmutter hatte mit Stöhnen und Seufzen die Hände über dem Kopfe zufannuengeichlagen, die Sprecherin aber fuhr schluchzend fort: „Ta hab' ich kein Obdach g'habt, denn mein Vater ist ein hartes Leut und will das Weib von cincni Brandstifter nit aufnehmcn, und meine Brüder sind arg geizig und wollen nicht zwei Fresser mehr im Haus, denn für den Winter ist keine Arbeit da, und für nix futtern's uns nit durch. Da hab' ich aus Euch gedacht, liebe God Beckhaberin, weil Ihr mich doch über die Tauf' gehalten und gelobt habt, mir 'mal ein zweites Mutterl zu sein! — Schaut, God, ich will kein Obdach und Brot für umsonst, ich will für Euch alle Arbeit tun und mein Teil schaffen! Da hat der Aloys doch ein Büblcin im Haus, das will ich fein warten, mit meinem Eenzerl zusammen, und nach dem Vieh schau ich, weil es im Winter für Euch doch arg kalt ist drauß und alles sonst " ,;Na, sei stad! Davon red' fein gar nix!" sagte die alte Frau und faßte das Lenerl warmherzig bei der Hand. „Ta bist, und da bleibst, und damit basta." (Fortsetzung folgt.) 2,; „vurchgerungen." Roman von JosephineSiebe. NaSdruck verbot«». Stunlin hatte Elisabeth diesen wilden Ausdruck der Verzweiflung mit angehört, eine unendliche Bitterkeit stieg in ihr auf. War denn all ihre Sorge, all ihre auf- opfernde Liebe nicht imstande gewesen, diesen Mann zur Kenntnis seiner Pflicht zu bringen? Hatte wirklich jenes leichtfertige Weib wie ein Vampyr alle Kraft, allen stolzen, männlichen Mut ihm ausgefogen, hatte sie ihm so tief mit sich hcrabgczerrt in den Schlamm, das; selbst das große Ovfcr, das sie ihm brachte, ihn nicht mehr zum Licht emporzichen konnte? Es war ihr unmöglich, zu sprechen, sic nahm unwill kürlich den kleinen Varzival auf ihren Arm, der sich wie iuimer in seiner werbenden kindlichen Liebe an seine Mami Herzeleid geschmiegt hatte und ängstlich auf den weinenden Vater sah. Fest, strafend, vorwurfsvoll, mit leise aufdänuncrnder Verachtung und doch mit unsäglicher leidvoller Liebe schaute Elisabeth auf Wolfgang, ihre aan;c Seele lag in ihren Augen und dieser Blick hatte etwas Zwingendes, der Mann konnte diesen Augen nicht entgehe», und Vie verzweifelten Worte erstorben auf seinen Livpcn. Er las alle Vic stummen, bitteren Fragen, Veu schmerz lichen Vorwurf, er las das ganze Leid, das dieses junge Weib mu ihn erduldet, aus den klaren blauen Augen, und schweigend senkte er den Kops. Als Elisabeth am nächsten Tage heimkam, da hörte sie schon vor der Tür den Klang der Geige, er ließ ihr Her; in Freude erbeben. Leise betrat sie daS Zwirner, da stand Wolfgang unv hielt die Geige im Ariu und vor ihre Seele trat das Bild, wie sie ihn zum ersten Male ge hört, so jung und siegesgcwiß. Wie sehr die vergangenen Jabre den Mann verändert, erkannte sie erst voll au stiuer Musik und sie mußte an sich halten, um nicht auf- zu'chreieu vor Schmerz, so litt sic bei diesen Klängen. Es lag ettvas seltsam Unfertiges, Suchendes, Hülf- lojeS in dein Spiel, Elisabeth hörte es heraus, wie schwer es ihiu wurde, wie anstrengend er sich mühte, die steifen Finger zu zwingen, manckmial klang es fast wie das Spiel eines Kindes, dann wieder kamen reine volle Töne da zwischen.
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