Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040707027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904070702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904070702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-07
- Monat1904-07
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis 1» der tzauptexpedtttmi oder der« Au-gabo» stell« abs«holt: vierteljLhrltch 3.—, bet zweimaliger täglich« Zilstelloag in» HauS S.7L Durch die Post bezog« für Deutsch land «. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrig« Läudu laut Zeilvugspreiöliste. sttedattto«: Zohuimtsgasse 8. Sprechstunde: 5—« Uhr Nachm. Ferusprrch«: Ibä Gr-edtNon: JohaaniSgasse L Ferusprrch«: 222. FilialexpedtNolleu: Alfr « LHahu, Buchbundlg., llntversitätsftr.3 lFernspr. Nr. 4046). L Lüsche, Katharinen- straß» 14 tFernsprrch« Nr LS3üi u. KüutgS- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-KtUale Dresden: Marienstratze 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzg l.Bayr.tzofbuchbaodIg.. Lützowstraße 10(Ferusprrch«AmtVI Nr.4603.) Abend-Ausgabe. KiWgcrIllgMatt Anzeiger. Äwtsvlatt -es Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rolneiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unt« dem RednktionSflrich (4gespalten) 75 nach den Femstiennach- richten (6 gespalten) 50 »j. Tabellarischer and Fisserigatz entsprechend höh«. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahine 25 Ertra-Betlagen gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ^tl 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschlutz iar «uzetgen: Astend-Ausgabe: vormittags lO Uhr. Morges-Ausgabe: aachmittagS 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wocheniag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Pol» tn Leipzig (Znh. Or. V., R. L W. Sltnkhardt). Nr. 342. Donnerstag den 7. Juli 1904. 88. Jahrgang. Var Wchtigrte vom rage. * Wegen Verrats militärisch« <-eheimntsfc verurteilte daS Reichsgericht den Schlosser Julius Davot aus Uchingen zu drei Jahren Zuchthaus, 1500 Geld strafe, 5 Jahren Ehrenrechtsverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. (S. Reichsgericht.) * Der Kaiser trat heute morgen 7 Uhr von Swine- münde aus auf der „Hohenzollern", der das Torpedoboot „Sleipner" und der kleine Kreuzer „Hamburg" folgten, die Nordlandsreise an. Die Kaiserin ist gestern abend 9 Uhr 20 Minuten programmäßig von Swinemünde nach Cadinen abgefahren. * König Georg begibt sich morgen von Bad Ems zur Nachkur nach Bad Gastein. (S. Sachsen.) * Man nimmt jetzt an, daß die bisher immer wieder verschobene Audienz der Ansiedler aus Deutsch- Südwestafrika beim Kaiser möglicherweise bei dessen Rückkehr von seiner Nordlandreise stattftndet. * Die von der Deutschen Kolonialgesellschaft ein geleitete Sammlung zu gunsten der geschädigten Ansiedler in Südwestafrika hat bisher über 247 000 ergeben. vackische Zcbmerren. Wie sich im Großherzogtum Baden die Ver- fasfungsfrage ausgestaltet, weiß beute noch nie mand mit annähernder Sicherheit zu sagen. Die Erste Kammer nahm die an den Regierungsentwnrf sich an- lehnende Umgestaltung der Vorlage an, die das d i r e k t e Wahlrecht enthält, aber das Budgetrecht der Ersten Kammer erweitert. Dies ist die Klippe, an welcher die Wahlrechts- Und Derfafsungsreform zu scheitern droht-. Denn in der jetzt von der Ersten Kammer angenommenen Fassung wird sich das Abgeordnetenhaus schwerlich bereit finden lassen, den Entwurf anzunehmen. Das äußerste Zugeständnis, wozu sich — nach der jetzigen Stimmung — das Abgeordnetenhaus herabläßt, wäre das Recht der Rückverweisung, ähnlich wie es bei auseinandergehenden Beschlüssen zwischen dem preußischen Herrenhause und dem Abgeordnetenhause besteht. Zu diesen Wahlrechts- und Verfassungskämpsen nebst der Unsicherheit über die Haltung der Regierung in der Klosterfrage gesellt sich aber jetzt eine große wirt- jchaftliche Frage, die insonderheit das mächtig auf- blühende Mannheim trifft, dann aber, da das badische Land die Kosten dafür aufbringen soll, ganz Baden mit betrifft: die Regulierung des Oberrheins, die einen Großschiffahrtsweg bis Straßburg eröffnen soll, tritt wieder in den Vordergrund. Es scheint, daß die badische Regierung sich mit dem Reichsland und anderen Interessenten über diese Frage bereits verständigt hat und nun ihre Lösung in Angriff genommen werden soll. Als Ideal hat ein Großschiffahrtsweg, von der Mündung des Rheins bis hinauf nach Straßburg, schon längst den Be fürwortern einer großzügigen Verkehrspolitik vorge schwebt: aber es läßt sich auch nicht leugnen, daß für Baden, so weit die Verhältnisse sich bis jetzt übersehen lassen, zunächst ganz empfindliche Nachteile daraus er stehen, deren Ausgleichung noch im dunklen Schoß der Zeiten ruhen. Das Projekt ist durchaus nicht neu und hat bereits den Landesausschuß von Elsaß-Lothringen wie die badi- schcn Kammern beschäftigt. In Baden wies man darauf hin- daß die Regulierung des Oberrheins und ein Groß schiffahrtsweg nach Straßburg mit unbedingter Not- Wendigkeit den Verlust der badischen Eisenbahnhoheit, die schwerste Schädigung Mannheims und eine der empfindlichsten Schädigungen Badens auf verkehrspoli- tischcm Gebiet, nach sich ziehen müßte. Auch im Elsaß trat man nicht eigentlich mit dem be geisternden Feuer der Ueberzeugung an das Projekt heran, da sich der Regulierung des Oberrheins und der Schiffbarmachung bis Straßburg große technische Schwie rigkeiten entgcgenstellen, so daß starke Zweifel an der Durchführbarkeit des Planes auftauchen, dessen Verwirk lichung allerdings in erster Linie dem Elsaß und der Hauptstadt des Reichslandes zugute kommt. Es müssen gewichtige Gründe vorliegen, weshalb die badische Regierung das Projekt jetzt — vor Toresschluß der Landtagssession — wieder aufzunehmen und trotz der Finanznot des Landes die Vorlage, die mehrere Millionen erfordern würde, abermals an die Kammer zu bringen gesonnen scheint. Der Entwurf müßte indes auf großen Widerstand stoßen, wenn er nicht nachzuweisen vermöchte, daß durch den Großschiffahrtsweg von Mannheim bis Straßburg andere wirtschaftliche Interessen Badens zum mindesten so wesentlich gefördert würden, daß sie die Nachteile für Baden durchaus kompensierten. Immerhin leidet auch M diesem Kalle die wertere Entwickelung Mannheims Einbuße und die Vorteile kommen dem Reichslande Elsaß-Lothringen zu gute, zu dessen Gunsten das Großherzogtum Baden wiederholt mit seinem eigenen verkehrspolitischen Interesse zurückstehen mußte. Bezirken Grootfontein und Outjo sind von 40 Farmen 24 be triebsfähig, sie gehören zumeist Boeren. Weil die Lage ge klärt erscheint, wird eine amtliche Nachricht über die Zu sammensetzung der Entschädigungskommission gewünscht, die bald ihre Arbeit beginnen soll. Als Mitglied dieser Kom mission wird I>r. Rohrbach gewünscht. Im Aufstande sind bisher 123 deutsche Ansiedler ermordet und 35 im Kampfe gefallen. Oberst Eerrtrveln berichtigt in der neuesten Nummer des „Militärwochenblattes" Einzel heiten in den Aufsätzen des Generalmajors v. Francois, die dieser über den Hererokrieg in dem genannten Blatt ver öffentlicht hat. Zuerst stellt Leutwein fest, daß am 8. März die Hauplabteilung in Oka Hand ja aus drei un berittenen Kompagnien bestand, die auf die in Argen tinien bestellten Pferde und Maultiere warten mußten. Die erste Sendung traf aber erst am 10. März in Swakopmund ein; deshalb konnten die Truppen nicht an diesem Tage „ausrückefähig" sein, ganz abgesehen davon, daß die Löschung des Dampfers 6 Tage in Anspruch nahm und zuerst die Artillerie mobil gemacht werden mußte. Dann wendet Leutwein sich gegen den Vorwurf, daß die Ostabteilung Glasenapp ohne Fühlung mit der Hauptabteilung und somit auf sich selbst angewiesen war. Die Verbindung sei nur auf Umwegen und auch da nur unter großer Schwierig keit hergestelll gewesen. Dadurch sei es nicht möglich gewesen, rechtzeitig Nachrichten zu übermitteln. Dieser Umstand habe aber keinen Schaden veranlaßt, da jede der beiden Abteilun gen ihren eigenen Gegner hatte, der auch seine eigenen Vieh herden decken mußte. Oberst Leutwein fährt dann fort: In der Masse haben wir es bei den Herero mit einem weniger beweglichen Gegner als in Europa zu tun, dafür umsomehr im einzelnen. Eine Sorge um das Schicksal der Kolonne Glasenapp war daher ebenso unbegründet, wie das Verlangen nach mehr Verbindung zwischen dieser und der Hauptabteilung. Die Abzweigung kleinerer Ab teilungen, sei es in Form von Patrouillen, sei es in derjenigen von Posten, setzen die Mannschaften hier stets der Lebensgefahr aus. Sie haben mit einem Gegner zu tun, welcher landeskundig ist, mit keinen Ver bindungslinien zu rechnen hat, vor allem durch keinerlei Abzeichen Lmnttich gemacht ist Ein Erkunden des Feindes/ sowie dir Auf rechterhaltung der Verbindung zwischen zwei getrennt marschierenden Abteilungen mittels weißer Patrouillen ist daher hier stets ein ge wagtes Unternehmen. Mit diesen afrikanischen „Friktionen des Krieges" rechnet die Kritik in der Heimat hier und da wohl zu wenig. ver HuManck Oer Herero. Line Versammlung zur Lntsehadignngsfrage. Der Deutschen Kolonialzeitung wird telegraphiert: In Windhuk hat am Sonntag, dem 3. Juli in Anwesenheit des Gouverneurs Oberst Leutwein eine Versammlung der Abteilung Windhuk der Deutschen Kolonialgesellschaft statt gefunden. vr. Rohrbach hielt einen Vortrag über die vom Aufstand hervorgerufenen Schäden. Er schätzt sie auf gründ des von ihm bearbeiteten Materials auf insgesamt 7 Millionen. Davon sind Schäden der Farmer 3>/i Million, der Kaufleute 2^ Million, kleinere Verluste i/r Million, von ermordeten Farmern i/r Million, Händler i/z Million. Von 140 Farmen in den Bezirken Windhuk, Okahandja, Karibik, Omaruru, Gobabis sind nur 11 betriebsfähig, die meist geschonten Ausländern ge hören, einige sind teilweise betriebsfähig, in allen übrigen sind die Betriebsmittel völlig vernichtet. In den Heliograph oder Frinkentelegraphie in Südweftasrika? Der Heliograph hat in Südwestasrika zur Uebermittelung von Nachrichten schon manchen guten Dienst geleistet. Aber die Hereros haben in der letzten Zeit die Verbindungen oft bedroht und gestört. So hat man als besseren Ersatz sich der Funkentelegraphie zugewandt. Der Heliograph ist an erhöhte Punkte gebunden, er kann in Südwesl nur in wenigen Morgenstunden und in klaren Nächten arbeiten. Auf der rund 500 km langen Strecke Windhuk—KeetmannShoop liegen 11 Zwischenstationen. In der Minute können nur zwei Worte weitergegeben werden. Dreißig Worte von Gibeon nach Windhuk (300 km) zu schicken, kostet also 5 bis 6 Stunden Zeit. Der Funkentelegraph gibt fünf Worte in der Minute bis 100 km weit, er braucht nicht auf einem Hügel errichtet zu werden. Selbsttätig nimmt er auch bei Abwesenheit der Bedienung Nachrichten auf und schreibt sie nieder. Eine Unterbrechung des Betriebes muß nur bei schweren Gewittern eintreten, dagegen kann der Herero aus Mangel an geeigneten Kraft quellen und Apparaten den funkentelegraphischen Verkehr nicht bindern, was einem europäischen Gegner leichter möglicb ist. Die Kosten der Funkentelegraphie sind keineswegs hohe. Die Eisenbahn Swakopmnnd lvin-hnk. Zur Berichtigung verschiedener irriger und halbrichtiger Mitteilungen über den Neubau der Strecke Swakopmund— Windhuk sei das folgende bemerkt: Die Strecke Swakop mund—-UsakoS ist im Bau; das Gleis ist auf 30 km gelegt. Die Erdarbeiten schreiten rüstig vorwärts. Usakos wird voraus sichtlich im Oktober erreicht werden. Die Vorarbeiten für die Strecke Usakos—Omaruru und die Verbindung mit Karibib werden demnächst begonnen. Die Arbeiten auf der Otavibalm werden zurzeit fast ausschließlich von den hinüber gesandten Italienern betrieben, da bei der jetzigen Lage Ein geborene nicht zu halten sind. Ein Teil der Italiener ist an die Regierung zu Arbeiten an der Regieruugsbahn abgegeben worden. Ueber die geplante Aussendung von Eisenbahn mannschaften zum Bau einer Feldbahn nach Outjo ist nichts Genaues bekannt. spenden für Dentsch-Sn-rvestafrika an» Japan. Im Klub Germania, Yokohama, liegt seit einigen Wochen eine Sammelliste zu gunsten der in LÜdwestafrika geschädigten deutschen Landsleute aus, und es sind auch be reits einige Einzeichnungen erfolgt. Vorn Ersatz für südwestasrika. Für den letzten Nachschub der Offiziere und Mann schaften nach Südwestafrika sind die Meldungen so zahlreich ausgefallen, daß bei weitem nicht alle haben berücksichtigt werden können. Man glaubt, daß die zahl reichen Todesfälle am Typhus (nach Privatnachrichten soll diese schlimme Krankheit stark grassieren und viele Mann auf das Krankenlager werfen) lähmend auf die Anmeldungen einwirken würden. Das ist aber nicht der Fall gewesen. Unser Herrensport hat bekanntlich in diesem Jabre schon manche tüchtige Kraft für Süd westasrika abgegeben, er wirb mit dem letzten Nach schub noch manchen vollendeten Reiter verlieren. Am 23. Juli sollen die letzten Deutschsüdweslafrikaner die heimatliche Erde verlassen: die Offiziere haben sich zum Teil für drei Jahre verpflichten müssen, unter ihnen befindet sich auch der bekannte Herrenreiter Lt. von Mitzlaff von den 3. Garde-Ulanen. Die Nachrichten aus Deutsch südwestafrika besagen, daß die bekannten Sportsleute Graf Walter Königsmarck (Pferdedepot) usw. wohlauf sind. vrr iu55i5Ä iapanircde Weg. Marschall Oyama geht nach der Mantfchnrei ab. Nach einer Reuter-Meldung aus Tokio ist Marschall Oyama, der Oberbefehlshaber der japanischen Streit kräfte, am 5. Juli mit den Generalen Kodama und Fukushima, sowie zahlreichen Stabsoffizieren zur Armee abgegangen. Er wird sich in Shimonoseki einschiffen. Japanischer Torpebobootsangriff anf fssort Arthnr abgeschlagen Sonntag abend 9 Uhr versuchten, nach einer Meldung aus Tientsin, vier japanische Torpedo- boote, in den Haien von Port Arthur zu gelangen, wurden jedoch von den Seitenbatterien bemerkt. Ein Torpedoboot wurde am Fuße des Goldenen Hügels, ein zweites unterhalb der Batterie 22 zum Sinken gebracht. Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verbot«. Der geistliche Herr sah ihn etwas betreten an. Wie kam Andreas zu diesen Ansichten? Was wußte er über haupt von diesen Dingen? — „Gewiß, es gibt auch gute, beherzigenswerte Bücher", sprach er dann, „Geister, in denen man die Größe und Weisheit des Schöpfers bewundert. Besonders sind es die Männer, denen man die großen, technischen Erfin dungen, all' die wunderbaren Maschinen verdankt, die für die Welt von solchem Gewinn und der Jetztzeit eine ganz andere Gestalt gegeben haben. Was aber sonst die Bücher betrifft, mein lieber Andreas, so ist dein Gleich nis: „So weit wie der Himmel und so tief wie der Erde Grund", nur auf das Buch der Bücher, die Bibel, an wendbar. Und wer diese mit gläubigen! Gemüt erfaßt hat, kann alles andere entbehren; denn alles andere ist Menschenwerk." „Man muß aber auch dies kennen lernen, anderes Wissen, andere Ideen und Anschauungen zu verstehen suchen, um . . . um Vergleiche anstellcn zu können . . . denn das Beste — Göttliches besteht doch jede Probe, hält doch jeden Vergleich aus . . ." „Wer glaubt, vergleicht nicht", versetzte der Pfarrer strenger als sonst. „Und kommt er ohne Absicht dazu, dann hat er im voraus das Bewußtsein des Siegers. Was man erproben will, daran hat man einen Zweifel... Solche Forschungen und Untersuchungen sind gefährlich, cs ist wie ein Wandern an Abgründen vorbei ... Du weißt, was ich damit meine, Andreas! ich spreche nicht von den Wissenschaften im allgemeinen, auch nicht von den Künsten, die letzteren besonders verschönen das Leben, sie sind in meinen Augen, was die Blumen im Feld und Garten, auch zur Verherrlichung der Religion haben sie von jeher beigetragen — ich meine die atheistischen, die glaubensfeindlichen Bücher, davor soll sich ein frommes Gemüt hüten! Ihre Wirkung gleicht dem Rost am Metall, ob dies stark, ob es fein ist, es wird davon angefressen . . . Doch du weißt gottlob nichts da von und wirst es auch nie erfahren." Doch einige Tage später schon machte der Pfarrherr eine Entdeckung, die seine letzten Worte Lügen strafte und ihm das Gespräch in seiner wahren Bedeutung er scheinen ließ Er brauchte die Bibel, um sich den Tert zur Sonntags predigt zurechtzulegen, und da er sie unter seinen Büchern nicht fand, nahm er an, sie sei in Andreas Giebelstube. Er glaubte sic auch vor einigen Tagen in den Händen des Kaplans gesehen zu haben. Die Giebelstube glich einer Mönchszelle: nur die not wendigsten Einrichtungsgegenständc befanden sich darin. Die einzige Ausnahme bildete ein großer Bücherschrank. Heiligenbilder schmückten die Wände: zwischen den Fenstern befand sich ein Kruzifix und in der Nähe der Tür hing ein kleiner Weihkessel. Frau von Torma hatte das Zimmer neu ausstattcn wollen, aber Andreas hatte sich geweigert. Es sei gut, wie es sei. Er war weder im Kloster noch im Seminar verwöhnt worden. Die schöne Aussicht entschädige für alles. Der Psarrer betrat selten das Zimmer. Die Stiege war steil und schmal und der Aufstieg für seine rundliche Gestalt beschwerlich. Auch jetzt muhte er sich niedersetzen und erst ein bißchen zu Atem zu kommen suchen. Andreas war nicht zu Hause, er war ins Gebirge gegangen, aber der Schlüssel steckte im Bücherschrank. Petrow brauchte diesen gar nicht zu öffnen. Vor ihm auf dem Tische lag die Bibel und auf derselben noch ein anderes Buch, als habe der Leser beide zu gleicher Zeit aus der Hand gelegt. — Der Psarrer schlug das ihm fremde Buch auf und blieb wie zu Stein erstarrt sitzen. Sein rundes, Helles Gesicht wurde ganz blaß und die Augen ruhten wie ge bannt auf dem Titelblatt. Es war ein Auszug aus Friedrich Nietzsches „Zarathustra". — Aus dem in Leder gebundenen Büchlein schien es wie Feuer auszugehen: es brannte in der Hand des greisen Priesters und mit einer heftigen Bewegung warf er es auf den Tisch. Tann ergriff er die Bibel, küßte sie an dächtig und machte das Zeichen des Kreuzes, als wolle er sie und sich entsühnen von der unheiligen Nähe des anderen Buches Von einer plötzlichen Eingebung ergriffen, erhob er sich und trat zum Bücherschrank. Wo das eine Buch war, konnten noch andere ähnliche sein! .... Und richtig, im untersten Fach desselben standen Spinoza, Renan, Schopenhauer, Strauß friedlich neben einander. Den Namen Spinozas kannte er aus der Studienzeit her, die Namen und Richtungen der andern aus den Zeitungen. Wie viel war nur über den Nietzsche ge schrieben worden! .... Besonders über das Buch, das da vor ihm auf dem Tische lag! ... . Und mit solcher Lektüre beschäftigte sich Andreas, der katholische Priester?! — Der alte Mann saß einen Augen- blick wie hülslos vor Entsetzen. Was sollte er tun? Den Fall seinen Vorgesetzten anzeigen? O nein, o nein! Wenn Andreas nicht jein Schüler gewesen, nicht der Pflegesohn der Frau, die er so sehr verehrte, würde dies auch sein äußerstes, sein letztes Mittel sein. Es würde auch nicht viel nützen, wenn er ihm die Bücher einfach wcgnchmcn oder ihm das Lesen derselben verbieten würde. Seine Gedanken würden sich weiter mit ihnen beschäftigen . . . Widerlegen müßte man sie, den Wahn, die Irrtümer ausdecken! . .. Ein großer Entschluß über kam Petrow ... In diesen Nietzsche da vor ihm wollte er einen Blick hineinwerfen! Ter liebe Gott und alle Hei ligen würden es ihm verzeihen, weil er's mit reinem Herzen tat, wie jemand, der aus Heilszwecken sich mit schädlichen Giften beschäftigt . . . Mit scheuen Händen griff er nach dem Buche, als lauere ein böser Geist darin, und dann schritt er wieder die Stiege hinunter und betrat sein Studierzimmer. Er hatte Zeit, Andreas kam vor Abend nicht. Er wollte ja nicht alles lesen, nur einen Einblick gewinnen . . So saß er da und las Stunde um Stunde, manches flüchtig, manche Stellen aufmerksamer, zwei- und drei mal. Das Haupt, das das schlichte graue Haar um rahmte, hatte er ans die Hand gestützt, und in seinem Gesichte lag ein Ausdruck von Schrecken und Trauer zu gleich. Und dann schob er das Buch beiseite. Nein, er mochte nicht mehr! Jrrnis und Wirrnis, die sich zu einen! Berge da vor ihm auftürmtc! ... Er hätte über den unglücklichen Geist weinen mögen, der das geschrieben, aber mehr noch über Andreas, der sich mit solch' gefährlichen, sündigen Büchern beschäftigte .... Ihm brachte es keinen Schaden, nicht dies Buch und nicht ähnliche andere! Wenn er's aber in jungen Jahren gelesen? Wie dann? Da lag die Gefahr . . . Je ungeheurer etwas ist, desto mehr imponiert cs einem jungen, nicht ganz gereisten Geiste, je unverständlicher, desto inehr reizt es ihn .... Nach langem Hin und Herwägen des schwierigen Falles kam der Pfarrer trotz allem zu der Erkenntnis, das; es besser sei, die Sache fürs erste auf sich beruhen zu lassen. Bei derartigen Auseinandersetmngen kam meist das Gegenteil von dem heraus. n>as man beabsichtigte, indem der andere sich nur noch fester in seine Ideen ver rannte. und was vielleicht nur ein Spielen »var, ein,leises Tasten und Suchen, festigt sich in solchen Augenblicken
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite