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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193002228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19300222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19300222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1930
- Monat1930-02
- Tag1930-02-22
- Monat1930-02
- Jahr1930
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1930
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fangsztauner. Nebenan hantierte Hedwig Peters, damit beschäftigt, die Vase» ans der Lasel mit frischen Blume« zu fülle». Sonrad L-lendors setzte sich, in trübe Gedanken ver sunken. in den Erter. E» war ihm lieb, daß er noch allein bleibe» konnte. Henle sollte er sie ja Wiedersehen, nach der sei» Herz verlangte, nach der sein ganze» Sein schrie in «amenloser Sehnsucht. Sie Wiedersehen neben dem an dere»! Aber er meinte, jetzt Part genug zu sei» sür solches Wiedersehen. Er redete sich ein, sein Gefühl sei erstorben, da er es zum Schweigen gezwungen. Er meinte, es sei alle» aus und vorbei, und doch war e» die unstillbare Sehnsucht, die ihn hierher trieb. So sah er wartend, still, »»bemerkt. Hedwig Peters war im Nebenzimmer fertig geworden; nun trat sie über die Schwelle. Der Maler kannte sie nicht, hielt sie wohl für eine Bedienstete; aber sein Malerauge erfreute sich an der lausrischen Jugendkraft, an den reiz vollen Bewegungen des Mädchen». Sie trug einen Korb »oll Rosen in der Hanv und setzte sich nun in einen der Lehnstühle, nahm di« Blumen in den Schoß und band sie, eine prüfend an die andere haltend, zu keinen Sträußen, van- verträumt und versunken saß sie da, lieblich an- zuschaueu in ihrem hellblauen Kleid, da» die frischen Farben ihres Gesichts reizvoll hervorhob und sich um den Weiße» Hals und die schöngeformten Arme schmiegte. Da trat durch die ossene Tür ein junger Mann, kraftvoll und gut gewachsen, mit einem blonden Lrxkenschopf über der breiten Stirn, mit Hellen, blauen Augen um sich blickend. Und bevor Konrad Ahlendors «och in ihm den zukünftigen Bräutigam Julias erkennen konnte, ertönte aus dem Munde des Mädchens wie des Mannes ein Rus höchster Ueberraschung. .Wilhelms „Hedwig!' Hedwig Peter» war aufgesprungen, bleich bi» in die Lippen. Alle Rose» waren von ihrem Schoß gefalle« und lagen nun wie frische Blutstropfen zu ihren Füßen. Wohl hatte sie gewußt, daß sie den Jugendgeliebten heute sehen würde, aber al» er so unvermittelt vor sie hintrat, erschrak sie doch. „Mein Traum!* flüstert« WUHelm und strich sich mit der Rechten über die Stirn. „O Hedwig, Hedwig! Welches Wiedersehen!* Sr nahm ihre matt herabhängende Hand und küßte sie. Das junge Mädchen aber war aus ihrer Erstarrung erwacht. „Gehen Sie, Herr Specht!* rief sie gequält. „Was tun Sie da?" „Oh, Hedwig! sagte er leise. „Me schlecht habe ich an Ihnen gehandelt!* Doch sie entgegnete herb: „Ich mache Ihnen ja keine» Borwurs. Jeder ist sich selbst der Nächste.* Wilhelm Specht schaute beschämt zu Bode«. „Hedwig*, sagte er weich, „können Sie mir denn nicht verzeihe»?' „Was liegt Ihnen daran?' „Oh, sehr, sehr viel. Wenn ich Ihnen sagen dürste, wie e» in meinem Herzen ausschaut...' Da sah sie ans den Mann mit einem kühl verachtenden Blick, der ihm das Blut in die Wangen trieb. „In Ihrem Herzen?' Sie lachte aus. „Run, Glücks jäger pflegen sonst kein Herz zu haben!' Das traf den jungen Mann wie ein Peitschenhieb. Er wurde bleich und krampfte die Hände ineinander. „Das tut weh', sagte er leise, „doppelt Weh aus Ihrem Munde! Oh, womit kann ich Ihre Verzeihung erringen?' Hedwig wandte sich ab. Dieser Unkeredung mußt« ei» Ende gemacht »erden. „Gehen Sie, gehe« Siel' rief sie »oll Qual. „Wozu -»i«S alle»? Sie habe» Ihr GlWk geftuch»! Sie schüttz« «v « « Z «L 8 2 «Z A -5 ,2 «L LgrLLs über die schlichte Feldblume hinweg, da Ihnen «ne kvnlE, lliche Rose ihren Dust bot. Was kümmert e» Sie, wall dieses Blümchen fühlt?' Sie strebte fort. Doch da gewahrte sie die Rosen, big immer noch auf dem Teppich zu ihre» Füßen lagen. Siq bückte sich. „Meine Rosen...' Doch Wilhelm hielt sie zurück. „Lasten Siel' gebot er rauh. Dann kniete er sich nieder und hob die Blume» auf. Als er sie ihr in die Hände legte und zu ihr aufschaute, wie sie mit tränenfeuchten Augen, bleich und traurig, ihn b«7 trachtete, da nahm er ihre Hände mit den Rosen fest in dip seinen und drückte sein Gesicht hinein, und seine Rüste brannten auf ihren Fingern. „Hedwig! Hedwig, kannst du mir vergeben? Veracht« mich nicht, ich kann's nicht ertragen, denn ich — liebe dich!' Die Rosen fielen wieder zu Boden. Ihrer selbst nicht mächtig in dem jähen Wechsel der Gefühle, legte sie ihre, Hände um seine Wangen, kosend, zart, und hob ihn so empor. Und wie es geschah, sie wußten es beide nicht — da lagen sie sich in den Armen, selig, selbstvergessen und küßten sich mit der Glut lange zurückgedrängter Liebe Konrad Ahlendorf hatte es peinlich empfunden, hier den Lauscher spielen zu müssen; nun aber wallte heiße Em pörung in ihm auf. Dieser Mensch, dem Julia sich zu eigen geben wollte, den sie sür einen ehrlichen, unverbil deten Menschen hielt, der schlicht und wahr empfinden sollte, wie die Natur selbst, er hinterging sie, er küßte, er liebte eine andere — und war doch gebunden! Da hielt es ihn nicht länger, er trat hervor und mit unendlicher Ver achtung sagte er: „Sieh da! Der famose Herr Specht ist ein Don Juan! Wer hätte das gedacht! Nun, ich freue mich, diese Ent deckung gemacht zu haben!* Die beiden fuhren auf. Hedwig, mit Purpurglut auf den Wangen, bestrebt, sich aus den Armen des Mannes zu befreien. Doch Wilhelm legte den Arm nur noch fester um ihre Schultern und trat so mit ihr in wiedergewonnener Fassung dem anderen gegenüber. „Herr Ahlendorf', sagte er ernst und höflich, „lassen! Sie mich Ihnen alles erklären!' „Ist nicht nötig', war die abweisende Antwort. „Tun Sie doch immerhin, was Sie wollen, Sie müssen es ja verantworten. Aber einen Verrat an der Dame, die mir wert ist, dulde ich auf keinen Fall! Herr Specht, Sie sind «in Ehrloser!' Wilhelm fuhr auf, totenblaß, seiner selbst kaum mächtig. „Herr Ahlendorf!' „Sie wünschen?* war die ungemein spöttische Antwort. Doch noch einmal zwang sich Wilhelm zur Ruhe. „Mein Herr, der Schein ist gegen mich*, sagte er be herrscht. „Und doch, Sie verkennen meinen Lharakter. Lasten Sie mich Ihnen erklären...' „Zwecklose Reden!' sagte der andere kalt. „Ich brauch« keine Erklärung, wo die Tatsachen reden * „Herr Ahlendors!' rief Wilhelm, seiner selbst kaum »ehr mächtig. „Sie wollen mich beleidigen; aber ich habe auch Ehrgefühl!' „So, so', war die spöttische Antwort. „Ehrgefühl? Ich meine, von Ehre wüßten Sie nicht viel» da Sie von dem Gelb einer Dame leben. Herr Specht, Sie haben zwar jetzt die Schule besucht, aber ich sehe, daß Sie den Begriff .Mann noch nicht zu bewerten gelernt haben!* „Wie er mich verachtet!' ries Wilhelm ganz verzweifelt. „O Gott, und doch hat er recht! Ja, ja, ich habe eS gefühlt, schon längst. — Oh, verdammen Sie mich nicht! Hören Sie mich an, glauben Sie mir! Und auch du, Hedwig, auch d» Mußt meine Rechtfertigung hören!' „So reden Sie!' Wilhelm richtete sich auf und sprach mit in dw Kerntz ArriMet«» Blick, als jpräche « »u ii<ü salbst: „Ich war stolz, lächerlich eingebildet in meiner Un wissenheit. Es schmeichelte mir Narren, daß die feine Dame mich beachtete. Nun habe ich gestrebt, hart ge arbeitet und schrittweise kam mir die Klarheit, und ebenso lernte ich mich selbst verachten. Da waren die Kameraden, die mit Spott und heimlichem Lachen mir zuerst die Er kenntnis der schiefen Stellung brachten, in der ich mich be- fand, und dann meine Bücher! O ja, Herr Ahlendorf, ich habe den Begriff .Man»? erkennen gelernt! Aus Den Werken großer Meister rief es mir zu: Schäme dich. Kerl, du hast dich verkauft! Wie ost packte mich Wut und Ver zweiflung über mich selbst, über mein ganzes verpfuschtes Dasein!' „Armer Wilhelm!' Hedwig sagte es leise, und Helle Tränentropfe» rannen über ihre Wangen. Er aber fuhr fort: „Nein, bedaure mich nicht, Mädchen! Ich verdiene dein Mitleid nicht. Und noch eine andere Erkenntnis wurde Wir: nie kann ich es so weit bringen, wie ich kommen muß, um neben einer Julia ebenbürtig zu stehen; dazu werde ich nie gelangen.' „Sie müssen weiter kommen, weiter streben!' warf Ahlendorf ein, der dem jungen Manne nun doch seine Teil nahme nicht versagen konnte. „Denn Julia liebt Sie. Wissen Sie, was das heißt? Verstehen Sie diesen seltenen Frauencharakter? Wollen Sie ihr Schmerz bereiten, ihre Hoffnungen zerstören?' Doch Wilhelm schüttelte energisch den Kopf. „Sie meinen, ich muß das Los, das ich mir selbst ge schaffen, nun auch auf mich nehmen? Und noch dazu jetzt, wo ich eingesehen habe, daß ich in törichtem Unverstand meine Bewunderung für Liebe genommen, und daß mein Herz nur immer diesem Mädchen, meiner Hedwig, gehört hat? Nein, das scheint mir nicht recht!' „Was willst du tun?' warf Hedwig zagend ein. „Ich will zu ihr gehen, noch heute, ihr alles gestehet? und das Weitere in ihre Hände legen. Ich werde Julia« verehren, ihr dankbar sein mein Leben lang; aber lieben werde ich nur meine Hedwig!' Ahlendorf wandte sich ab. Widerstreitende Gefühle be wegten ihn. Was würde Julia denken? Was tun? Gewiß würde sie Schmerz, Enttäuschung empfinden! Und viel leicht würde sie den jungen Menschen mit ihrer Liebens würdigkeit doch wieder bezaubern und ihn wankelmütig machen. Oder war ihre Liebe auch nur ein Irrtum ge wesen? Durste er gar wieder hoffen? Hedwig war mit dem Geliebten Hand in Hand an daS Fenster getreten; nun lief sie zur Tür mit dem freudigen Ruf: „Sie kommen! Sie kommen!' Mit lautem Hupenton fuhren vor dem Hause die Autos an, die das Brautpaar und die wenigen Gäste brachten. Hedwig lief ihnen mit freudig geröteten Wangen, mit vor Glück strahlenden Augen entgegen. Sie sprach stammelnd ihre Wünsche aus und lag gleich darauf mit den schluchzen den Worten: „Werde glücklich, wie ich auch glücklich zu werden hoffe!', in den Armen der Freundin. Aber zur Aussprache war jetzt nicht die Zeit. Im Salon trat Konrad Ahlendorf mit einigen beglück wünschenden Worten aus das junge Paar zu, nach ihm Wilhelm Specht. Die Gäste begannen sich zu gruppieren. Elly setzte sich in den für sie bestimmten blumengeschmückten Sessel. Egon trat neben sie, noch im Gespräch mit dem Maler, der nur mit einer stummen Verbeugung sogleich di« »»deren begrüßt hatte. Frau MariuS entfernte sich. Sie war zu sehr Hausfrau, um nicht voll Unruhe an das Mahl und an die dienstbaren Kräfte, die heute in der Küche wal teten, zu denken. Und jetzt betrat Julia an der Seite des RegierungsratS das Zimmer. Dieser hatte nochmals seine Nichte davor ge warnt, sich jetzt schon mit Wilhelm Specht zu verloben. In Zorn und Trotz, daß Konrad sich ihr nicht mehr zu näher« versucht, hatte sie es im Sinn gehabt, um allen Zwei fet» mit ei»em energischen Ruck ei» Ende zu bereiten, am heutigen Tage ihre Verladung zu verrunve«, diesen Entschluß soeben ihrem Oheim milgeteilt. „Tue es nicht!' warnte dieser nochmals. „Dich treibt nicht die wahre, tiefe Liebe! Mir unerklärliche Gefühle stnds es, die dich zu diesem Entschluß veranlasse«. Sind. SinH warte, bis einmal dein Herz deutlich spricht: Dieser »»hj kein anderer!' Doch Julia schüttelte traurig den Sopf. „So deutlich kann mein Herz überhaupt nicht spreche». Das ist ja das Angekränkelte unserer Zeit, da» einer A»p frischung bedarf!' Sie traten in da» Zimmer. Da erblickte Julia de» Mann, der so unausgesetzt, ihr selbst nicht bewußt, ihn Denken und Fühlen beherrschte: Sonrad Ahlendorf! Eins Helles Rot überflutete ihre Wangen. Mit dem saft jauch«! »enden Ruf: „Konrad!', ging sie ihm entgegen, beide Hände ihm entgegenstreckend, ein süßes, selbstvergessenes! Lächeln um den schönen Mund, einen Strahl der Liebe ich ben Augen. Aber Herr von Breede, der die Veränderung staunend beobachtet hatte, hielt sie flüchtig »«rück und flüsterte ihr bedeutungsvoll zu: „Julia, ist diese Sprache de» Herzen» nicht deutlich genug?' Da wandle sie langsam den Sopf nach ihm um »»bi schaute den Mahner mit plötzlichem Verständnis an. „Ich danke dir, lieber Onkel!' sagte sie langsam und feierlich, ihm die Hand drückend. Dann erst begrüßt« st« de» Maler. „Sie haben mir sehr gefehlt, Sonrad! Warum kamen Sie nicht?' Der seelenvolle Blick, der diese Worte begleitete, NH ihn erbeben. „Sie haben mit mir gespielt', sagte er. „DaS ist nicht, gut. Und nun? Oh, fangen Sie das Spiel nicht noch ed>- tnal an!' „Oh', lächelte sie, „ich habe Ihnen viel, viel zu sage»! Aber zuerst muß ich einmal mit diesem jungen Manne meine Angelegenheit ins reine bringen.' Sie winkte Wilhelm Specht heran, zog ihn, nachdem sw noch einmal des Malers Hand gedrückt, zur Seite. Und wenn sie so manches Mal an sich und ihrem Tun gezweifelt und wenn sie sich berechnend und kühl gescholten, hier wußtt sie klar, daß das, was sie vor hatte, recht und richtig, daß es ihr Glück und das der anderen war! Sie schaute hem jungen Manne inS Gesicht und reich» ihm mit der ihr eigenen freien Bewegung die Hand. Ahlers darf ließ seine Blicke auf ihr ruhen — und war vorhin irr seiner Brust ein Blumengarten süßer Hoffnungen erblüht so fühlte er sich jetzt hinabgestürzt aus allen Himmeln. SW spielte wieder mit ihm! Sie bezauberte ihn mit ihrer Hold-< seligkeit, um ihm gleich darauf zu zeigen: Jenen allein, liebe ich! Er wandte sich ab. Jemand sprach ihn an; ev hörte es nicht. Er antwortete; er wußte nicht, was. Wiq körperlicher Schmerz, der die Sinne schwinden läßt, so, wühlte die neue Enttäuschung in ihm. Währenddessen standen sich die beiden gegenüber: Julia strahlend lächelnd, Wilhelm in tödlicher Verlegenheit, nicht wissend, wie er beginnen sollte. Da hörte er Julia» Stimme. „Wilhelm, ich muß Ihnen eine wichtige Mitteilung, machen —' Er unterbrach stet »Ich Ihnen auch. Lassen Sie mich reden —' „Wilhelm, es geht Sie an und mich, um unser beider „Oh, Sie nehmen mir daS Wort aus dem Münder Gerade darüber wollte ich mit Ihnen sprechen!' „Seien Sie mir nicht böse, seien Sie nicht traurig? Wilhelm, ich kann Ihre Frau nicht werden!' „Fräulein Julia, ich kann Sie nicht heiraten!' So schnell hatten die beiden sich die Last von der Seele gesprochen, daß eins aus des anderen Wort« kaum gehört hatte. Jetzt schauten sie sich verdutzt an und brachen, wie auf Kommando, in lustiges, nicht endenwollendes Law-n> «uS.
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