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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041013010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-13
- Monat1904-10
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Annahmesthlub für Anreize«: Abeud»Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen« Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Beila-nr (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung ^l 60.—, mit Postbefvrderung ^l 70.—. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Di« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck nnd Verlag von E. Palt in Leipzig (Inh. vr. V..R. L W. Klinkhardt). Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem NHaktiontftrich (4 gespalten) 75 -4, »ach d« Familiemmch» richten (6 gespalten) KO -4- Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Stachweisungeu und Osfertrnannahme Lü -4- Nr. 523. Donnerstag den 13. Oktober 1904. 98. Jahrgang. Var Wcbtigrlr vom lagt. * Als Nachfolger des Kolonial-Direktor« Dr. Stuebel wird der deutsche Generalkonsul in Genua, Irmer, genannt. (S. Disch. Reich.) * Der lippische Konflikt wird bereit« in der heutigen Sitzung des Bundesrats zur Verhandlung kommen. (S. Deutsch. Reich.) * Da« ungarische Futterausfuhrverbot soll nach einer Erklärung des Ackerbauministers bis zum Frühjahr aufrechterhalten werden. (S. AuSl.) * In der Thronrede zur Eröffnung deS norwegischen Ltorthings wurde ein neuer Zolltarif zum Schutze der nationalen Arbeit angeliindigt, welcher die Zoll einkünfte um mehr als eine Million Kronen vermehren soll. 'S. Ausland.) * Der Zar hat in einer Depesche den General Kuropatkin befohlen, bis zum letzten Mann zu kämpfen. (S. russ.-jap. Krieg.) Mr irt Derr im staiire? „Ich kann warten", sagte Herr Kirschner, als er zum Oberbürgermeister von Berlin erwählt war. Und er muhte fast ein Jahr auf die königliche Bestätigung inarten. Man fragte sich vergeblich, wozu diese lange und peinliche Wartezeit nötig sei, da Herr Kirschner zwar als ein liberaler Mann sich erwiesen hatte, aber seine Loyalität keinen Augenblick in Zweifel gezogen werden konnte. Auch seine bisherige Amtsführung zeigte ein säst ängstliches Bestreben, „oben" so wenig wie möglich auzustohcu. Und doch, die höheren Regionen hatten eine seine Witterung, als sie dem Frieden nicht trauten. Der Berliner Sckmlkampf lmt gezeigt, dah Herr Kirschner auch Haare auf den Zähnen hat. Bisher war der Berliner Oberbürgermeister in Berlin wegen jener Wartezeit populär, sozusagen auf Hoffnung; seit dem letzten Donnerstag steht das Zweimillionen-Berlin hinter ihm wie ein Mann. Kirschner lzat zur rechten Zeit und in »echter Weise ausgesprochen, was ist; unerschrocken und mit jener Unerbittlichkeit der Logik, die man ihm „oben" nie vergessen nnd verzeihen wird. Es waren Worte, wie »nan sie in unserer Zeit des fast omnipotenten Staates nicht mehr zn hören gewohnt ist, Worte, die von der heute »ast unerträglich gewordenen Willkür der Bureaukratie an das Recht appellierten. Und weil jedermann die An- mahung der Amtsstuben um so mehr empfindet, je weniger sie tatsächlich leisten, deshalb ist die Genugtuung in ganz Berlin über die Abfuhr, die ihnen Kirschner zuteil werden lieh, so groh nnd so allgemein. Rekapitulieren wir kurz den Hergang. Der Anlah »st so kleinlich, wie der Geist der Bureaukratie. Berlin hat für Schulen aller Art kolossale Summen aufge wendet; das war seine Pflicht und Schuldigkeit, es hätte hier und da noch mehr sein können, aber im ganzen darf eS doch auf seine Leistungen auf diesem Gebiete stolz sein. Der Wert der Schulgrundstücke beträgt 112s4 Millionen, was doch kein Pappenstiel ist. Nach der preußischen Städteordunug hat die Gemeinde, wie cs ja auch ganz ielbstvcrständlich ist, über diese von ihr erbauten und unterhaltenen Gebäude das Verfügungsrecht. Seit 83 Jahren hat ihr die Bureaukratie nickst ein einziges Mal in dieses Recht drein geredet, obgleich doch unter Kultusministern wie Raumer, Miihler und Bosse schon allerlei versucht wurde. Die Stadt gibt denn auch nach entsprechender Prüfung die Turnhallen, Aulen und sonstige geeignete Räume zu den verschiedensten Zwecken an Fortbildungsschulen, Turnvereine, Gesangvereine und ähnliche Veranstaltungen her. Im Jahre 1903 hat sie in 400 Fällen eine fortdauernde, in 108 Fällen eine einmalige Benutzung der Schulräume gewährt. Wie man sieht, handelt es sich hierbei um eine ziemlich aus- gedehnte Benutzung der städtischen Gebäude durch private Bereinigungen, wie es ja auch natürlich ist, dah die Stadt ihren Bürgern nach Möglichkeit cntgcgeukommt, wo es der eigentliche Zweck der Schulgebäude nickst verbietet. Aber seit 1898 fing das Provinzialschulkollcgium an, dem Magistrat in dieses Vcrfügungsreckst dreinzureden. ES nahm zunächst daran Anstoß, daß der Berliner Magistrat seine Turnhallen auch einer Reihe von polnischen, tschechischen, sozialdemokratischen und antise mitischen Vereinen zur Verfügung gestellt hatte — wohl gemerkt zur turnerischen Zwecken. Nun ist wirk- lich nicht cinzuseheu, weshalb man diese Vereine nicht ebenso wie die reichstreuen Vereine in den Turnhallen der Stadt turnen lassen soll. Man konnte es um so weniger versagen, als zur Zeit des Koscielski-Admiralski die Regierung — entgegen dem Willen des Magistrats — erklärt hatte, sic habe gegen die Hergabe städtischer Schul räume in Berlin zur Erteilung polnischen Sprach unterrichts keine Bedenken. Aber der Wind in den höheren Regionen war unterdessen umgeschlagen und der Magistrat nahm darauf wenigstens soweit Rücksicht, als er sich bereit erklärte, den polnischen und tschechischen Turnvereinen keine neuen Hallen zur Verfügung zu stellen. Nur die bisherigen Bewilligungen wollte er nicht rückgängig machen. Das ließ man denn auch zunächst auf sich beruhen. Dafür fetzte jetzt der bureaukratische Kampf gegen die freireligiöse Gemeinde ein, die ihre Gottesdienste in einer Aula abhält. Das Provinzialkollegium verlangte kategorisch, Latz die Genehmigung zurückgezogen werde. Das war im Jahre 1900. Und diesmal setzte sich der Berliner Magistrat auf die Hinterbeine. Er erklärte auf die barsche Aufforderung der Regierungsbehörde kurz und bündig, daß die freireligiöse Gemeinde eine den Gesetzen entsprechende staatlichgeduldeteReligionsgemeinschaft sei; daß ihr das Recht zu öffentlichen Religiousübungen durch Gesetz und Verfassung gewährleistet sei; daß es um so weniger bedenklich sei, ihr zn ihren religiösen Ver sammlungen die Aula einer Gemeindeschule ciuzuräumen, als anderen Religionsgemeinschaften die gleiche Be nutzung städtischer Aulen noch nie verweigert sei. Die Behörde beharrte trotzdem bei ihrer Forderung, und der Magistrat sagte jetzt rundweg nein. So blieb cs bis zum Dezember vorigen Jahres. Dann kam Plötzlich eine Verordnung des .Kultusministers, wo nach allgemein die Ueberlassung der Schulgebäude zu anderen Zwecken als zu denen des öffentlichen Elementar unterrichts der vorgängigen Genehmigung der Schul behörde bedarf. Für diese Verfügung berief sich der Minister auf eine Regierungsinstruktion von 1817, in der aber von diesem äußeren Aufsichtsrecht überhaupt nichts steht. Nun stellte sich der Magistrat auf den Ncchtsstand- punkt. So ging cs hin und her, bis jetzt die Regierung kurzer Hand die Rektoren einzelner Schulen anwies, die Turnhallen und die Aula für die betreffenden Vereine — auch die freireligiöse Gemeinde ist natürlich darunter — geschlossen zu halten und den Mitgliedern den Eintritt zu verwehren. Der Berliner Magistrat parierte den Schlag, indem er beschloß, der freireligiösen Gemeinde zur Abhaltung ihrer religiösen Versammlungen den Bürgersaal des Rathauses zu bewilligen. Wenn jetzt die „Nordd. Allg. Ztg." in dem schon er wähnten offiziösen Artikel sagt, cs könne nach den Grund sätzen des preußischen Oberverwaltungsgerichts keinem Zweifel unterliegen, daß die Gemeinde-Autonomie in Ansehung der Schule durch die Schul- an Stelle der Kom munalaufsicht beschränkt ist und zwar unter Statuierung von Machtbefugnissen für die Behörde, die weit über die den Kommunalaufsichtsbehörden eingeräumten hinaus gehen, so ist das vorläufig lediglich eine Behauptung, für die erst noch der Beweis zu liefern wäre. Und wenn ferner angekündigt wird, die Durchführung der Regie rungsmaßregeln werde in sachlicher, aber entschiedener Weise erfolgen, so wird man dieser Drohung gegenüber mi Berliner Natljause wohl volle Ruhe bewahren. Der Konflikt zwischen Stadt und Regierung ist auf die Spitze getrieben, zweifellos durch die Schuld der Negierung. Es ist auch klar, daß das rigorose Vorgehen der Regierung, in dem zugleich ein gut Teil religiöser Unduldsamkeit steckt, in der Berliner Bürgerschaft eine Unsumme von Erbitterung und Ent rüstung ausgclöst hat. Jedenfalls ist kein Zweifel daran, daß die Berliner Stadtverordneten einmütig hinter dem Magistrat stehen. Am Dienstag hat die Kommission getagt, welche unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Kirschner zu- sammengctreten war, um die Schritte zu erörtern, die in Sachen des Schulkonflikts unternommen werden sollen. In Erwägung gezogen wurde die Absendung einer Beschwerde an die Regierung, und es steht zu erwarten, daß der Magistrat diesem Schritt zustiimncn wird. Ter Magistrat soll sich mit der Absicht tragen, die Berliner Rektoren von der Aufsicht über die Schulräume während der schulfreien Zeit zu entbinden und mit derselben Bürgerdepu- tationen aus der Grundeigentumsdcpntation zu betrauen, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu staatlichen Behörden stehen. Dio Berliner Polen, deren Turnvereine durch das jetzige Vorgehen der Re gierung obdachlos geworden sind, wollen in der nächsten Woche eine allgemeine Protestversammlung abhalten und beabsichtigen, den Berliner Magistrat in einer Eingabe zu ersuchen, auch den polnischen Einwohnern der Reichs hauptstadt als gleichberechtigten steuerzahlenden Bürgern seinen Schutz gegen die neuesten Maßregeln der Regie- rung angedeihen zu lassen. vrr nirrkck).iap<mi»chr Krieg, von -er rnffifehen Intendantur. Die Berichte Kuropatkin« an den Zaren, in welchem der Intendantur für ihre Dienste ein warme« Lob gezollt wird, haben in ganz Rußland Wirderklang gefunden, umso mehr, da man bisher infolge der sprichwörtlich gewordenen Bestechlichkeit dieser Truppe trübe Erfahrungen gemacht und ihr ein große« Mißtrauen entgegenbracbte. Es ist daher ein Telegramm der bekannten russischen Kriegsbericht erstatter über da« Wirken dieser Truppe im jetzigen Kriege von hohem Interesse. Wie unS au- Petersburg gemeldet wird, lautet e« folgendermaßen: »Sieht man von kleineren Feh lern und Nachlässigkeiten ab, so kann man die Leistungen dieser Truppe al« ausgezeichnet bezeichnen. Der alle Typus de« Jntendantur-Beamten, der so oft den Stoff für den Spott in den Berichten der Männer der Feder gab, ist verschwunden, und e« steht zu hoffen, für immer. Ich erinnere mim noch sehr deutlich des russisch-türkischen Krieges. Wo sind die beinahe lächerlichen Gestalten, die Phänomene in der Un- ruverlässigkeit jener Epoche, geblieben? Der Intendantur- Offizier von beute ist ein strebsamer Arbeiter geworden; die Avantgarden-Detachements des General Mischtscbenko und Samjouoff wurden in den häufigsten Fällen durch die Inten dantur mit allem, was nötig war, versagt. Bei dein Bombardement von Liaujang durch die Japaner konnte man die Intendantur mitten im Feuer ihren Dienst verrichten sehen. Dabei sielen ein Mann, elf wurden ver wundet, 23 erlitten leichtere Verletzungen. Oftmals hatten die Intendantur-Truppen einen Kampf mit den CH un aus en zu bestehen, wobei sie sich mit Bravour schlugen. Bei Iantai kam der General Gouber mit den Soldaten der Intendantur den Truppen Orloffs zu Hülfe und hat wesentlich zum Erfolge beigetragen. Man kann der Intendantur die Achtung nicht mehr versagen und muß auch ihre Uniform respektieren." Bestellungen -er Japaner. Aus dem Haag, 11. Oktober, wird unS gemeldet: Ein Londoner Haus kaufte soeben in Holland zwei Millionen Käse von Gouda, die für die japansiche Armee bestimmt sind. Sun« Sinken -er Aüstenpanzerr ,,Heijen" will eine aus Tokio, 12. Oktober, datierte Meldung des BureauS Reuter, das auch daS zuletzt abgedruckle Telegramm vermittelt hatte, nunmehr richtig stellen, daß die Zahl der auf dem Schiffe Umgekvmmenen 197 betrage. Japanische Torpe-»r aur Fiume. Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Pest: Drei japanische militärische Delegierte seien in Fiume eingetroffen, um bei der dortigen Torpedosabrik die bestellten Torpedos auszu proben. Japan habe soviel Torpedos bestellt, daß die Fabrik mit der Herstellung zwei Jahre zu tun haben wird. Die Absendung solle gruppenweise erfolgen. Bäuerliche Depeschen. Der „Daily Expreß" erfährt aus Petersburg vom 11. Oktober: Der Zar sandle Kuropatkin eine Depesche, worin er die Notwendigkeit betonte, daß der Feind besiegt werde und dem General befahl, bis zum letzten Mann zu kämpfen. Die Zarin tat ein Gleiches. Varmarsch -er Japaner. Dem „Reuterschen Bureau" wird ohne Datum von dem Korrespondenten bei der Armee Okus über Fusan vom 10. Oktober gemeldet: Der Vormarsch auf Mulden hat morgens begonnen. Als Oyama erfuhr, daß die Russen ihren linken Flügel, der fünf Meilen nördlich von Iantai stand, verstärkten, gab er Befehl zum Vormarsch auf der ganzen japanischen Linie. Die Infanterie Okus eröffnete den Marsch und rückte zwei bis drei Meilen nordwärts, die Artillerie folgte. Die Russen, die diese Bewegung beobachteten, eröffneten mit der Artillerie da« Feuer, das von den Japanern erwidert wurde. DaS Feuer dauerte den ganzen Tag, ohne daß ein eigentliches Ergebnis erzielt wurde. Die Infanterie wird abends den Vormarsch forlsetzen. Deutsches Keich. Leipzig, 12. Oktober. * Wünsche zur Revision des VereinSzollgcsetzcS. Zu der geplanten Rivision deS Vereinszollgesetzes äußerte zu seinem 24. Abschnitte, der in den HZ IN—l18 VerkehrS- erleickterungen und Befreiungen für Versendungen aus dem Vereinsgebiete durch daS Ausland nach dem Vereins gebiete vorsiebt!, die Handelskammer zu Ebemnitz ver schiedene Wünsche, die sie nebst andern der sächsischen Re gierung zur Berücksichtigung unterbreitete. Die Kammer bält es für äußerst wünschenswert, daß an dieser Stelle des Gesetzes genaue Vorschriften über den Veredelungs verkehr ausgenommen werden. Vor allen Dingen erscheint cs der Kammer notwendig, daß eine Auslegung dessen gegeben wird, was unter Veredelungsverkehr zn verstehen ist, und daß Bestimmungen erlassen werden, unter denen der Veredelungs verkehr zu gestatten ist, und Anordnungen, unter denen er zu erfolgen bat. Dabei vertritt die Kammer grundsätzlich den Standpunkt, daß der zollfreie Veredelungsverkehr nur dann ru gewähren ist, wenn und insoweit eine Feststellung der Identität der zn veredelnden Gegenstände anstandslos er folgen kann. Hiermit will sie aber nicht die Bewilligung eines Zollerlaßes in besonderen Fällen, z. B. für Waren, die nachweislich in Deutschland nicht angefertigt werden, ausgeschlossen wissen. Dagegen hält e« die Kammer für nötig, daß im Vereinszollgefctze Bestimmungen ausgenommen werden, durch die verhindert wird, daß unter dem Namen des BeredelungSverkebreS auf im Jnlande preiswert und zweckentsprechend erhältliche Erzeugnisse der Zoll erlassen wird, weil andernfalls die Gefahr besteht, daß wichtige In dustrien schwer geschädigt und unhaltbare Zustände geschaffen werden. Die Kammer erblickt in dem zollfreien autonomen Ver» tdelungSvcrkebr eine wichtige und zweckdienliche Einrichtung und erachtet die Aufrechterhaltung dieser Einrichtung im Interesse der bei der Ausfuhr beteiligten Kreise für geboten, aber sie legt einen besonder» Werl auf die Aufstellung einer genauen Bestimmung des Begriffe- VeredelungSverkcbr und muß auf der Forderung bezüglich der Festhaltung ter Identität der zn veredelnden Gegenstände bestehen bleiben. Wird näm lich der Veredelung-Verkehr ausgedehnt und namentlich das Erfordernis eines strengen Identitätsnachweises aufgegeben, so scheint mit Rücksicht darauf, daß das Zolltarifgesetz keine Er höhung, sondern vielfach eine Ermäßigung der Zölle für die wichtigsten Halberzeugnifse mit sich bringt, eine derartige Aus dehnung gefährlich und droht die Ziele deS Zollschutzes unserer nationalen Arbeit umzustoßen. Bezüglich de« passiven Veredelungsverkehre« ist nach Ansicht der Kammer zu berück sichtigen, daß durch die im Äuslanve erfolgte Veredelung ein höherer Wert de« betreffenden Gegenstandes und zwar zu gunsten des Auslände« geschaffen wird. Kommt der Artikel durch die Veredelung in eine andere höher« verzollt« Gruppe des Warenverzeichnisses, so muß wenigstens diese Erhöhung zollpflichtig sein. O Berlin, 12. Oktober. * Zum lippische» Konflikt. Der, wie gemeldet, in Berlin eingetroffene lippische Staatsminifter Gevekot gewährte dem Berichterstatter der „Frkf. Ztg." eine Unterredung und er klärte, er müsse die Verhandlungen der morgigen Bundesrats Sitzung abwarten und könne nichts sagen. Die Staats regierung stehe vor einem Rätsel gegenüber dem Verhalten des Landtages. Die Regierung habe den Staatswagen nur in dem Gleise vorgeschoben, das der Landtag selbst durch die Gesetzgebung vorgc- zeichnet habe. Der Landtag verlange aber mehr al- sein Recht, wenn er sich auf das NegentschastSgesetz von 1895 berufe. Denn dieses gelte nur bis zum Ableben deS geistes kranken, regieruiigSunfähigen Fürsten Karl Alexander. Nun sei zwar der 72 jährige Fürst leiblich gesund und lebens- kräfiig; aber für den Fall seines Todes müsse Vorsorge ge troffen werden, daß das Land nicht in innere Wirrnis gerate. Die Regierung könne nicht zugeben, daß die Regentschaft nur auf ein Jahr anerkannt werde. Der Minister meinte ferner, daß er morgen in der Plenarsitzung den Wortlaut des Tele gramms, das der Grafregent Leopold beim Tode de« Grafen Ernst an den Kaiser gerichtet bat, vorlegen werde, um dar zutun, daß die Annahme keineswegs berechtigt sei, al« habe die Form dieser Depesche auch die Form der kaiserlichen Antwort bestimmt. Ausdrücklich erklärte der Minister, daß die wieder anfgewärmtc Behauptung, al« sei der letzte Erlaß des Fürsten Waldemar niemals bekannt geworden und al« habe sich der Minister von Wolfgram das Leben genommen, weil er dieses Dokument nicht zur Stelle schaffen konnte, vollständig unbegründet sei. Die Angelegenheit, bezw. daS Eingreifen des Kaisers soll übrigens eventuell von Seite des Zentrums auch im bayerischen Landtag §ur Sprache gebracht werden. Dr. Pichler äußerte sich in einer öffentlichen Versammlung in Passau zu dieser Frage laut Bericht der „Don-Ztg." folgendermaßen: Sollte bis znm Wiedcrzusammentriti der bayerischen Abgeord netenkammer die Angelegenheit im Fürstentum Lippe noch nicht endgültig durch den Bundesrat geregelt sein, so wird der bayerische Landtag es sich zweifellos nickt nehmen lassen', die bayerische Regierung an ihre Verpflichtung in dieser Sache zu erinnern * Hofnachrichten. Der Kaiser nahm gestern in Huber tusstock deu Vortrag deS Chefs deS Militärkabinets, General leutnants Grafen Hülscn-Häfeler entgegen. Heute hörte der Kaiser die Vorträge des Wirkt. Geh. Rats Dr. v. LueanuS und des Admirals v. Scndcn-Bibran. * Tiplomatische Personalien Eine Korrespondenz will wissen, daß erhebliche Personalveränderungen in der Kolonial- Abteilung des Auswärtigen Amtes, wenn auch nicht in aller nächster Zeit, mit Bejiimmtheit zu erwarten seien. Al- präsumtiver Nachfolger des Kolonialdirektors Dr. Stuebel wird der Generalkonsul Irmer in Genua genannt. * RcchnungSkontrolle im Deutschen Reich. DaS Gesetz, nach dem der preußischen Oberrechnungskammer auch die Funktionen einer obersten Reichsrechnungskontrollbehörde überwiesen wurden, war als ein Provisorium gedacht. Ein Definitivum ist ihm aber bis heute nicht ge folgt: vielmehr wird alljährlich durch besondere soge nannte Kontrollgesetzc jenes Provisorium der RecchShaus- hallskontrolle von Jahr zu Jahr verlängert Vielfache Ver suche, eine Reich-Haushalts (Reickskomptabilitäts-) Gesetz zu erlassen, sind stets gescheitert. Auch da« Reichsgesetz vom 16. Mär; 1903 enthält nur ein neue« Kontrollgesetz. Nack den hiernach geltenden Vorschriften wird die Kontrolle des Reickshaushalts usw. von der zu diesem Zwecke entsprechend verstärkten preußischen Oberrecknungskammer unter ter Be nennnng „Rechnungshof de« Deutschen Reiche«" geführt. Hiernach erfolgt alfo die Kontrolle des preußischen Staats haushalt« und de« Reichshaushalts von einer Behörde, je unter verschiedener Benennung. In Wirklichkeit aber be stehen die preußische Oberrechnungskammer und ter Rech nungshof des Deutschen Reichs je als besondere Behörden. Beide Behörden haben zwar in dem — als preußischen Be amten — vom König von Preußen auf Vorschlag des preußi- scheu Staatsministeriums unter Gegenzeichnung des Vor sitzenden des StaatsministeriumS zu ernennenden Cbcfpräsi- denten eine gemeinsame Spitze; sie stehen jedoch in allen anderen wesentlichen Punkten rechtlich auf besonderem Boden. E« ist nicht nur der Geschäftsbetrieb für jede Behörde be sonders geregelt, sondern es baden auch die Beamten des Rechnungshofes, im Gegensatz zu den al« preußisckc Beamten auf dem preußischen Staatshaushaltsetat stehenden Beamten der Oberrechnungskammer, als kaiserliche, auf dem Neicksetat stehende Beamte die Eigenschaft unmittelbarer ReickSbeamtcr. Beim Fehlen der gemeinsamen Spitze infolge von Beurlaubung oder Erkrankung oder de« Todes des Cbefpräsidenten gehen beide Behörden ohne weitere- in der Weife auseinander, daß alsdann der Cbefpräfident bei jeder Behörde je von dem ältesten Direktor derselben ver treten wird. * Entwicklung der Landes - Versicherungsanstalten zu Volkswohlfahrtsämtern Gekannt ist, eine wie umfassende Tätigkeit im Interesse der Volksgesundheit die Zentralstellen der Invalidität-- und Altersversicherung, die Lande«-Ber- sicherungSanstaltcn, bereits jetzt ausüben. Insbesondere haben sie sich neben ihrer eigentlichen Aufgabe der Versicherung un: den gemeinnützigen Wohnungsbau vielfach verdient gemacht. Es sind nun lebhafte Bestrebungen im Gange, eine gesetz liche Aenderung herbeizuftthren, welche den LandeS-Versiche rungSanstalten ganz allgemein die Förderung des Klein- wobnungsbaues zur Pflicht macht und diese Tätigkeit plan mäßig ausgestaltet. Auf dem nabe bevorstehenden 1. Allge meinen Deutschen Wohnungskongresse in Frankfurt a. M. vom 16. dis 19. Oktober d. Irs. werden diese Bestrebungen, wie die „Nat.-Ztg." hört, sehr lebhaft von sachkundiger Seite vertreten werden; und da eine umfassende Lösung dieser ganzen Frage immer mcbr al« eine äußerst wich tige und dringliche Aufgabe erkannt wird, so ist e« keineswegs au-gefchlolsen, daß es in absehbarer Zeil zu der in Rede stehenden Erweiterung de« Wirkungskreise« der Lande« - Versicherungsanstalten kommt Sollt« da- der Kall sei», so würden sich diese Anstalten damit immer mehr von
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