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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041010024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
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Fähigkeit Japan» -u tun, einen großen Krieg auf unbe stimmte Zeit auszuhalten. Di« Flagg« »es „rvarjag". Auf der Redaktion deS „Petit Parisien" ist, >vas diese reklamehafl auSschlachtet, jetzt eine Flagge des russischen Kreuzers „Warjag", der vor Tschemulpo von den Russen selbst in di« Luft gesprengt wurde^zu sehen. Sie wurde von einem bretonischen Matrosen, Eugdne Salaün, überbracht, der erzählt, er habe damals mit einem Boote deS „Pascal" bei dem Rettungswerke mit geholfen und im Vereine mit einem der geretteten Russen. PrylebSky, die Flagge von einem schwimmenden Mast ab. gerissen. PrylebSky wollte sie dem Zaren überbringen, aber er starb, und Salaün kam zu einem Genesungs urlaub allein nach Frankreich. Er hütete die blau-weiße Flagge wie einen Schatz, wagte aber nicht, sie auf die russische Botschaft zu bringen. Dor Ablauf des Urlaubs, der jetzt sein Ende erreicht hat, entschloß er sich zu einem Gange auf die Redaktion deS viel gelesenen Blattes. „In fliegender Hast" erzählte er seine Geschichte, übergab die Flagge in „gute Hände", wie er sagte, und rannte davon. Der „Petit Parisien" wird die Reliquie der russischen Botschaft übermitteln. Va» Hmsstseh« Aaiserpaar in Seval. Aut Reval, 9. Oktober, wird gemeldet: Kaiser Nikolaus und Kaiserin Alexandra begaben sich nach ihrer Ankunft an Bord der Kaiserjacht „Standart". Nachmittags besichtigte der Kaiser die Panzerschiffe „OSljabja" „Orel", „Boro dino", „Imperator Alexander III." und „KnjaS- Suwuroff". Die Besichtigung dauerte 2 Stunden. Der Verfall vev Lsehlf«, wo Feuerschein und Kanonendonner eine heftige zwei- stündige Seeschlacht verrieten, ist bisher nicht aufgeklärt. Der Vorfall wurde, wie eine Londoner De pesche der „N. Fr. Pr." feststellt, von zahlreichen Personen beobachtet. SapZ»«rt«. In Tokio ist eine Reihe amtlicher Berichte über die Operationen gegen Port Arthur von der Schlacht bei Wanschan an bis zur tatsächlichen Einschließung Port Arthurs, die am 30. Juli ihren Anfang nahm, er schienen. AuS den Berichten geht hervor, daß die Russen die Vollendung der Einschließung durch Errichtung voll Befestigungen zwei Monate lang unmöglich gemacht haben und auch im Juli angriffsweise gegen die Japaner vorgegangen sind. Hier fährt die „Russische Telegraphen. Agentur" fort. Sie behauptet, nach den erfolglosen Stür men auf Port Arthur hätten die Japaner nördlich von Asandsian Befestigungen aufgeworfen und in Jnkau und anderen Punkten Kommandos zurückgelassen. Tie japa nischen Soldaten, die an Vcrpflegungsmitteln und Be kleidungsstücken Mangel leiden, werden beschuldigt, chine sische Christen und Mohammedaner auszuplündern. Ter Armeeintenüant General Huber hat durch den Kommissar der Provinz Mukden den Notleidenden 50 000 Be kleidungsstücke zugehen lassen. Infolge Mangels an Ver- vflegungsmftteln ist den Japanern der Durchbruch zu den Quellen des Liauflusses mißlungen. Li« vrrsfifcher rvinterfel-z«g i« Sorea? Von militärischer Seite wird uns geschrieben: Es scheint, daß Korea von neuem bestimmt ist, in nicht allzu entfernter Zukunft der Schauplatz wichtiger militärischer Operationen zu werden. Der Winter wird bald Wladi wostok seinen Eisgürtel geben, der die Stadt für einige Monate unangreifbar macht. Dadurch wird die Armee des Generals Linnewitsch, der der Schutz der Festung übertragen ist, disponibel. Es wäre durchaus nicht unmöglich, daß sie ihre Bewegungsfreiheit dazu be nutzt, in Korea Krieg zu führen. Wenigstens die Japaner scheinen dies ernstlich zu befürchten, denn sonst wäre üce Tatsache der Abberufung des Generals Harisugava, Kom mandanten der Garde-Division, von der Front in der Mantschurei und seiner Einsetzung zum obersten Führer der japanischen Streitkräfte in Korea nicht erklärlich. Man darf niemals übersehen, daß die japanischen Trup pen in Korsa durchaus nicht allzu zahlreich sind und daß auch anderseits die koreanische Bevölkerung den Japanern keineswegs so freundlich gesinnt ist, wie es etwa die Chi nesen in der Mantschurei gegenüber den Japanern sind. In Korea herrscht im Gegenteil erwiesenermaßen in weiten Volkskreisen die größte Erbitterung und Auf regung über den koreanisch-japanischen Vertrag, der Korea zum Vasallenstaats Japans macht. K«r A»nzrntrl»r««g -er zwe te« Mantschurei - Armee. AuS Petersburg, 9. Oltober, wird uns geschrieben: Ent gegen des von verschiedenen Seiten auftretenden Gerüchten und Meldungen, daß man bereits im November auf ein Em- greifeu eines Teiles der zweiten mantschurischen Armee zählen tonne, wird auS der Umgebung des Führers derselben, deS General Gripenberg, versichert, daß daran gar nicht zu denken wäre. Vor dem Februar nächsten Jahres wäre die Konzentrierung der Truppen noch nicht so weit gediehen, daß die 2. Armee selbständig handeln könne. Di« am«vika«ische -«» „Aalchar". Die „Franks. Ztg." erfährt au» New Aork, der Post- dampser „Kalchas", der von Tacoma (Washington) nach England über Japan und China fährt, sei von russischen Kriegsschiffen angehalten und nach Wladiwostok gebracht worden, wo die russischen Behörden die amerikanischen Postsäcke geöffnet und viele Briefe zurückbehalten hätten, weil m ihnen viele für Japan wertvolle Nachrichten enthalten seien. Die Bundesregierung sei von den Dampseragenten benachrichtigt worden. Sie wird ihre Genug tuung erkalten; doch kommt diese erst nach vollendetem Handstreich. Auvspatki«» rvie-erherftell««g. Die „Russische Telegr.-Agentur", die zu dieser Beschwich- tigunHsnvte wohl höheren Austrag hatte, meldet: Die Gerüchte von Veränderungen im Oberbefehl auf dem Kriegsschauplätze beruhen nicht aufTatsachen, sondern sind nur als AuSvruck der allgemeinen Anerkennung der hervorragenden militärischen Fädigkeiten KuropatkinS zu betrachten. Die allgemeine Stimmung ist für Gewährung voller Freiheit für Kuropalkin in der Durchführung leineS KriegSplanes. Hiermit hängt daS Gerücht von seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber zusammen. — Desgleichen druckt der „RegieruugSbote" einen Tagesbefehl Kurv» vattinS ab, in dem er die Truppen auf die Schwierig keiten hinweist, die Armee auf die nötige Starke zu bringen, und die Notwendigkeit deS bisherigen Zurück weichen» betont. Er habe den Rückzug nach Mulden kummervollen Herzens befohlen; er habe ihn aber befohlen in der unerschütterlichen Ueberzeugung, daß der Rückzug nötig war, um lchließlich einen entscheidenden Sieg zu erringen. Der Kauer sende jetzt ausreichende Streitkräfte und werde weitere Truppenmasseu nach Ostasien kommandieren, wenn auch diese nicht auereichlen. Es sei der undcugiame Wille deS KaiierS, den Feind zu besiegen, und dieser Wille werde unbeugsam durchgesetzt werben. Jetzt breche die von ver Armee längst erwartete Zeit an, wo man vorrücken und dem Feinde feinen Willen aufzwingen könne, denn die Mantfchureiarmee sei nunmehr stark genug, um zum An griff üeerzugehen. Schließlich fordert der Befehl die Armee am, sich von dem Bewußtsein, der Wichtigleit des Sieges, besonders im Hinblick auf die Entsetzung Port Arthurs, durchdringen zu lassen. Ashlen tteferringe«. Das „Bureau Reuter" verbreitet die folgende Depesche aus Cardiff: Die Russen und Japaner beziehen noch immer große Mengen Kohlen für ihre Kriegsschiffe. Seit dem Beginne des Krieges find von hier 2^2 Millionen Tonnen exportiert worden. Auch von New Bork und anderen Häfen des Bristolkanals wurden grotze Mengen verschifft. In der letzten Zeit ging eine große Sendung nach einer Insel an der Westküste von Afrika, wahrschein lich für die baltische Flotte. Diverse». Der „Daily Telegraph" meldet aus Tschffu von gestern: Die Chinesen weigern sich, selbst bei den größten Versprechungen, die Blockade von Port Arthur zu brechen. — Ein japanischer Offizier teilt mit, daß die Flotte nach drei englischen Dampfern ausschaue, die mit Bllchsenfleisch von Shanghai nach Port Arthur abgefahren seien. — Täglich treffen Verstärkungen an Truppen und Geschützen m Dalny ein. — Mehrere Chinesen, die sich an einem Brunnen bei Dalny zu schaffen machten, wurden unter dem Verdacht der Brunnenvergiftung hingerichtet. politische Lsgerrchau. * Lei-zi«, 10. Oktober. Abg. Hackenberg übe» das Schulkompromitz. In Bochum i. W. fand gestern ein Parteitag der National liberalen von Rheinland und Westfalen statt, der insofern eine beiondere Bedeutung beanlpiuchen darf, als bei dieser Gelegenheit der Abg. Hackenberg ein ausführliches Referat über die Schul frage, bezw. das unheilvolle Kompromiß in derselben erstattete. Wenn nach dem uns vorliegenden Berichte Herr Hackenberg mit einigen humoristisch sein sollen den Bemerkungen über Richtlinien für eine großzügige liberale Schulpolitik Heiterkeit und Beifall entfesselte, so möge er sich nicht der Illusion hingeben, als ob damit der Widerstand, der sich in nationalliberalen Kreisen gegen das Schulkom- prom,ß erhoben hat, so kurzerhand abgetan sei. Der Widerstand wird weiter bestehen bleiben und sich um so nachdrücklicher geltend machen, als auch die Begründung, die Abg. Hackenberg gestern für das Ver halten ver nationalliberalen Fraktion im preußischen Land tage gab, keineswegs stichhaltig genannt werden kann. Was Herr Hackenberg vorbrachte, waren die alten, oft zurück gewiesenen Behauptungen, und sie wurden auch dadurch nicht richtig, daß der Referent sie zum Teil „mit viel schönen Reden" verbrämt aufs neue aufstellt. Der Verlauf der nächsten Wochen wird noch mehr als einmal zeigen, daß die Haltung der nalionalliberalen Fraktion deS preußischen Land tages nicht die Billigung des überwiegenden Teile- der nationalliberalen Wähler findet. Unsere Kolonien als Bezugsquellen. Es ist fraglos, daß die deutschen Kolonien für das Mutterland eine weit größere Bedeutung als bisher gewinnen könnten, wenn sie in einem in Betracht kommenden Umfange Rohmaterialien für die deutsche Industrie zu liefern in den Stand gesetzt würden. Versuche hierzu werden ja schon seit einiger Zeit gemacht. Es braucht nur daran er innert zu werden, baß mit Unterstützung der Kolonialabtei- lung des Auswärtigen Amtes die Vertretung der deutschen Lederindustrie praktische Gerbversuche mit verschiedenen Gerbmaterialien Südwestafrika« gemacht hat. Auch waren von dieser Industrie Verbindungen mit süvwestafrikanischen Gesellschaften behufs Lieferung von Häuten und Felle» an geknüpft. Leider sind infolge der Ausstände alle diese Be ziehungen für einige Zeit unterbrochen worden. Auch daS Kolonialwirtschastliche Comilö ist mit Eifer darauf bedacht, die Kolonien zu Lieferungsgebieten für Rohmaterialien aus- zugestaltrn, namentlich wird dem Anbau von Baumwolle in den Kolonien von ihm Aufmerksamkeit zugewenbet. Neuer dings wieder hat das Komitee im Tropenpflanzer eine von Eberhard von Schlopp verfaßte Studie über die wirt schaftliche Bedeutung der Baumwolle auf dem Weltmärkte veröffentlicht, die sich eingehend mit der Frage beschäfiigt und dahin ausklingt, daß Deutschland alle Ursache habe, sich von Rordamerila beim Bezüge der Baumwolle unabhängig zu machen. Die Schwierigkeiten, auf welche alle solche Versuche zur Umgestaltung der deutschen Kolonien in Rohmaterial- lieserungsaebiete für die Industrie deS Mutterlandes stoßen, sind gewiß beträchtlich. DaS sollte aber nicht bindern, immer von neuem nach Erfolgen in dieser Richtung zu streben. Auch in Nordamerika ist der Anbau von Baumwolle nicht immer gepflegt worden, auch dort ist die Baumwollen» kultur erst eingeführt. Es ist nicht einzufehen, weshalb eS nicht bei einiger Energie gelingen sollte, ertragreiche An pflanzungen in einzelnen deutschen Kolonien zu erreichen. Selbstverständlich können so große Unternehmungen nicht von einzelnen Personen, auch nicht von den betreffenden Industrie zweigen allein in Scene gesetzt werden, hieran müßten möglichst viele Faktoren deS Mutterlandes mithelfen. Bei spiele in dieser Richtung sind von anderen Nationen Deutsch land ja genugsam gegeben. Stefan Tisza im Kampfe. Das ungarischeAbgeordnetenhaus ist heute wieder zusammen getreten, nachdem e« am 11. August vertagt ward. Eine außerordentliche Sitzung bat nicht stattgefunben, obwohl der Gras Stefan TiSza, wie er damals in derKonferen; der liberalen Partei erllärte, niemanden an diesem „unschuldigen Vergnügen" gebindert hätte. Der Nachfolger des Grasen Kbuen-Heder- vary liebt die Provokation. Cr weiß seinen Crsolg über die ungarischen Parteien wohl zu schätzen; denn er bat tat sächlich als Sieger dieselbe Schwelle beschritten, über die daS Ministerium Szell und das Ministerium des kroatischen Banus gestolpert sind. Im März wurde, nach dem die Vorlage einer Geschäftsordnungsrejorm zurück gezogen worden war, der „ex lex"-Zustand, wie das magyarische Barbarenlatein ihn nannte, beendigt. Allerdings sollte der Graf Stefan Tisza die „Natio nalen" nicht unterschätzen; der Graf Albert Apponyi zählt zu seinen Feinden, und auch der Baron Desider Banffy, ehemaliger Kabinetlschef, hat das Teil der Oppo sition erwählt. Der jetzige Ministerpräsident muß demnach, obwohl er ein Budgetprovisorium zweifellos durchsetzen wird, sich im Errungenen mühevoll behaupten. Beim Wehr gesetz gebt es los. Denn dieses verlangt die Erhöhung des Rekrutenkontingents, die anderthalb Jahre tobender Demonstrationen verursacht hat, es will sür einzelne Truppen gattungen die zweijährige Dienstzeit entführen, hat aber seinen schlimmsten Feind in der subversiven Forderung einer magyarischen Kommandosprache. Selbst eia Tisza darf hier, so lange Franz Josef I. lebt, nicht die Krone ver raten. Da nun nebenbei die ÄusgleichSoorlage, die seit zwei Jahren fertiggestellt worden ist, endlich passieren muß, kann Tisza ohne seine Reform allerdings nicht mehr arbeiten. Die nächste Wirkung war, wenn man den Protest der Kossuthfraktion nicht einbezieht, günstig. Es wird aus Pest gemeldet, der Klub der liberalen Partei habe gestern abend dem Grafen „herzliche Ovationen" bereitet, und Tisza habe erklärt, es falle ihm nicht ein, im Parlamen Clüture einzuführen; er beabsichtige nur, die Erledigung des Rekruten gesetzes in kürzester Frist sicherzuslellen und Garantien für die ungestörte parlamentarische Arbeit zu schaffen. Ein Attentat auf die Redefreiheit liege ihm fern. Der Minister präsident ist nicht ungeschickt, denn seine Reform, die bei ausgedehnten Debatten den Zeitpunkt festsetzt, zu welchem die Debatte unter allen Umständen zu schließen und die Ab stimmung vorzunehmen wäre, hat das englische Parlament zum Vorbild. Was gibt es Größeres? „Hoch der füdslavische König!" Am Freitag hat Peter I., gekrönter König, im Kloster Sludenica einem Hochamt assistiert. Tie Ueber- tragung der Gebeine des heiligen Stephan aus dem alten Reliquienschrein in den von der Mutter des Königs, der Fürstin Persida, im Jahre 1852 gespendeten silbernen Sarkophag ging prunkbaft in Scene. Der Herrscher, der Metropolit Jnnocenz, alle Landesblschöfe zogen um die Klosterkirche herum, und nach der Zeremonie betete der Getreue, um sich als Beispiel der Gläubigkeit ehren zu lassen. Es scheint, daß Genf weit hinter ihm zurückliegt. Am Sonntag hat ihm, wie gemeldet wurde, der höchste Geistliche mit der heiligen Chrisam über Stirn, Nasenwurzeln, Mund, Ohren, Brust und Handflächen gestrichen. Peter I. ist sehr ehrgeizig. Während seines Paraderittes haben ibn Studenten durch den Ruf: „Zivio, der südslavische König I" begrüßt; auch Kroaten und Slavonier haben mit gerufen, ungeachtet der blutigen Serbenverfolgungeu, die noch vor zwei Jahren im Schwünge waren. In Belgrad wird erzählt, daß Peter nicht bloS den größten Teil seiner Apanage, fondern auch die Million Francs, die er im letzten Winter bei einer Wiener Bank ausgenommen, und die 50 000 Rubel, die er kürzlich vom Zaren erhalten haben soll, zur großsla- vifchen Propaganda verwendet habe. Das wäre bei einem Prätendenten, der ein ganzes Familienvermögen gegen die Obrenowitsch verpulverte, glaublich. Er sucht feinen Besuch in Euxinograd, den im Nikola Paschitsch, der radikale Mann mit der „slawischen Ballonföderation", verriet, vorteil haft zu lancieren. Trotzdem ist die bulgarische Studentenschaft noch widerspenstig, die bei der Grundstein legung zum Denkmal des „Zar-BesreierS" antityrannisch lärmte, die kürzlich in der Belgrader Kunstausstellung den Serbenkönig nur verdrossen empfing und, als ein Telegramm an Kuropalkin gesandt werden sollte, disharmonisch beulte. Peler I. wird sehr ungeduldig sein, bis sie da» „Zivio" mitmacht. Deutsches Keich. * Berlin, 10. Oktober. * Zu den deutsch-schweizerische» HanSelsvcrtragSvcrhans lungen. Die Hauptschwiengtecten bei den veutsch-schweize- rischen HandelsvenragSverhaudlungen beziehen sich, nach der „Frkf. Ztg.", auf die deutsche Konfektion und auf die Schweizer Exportartikel: Maschinen, Seide undBaum- wollwaren. * Die neue Militärpensioas-Gesetzvorlage, die dem Reichstage unterbreitet werden wird, geht von der Grund- läge aus, daß nach 10 Dienstjahren ""/«o — (nicht »"/io«, wie der erste Entwurf) des pensionsfähigen Einkommens und von da ab für jedes Dienstjahr '/so bis zum Maxi mum von " «,o mit 35 Dienstjahren gewährt werden sollen. Die ursprüngliche Vorlage rechnete mit ^/loo, nach zehn Tienstzahren Steigen um '/»«> sür jedes Dienstjahr bis zu 7b/l00 nach 35 Dienstjahren. Der durch Dienstunbrauch barkeit nach relativ kurzer Dienstzeit (unter 20 Jahren) ausfcheidende Offizier kommt bei der neuen Vorlage also schlechter weg, als bei dem ersten Entwurf. Eine kleine Erhöhung des pensionsfähigen Einkommens tritt dadurch ein, daß bis zum Regimentskommandeur aufwärts die Entschädigung für Dienerhaltung etwas höher angesetzt wird. Neu ist auch, daß zum Anrecht auf die Pension der innehabenden Dienststellung nicht mehr ein Jahr Dienst zeit in dieser Stellung erforderlich sein soll, weil Liese bis jetzt geltende Bestimmung mehrfach zu großen Härten geführt hat. Bezüglich der Versorgung der Mannsä-aften tritt eine wesentliche, das bisherige Schreibwesen beim Invalidisierungs-Verfahren ziemlich beseitigende Verein- fachung ein. Es werden verschiedene Grade von Verlust an Erwerbsfähigkeit festgesetzt, und das ärztliche Attest ist maßgebend sür die Berechtigung auf die Bezüge einer dieser Klassen, wobei selbstverständlich auch der Dienstgrad und die Dienstzeit in Betracht kommen. Bei der Gene ralität soll eine Erhöhung des pensionsfähigen Einkorn- mens nicht vorgesehen sein; sie erreicht aber eher als früher das Pensionsmaximum. Die Bedeutung des neuen Pensionsgesetzes auch für den Offiziernachwuchs der Linie braucht hier nicht erst besonders bewiesen zu werden. * Eine neue LandesverratSaffärek Nack einer durch mehrere Blätter gehenden Meldung ist in Berlin ein Haupt mann G. vom Generalstabe (ob vom Generalstabe der Armee oder vom Großen Generalstabe ist nicht gesagt) an geblich wegen Hochverrats verhaftet worden. Er wird beschuldigt, mit dem verhafteten Hochstapler Salviac, kcl's? Steffen, in Verbindung gestanden zu haben. * Zufall oder Unhöflichkeit? In den Berichten über die Eröffnungsfeier der technischen Hochschule in Danzig muß es auffallen, daß bei denselben die Präsidien des Landtages keine Erwähnung gefunden haben. Waren sie zufällig nicht vertreten oder waren sie überhaupt nicht eingeladen? Tas bedarf, wie die „Natl. Korr." mit Recht hervorhebt, jedenfalls der Aufklärung. In letzterem Falle würde man sich sogar sagen müssen, daß in dieser Umgehung des Landtages bei der Eröffnungsfeier eines so wich tigen Unterrichtsinstitutes ein Mangel an Courtoisie ihm gegenüber gefunden werden muß, der in einem anderen deutschen Bundesstaate kaum begreiflich wäre. Es muß auch auffallen, daß von keinem der Redner dem Landtage ein Wort der Anerkennung für seinen Anteil an dem Zustandekommen des Werkes gezollt wurde. Nicht nur hat der Landtag in liberalster Weise die er forderlichen Mitte! bewilligt, er hat auch durch seine energischen Kundgebungen zu grinsten einer technischen Hochschule vorhandene Widerstände beseitigt. In ge wissen Kreisen scheint man allerdings den Landtag mehr als eine Geldbewilligungsmaschine zu betrachten, die, wenn sie ihre Schuldigkeit getan hat, nicht weiter be achtet zu werden braucht. * Irin Bericht über- Sie Informationsreise des Ministers bes Innern, die diesen in Begleitung des Oberpräsidentcn von Bethmann - Hollweg und des zuständigen Kommunal- reserenten Geh. Ober - Negierungsrats von Falkenhayn nach Lonoon und Paris geführt hat, liegt dem Vernehmen der „T. R." nach zurzeit dem Kaiser vor. Wie das Blatt hört, ist Herr von Hammerstein zu Ergebnissen ge ¬ meinst, du schaust alle Engerln im Himmel beisammen I Aber fein Obacht mußt geben, dös d' net an so am' sackri- schen Engerl hangen bleibst II" — Der Sprecher lachte dröhnend auf und zwinkerte der Cenzi verschmitzt zu. „Und vollends du, Dirndel, sei arg auf der Hut! So ein bildsauberes Blut wie du haben s' nit ost in der Stadt und die Manner kennen sich aus auf was Neues! Da wird 's nit lang dauern und du hast an jedem Fingerl a Schatz hangen!" — „No, no!" fuhr der Toni auf und schaute ganz wild auf das heißerglühende Mädchen, „daran ist dem Cen- zerl fein gar nix gelegen und ich mein, wann ich an seiner Seit' steh', nachen halt sich jeder andere fern!" Ter Gendarm machte eine Bewegung mit der Hand und paffte ein paar dicke Rauchwolken. „A Bruder hat da gar nix zu schäften bei'!" lachte er vergnügt. „Glaubst, io a Sakramenter, der um a Dirndel lauft, fragt viel danach ob's a Zweiter erlaubt? O mei'! was raufen's allweil um so a Madl!" „Raufen tuns?" rief das Cenzerl entsetzt, „JessaS, nur döS nit!" Der Toni aber reckte sich hoch auf und alles Blut schoß ihm inS Gesicht. „Und . . . und wann i sagen tät, die CreSzenz sti allweil mei Schatz?" Wieder lachte der Gendarm und machte einen Ruck mit den Schultern, al» wollte er sagen: bist du a Da- Mischers „Du kennst so a Stadt und die Leut noch nit, Toni! Ob's du sagst „mei Schatz" oder nit, daran halt sich kein's. — Grad des is der Jux bei den Buam, dös einer dem anderen sein Schatz abspenstig macht! Da raufen's und schlagen sich z'samm' und wer den Sieg hat, der hat auch's Madel, denn weißt, leichtfertig und eingebild't werden die Frauensleut fein sehr in der Stadt und spielen sich auf damit, wer'n schneidigsten Liebsten hat! Na, ich mein, Toni, du, mit deine Fäust schaffst schon was, und wann dir's Dirndel nit selber'n Laufpaß gibt um ein'n, der fixer oder reicher is, nachen halt'st du allweil den Sieg!" Der junge Bursch starrte -en Sprecher an und murmelte durch die Zähne: „So'ne Madeln gibt'» a?" „Toni, du kennst die Welt noch nit!" nickte der Gendarm sehr behäbig und würdevoll. „Schau, in mein' Amt lern' i gar mancherlei Leut kennen. O mei', wie viel Loderer und Flanken hab' i schon hinter Schloß un Riegel bracht, und wie viel schlechte Weibspersonen hab' i auf'n Tanzboden z'sehn kriegt! Da lernt's eine von der andern, und dös is 's Malheur! — Und was i euch sagen wollt: Habt Obacht auf eure Tascheln, dö» euch kei Langfinger die Münz stiehlt. Trauen darf ma in der Stadt keinem einzigen, und wann'r noch so a kreuz- brav'S Gesicht macht. I sag' dir's, Toni, du kennst die Welt noch nit! — Da droben in dein' Hochwald, da bist Herr und König, da wagt sich kei Marder an dein' Taubenschlag und kimmt ka Dieb, der dir dein' Schatz stiehlt, aber da hier unten . . . o mei', — so a Falsch heit und Hinterlist laßt dir gar nit träumen!" Und der Sprecher spuckte verächtlich aus, nahm eine Prise und nieste herzhaft drauf los, und derweil er sich schnäuzte, sah man nicht, wie er verschmitzt in den Bart lachte. Hätte es nur der Beckhaber hören können, wie er daher redete! Na, der hätte seine Helle Freude dran gehabt. Ganz still und schweigsam saß der Toni plötzlich und starrte nieder auf seine Nägelschuh und zerrte an dem dunklen Bartflaum der Oberlippe. Oft glimmte es in seinem Blick auf wie Unglauben und Mißtrauen, aber die Hochachtung vor dem Manne des Gesetzes kämpfte gegen die Zweifel, welche in ihm laut wurden. Endlich räusperte er sich und sah mit schnellem Seitenblick nach dem armen Cenzerl, welches ganz blaß und mit bebenden Lippen immer angstvoller in seine Wagenecke kroch. „Weißt, Gendarm", sagte er mit rauher Stimme, du hast' mit deinen Worten dem Dirndel allen Mut g'nommen. Nun tät ich dich fein bitten, hüt' da» Cen- zerl, bi» ich mein' Sach auf dem Amt, ab'macht hab'. — Der Data meint, so lang douert'S nit, weil der Offizier auf'n ersten Blick an mein' Fuß sieht, daß ich frei kom men muß. — Derweil bleibst beim Cenzerl, gel, da mit'» ka Schaden nimmt in der fremden Stadt? — „Der Data hat gemeint, ich soll im Wirt»hauS still sitzen bleiben und warten, bis daß du z'ruck kommst, Toni!" — flüsterte das Lindbauermädel zaghaft zu ihm auf, der junge Bursch aber schüttelte mit finsterm Blick den Kopf, daß die nußbraunen Locken tief in die Stirn sielen und antwortete barsch: „Nix damit! I will nit. daß d' allein und verlassen sitzt! — Vorm Gendarm seinem Wamms und Hütl haben's a Respekt und lassen dich auS, die Loderer!" «Sei nur stad, Toni! I bleib dabei! Recht hast, so ein blitzsauberes Madel wie dei Schwester! laßt ma nit unbehüt', das Cenzerl is so viel unschuldig und kennt sich nimmer aus auf die feinen Stadtherrn. Bei mir aber is 's sicher. — Nach'n sitz' i beim Dirndel und wir trinken a Maß, und wann du frei bist, schlandern mir durch die Stadt, dann seht'r, wie's da auSschaut. Nach'n aß'n ma a Geselchtes oder gute Weißwursteln im Wirtshaus und schauen zu, was dös für'n Getreib i», denn weißt, heut', wo all die Rekruten einkommen, da is rein der Teuft loS! Um sechs Uhr fahrt die Post z'ruck, da könnt ihr heim und dem Beckhaber alles ver melden, — o mei'! Zu erzählen werd's schon genug haben!" Der Toni atmete tief auf und reichte dem Sprecher zum stummen Dank die Hand, die CreSzenz aber schlug mit zitterndem Angstschrei die Hände vor das Gesicht. (Fortsetzung folgt )
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