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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.02.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060212023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906021202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906021202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-12
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Bezugs-Pret» tz, tz« Ha»»»qkp«dttt»» «tz« tz«» stell« adgehoU: vtEtLtzettch L4H bei täglich twetmaltg« 8»tzrLil»a txl Haus vlerteljLdrlich I.—. Durch Misere au«. wLrttge, Assgabestell« »ch durch die Post bezog» fit, Deutschland «d Oesterreich vlcrteljS-rlich iÜXll für die tbrige» Länder laut Zettmeg-pret-list«. Dies, Nummer kostet «ls H/d tN? all« Batznhofr» und bet III deu Lewmgl-Verkäufer» Redatttm» «ltz Erdedtti-ar Jo-mmtitgass, L Lelepbo, UL Nr- 22I, N». 1173. verliner N ed aMoal-vurrml r Berit» kkW 7. Dorotdeeustraßr 8S. Del. I. Nr. VS7L Dresdner NedakttonS-vsrraur Dre-des-L, AöuueriLstr.LÜ. Lei. I. Nr. 4883. Nr. 77. Abend-Ausgabe. MlpMrr.. TagMM Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates «n- -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Montag 12. Februar 1906. Anzetgen.Prei» di» Sgesvalteu, Petitzell, für Leipzig und Umgeb an g LS Pf, für auswärts SO Pfg. Familie». WohnuugD. und Stelle»« «»zeige» SO Pf. Finanziell,«»zeige». DeschästSanzeigen unter Text oder an besonderer Stell, »ach Taris. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird ketu, Baranti« übernommen. Anzeige» und Extrabeilage» nvr iu der Morgeu-AuSgabe Schluß der Annahme nachmittag- ä Uhr. Anzeigen-Annahme: AngllftuSplatz 8, Ecke JohanniSgasse. Haupt-SUiale verlin: EarlD » » cke r,HerzgtBayrHofb»chhandlg„ Lützowstraßr 10 lFerusprecher Amt VI Nr. 4803s. ^ilial-Srpedition: DreSderr-Marienstr 34. 1VV. Jahrgang. Var Wcbtigrte vom Lage. * Wie aus Dresden gemeldet wird, bestätigt sich die vom offiziösen Telegrapyenbureau verbreitete Nachricht nicht, nach der der sächsische Landtag am 3. April geschloffen und die LandeSshnode am 5. April er öffnet wird. * Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und Stadtverordnete Cramer hat beide Mandate nieder gelegt, um gegen eine von der Parteiorganisation be schlossene Resolution zu protestieren, in der Cramer wegen seine- Ganges zum Großherzog getadelt wurde. * Der Prozeß gegen den Oberst Hiiger, der aus den l9. Februar anberaumt werden war, ist abermals ver tagt worden. * Da- heute gefällte Urteil der Strafkammer gegen den verantwortlichen Redakteur der „Leipziger Volks zeitung" Oskar Heinig lautete wegen Aufreizung und Beleidigung auf l Jahr 0 Monate Gefängnis. (S. Bericht.) * Baron Fejervarh hat, wie versichert wird, iu der letzten Audienz vom Kaiser die Ermächtigung zur Auf- lösung deS ungarischen Reichstages erhalten. Der Tag der Auflösung wird noch geheim gehalten. politische Lagerzchau. Leipzig, 12. Februar. Der Tank des Agraricrtums. Ter Bund der Landwirte hält heute seine Jahres-Gene- ralversammlung im Zirkus Busch in Berlin ab. Er zählt letzt über 270000 Mitglieder, unter denen sich auch 44500 Mitglieder des Handwerker und Gewerbeverbandes besindeu. Sein Bundesblatt wird wöchentlich in 157000 Exemplaren verbreitet, 7847 Versammlungen wurden im letzten Jahre abaehalten, um die Ideen des Bundes zu verbreiten. Tas sind stattliche Zahlen, die denn aber dock, gegen früher kein wesentliches Wachstum deS Bundes zeigen. Er ist ja hierfür, ähnlich wie die Sozialdemokratie, daraus angewiesen, die Unzufriedenheit der Massen immer rege zu erhalten, sonst entziehen sie sich dieser Leitung. Das gedenkt der Bnno auch fernerhin zu tun, wie ans dem Begrüßungsartikel her vorgeht. den ihm sein führendes Blatt, die „Deutsche Tages zeitung'', widmet. Angesichts des Profits, den der neue Zolltarif und die künstliche Fleischvcrtencrung dem Agrarier» lum verspricht, kann zwar selbst Dr. Oertels Festbetrachtung nicht gut anders, als eingesteyen, daß zu einem „besonders icharsen Appelle" an die Negierung, wie „in den früheren Jahren", keine Veranlassung vorliegc. s!) Er gesteht viel mehr, „das Vertrauen ist wicdergckehrt, und wenn cs auch nicht allenthalben zu voller Blüte gekommen ist, so hat es doch zu keimen begonnen". Aber diese iu ihrer herablassen den Freundlichkeit gegen die Regierung geradezu daS übrige deutsche Volk, das unter den Preissteigerungen zugunsten des agrarischen Säckels zu leiden hat — beleidigende Sprache, wird noch überboten durch die Unvcr—frorenhcit, mit der der Festartikel fortfährt, „ob cs (das Vertrauens aus dem Keime sich zur Blüte entwickeln werde, das hängt von der künftigen Haltung der maßgebenden Stellen ab." Und nun folgen die Bedingungen, unter denen allein dieses Erstarken des Vertrauens zur Regierung den Agrariern, diesen paten tierten Staatsstützen, möglich sei. Daß das unglückselige B ö r s c n r c s o r m g e s e tz wieder eingebracht worden ist, hat manchen verstimmt. Wir möchten vorläufig nicht zuviel Wert darauf legen, weil doch nichts daraus wird. f!j Wie unsere Handelsvertragsverhältnisse zu Argentinien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika sich ge stalten werden, liegt noch im Dunkel. Darüber heute zu urteilen, würde voreilig und unbillig sein. Wir müssen abwarten, ob die Regierung in den Bahnen geblieben ist, die sie mit den anderen Handelsverträgen eingeschlagen hat; andernfalls würde freilich die Ent wickelung deS Vertrauens stark gefährdet werden. Vor Jahren empfahlen wir einmal den Landwirten, weder vertrauenslos noch vertrauensselig zu sein. Heute können wir um eine mäßige Abtönung wärmer sein. Wir dürfen heute sagen, daß vorläufig zu Mißtrauen kein Grund vorhanden ist, daß wir vielmehr uns freuen, wieder zum Vertrauen raten zu können. Aber das möge man nimmer glauben, *>aß wir uns in traum hafte, blinde oder kurzsichtige Vertrauensseligkeit einlullen lassen können! Wir werden scharf auf dem Posten bleiben und für alle Falle unser Pulver trocken halten. Nur so lange kann die deutsche Landwirtschaft auf die gebührende Beachtung ihrer Forderungen und Lebensbedürfnisse rechnen, solange sie selbst Politisch kraftvoll und entschieden ist und solange der Bund der Landwirte eine Macht bleibt, mit der unter allen Umständen gerechnet werden muß. Nun weiß es Fürst Bülow ganz genau, unter welchen Be- dingungen er sich das wachsende Vertrauen der Herren ver- dienen kann, die er eben erst als seine „Kameraden" ge feiert hat. Und wenn er diese Bedingungen erfüllt haben wird, eine Möglichkeit, die nach seiner bisherigen Politik zur Wahrscheinlichkeit wird — dann darf er sicher damit rechnen, daß ihm im nächsten Jahr ein neues Bukett agrari scher Wünsche vom Bund der Landwirte dargebracht werden wird, voll gnädiger Herablassung und der abermaligen Ver sicherung, oaß das volle Vertrauen erst dann eintreten werde, wenn — — —. Und so wird es ununterbrochen weiter geben nach der alten Bündlermelodie: ^Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.' Das ist die Frucht jener schwächlichen Haltung der Regierung, die feit dem dlbgaug Caprivis in wachsendem Maße sich unter bas caudiniichc Joch des Biindlcrtums gebeugt hat, ohne von dem Agraricrtum etwas anderes zu ernten, als neue Forderungen, die das Ziel verfolgen, das Deutsche Reich von ver Stufe des Industriestaates auf die des Agrarier- staates mit künstlichen Mitteln zurückzudrängen zum wirt schaftlichen Schaden des weitaus grötzcreu Teils der Be völkerung. Die handelspolitische Lage am 1. März 19V6. Der Zeitpunkt deS Inkrafttretens des neuen deutschen Zolltarifs und der neu abgeschlossenen Handelsverträge ist nahe gerückt. Die AuSfübrungsaroeiten sind, nachdem der Bundesrat das amtliche Warenverzeichnis zum Zolltarif, die Anleitung für die Zollabfertigung, das Statistische Warenverzeichnis, das Massengüterverzeichnis und andere Anweisungen erlassen hat, zum allergrößten Teile beendet. Es wird sich nun noch darum handeln, festzustcllen, welche Staaten an den Vertragssätzen gleich vom 1. März 1906 ab teilhaben werden. Tarifverträge hat Deutschland neu abgeschlossen und ratifiziert mit Rügland, Italien, Schweiz» Belgien, Rumänien und Bulgarien. Zu ihnen gesellt sich der Tarifvertrag mit Griechenland, der nicht gekündigt war und über den 1. März 1906 sortläuft. Alle diese Staaten werden die ihnen einzeln und in ihrer Gesamheit gewährten Zugeständnisse bei der Wareneinsnhr nach Deutschland ge nießen. Zu ihnen würden kommen Oesterreich-Ungarn und Serbien, mit denen nach Kündigung der alten Tarifverträge neue abgeschlossen sind. Diese sind allerdings noch nicht rati fiziert. Man nimmt jedoch an, daß die Ratifikation nun mehr bald erfolgen werde, so daß auch die diesen Staaten gewährten Konzessionen vom Beginn des nächsten Monats ab den Vertragssätzen zuzurechnen wären. Die letzteren werden sodann allen jenen Staaten zugute kommen, mit denen Meistbegünstigungsverträge noch weiter dauern oder mit denen, wie Frankreich und England, die Meistbegünsti gung in anderer Weise festgesetzt ist. Der Umfang der für Frankreich in Betracht kommenden Vertragssähe ist übri gens nach dem Frankfurter Frieden nicht ganz soweit, wie ffir die anderen Länder. Was zunächst die übrigen euro päischen Staaten betrifft, mit denen das Douffche Reich im Meistbegünstigungsverhältnisse steht, so sind Aerckerungen des bisherigen Verhältnisses zu Dänemark, Norwegen, Holland und der Türkei wenigstens vorläufig nicht m Aus- sicht genommen. Mit Schweden wird über den Abschluß eines Tarifvertrages gegenwärtig verhandelt. Jedenfalls werden auch seine Erzeugnisse bis auf weiteres nach den neuen Vertragssätzen bei ver Einfuhr nach Deutfchland be handelt werden. Bleibt übrig die iberische Halbinsel. Das Abkommen mit Spanien ist für die Mitte des laufenden Jahres gekündigt. Mit ihm sowohl wie mit Portugal, dem einzigen größeren europäischen Staate, mit dem kein Meist- begunstignngsverhältnis besteht, wird aber über eine Neu regelung der Handelsbeziehungen verhandelt. Von den außereuropäischen Staaten steht eine ganze Anzahl im Meist- begünstigungsverhältnis zu Deutschland und wird darin auch nach dem 1. März 1906 verbleiben, so die britischen Kolonien außer Canada, Japan, Chile, Argentinien usw. Ein Han delsvertrag mit Aethiopien liegt dem Reichstage vor, an einem solchen mit China wird gearbeitet. Auch mit Argen tinien werden Verhandlungen über die Neuregelung der Handelsbeziehungen gepflogen. Da jedoch der bisherige Meistbegünstigungsvertrag nicht gekündigt ist, so ist es sicher, daß seine Provenienzen noch mindestens ein Jahr hindurch an den Vertragssätzen teilhaben werden. Anders steht be kanntlich das Verhältnis zu den Vereiniglen Staaten von Amerika, die, wenn bis zum Ende des laufenden Monats kein neues Abkommen getroffen wird, das Meistbegünsti gungsrecht verlieren. Auf jeden Fall bedeutet der 1. März 1906 einen Termin von größter Wichtigkeit für die künftige Gestaltung der Handelsbeziehungen Deutschlands zum Aus lande. Die Polizeisragc auf der Marokko-Konfcreuz. Die Aussichten der Marokko-Konferenz werden durch ein neues offiziöses Berliner Telegramm der „Köln. Ztg." nicht gerade als günstig charakterisiert. Es wird darin erklärt, daß Deutschland durchaus bereit sein würde, jedem Vorschläge zuzustimmen, der diePvlizei in Marokko in die Hände einer wirklich neu tralen Nation legt. „Unser Ehrgeiz geht keineswegs dahin, in Marokko den Gendarmen zu spielen^ und wir wurden ganz damit zufrieden sein, wenn die Reformatoren der Polizei aus der Reihe kleinerer unbeteiligter Staaten genommen würden." Ter Vorschlag, die Polizei zwischen Frankreich und Spanien unter der Oberaufsicht Europas zu teilen, wurde, wie es weiter heißt, eine vorsichtige Prüfung er fordern, „denn die Besorgnis ist von vornherein nicht wohl abzuweisen, daß eine gemeinsame französisch-spanische Poli- zeiherrlchaft tatsächlich auf eine, wenn nicht ausschließliche, so doch ganz vorwiegende französische Herr schaft hinauslanfen würde. Bei einem solchen Kondominium würde ver Einfluß des stärkeren Staates, Frankreichs, natürlich den deS schwächeren überwiegen, außerdem aber würde zu bedenken sein, daß zwischen Frank reich und Spanien inbezug auf Marokko zwei Vertrage ge schlossen worden sind. Der eine, der veröffentlicht wurde, bedeutet ini wesentlichen einen spanischen Verzicht zugunsten Frankreichs: was den anderen betrifft, der forgsältig ge heim gehalten wird, so weiß man nicht, was er enthält und ob er nicht Spanien Frankreich gegenüber noch mehr die Hände bindet. Das deutsch-sranzösifche Abkommen vom Herbste vorigen Jahres beruhte auf der Voraussetzung einer internationalen Regelung der marokkanischen Polizeiverbält- nisse. Indem Deutschland sich damit einverstanden erklärte, Frankreich die Polizeigcwalt an der algerischen Grenze ein- zuräumcu, machte es ein Zugeständnis, das über die Be- ttimmungen der Madrider Konvention hiuausging und Frankreich neue Rechte einräumte. Dadurch, daß Frank reich dieses Zugeständnis, daS man heute gar nicht mehr als ein solches betrachten möchte, annahm, hat cs doch klar und deutlich erklärt, daß der übrige Teil Marokkos einer anderen, d. b. einer internationalen, Behandlung unterworfen werden sollte. Die Forderung, daß Deutschland sich mit einem Generalmandat an Frankreich einverstanden erklären solle. bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Zumutung, day Deutschland die Protektoratsbestrebungen Frankreichs legalisieren und die Madrider Konvention zugunsten Frankreichs zerreißen soll. Wir wollen auch jetzt noch nick, die Hoffnung aufgeben, daß man in Algeciras zu einer Ver ständigung i.'mmt. Aber das wird nur unter der Voraus setzung möglich sein, daß man von uns nichts Unmögliches verlangt. Unmöglich aber ist, daß wir Zugeständnisse machen, die den grundlegenden Gedanken unserer in Marokko be folgten Politik geradezu ans den Kopf stellen würden. D a ist es schon besser, daß die Konferenz ohne Ergebnis anseinandergehe und daß es in Marokko bei der bisherigen Lage verbleibe, so wie sic durch die Madrider Konferenz geregelt ist. Das ist freilich nickt dasjenige Ergebnis, das wir gewünscht hätten: es ist aber auch kein Ergebnis, durch welches der Friede ge fährdet werden könnte, dessen Wohltaten wir ebenso zu schätzen wissen, wie die große Mehrheit der französischen Nation. Nicht wir haben an den bisherigen Zuständen ge- rüttelt, sondern das ist durch diejenigen geschehen, die Marokko in den Bereich französischer Expansionsgelüste ziehen wollen. Zwischen ihnen und unseren Bedenken sollte die Konferenz einen Ausgleich finden: wird das durch zu hoch gespannte französische Forderungen unmöglich, so bleibt es eben beim alten, und man wird sich mit der ge- schassenen Lage abfinden müssen." Man macht sich, wie man sieht, in Berlin bereits mit dem Gedanken vertraut, daß die Konferenz ergebnislos ver laufen wird. In Paris hat man die Wolffsche Depesche — wir besprachen sie bereits — noch nicht verdaut und die cbiaen Auslassungen werden die Stimmung nicht verbessern, da tie die Franzosen aufs neue überzeugen muß, daß Deutsch, lands Standpunkt derselbe wie zuvor geblieben ist. Erfreu licherweise ist der Ton der französischen Presse ein ruhiger. Der „Temps" erklärt, man dürfe sich über den „scharfen Ton" der Wolffschen Depesche nicht aufregen und bleibt da- bei, daß eine internationale Polizei eine Drohung für Algerien bilde. Und die „Döbats" schreiben: „Der Statu-; quo, mit dessen etwaiger Aufrechterhaltung man uns schrecken will, läuft unseren Interessen nicht zu wider." Der „Figaro ' schreibt über die Note, betreffend die Marokko-Konferenz, man könne die durch diese Note ent hüllte Lage mit Kaltblütigkeit betrachten. In Algeciras selbst verlautet gerüchtweise, wie der dortige Korrespondent der „Dribuna" telegraphiert, die Konferenz werde sich auf unbestimmte Zeit vertagen. Falls die Verhandlungen zu keinem Ziele führten, würden die Delegierten Italiens, Eng- lands, Rußlands und Amerikas ein Kompromiß aus arbeiten, um einen dauernden Frieden zu sichern, wenn der 8tatn!? guu in Marokko aufrecht erhalten werden müsse. Auck die Mitglieder der Konferenz machen sich anscheinend also darauf gefaßt, daß die Konferenz au der Klippe der Polizei- organisation scheitern wird. vruksckes seiest. Leipzig, 12. Februar. * Freiherr v. Heyking. Zur Vorbildung des neuen preu ßischen Gesandten in Hamburg bemerkt o!e „Neue Hamb. Ztg.": Es mag von Bedeutung sein, sich daran zu erinnern, daß Herr v. Heyking zu den wenigen Ausnahmen gehört, die nicht Schritt für Schritt die übliche Tschin-Karriere durck- messen hat. und daß er, wie man uns aus Berlin schreibt, es seinen journalistischen Fähigkeiten dankt, in die deutsche Diplomatie gelangt zu sein. Ter Sohn eines russischen Staatsrats und Vizegouverneurs von Kurland, war er als Redakteur an einer Nigaschen Zeitung tätig. Glänzende politische Artikel, die er vier über politische Tagesfragen ver öffentlichte, lenkten die Aufmerksamkeit des Fürsten Bismarck auf ihn, der ihn veranlaßte, seine russische Nationalität gegen die deutsche, das Rcd.ikiionspult mit dem Diplomatenschreib tisch zu vertauschen. * Verzollung nach dem neuen Zolltarif. Im Anschluß au die früheren Veröffentlichungen wird erneut darauf bin- gewicsen, daß die Tarifsätze und Vorschriften des geltenden Feuilleton. vss 6eheimn>8 seiner Ohnmacht war, ckasi er ciie Dinge nur unter ckem Zeichen cker Ewigkeit fühlte. llr war auperstancke, ckss OegenwSrtlge sc> HInaufrutreiben, wie cker ea tun muss, cker auf ckie Oegenwürtigen wirken will. Der Lswsr vsn Lsnöon. Gl oster: Wenn ich Euch raten darf, belieb' Eu'r Hoheit, Sich ein paar Tage auszuruhn im Turm. Prinz vonWales: Der Turm mißfällt mir. (König Richard IH.j So legt sich schwer und grau der Nebel über Londons weites Lausermeer. Ich stehe aus der historischen Warte, von der yerab in den historischen Zeiten, in die uns hier die Erinnerung trägt, die Leuchtfeuer lohten, ick stehe auf Tower Hill. Ter Nebel hüllt alles, was darunter liegt, in ein däm merndes, schales Licht, und w scheint es, als wenn die Türme und Türmchen, die dicken Manerwände und die in lähmen- ver Ruhe aufragenden Blöcke undurchdringlichen Steinwerks m Schatten ihrer trüben Beleuchtung noch über das Maß ihrer Größe binauSwüchsen. Der Mann, der mir zur Seite steht und geschäftig mit der Hand von einem Turm zum an dern weist, erzählt mit abenteuerlich gesteigerter Gebärde eine Fülle von Geschichten, die durch eine jahrhundertelange Ueberlieferung an ihrer Romantik wahrlich nichts eingebüßt haben. Diese Mauern umschließen ein halbes Jahrtausend englischer Geschichte, umschließen die Tragödien großer, be vorzugter Menschen. Der Tower von London ist der wahr haftige Tummelplatz der größten Verbrecher gewesen, die die Welt «eschen. Durch den niedrigen Torbogen vor mir 'chritten einst Buckingham und Strafford, Johanna Gray, die Prinzessin Elisabeth und Anna Boteyn. William Wallace und Raleigh: alle dem Tode geweiht. Hier wurde Hein rich VI. ermordet und der Herzog von Clarence in Wein er tränkt, wurden ans NicharbS Befehl der junge König Edvard und der Her oa von Vork im Schlafe erdrosselt. Hier voll- cndctc Margarete von Salisbriiy ihr tragischc-Z Schicksal. Grau und schwer, „zerfurcht von Gewissensbissen", liegt der Tower vor uns. In der Mitte zwischen den vielen run- den Türmen steht daS mächtige vierkantige Gebäude des „weißen Towers", das einstige Residenzschloß der englischen Könige, heute nur noch als ihre Schatzkammer benutzt. Es erbebt lich schmucklos wie eine Festung. Hier waren die könig- licheu Privatgemächer, fest verrammelt gegen Eindringlinge und durch lcrbyrintrschc Gänge kaum aufzustnden. Hier war auch das Turmverließ zu des Königs persönlichem Gebrauch. In diesem Raume war er alleiniger Herr: hier konnte er machen, was er wollte. Neben dieser Prcvatkapelle, vor deren Altar Heinrich VI. erstochen ward, hatten sich die Richards und Heinrich von England den Henkersblock hinstellen lassen, und wie viele mögen da geendet haben, von deren gewalt samem Tode die Welt später nichts erfahren hat! Die Ge- schichte des Towers erhebt sich über einem Leichenfeld. Und wenn wir die englische Köniasaeschichte überblicken, so sehen wir, daß seit dem Jahre 1066 fünfmal di« Dynastien ge wechselt haben. So hat natürlich jedes Geschlecht die mühe- voll erworbenen Rechte mit aller Kraft und mit allen Mit teln festhalten wollen, bis ein Mächtigerer kam, der noch blutigere Mittet gefunden lxitte, den Nebenbuhler vom Throne zu stoßen. Was der weih« Tower nicht bergen konnte an Staats gefangenen, wurde in die zahllosen Gebäude und Türme ge schleppt, die sich um ihn herum gruppieren. Auch hier war man der Gefangenen sicher, ohne daß sie von den Hellebarden trägern des Königs bewacht werden mußten. Denn die Mauern dieser Tiirme sind drei Meter dick. Jeder der Türme hat seinen berüchtigten Namen und seine blutige Geschichte, wie sie auch heißen mögen: der Wieaenturm, der Laternen turm, der Galleymanturm, der Lallen-, Beauchamp-, Gar- ten-, Salz-, Pfeil-, Martins-, Backstein-, Kiesel- oder Bogen- schützcnturm usw. Die Türme bilden gleichsam die Festung zur Königsbura. In ihnen lag die Garnison, und aus ihren Scharten guckten späterhin Kanonenrohre heraus. Diese Bastionen bildeten den äußeren Ring, der dem Volke nicht so hermetisch verschlossen war wie der innere Ring, dessen Mittelpunkt daS königliche Residenzschloß war. Die Gefäng nisse waren verstreut in alle Türme. Die Behandlung der einzelnen Gefangenen bestimmte der König. Doch jede Er- leichteruna der Strafe trat erst ein, wenn der Betreffende sie bezahlen konnte. Wenn e,n Mann verurteilt war, so nahm daS Gericht seine Güter an .sich, „zum Besten deS Königs", und daS Schatzamt sorgte dann, natürlich mit mög- I lichst gutem eigenem Vorteil für di« Beköstigung de« Ber- I urteilten. Für einen Herzog zahlt« man in der Regel fünf I Mund in der Woche, für einen Grafen vierzig Schillinge, I für einen Baron zwanzig, sür einen Ritter zehn Schillinge. Lein Ohr horcht Lower». La» erste Opfer war Thoma» Howqrd, der vierte gespannt nach Loudon hinüber. Ta ein Kanonenschlaa, und der Mann ruft in wilder Freude: „Ha, ha! Es ist geschehen! Laßt die Hunde los! Auf zur Jagd!" Der Kanonenschlag aber war das Zeichen, daß im Tower von London Anna Boleyn soeben das Sckmfsot bestiegen hatte, war das Zeichen, daß nichts mehr im Wege stand, die neue Gattin zu um- fangen. Am Abend des Todestages Annas ritt Heinrich VIII. nach dem Landsitz der Jane Seymour, und am folgenden Tage ließ er sich dort mit ihr irauen . . . Doch die Gestalt Heinrichs VIII. weicht zurück vor dem Manne, den die gclvaltige Menschendarstellung Shakespeares zu unvergänglicher dämonischer Größe erhoben hak, vor Richard III. Sein Geist geht im Tower durch alle Räume. Im Hallenturm erstach er Heinrich VI.: im Rats- zimmer desselben Turmes ließ er Lord Hastings ergreifen und aufs Schaffst schleppen. Im Bogenschützen türm ertränkte er seinen Bruder Clarence ,m Bade: im Gartenturm ließ er die beiden Söhne Eduards IV. erwürgen und wenige Tage darauf den Grafen Reviers und Lord Grcv hinrichten, weil sie ihm seit der Ermordung seiner beiden Neffen nicht mehr beoncm waren. Der Weg, den dieses Ungeheuer zum Throne nabm, ging über Leichen. Am hinderlichsten waren ihm die beiden jungen Söhne Eduards IV., der 12jährige iÄmard V und dessen Bruder, der 9jäbrige Herzog von Aork. Als der Schritt mißlang, die Legitimität ihrer königlichen Abkunit zu bezweifeln, wurde ein Mordqesellc gedungen. Die Tot ward so vollbracht, daß Richard .zufrieden war, und die Leick- name der beiden Knaben wurden wie zwei Hunde verscharrt. Nur der Mörder, Torrell mit Namen, und seine beiden Henkersknechte wußten, wo sie lagen. So lange Richard lebtc> hütete man sich, noch ihnen zu fragen. Dom als er iu der Schlacht bei Bosworth gefallen war, hatte der neue König keinen Grund mehr, das Grab zu verbergen. Doch wo war es? Keiner wußte cs. Auck die Mörder, die die Tat später beichteten, konnten nichts zur Auffindung tun, denn Richard batte die Leichname durch einen Priester fortsckassen lassen. Der Priester aber war tot. Erst zweihundert Jahre später sand man die Gebeine der beiden Königskinder. Arbeiter stießen beim Bau einer neuen Trevpe iu der königlichen Kapelle unter den alten Steinhaufen aus sic. Man forschte in den Akten: das Ergebnis war zweifellos. Nun ruhen sie in der Westminsterabtei in königlicher Gruft. Nie batte eine Königin so begründete Ursache, durch gnadenvolles Walten ihre Stellung zu behaupten, wie Elisabeth. Während der ersten zwölf Jahre ihrer Re- gierung hat sie nie ein politisches Urteil unterschrieben, und bis zu der Stunde, da Englands Strand die Maria Stuart emp'ing, laa das Beil unbcriihn in der Sckaffvikammer de> Unter der Regierung der Maria Stuart bewilligte man für die Verpflegung Johanna Grays wöchentlich achtzig Schil linge, sowie dreizehn Schillinge sür Holz, Kohlen und Licht. Das Geld bekam der Constabel, der für alles zu sorgen hatte, und der natürlich skrupellos in seine Tasche wirtschaftete. Auch alle Zuschüsse, die zur besseren Verpflegung die Familien der Gefangenen leisteten, glitten größtenteils in den Säckel des Gouverneurs. Der Herzog von Norfolk mußte erst den Wärter bestechen, ehe er ein Bettuch bekam, und Raleiab, für den jährlich nach heutigem Gelde über 20000 -tt. Vervflegnngsgclder gezahlt wurden, mußte des- gleichen t»n, um eßbare Lebensmittel zu erhalten. Rätselvoll stehen die Türme und Gebäude des Towers vor uns. JhrUrsprung verliert sich in jene dämmerige Zeit, in der die Weltgeschichte kaum Gestalt gewonnen. Spuren römichen Mauerwerkes findet man an ihm, und m den Cbroniken der Sachsenzeit wird von ihm gesprochen. Unter den normannischen Königen entstand dann ein Gebäude nach dem anderen. Was bat Europa aufzuzeigen, das den Ver gleich mit diesem Kerker aushält? Neben dem Tower von London und seinen achthundert Jahren traditionellen Lebens scheinen alle anderen Königsschlösser und Staatsfesten nur ein Alter von Stunden zu haben. Der älteste Rest eines europäischen Palastes, ein Teil der Westseite der Wiener Burg, stammt aus dem dreizehnten, der Kreml in Moskau und der Doaenpalast in Venedig aus dem vierzehnten Jahr hundert. Noch in den siebziger Jahren, also vor dreißig Jahren, konnte der englische Historiker William Heyworth Dixon auf mehrere von ihm ermittelte neue Tatsacken hin- weisen, die sich zum großen Teil auf vergessene und unbe kannte Oertlichkeiten beziehen. * * * Wir sind in London, und man schreibt das Jahr 1533. Aus der Themse wimmelt eS von Booten. Weißer Nebel liegt ilber dem .zlusse, doch die Maisonnc zerstiebt ihn. Tausende stehen am Ufer und harren der glänzenden Auffahrt der königlichen Braut, der unvergleichlich schönen Anna Boleyn. An der Werft, nabe der königlichen Treppe, steht ein Mann von gewaltiger Figur, alle überragend, angetan mit einem Wams, aus Goto und Scharlach gewirki: an seiner Seite hangt ein kurze« Schwert, auf seiner breiten Brust daS Bild de» heiligen Georj,. Die er Mann ist der König, seine« Namens Heinrich Vlll. Um ihn her schmettern die Trompeten, donnern, d,e Geschütze. Nun kommen sie. AuS der ersten Barke steigt der Lord Mayor anS Land, au« der zweiten schwebt die königliche Braut. Der König küßt sie vor allem Volk, und das Volk lubelt. Doch dos Bild verblaßt, und wir sehen drei Jahre später denselben Mann im Parke von Richmond unruhig auf- und abgehen. -- -
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