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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040725026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904072502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904072502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-25
- Monat1904-07
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Abend-Ausgabe ßlaawttzer mi» W imotgeltltch 88. Jahrgang. Nr. 375 Montag dm 25. Juli 1904. lille Die Da derartige L.8tr.28. ckt »rMI 2. !m1I ko»«r), xut.ü«t»ur. >km.1ol.25c>t. t «sät, dvi ANokorpintü. . «LR. — «rNt« n. n. Lnt- xrnti». * Der König von Griechenland hat sich gestern von Athen über Genua nach Aix-les-BainS begeben. in einer Unterredung mit dem Grafen LamSdorff nochmals di» Dringlichkeit der Beschwerde betonte. Wie wir hören, erklärte der russische Minister des Auswärtigen seine volle Bereitwilligkeit, die Angelegenheit eingehend zu prüfen; die betreffenden Resforts seien hierzu bereits aufgefordert worden, freilich sei auch damals noch kein russischer Bericht vom Tatorte eingegangen." Dazu bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.": Da die in Betracht kommenden internationalen Rechtsverhält nisse nicht allen Teilen ohne weiteres klar sind, so begreift es sich, daß die russische Regierung eine eingehendere Prüfung des Falles erst nach Einlauf eines materiellen Berichts des Kapitäns der Smolensk vornehmen kann. Jedenfalls halten wir dir Erwartung für berechtigt, daß die deutsche Beschwerde eine voll befriedigende Lösung finden wird. Gleichwohl läßt sich die Empfindung nicht unterdrücken, daß die russische Regierung sich recht gemütlich Zeit läßt. elllLur. ort «ds mental- iuuitor). andernfalls ien. etrolät. ckv, doi Uüokorplatr. Beschlagnahme -er Pest an Vor der „Prinz Heinrich". die Beschlagnahme der Post an Bord des „Prinz stellt der „Hamb. Kur." folgende Daten zu- , »»1t r w. 8»>l Ueber Heinrich" sammen: „Am 15. Juli hat dir SmolenSk den RrichSpostdampfer „Prinz Heinrich" angehalten und die Japanpost beschlagnahmt nnd durchsucht. Am 16. Juli hat der Kapitän deS deutschrn Schiffes das Ereignis in die Heimat gemeldet. Noch am selben Tage hat der IReichskanzler die telegraphische Weisung an unseren Botschafter in Petersburg geschickt, Beschwerde zu erheben. Dies ist am 17. Juli, Sonntag, geschehen. Darauf erfolgte jene Antwort der russischen Regierung, an deren Wahr haftigkeit nicht zu zweifeln ist. Aber sie erschien hier so wenig ge- nügend, daß Graf Alvensleben am 19. Juli auf erneute Weisung LXV »8« V. vll. .smcden 'Lpelle. 4 Üsrrsa. uck. 7 Ilbr, 1 Udr vdvs) llvä Lk»«r. UpMcr TaMall Anzeiger. Amtsblatt des ÄSnlgkiche« Laub- mid des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nokizeiamtes -er Ltadt Leipzig. s X von vdL, 368. * Man schätzt die Zahl der jetzt in Chicago im Aus stand befindlichen Schlächter auf 54000, der Arbeiter in den der Schlachtindustrie verwandten Geschäften, die am Montag in den Ausstand treten, auf 35 000 und die Zahl der sonstigen Ausständigen auf 52 000. politische lagerrchau. * Vetpzis, 25. Juli. Von den deutsch-rumänischen Handelsvertrags verhandlungen. AusB u k arest, 22. Juli, wird uns vonunsermS- Korrespondenten geschrieben: Die offiziösen Blätter haben sich beeilt, die von der Zentralstelle für Vorbereitung von Handelsverträgen in Berlin veröffentlichte Mitteilung zu dementieren, wonach die rumänische Regierung bei den gegenwärtig schwebenden deutsch-rumänischen Handels- Vertragsverhandlungen das sogenannte Rezipro- zitätsprinzip an Stelle der Meistbegünstigungs klausel setzen wolle, und daß dieser Standpunkt der Re gierung die Verhandlungen sehr erschwere. Wie ich aus guter Quelle erfahre, barg die Nachricht der Zentralstelle allerdings ein Körnchen Wahrheit in sich. Einer der Ver treter der rumänischen Regierung bei den Verhandlungen, der frühere Generalsekretär im Tomänenministerium l)r. Baicoianu, hat nämlich gelegentlich einer Debatte in der Handelsvertragskommission den Standpunkt ver treten, daß er das Reziprozitätsprinzip für annehmbar erachte und dasselbe für die rumänischen Interessen für vorteilhafter halte, als die Meistbegünstigungsklausel. Indessen fügte er dem zugleich hinzu, daß dies nur seine persönliche Ansicht und nicht die der Negierung sei, was die andern Vertreter Rumäniens auch bestätigten. Man wird also auch in dem neuen Handelsvertrags dem Prinzip der Meistbegünstigung begegnen. Verhandlungen selbst sind in der letzten Zeit in ein etwas langsameres Tempo geraten. Die Ursache soll bei den in Norderney zwischen Bülow und Witte geführten Verhandlungen zu suchen sein. Rußland, das eine An leihe in Deutschland aufnehmen möchte, soll sich bei die sen Vertragsverhandlungen zu Zugeständnissen geneigt zeigen, deren endgültige Formulierung man abwarten will, nm davon bei den Verhandlungen mit Rumänien möglichst noch zu profitieren. Eine versuchte Mirbach-Rettung. Während gerade kirchliche Organe, wie die „Christliche Welt", der „Alte Glaube", „Das Hessische Sonntaasblatt" u. a., in der Angelegenheit des Freiherrn von Mirbach Die Maifeier. Die Maifeier hat in der letzten Zeit die Sozial demokratie und die gewerkschaftlichen Verbände mehr- fach beschäftigt, überall war man der Meinung, daß sie ausgeartet sei. Der Abgeordnete Hue hat sich aus dem letzten Bergarbeiterkongreß sehr scharf gegen die Maifeier ausgesprochen, und mehrfach ist ia auch von gewerkschaftlichen Verbänden die ganze Abschaf fung der Maifeier angeregt worden. Wiederholt haben deutsche Gewerkschaftsführer darauf hingewiesen, daß die Engländer und Franzosen sich um die Maifeier überhaupt nicht kümmerten; die englischen Gewerkschaftsorganisationen seien starr genug, um die Maifeier durch vollständige Arbeits- ruhe feiern zu können, aber sie dächten gar nicht daran. Auf der Generalversammlung der Litho- graphen und Steindrucker in Dresden sprach sich Robert Schmidt (Generalkmmission) in ähnlichem Sinne aus. Er erklärte, daß die Feier des 1. Mai heute stellenweise reiner Klimbim geworden sei, sie ent spreche der Bedeutung des Tages absolut nicht, auf absehbare Zeit könne man an die Durchführung der Maifeier durch Arbeitsruhe nicht denken. Es ist ganz zweifellos, daß die Sozialdemokratie in der Maifeier ein Haar gefunden hat; jedes Jahr gibt es zwar noch eine Anzahl extremer Elemente, die sich vor ihren Ge nossen dadurch hervortun wollen, daß sie am 1. Mai von der Arbeit fern bleiben. Sie werden dann von dein Arbeitgeber für eine Reche von Tagen und Wochen ausgesperrt, müssen von den Gewerkschaften unterstützt werden und seit den Beschlüssen des Pariser internatio- nalen Kongresses, der die Maifeier als Allerweltsfeier tag, der internationalen Sozialdemokratie festgesetzt, beibehalten wurde. Diese Subvention war früher an die Bedingung geknüpft, Kreuzer zu bauen. Alles daS wurde durch die fortwährenden Klagen der Fretwilligenflotte begründet, welche darauf hinwies, daß ihre Kreuzer auf ihren Fahrten zu Friedenszeiten zu viele Kohlen verbrennen, und derartige Operationen für daS Komitee der Freiwtlligenslotte verlustbringend sind. Seit jenem Zeitpunkt hat sich die Lage vollständig geändert. Wir sehen, daß von den vier Kreuzern der Freiwilligenflotte sich zwei im Roten Meer befinden, wo sie ihre Tätigkeit im Kapern entwickeln. Eine wie große Wirkung die Tätigkeit der Kreuzer haben muß, geht daraus hervor, daß Japan seit Beginn des Krieges eine ununter brochene Verbindung mit Amerika und England aufrecht erhalten und Kriegscontrebande von ihnen bezogen hat. Wenn ein Kaper krieg mit einer starke« Seemacht ein äußerst schwieriger ist, so stellt er sich mit Japan äußersi günstig. Unsere Kreuzer, die auf den verschiedenen Zufuhrwegen des Feindes operieren, setzen sich keiner großen Gefahr aus. Das Kriegstheater ist so gewaltig, daß unsere Kreuzer die Möglichkeit haben, sowohl im Atlantischen und Indischen Ozean wie an den Küsten Amerikas zu operieren. Das systematische Vorgehen unserer Kreuzer bezweckt, Japan entweder die Zufuhr von Geschützen und Munition abzuschneiden oder einen Teil der japa nischen Flotte auf sich zu ziehen." DaS Blatt vergißt hierbei nur eins, daß nämlich die deutschen HülfSkreuzer Falle eines Krieges sofort unter die Kriegsflaage treten und sich nicht erft unter Handelsflagge durch Wege schleichen, die Kriegsschiffen durch inter nationale Abkommen verboten sind. Zudem ist die ganze Frage dadurch erledigt, daß Rußland den Schiffen der Freiwilligenflotte daS Recht der Beschlagnahme entzogen bat. Einem Gerücht zufolge siebt der russische Konsul in Suez mit einer ägyptischen Gesellschaft wegen eines Dampfers in Unterbandlung, der den Schiffen der Freiwilligen-Flotte Depeschen der russischen Regierung überbringen soll, wie es heißt, damit die Schiffe daS Rote Meer sofort verlassen. Die Beschlagnahme -er „Malakka". Die „Malakka" wird von dem russischen und dem englischen Konsul in Algier empfangen und nach Abgabe der Erklärung, daß der aus der „Malakka" befindliche Kriegs vorrat für die britische Regierung nach Hongkong geschickt wird, dem englischen Konsul übergeben werden. — Der P. and O. Dampfer „Marmora" mit den Passagieren der aufgebrachten „Malakka" an Bord ist Sonntag in Aden eingetroffen. Die scharf gegen den Oberhofmeister Stellung genommen haben, nimmt die „Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirckienzeitung" m höchst seltsamer Weise für Freiherrn von Mirbach Partei. Daß in diesem Augenblick von dem genannten kirchlichen Organ noch so gethan wird, al« ob im Falle Mirbach lediglich ein Angriff de- Linksliberalismus auf die Arbeit des Evangelischen Hilfsvereins vorliege, ist angesichts der Tatsache, daß die einflußreichsten konservativen Blätter nach wie vor den Oberhofmeister auf das deutlichste entgegentreten, geradezu unverständlich. Man müßte selbst «»nehmen, die „Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenztg." benütze nur jene Fiktion, weil sie den Oberhofmeister in seinem Amte dadurch befestigen möchte, daß sie feinen event. Rücktritt als einen Erfolg „gewisser Blätter" aus- gibt. Diesen Blättern ist laut „Kirchenzeitung" vor allem daran gelegen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, das heißt, die eigene Macht zu beweisen und den Frommen zugleich eine Schlappe beizu bringen, von der sie sich nicht so bald erholen würden, „weil es wahrlich keine leichte Sache wäre, den Freiherrn von Mir bach unter den obwaltenden Umständen in der Leitung des Evangelischen Hülfsvereins zu ersetzen". „Wer sollte wohl", fragt das Blatt weiter, „geneigt sein, an seine (Mirbachs) Stelle zu treten, wenn man fünfzehn jährige aufopfernde Dienste in dieser Weise gelohnt sähe?" — Für ein kirchliches Organ ist das eine reichlich ungeschickte Frage. Das wäre wahrnch für das evangelische Deutschland ein Armutszeugnis sondergleichen, wenn rein per sönliche Rücksichten die sachliche Bedeutung der Arbeit des Evangelischen Hülfsvereins unter den Tisch fallen ließen. Nnzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklame» unter dem Redavtim-flrkch (-gespalten) 75 4, »ach den Fomtllennuch- richten (6 gespalten) 50 »Z. Tabellarischer and Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Ertrir-Veilagea (grfalzt), nur mit der Morgea-AuSgabe, ohne Postbesörderuug ^l 60.—, mit Postbeförderung 7(1— «nna-mes-lutz f»r Saget,en r Abend «Ausgabe; vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe; nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au di» Expedition >u richten. Die Erprditiou ist Wochentag- «nmterbrochen geöffnet voa früh 8 bi» abend» ? Uhr. Druck und Verlag von G. Volz tu Leipzig (Jntz vr. R. L W. Sltulhardt). ver rurrirch-iapanftche Krieg. Dt« rrrffische FreiwMlgenflstte. Zur Beurteilung der Frage, welche völkerrechtliche Stellung die Schiffe der Russischen Freiwilligen Flotte einnehmen, ist ein Aufsatz der „Nowoje Wremja" von Interesse, dem wir folgendes entnehmen: „Es wird aus Aden gemeldet, daß die Kreuzer unserer Freiwilligen flotte mit Kriegsflagge im Roten Meere erschienen sind. Diese Nach richt ist insofern doppelt erfreulich, weil sie eine große militärische Bedeutung besitzt, und in ihr der Beweis liegt, daß man die anfäng liche Bestimmung der Freiwilligenflotte nicht vergessen hat. Die Freiwilligenflotte wurde zu jener Zeit aus Mitteln deS russischen Volkes geschaffen, als Rußland den Gedanken verwirklichen wollte, eine Flotte zu schaffen, die in Friedenszeiten friedlichen Zwecken, in Kriegszeiten aber der Kaperung und Schädigung des Handels des Feindes dienen sollte. Dieser Gedanke wurde in der Folge ver wirklicht, und Engländer, Franzosen und Deutsche zögerten nicht, ihn nachzuahmen, denn sie besitzen unter der Zahl ihrer Handels schiffe eine Reihe von solchen, die in Kriegszeiten mit Artillerie bewaffnet werden können. Seit Bildung der Freiwilligenflotte hat die Frage über Kaperung sowohl bei uns als auch im AuSlande verschiedene Stadien durchlebt. Anfangs herrschte die Tendenz vor, die Kreuzeroperationen zu einer Methode der Kriegsführung auszuarbeiten. Später lehrte die Erfahrung, daß ein derartiger Kaperkrieg nur in dem Falle von Erfolg begleitet sein konnte, wenn ihm etwas Zufälliges anhastete. Kreuzeroperationen, trotz ihres vollen Erfolges, von gar keinem Einfluß auf den Friedensabschluß sind, so wurde ihnen im Laufe der Zeit eine nebensächliche Bedeutung eingeräumt. Trotzdem wohnt ihnen eine große Bedeutung insofern inne, als sie den Operationen der Landtruppen im Rücken der feindlichen Armee vergleichbar sind. Unter all diesen Einflüssen wurde auch bei uns versucht, die völlige Nutzlosigkeit eines Baues von Kreuzern der Freiwilligenflotte nachzuweisen und die Freiwilligenflotte in ein Transportunternehmen zu reformieren. So wurde bei Ausarbeitung deS neuen Statuts der Freiwilligenflotte die Verpflichtung fort gelassen, Kreuzer zu bauen, wobei jedoch die Subvention des Staates Bezugs-Preis k, ber Hauptexpedttiou oder deren Ausgabe stelle» «»geholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimalig« täglich« Zu stell»»« in» Hau» X S.75. Durch di» Post bezogen für Deutsch land ». Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« übrigen Länder last ZeitungSpr«i»liste. Ne»«Movr Johannt-aaffe 8. Sprechstunde: 5—6 Udr Nachm. Fernsprecher: 153 Ek-r-ttt»»: Johannt»gaff« L Fernsprecher! 222. FiltatexvevtllFne» r Alfred Hah ». vuchhandlo„ Uaiverfität»str.S iFernfpr.Rr.M46l ü. Lösch«, Katharinen- straß» 14 (Fernsprecher Nr 2835- ». König»- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Hanpt-FUlale Dresden: M arieustraß« 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 17131 Haupt-Filiale Berlin: LarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg, Lützowstraß» 10(Ferufprech«Amt vl Nr.4603.) Var wichligrte vom rage. * Der deutsche Dampfer Scandia ist von den Ruffen gestern in Port Said freigelaffen worden. Die russische Mannschaft ist an Land gebracht worden und wird mit dem nächsten Dampfer nach Odessa abfahren. * Der Präsident de- großherzoglich hessischen VerwaltungS- gerichthofes, Wirklicher Geheimer Rat Knorr v. Rosen- roth, ist gestern gestorben. und der Jolilotte em Ende hatte? Nein! Auf keinen Fall! Herr Belotti machte eine energische Bewegung und hielt sich die Nase zu. Lieber tot, lieber sich erschießen, als solch' ein Leben, nachdem man in der Jolilotte gelebt. Er begriff nicht, wie sein Bruder Antoine ein solches Leben führen konnte! Mit diesen Gedanken erstieg er die zwei ausgetretenen, schlüpfrigen Steinstufen, die zum grünen Krokodil hinauffübrten, und trat in das Haus. Es war eine elende Bude, die baufällig und altersschwach zwischen den zwei Nachbarhäusern hing. Keine Stunde hätte sich Herr Belotti chr freiwillig anvertraut, aus Furcht, daß sie zu- sammenstürzen könne. Aber auch im übrigen war sie nicht einladend, Tabaks- und Kllchendunst, heiße, stickige Luft, wie immer an Orten, wo viele, nicht eigensinnig reinliche Leute verkehren, schlug ihm entgegen und ver setzte ihm fast den Atem. Ratlos stand er im Hausgcmg und ging endlich, um nicht durch unschlüssiges Zögern aufzufallen, linker Hand durch eine offenstehende Tür, die in eine Art öffentliches Gastzimmer führte und wo er an einzelnen Tischen Gruppen von Leuten unterschied, die Karten spielten und Wein tranken. In einer Ecke des Lokals stand sogar eine Roulette, aber Herr Belotti konnte es teils des dicken Tabaksnebels, der die Stube erfüllte, teils der Leute wegen, die das Roulette umstanden, nicht sehen. Lärm und Geschrei, vom Wem erhitzte Gesichter, Klappern von Gläsern und ein Mann in Hemdsärmeln und Holzschuhen, mit einer abgegriffenen seidenen Mütze auf dem dicken groben Kopfe, mit kurzgeschnittenem, stop- peligen Haar und Schnurrbart. Das waren die ersten Eindrücke, die Herr Belotti im „Grünen Krokodil" er hielt. ,.Wa8 wünschen Sie?" fragte der Mann in Hemds- ärmeln, indem er Flaschen und Gläser, die er gerade in der Hand hielt, flüchtig in ein Wasserfaß tauchte, viel leicht in der Meinung, daß sie dadurch sauber würden. „Ich wünsche mit Herrn Carlo Benoni auS Porto Ferraio zu sprechen, der wohl hier wohnt", antwortete Herr Belotti. „Dort sitzt er", erwiderte der Mann in Hemdsärmeln und wies mit einer halben Literflasche über die Schulter nach dem Hintergründe des Lokals. In demselben Augenblick bemerkte Herr Belotti im Hintergründe des Lokals einen Manu, der ganz allein an einem kleinen Tischchen mit dein Gesicht gegen die Wand saß. Das war sein Bruder Antoine. Er konnte kaum deutlich die Umrisse dieser Figur sehen und doch merkte Herr Belotti sofort, als ob eine innere Stimme es ihm gesagt hätte, daß das sein Bruder war. Er ging näher, ohne daß ihn der Mann, der einsam grübelnd und offenbar sehr niedergeschlagen dasaß, be merkte. Dieser war in einer Weise gekleidet, die früher wohl sehr elegant gewesen sein mochte, jetzt aber in der abgeschabten, schmutzigen und verlodderten Herrlichkeit um so trostloser aussah. Der lange schwarze Gehrock war mit Seide gefüttert, aber die grauen Trotteln hingen herunter, die Arme glänzten vor Schmutz und aus den geplatzten und schlecht wieder zusammengeflickten Nähten — offenbar Selbsthülfe — sah das Futter. Seine Stiefeln waren schief getreten und verrieten neben der nachlässigen, gleichgültigen Liederlichkeit ihren Besitzer auch, daß er keine Strümpfe darunter trug. Wie es mit der übrigen Wäsck-e stand, konnte man nicht genau sehen, denn der Mann war, jedenfalls mit gutem Grunde, so zugeknöpft wie möglich. Im übrigen war aber die Aehn- lichkeit der beiden Brüder auffallend. Dieselbe Statur, dieselbe Kopfbildung, dasselbe kurzgeschorene, aber dichte, etwas ins Graue spielende Kopfhaar. Nur der Bart war anders. Antoine trug Vollbart, während sein Bruder Jean seinen Bart ü. In Senrl guntre trug. Antonie, der etwa ein Jahr jünger als sein Bruder war, sah gleichwohl infolge seiner elenden Lebensweise um mehrere Jahre älter aus, das Gesicht war grauer und farbloser, die Furchen, an denen es übrigens auch bei seinem Bruder Jean nicht fehlte, tiefer und ausgeprägter. „Antoine!" flüsterte ihm Belotti leise ins Ohr. Sofort fuhr dieser aus seiner Versunkenheit mit einer gewissen auf geräumten Lebhaftigkeit empor. „Ah, bist du da? Ich dachte schon, du würdest nicht kommen", hastete er aufgeregt heraus, bitte, nimm Platz. Wie geht es dir? He! Wein Herl Zum Teufel mit der Grübelei, die nichts hilft. Wein, sage ich, eine Flasche Saint Julien, JerOme, eine ganze Flasche, oder nein, zwei. Hörst du? Es wird sofort bezahlt. Es ist alles ganz gleichgültig. Setze dich, Jean. Was hilft denn das nun alles?" Still!" unterbrach ihn sein Bruder leise. „Wir können hier nicht miteinander reden. Komm auf dein Zimmer." „Hm, Zimmer? Ja, weißt du . Nun gut. Gib mir mal zunächst fünf Francs. Du mußt nämlich wissen, daß der Wirt noch von gestern die Zeche bekommt, und Ich hätte natürlich dem Flegel gleich sagen können, wer ich bin. Aber ich wollte nicht, dir zu Liebe. Also gib mal die fünf Francs. Ich will die Geschichte gleich in Ordnung bringen. Warte mal. Gut. He, JerOme, Krokodil " „Schrei doch nicht so laut. Komm hinaus, wir wollen das draußen abmachen." Die Ähnlichkeit der beiden war geradezu kompro mittierend und Jean wickelte sich fester in seinen Mantel, um so wenig wie möglich auszusallen. Es wäre ihm doch höchst fatal geewsen, an einem solchen Orte und in solcher Gesellschaft gesehen und erkannt zu werden. Kaum fühlte Antoine das Geld zwischen den Fingern, als er wieder in seiner sonderbaren, wenig zusammen hängenden Art zu lärmen ansing. Es schien fast, als ob er sich selbst damit betäuben möchte. Auch sah sein Bruder, als sie durch das Lokal hinweg nach dem Haus- flur gingen, daß er einen unsicheren, schwankenden Gang hatte und auf dem einen Fuße etwas hinkte. „Da, halte die Hand auf, Kamel, fuhr Antoine draußen fort zu raisonnieren, habe ich dir nicht gleich ge sagt, daß du an mir nichts verlieren wirst? Schließe das Zimmer auf. Ein anständiger Mensch kann auch einmal in Not kommen. Und rasch den Wein her! Zwei Flaschen. Wir müssen das Wiedersehen feiern. Der Henker hole die Hungerleiderei. Ich bin kein gewöhnlicher Lump, JerOme. Tas bitte ich mir auS." (Fortsetzung folgt.) Feuilleton. Der Fall Lelotti. Roman von Woldcmar Urban. Nachdruck verboten. „Tort hinten, antwortete dann einer von ihnen, die weiße Laterne, an die ein grünes Krokodil gemalt ist — das ist's." Herr Belotti zog höflich dankend den Hut und ging weiter. Dabei trat er in eine Kotlache, die sich in der Straße befand, wobei er sich über und über bespritzte. Das fand der andere Mann so komisch, daß er kurz und spöttisch auflachte und ihm nachrief: „Nehmen Sie sich in acht mein Herr. Wir sind hier nicht in der Rue Cannebiöre." Hatte man ihn erkannt? Am liebsten wäre Herr Belotti wieder umgekehrt, so fatal, so widerlich und ekel haft war ihm das alles. Aber er mußte weiter. Es half alles nichts. Einige Häuser weiter kamen ihm einige singende oder vielmehr gröhlende Matrosen entgegen, die sich untergefaßt hatten und nun, so breit die Gasse war, einer den andern stützend, daher wankten. Herr Belotti trat, um ihnen aus dem Wege zu gehen, hart an das Hans heran, wo ihn wieder eine Gestalt aus dem ersten Stock sä-arf aufs Korn nahm. Er sah im Dunkel nicht einmal, ob es eine Frau oder ein Mann war, aber die Sache erschien ihm so unheimlich, daß er froh war, als er wieder weiter konnte. Er war an dergleichen nicht gewöhnt. In der Jolilotte war das alles ganz anders. Es roch nicht nach Zwiebeln und schlechtem Fett, und waren keine Löcher in der Straße, keine feuchte Cholera luft, keine betrunkenen Leute, die ihm ihren stinkenden Atem ins Gesicht sangen. Das war also die Umgebung seines Bruders Antoine? Das war das Leben, das er führte? War es möglich, daß das Schicksal zwei Brüder im Leben so weit auseinander führt? Vielleicht stand ihm, Herrn Jean Baptiste Belotti, das auch einmal be vor, wenn erst die Herrlichkeit in der Rue CannebiLre
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