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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.03.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060328025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906032802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906032802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-03
- Tag1906-03-28
- Monat1906-03
- Jahr1906
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Abend-A«si,abe Bezugs-PretS M. Jahrgang Nr. 158 Mittwoch 28. Miirz tSOK r 3 Feuilleton 2.rr 3 Z8 8-^ 3 L Z'Ä ver Nebel erfüllt ckie 8laclt von einem Oncke rum snckern unck nimmt alle Menschen in sein lichtes 6e- vvohrsam. ^sn HSrt stimmen aus clem Nebel hervor- tüaen; vas men »der HSrt, flnct nur öruchstüctle von Oesprüchen, lorgerissene Teilchen von clepi 5plel cles lieben», ckas um uns her sich ereignet, ohne elafl vir es erfassen können, Aas vir sehen, sinck vorüder- huschencie Leichter, rlie vom Nebel vermischt werden. Leitern mn. 3 nicht vorliegende» Plan der Wahlresorm aufzuregen oder sich für ihn zu erwärmen. Zu wünschen ist nur, daß der neue Minister mit der Vorlegung der Wahlresorm so wenig als möglich zögere, sondern dafür Sorge trage, daß st« doch noch in einem außerordentlichen Landtag des nächsten Winters zur Beratung kommt. Var Wcbngrle vsm rage. Der konservative LandtagLabgeord- nete für den sächsischen 4ü. ländlichen Wahlkreis (LelS- nih-Markneukirch, Adorf), Rittergutsbesitzer Gustav Richard Bunde zu Erlbach, ist im bö. Lebensjahre nach schweren Leiden gestorben. Anzeigen und Extrabeilage« nur in d«r Msrgea-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittags 4 Uhc. Redaktion und Erpedtttonr IohannlSgasse 8. Telephon Nr. 1S3, Nr. LL2, Nr. 1173. Berliner Redatttons-Vureau: Berlin KlV 7, Dorotheenstraße 83. Tel. I. Nr. 9275. Dresdner Redatttons-Vnreau: Münchner Str. 6. * Auf der Konferenz zu Algeciras wurde gestern durch einen Antrag der amerikanischen Dele gierten eine Verständigung in der Polizeifrage angebahnt. In der Frage der Bankanteile wurde ein Einvernehmen erzielt. ,(S. Tagesschau und unter Marokko-Konferenz.) * Der Maler Eugene Carriüre ist in Paris gestorben. (S. Feuilleton.) tn da tzanptexpedütoa oder derr» Ausgabe- stelle« abgeholt: vtrrtrlsLhrltch L.4O, bei tSgllch zwrimeligrr Zustellung ins Haus dierteljahrltch ^l S.—. Lurch unser« aus wärtigen Ausgabestellen und durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich für die übrigen Länder laut ZeUungsprritlist«. S-3 Anzeigen-Annahme: AugustnSplotz 8, Ecke JohanniSgasse. Haupt-Filiale Berlin: CarlDu » ck r r,Hrrzgl.Bayr.Hosbuchhaudkg„ Lützowstraße 10 Fernsprecher Amt VI Nr. 4608). Kilirl-Srdedttion.DreSdea.Marienstr.34. riWgrr TaMaü Handelszeitung. ÄmlsAatt des Rates und des P-lizeiarnles der Ltadl Leipzig. spreche und gemäß den Verträgen die Sicherheit der fremden Staatsangehörigen und der Handelsbeziehungen gewährleiste. Also daS Ei des Kolumbus! Wieder kömmt es über daS große Wasser herüber. Zweite Ausjührung des grandiosen Finals von Portsmouth: Teddy Roosevelt, der FriedenSenael! Die französischen Polizei-Offiziere werden nicht der „demüti genden" Kontrolle des diplomatstchen KorpS in Tanger unter stellt, über die sich der „Temps" so furchtbar entrüstet hat, sondern der Inspektionsbericht, weicher au den Sultan von Marokko abgebt, wird den Diplomaten „mitgeteilt", damit sie imstande sind festzustellen usw.! Frankreich jetzt der Wahrer der „Souveränität des Sultans" — weichen Eindruck wird das in Fez machen! Wenn nun einmal die „Feststellung" unbefriedigend aus fällt, oder der „Bericht" so mangelhaft wird durch die Uebersetzung inS Arabische und die Rückübersetzung ins Fran zösische, daß man in Tanger nicht mehr „imstande ist fest zustellen"'? An der Person des Gencral-Inspeltors und an der Person unseres Generalkonsuls in Tanger wird alles gelegen bleiben. Nunmehr heißt'- scharf auspassen! Zunächst scheint der Friede gesichert zu sein, wenn der „Vorbehalt" der Regierungs-Instruktionen erledigt sein wird. Verwaltungen zur Beschaffung neuer Wagen verpflichtet seien und die Satze sestzustellen, nach denen diejenigen Verwaltun gen, die zu wenig Wagen besitzen, die anderen, die einen Ueberschuß haben, entschädigen sollen. Hierüber schweben noch Verhandlungen, die ein günstiges Ergebnis schaffen sollen. Lied und Wein und launigen Geschichten. Die letzte reiche Heiterkeit soll neben dem raschen Sterben sein. Und so er zählen sie einander in zehn Tagen das ganze tolle, über mütige und lustige, kluge und berüchtigte „Decameron". *f Umrahmte Geschichten, wie sie bas Rkvrgeniand liebt, ritter liche Abenteuer, wie sie von Harun al Raschid, von Kauf leuten und Räubern ja auch erzählt worden, gewagte Amou- ren, lose Streiche von Allcrweltsnarren bannen die Angst vor dem nahen Untergehen in hundertfachem Wechsel. Ter Schelm, der Tagedieb, der Landstreicher, der Kavalier, der Mönch, der Weise und der Tropf, die ehrbare Dame, die Dirne und die seltene Unschuld im Bauernkleid: das alles kommt und geht und lacht und schilt, betrügt und wird wie der betrogen, ,st pfiffig und dreist, feige und schlau, ehrlich und verstellt, keusch und lasziv und spiegelt, so weit Boccac cio die Varianten auch herholen mag, doch immer wieder nur die eine Zeit, die um ihn wirbelt und tanzt ... Florenz, das schöne^ Florenz, das reiche, Florenz, das verderbte, ist der beste Spieavl, darein er mit Schalksnarrenaugen blicken kann, daß er dann spottend berichte, was er an lüsterner Entartung voll Stcmnen ersah. . . . Aber Boccaccio liebt doch die klugen Köpfe, liebt die Tugend, die Schwachen und schuldlos Gehetzten: die guten Leutchen, „die von verschie denem Unheil verfolgt, dennoch am Ende gegen ihre Hoff nung an ein glückliches Ziel kommen" oder die Zeugnisse zvou den Menschen, welche EdleS oder Hochsinniges in Hin sicht der Liebe oder eines anderen Gegenstandes ausgefuhrt haben." Wobei er sich denn auch aller Srttlichkeitsdelikte zu gutem Schluffe züchtig zu enthalten weiß, die Tugend bc- , 's Giovanni Boccaccio DaS Dekameron". Neu« voll ständige Taschenausgabe. Aus dem Italienischen übersetzt von schäum und vielsach ergänzt von Dr. K. Mehring. Buchschmuck von Walter Tiemann. Insel-Verlag, Leipzig. — Proben, die die Art der meisten im solgenden genannten Italiener charakterisieren, bringt die sorgsam gewählte uns in nicht allzu archaisierendem Ton glückliche Uebersetzung der „Altitallänischen Novellen" durch Paul Ernst. Jnjcl- Verlaa, Leipzig. — Von Larlo Gozzi endlich find die „Vene- tianischen Liebesabenteuer" im Berlage von Julius Zeitler m Lewsia erschienen. Uebersrtzt von W. Kastner. Li«f« Nummer kostet aus - 4d tN ? allen Bahnhöfen und bei Iss den Zeitung»-Verkäufern ^1 sächsische «isenbahufrage. ll. Von lebhaftem Interesse für die Bevölkerung ver Groß- stützte ist die Frage der Ermäßigung der Fahrpreise »m Vorortverkehr. Der Deputation ging hierzu eine Petition zu, die 32 Vereine in 2l Ortschaften mit 77 S4K Einwohnern unterzeichnet hatten und Vie nach Berliner Muster einsn wesentlich reduzierteu Tarif für den Vorortverkehr in Vor- schlag bringt. Die Regierung vertrat in einem Schreiben au die Deputation die Anschauung, daß außer Dresden noch die Städte Leipzig, Cbemnitz und Plauen im Vogtl. bei einer derartigen Tarisänderung in Betracht kämen; für Leipzig würde es sich dabei um die Strecken bis Wurzen, Grimma, Belger-Hain, Borna bei Leipzig, Groitzsch und Gaschwitz-Plagwitz handeln. Bei Einführung des vor- geschlagenen Tarifs würde sich ein Einnahmeausfall von rund 1 858000 jährlich ergeben, und um diese« Manko auszugleichen, müßte der Vorortverkehr um 65,29°/« wachsen; eine solche Zunahme aber könne nicht entfernt erwartet werden. Es sei auch zu erwägen, daß gerade aus dein Gebiete dieses Nahverkehrs die Straßenbahnen mit ihren sehr mäßigen Fahrpreisen dem Bedürfnis eutgegenkämen. Außerdem würde die Einführung eines billigen Vorortverkehrs ein außerordentliches Anwachsen der Betriebsausgaben bewirken. Die Deputation erkannte diese Darlegungen als zutreffend an und beschloß, die Petition aus sich beruhen zu lassen. Das gleiche Schicksal hatte, wie hier beiläufig bemerkt sei, eine Petition des Kaufmännischen Vereins und der städtischen Behörden zu Döbeln um bessere Eisenbahnverbindung beziehentlich Ein stellung eines neuen Zuges von Döbeln nach Leipzig und umgekehrt. Die Deputation glaubt es den Petenten überlassen zu müssen, sich zunächst mit der Königlichen Eisen- bahndirektion beziehentlich dem Eisenbahnrat in Verbindung zu setzen. Eingehende Erörterung fand auch daS Problem der Be- triebSmittelgemeinschaft daS in kommissarischer Beratung bebandelt wurde. Die Ausführungen des Regierungskommissars waren zum Teil vertraulicher Art; einige bemerkenswerte Darlegungen macht der Deputationsbericht-jedoch der Oeffent- lichkeit zugänglich. Die sächsische Regierung steht nach wie vor aus dem Standpunkt, daß eine völlige Be triebs- und Finanzgemeinschaft der sächsischen Eisenbahnen mit den preußischen (oder auch allen sonstigen deutschen) Eisenbahnen nicht erwünscht sei. Eine Be» triebsgeineinschast mit Preußen nach hessischem Muster würde für Sachsen am gemeinsame» Reingewinn einen Anteil von rund 34,6 Millionen Mark ergeben haben, d. i. rund 12^/, Millionen Mark weniger als Sachsen bei eigener Wirtschaft tatsächlich erlangt hat. Selbstverständlich fei die sächsische Regierung aber bereit, zu Vereinfachungen im gegen seitigen Verkehr im Interesse der Minderung von Betriebskosten und zur Erleichterung des Verkehrs die Hand zu bieten. Es erscheine aber unnötig und in gewisser Hinsicht auch im Interesse der sächsischen Industrie bedenklich, z. B. die Konstruktion der Betriebsmittel und ihre Beschaffung mit zu vereinheitlichen. Zweckmäßig dagegen erscheine eine gemeinsame Benutzung der Güterwagen, durch die eine Ersparnis von jährlich etwa Mil lionen Mark für Sachsen möglich würde. Einige Be denken nicht unwesentlicher Art sind allerdings auch hierbei noch vorhanden; ein großer Teil wird aber in Wegfall kom men, wenn, wie die sächsische Regierung beabsichtigt, auf möglichst umfangreiche Stationierung von Spezial wagen das Augenmerk gerichtet wird, die nach der Ent ladung zur Heimatsstation zurückzukehren haben. Schwieriger werde es sein den Maßstab zu finden, nach welchem einzelne Graf von Hohenthal soll bei der zu seinen Ehren veranstalteten Abschiedsfeier der sächsischen Vereine am Sonntag abend, über die wir schon in Nr. 154 berichteten, auch eine politische Rede gehalten haben, deren Wortlaut in der Presse so verschieden wieder gegeben wird, daß sich eine ernsthafte Erörterung über die Rede kaum anstellen läßt. Zudem war diese Rede sicherlich nicht jür die Oesfentlichleit bestimmt. Wir haben deswegen von ihr bisher auch keine Notiz genommen. Die Kritik, die die Rede jetzt erfährt, läßt unö nun aber doch kurz auf sie zurückkommen. Eö wird behauptet, daß Graf von Hohenihal den Rücktritt des Ministers von Metzsch mit den sozialdemokratischen Wahlrechtsdemonstrationen in Ver bindung gebracht habe. Dem widerspricht die allgemein be kannte Tatsache, daß Herr von Metzsch schon lange vor den WahlrechiSdemonstrationen entschlossen war, nach dem Schluffe des Landtags — aber auch nicht früher — aus dem Amte zu scheiden. Nur ein früherer Rücktritt hätte also bestätigen können, daß andere als die von Minister von Metzsch schon im Herbst angeführten Motiv: maßgebend für den Rücktritt waren. — Dann soll Graf von Hohenihal als die Hauptaufgabe seiner neuen Stellung die Schaffung eines neuen Wahlrechts bezeichnet haben. Das wäre nichts Neues. Denn gerade in diesem Sinne hat sich s. Z. der zukünftige Minister dem Vertreter des „Leipziger Tageblattes" in Berlin gegenüber geäußert, wie wir schon am l4. Januar mitteilten. — Neu ist nur, daß Graf Hohenthal, so wird vom „Dresdn. Anz." bestätigt, dem König schon einen Wablreformplan vorgelegt hat, der des Königs Zustimmung sand. Dieser Plan werde weder die Wünsche der äußersten Rechten noch Vie der äußersten Linken befriedigen, werde den arbeitenden Klassen eine Vertretung in der Kammer gewähren, aber zugleich eine Ueberflutung dieser Kammer durch die Sozialdemotratie verhüten. — Interessant ist, daß schon die Möglichkeit einer solchen Wahl resorm die konservativ-agrarische „Deutsche Tageszeitung" aus dem Häuschen bringt. Zwar versichert sie höchst „gnädig", daß sie kerne Veranlassung habe, dem Grafen Hohenthal irgend wie ihr Vertrauen zu versagen, das bekanntlich Herr v. Metzsch in Höchstem Maße besessen hat. Sie bemerkt aber giftig, daß ein im Sinn der „Mittelparteiler" zugeschnittenes Wahlrecht keine Mehrheit in Sachsen hinter sich habe. Als wenn ein anderes Wahlrecht, als wie es angeblich Graf von Höhen thal hier charakterisiert hat, überhaupt ein Fortschritt sein könnte gegen den bisherigen Zustand! Kann man doch um der Staatserhaltung willen weder ein Wahl recht geben, das den Mehring-Leuten eine Mehrheit im Landtag von vornherein gewährt, noch kann man so wenig weit in der Reform gehen, daß die „arbeitenden Klaffen" wie jetzt ausgeschlossen bleiben bei der Vertretung. Aber es hat überhaupt wenig Zweck, sich über einen noch Deutsches Deich Leipzig, 28. März. * Ter Kaiser uutz die Firma Stumm. Anläßlich der Hundertjahrfeier der Neukirchener Niederlassung des Hauses Stumm Hal die Firma ein Ergebenheitstelegramm an den Kaiser gerichtet, das dieser ebenfalls mir einem Telegramm erwiderte. In diesem Telegramm bringt der Kaiser die „großartige Entwickelung", die die Stummschen Werke im Laufe der Zeit erfahren haben, in enge Verbindung mit dem „vorbildlichen Zusammen stehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern", der „muster haften Fürsorge für die Wohlfahrt ver Arbeiterschaft" und dem „Geist der Königstreue und Vaterlandsliebe, in dem die Werke stets geleitet worden sind". Außerdem nennt der Kaiser in dem Telegramm den verstorbenen Frhrn. v. Stumm seinen „verewigten Freund". — Bekanntlich war König Stumm in den letzten Jahren seines Lebens durchaus nicht mehr wie die Zeit vorher „persona xraüssima" am Kaiserhof, was natürlich kein Anlaß für den Kaiser ist, seiner im Tode nicht doch freundschaftlich zu gedenken. Das Urteil über das Verhältnis Stumms zur Arbeiterschaft aber dürste mit Recht wenig Zustimmung in sozialreformerisch gesinnten Kreisen liberaler Richtung sinden. Denn gerade der Stummsche Patriarchalismus hat böse Früchte 'gezeitigt. Davon kann man noch heute im Saargebiet mehr als genug höre» und sehen. * Reichstag und Reichskolonialamt. Wann die Würfel über das Schicksal deS ReichSkolonialamteS fallen werden, ist immer noch ungewiß. Zuerst hieß eS, man werde die Ent- scheidung am Schluffe der zweiten Lesung über den Kolonial etat herbeiführen, daS wäre schon an dickem Moutag gewesen. Dan» verlautete, Freitag oder Sonnabend werde die ent scheidende Sitzung sein. Nach einer Mitteilung der „Neuen Polit. Korresp." ist auch dies fraglich, denn es ist zweifelhaft, ob die Debatte überhaupt »och m dieser Woche ftatthaben wird, da nach dem Marineetat zunächst der Militäretat zur Beratung gelangt. Darin stimmen aber nach wie vor alle Nachrichten überein, daß Fürst Bülow selbst in die Plenar debatte eingreifen wird. * Adel und Ostmarkenpolittk. Nach Erkundigung der „Köln. Ztg." unterliegt eS keinem Zweifel, daß der über wiegende Teil der Adelsverleihnngeu der letzten Zeil mit der Ostmarkenpolitik zusammenhängt. Man will dadurch, daß man vermögenden Leuten, die in den östlichen Provinzen größere, leistungsfähige Güter ankaufen uud al» Fidei- kommiß dauernd in deutschen Händen festlegen, den Adel ver leiht, die Anregung zu solchen Güterkänfen geben. * Lte Lage des preuhifchen volksschul-esetze» bleibt am Schluß der ersten Lesung der Kommission aussichtslos. Trotz aller Bemühungen seitens der Nationalliberalen, der Frei sinnigen und auch der Freikonservativen ist es nicht gelungen, den tz 40 der Regierungsvorlage so umzugestalten, daß er für die Liberalen annehmbar wird. Fassen wir die Beschlüsse der ersten Lesung bezüglich de- tz 40 zusammen, so ergibt sich folgendes: Der Unterschied zwischen Schulverbänden mit mehr oder weniger als 25 Schulklassen ist in Fort fall gekommen. Es erhalten mithin alle Gemeinden ein Vorschlagsrecht; daS „Recht" der bloßen Anhörung ist für die kleinen Gemeinde» durch das wertvollere VorfchlagSrecht ersetzt. Ferner ist durch das weitere Ent- gegenkommen der Konservativen in den Schulverbänven, die eine Schuldeputation besitzen, der Gemeindebehörde das Vorschlagsrecht zurückgegeben worden; sie hat die Schul deputation, daS der Regierungsvorlage da» Vorschlags recht gab, lediglich zu Horen. Das sind aber auch die es durchgekostet, — Petrarca soll es schließlich vermocht haben, daß er der heftigsten Weltlichkeit cwschlvor. Gleich wohl wird dies sein letzter Schwur noch nicht gewesen sein. . Ein toller Genießer, der dem Leben, der Kunst nicht Ziele, noch Schranken setzt^ ein verschwenderischer Ahn der Re naissance, der den Dichter nicht sparen ließ, wo der Mensch im Ueberfluß schwelgte. . . Man liebte Boccaccio, man fürchtete ihn. Italiens geistreichste Männer hielten fröh liche Freundschaft mit dem Gelehrten, dem Dichter, dem Diplomaten, die Dfafflein bangten, daß es ihnen an den Kragen ginge, und nannten ihn unsittlich. Er fand das selbst auch und entschuldigte sich: „Kein verdorbener Sinn nimmt )e ein Wort in unschuldiger Bedeutung, und so wie anständige Worte einem solchen nichts nützen, ebenso wenig können sie, die weniger anständig sind, den noch Unverdor benen besudeln, ebenso wenig wie der Kot die Sonnenstrah len, oder der irdische Schmutz die himmlischen Schönheiten. Welche Bücher, welche Worte, welche Buchstaben sind beiki- ger, würdiger, verehrung-werter als die der Heiligen Schrift? Und doch sind deren genug gewesen, welche, auf em« verkehrte Art sie ausbeutend, sich und andere eben damit in« Verderben gerissen haben. Jede Sache ist, für sich selbst ge nommen, aut zu irgend etwas, aber schlecht angewandt, karr» sie für viele schädlichsein; und da- sage ich auch von meine« Novellen .... Wer Paternoster herzubeten hat, oder seinem Beichtvater Torten und Schmalz-Pfannkuchen vor setzen muß, der lasse sie ruhig liegen, sie lausen keinem »ach, daß er sie lesen sollte." Boceaccio weiß, daß er oft genug seine Helden in galanter Gesellschaft die merkwürdigsten Dinge tun und lagen läßt, aber er läßt sie die- alles nur zu einer Zeit, die in Florenz alle Bande gesellschaftlicher Ord nung gelockert, alle Gesetze zerbrochen, alle Begierden zum letzten Flackern cmporaesiachelt und alle Instinkte entfesselt hatte. In Florenz wütet die Pest: Boccaccio schildert sie weit knapper, weil schärfer, weit eindringlicher noch, als dies nm w viel water der Stilkünstler Monzoni getan, sieben junge Mädchen, — F-iammetta, die immer wieder verherrlichte Geliebte, darf nichtsehlen unter ihn«» —, .liehen mit drei Jünglingen anS den Toren der verseuchten Stadt auf «in Landgut hinan» und verkürzen sich dort, überdrüssig de« aualvollen Harren« aus Leven oder Tod, die Lage mit Anzeigen Preis oi« -gespaltene Petitzeile für Leipzig «uv Umgebung UV Pf„ für auswärts SO Pfg, Kamillen- Wohnuugs- und Stelle»« Anzeige« 30 Pf. Finanzielle Anzeigen, GeschSstSanzeigen unter Text oder an besonderer Stell« nach Tarif. Für daS Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätze« wird keine Garantie übernommen. folitirche Lagerrrdau. Leipzig, 28. März. „Mit Vorbehalt." Der 27. März scheint wirklich die Entscheidung ia Algecira« gebracht zu haben: da« Kompromiß! „Als vormittags die Redaktions-Kommission im kleinen Rauchsalon deS Hotel- Reina Eristiua tagte", so wird uns anschaulich berichtet, teilte der amerikanische Botschafter While einen von ihm selbst redigierten Vorschlag mit, welcher sich «l« eine Umformung des österreichischen Amendements dar stellt«. Dieser Vorschlag fand alsbald die „präliminarische Zustimmung" nicht nur des Herrn v. Radowitz, sondern auch RevoilS. Am Nachmittage legte die Kommission, welche den An trag White inzwischen in das Polizei-Reglement hinein gearbeitet hatte, ihre Beschlüsse dem Plenum der Konferenz vor. Ueber den Verlauf der Sitzung wird offiziell berichtet: Die Konferenz prüft« und genehmigte den neuen Text de- über die Zensoren der staatlichen Bank handelnden Artikel« 20 de« Bankreglement». Die Entscheidung über die Zahl der fremden staatlichen Banken, die das Recht h«ben sollen, die Zensoren zu ernennen, ist zurückgestellt, um die In struktionen der Regierungen einholen zu können. Die Kon ferenz prüfte sodann den neuen Text des Entwurfes für die Regelung der Polizeifrage. Artikel 1, 2, 4, 5, 9 und 10 wurden mit unerheblichen Abänderungen angenommen. Artikel S (ModuS der Vorbereitung des Reglements für die Polizei) wurde zurückgestellt. Artikel 6 über, die Wahl derjenigen Macht, von der der Sultan von Marokko die Gestellung des polizeilichen GeneralinspektorS erbitten soll, stellte die Kommission wegen mangelnder Instruktionen aleichsallS zurück. Artikel 7 über die Beziehungen deS In spektor- zu dem Maghzen und dem diplomatischen Korps wurde gleichfalls angenommen unter dem Vorbehalte von Instruk tionen. Mit demselben Vorbehalte wurde Artikel 8 angenommen, welcher die Untersuchungen bestimmt, mit denen der Inspektor auf Verlangen des diplomatischen Korps in besonderen Fällen soll beauftragt werden können. Artikel 1l, welcher die Ver teilung der französischen und spanischen Instruktions-Offiziere uud -Unteroffiziere auf die Hafen behandelt, wurde für die auf Donnerstag vormittag 10 Uhr angesetzte neue Sitzung zurückgestellt. Bei Schluß der heutigen Sitzung, die L Uhr LO Mm. begann und um 7 Uhr endete, gab der Herzog von Almodovar der Meinung Ausdruck, daß ein Einverständnis erzielt sei, und betonte die glückliche Ein wirkung auf den Abschluß der Konferenz. Wie von anderer Seile berichtet wird, soll nach dem Vorschläge der Amerikaner das diplomatische Korps in Tanger Mitteilung von dem Inspektionsbericht erhalten, damit eS imstande fei sestzustellen, daß die Tätigkeit der marokkanischen Polizei den Beschlüssen der Konferenz ent- Altitalienische Novellen. Von Karl Fr. Nowak (Berlins. Boccaccio war ihr ungezogener Meister. Und wir wissen, daß er die hundert Novellen zu einer Zeit schrieb, da di« Kunst anderer Bölter ihr Wesen kaum im Anfang ahnte. Vor ihm standen Dante und Petrarca: wilde Groß artigkeit, die ehrfürchtige Bewunderer bald göttlich nannten, und die holde Zartheit einer unsterblichen Liebe. Dann kleidete er den Geist in berückendste Formem kehrte lochend di« Grazie der Verfänglichkeit und war ein Streiter. Dante, Petrarca, Boccaccio: olle drei schufen im gleichen Jahrhun dert, keinen können wir missen, sie^sind unzertrennlich. Und von allen dreien lernten spatere Säkuka, die die Väter der Humanisten liebten. Sie hatten die Schätze wieder anfge- deckt, die seit Nom« jsäsarentum verschossen schienen, hatten ihren erfri'chten Glanz geilst, daß sich eifersüchtig drei Jahrhunderte um sie bei allen Herren,n allen Ländern strit- ten. Petrarca war «in Gelehrter. Nur nebenbei »in Dich» 3 S- ter noch, der gleichgültig, was er gedichtet hatte, verachtete. Zwei Reden Ciceros, die er in Lüttich — da er vor Laura floh — in einem verstaubten Bibliothekswittkel entdeckte, oünkten ihm wichtiger, als Sonette und Canzonen, die nur die Sprache des Alltags trug. Auch Boccaccios gelehrter Eifer für die Wissenschaften wird im Notfall noch zu seinen Ehren genannt sein, wenn keiner mehr der Schnurren lacht, die der Uebermütige — wiederum nicht lateinisch — den Bürgern von Florenz erzählte. Aber wir legen die zwei Reden Ciceros ins Archiv der Philologen zurück, daß sie beredte Zeugen forensischer Kunst um ein weiteres vermehren, und lesen Petrarcas Sonette. Und achten, was Boccaccio, der Wiederentdecker Homers im Dienste der klassischen Stu dien, getan, vergessen es im einzelnen und greisen nach den hundert Novellen. Man muß das übrigens schon vor uns getan haben: denn nach Boccaccios hundert Novellen gab uns Italien, über Generationen verstreut, hundert Novellen- dichter » la Boccaccio. Er hat die novella nicht erfunden. Man hat diese kleinen und einfältigen, wunderbaren und gottesfürchtigen, dann >ie ernsthaften und warnenden, die süßen und zärtlichen Ge- chichten schon alle fast vor ihm geschrieben ober doch zu chreiben versucht. Als ,Xüento noveälo anticho" wanderten ie, die schlichte Geschehnisse oft noch in rührender historischer Verwirrung berichten, schon um 1800 im Volke. Und zwei Menschenalter spater hat bann erst Boccaccio, da er aus den alten Fabeln sn überschäumendcm Schöpferdrang völlig neue Gebilde erstehen ließ, fremde Legenden und Abenteuer in eigene Form umaestaltcte, eigene Einfälle und Erlebnisse in leuchtender Prosa vortrug, der große Novellist werden dürfen, der aus Veranlagung, aus Verhältnis und Beding ung seiner Zeit in die Zeiten der Weltliteratur hinüber- schritt. Veranlagung, Bedingung und Verhältnisse waren günstig. Boc-oecia batte viel gekernt. Er war auch viel ge reist. Hatte Männlein und Weiblein, beider bunte- Trei ben, an mancherlei zweifelhaftem Ort betrachtet, belacht mit all dem gallischen Eivrit, den er, der heitere Italiener, von der französischen Mutier besaß. Auch hatte er selbst viel gelieit: ehrbar, wie «S derzeit im tugendhaften Bür- aersinn liegen sollte, unlauter, wi« man eß verdammt«. . . . Wa« Sinnenfroheit, Sinnenluft mrr bieten konnte: «r hatte
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