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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.04.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060424029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906042402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906042402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-04
- Tag1906-04-24
- Monat1906-04
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TageSsch.) * Unter dem Borsitz de» preußischen Geheimrat» von der Leyen begann heute ia Stuttgart die Eisen- bahnkouserenz von Vertretern aller deutschen Staaten zur Regelung verschiedener noch unerledigter Fragen der Tarifreform. * Die „Hamburg-Amerika Linie" richtet eine neue Dampferlinie uach dem Persischen Golf ein. * Ia der Technischen Hochschule zu Charlotten bürg wurde der zweite deutsche Volkshochschultag eröffnet. * Der neue euglisch-tibetauische Vertrag ist ia Peking unterzeichnet worden. koMirche Lagerrchs«. Leipzig, 24. April. Die bedingte vegnadigang In Sachsen. Leider ist e» nicht so, daß Sachsen auf dem Gebiet fort schrittlicher Reformen eine führende Stellung ia Deutschland einnimmt. Der konservativ-reaktionäre Zug, der sich in der Regierung zeigt, macht sich auch auf vielen Gebieten der Ver waltung bemerkbar. Wir marschieren bei Reformen im besten Fall hinterdrein, häufig genug aber wird gar bei un» „vorbildlich rückwärts" reformiert. Unter allen deutschen Bundesstaaten bat aber Sachsen zuerst — und dafür gebührt ihm Ruhm unter den deutschen Bundesstaaten — die bedingte Begnadigung riagesührt. Es geschah durch Verordnung vom 25. Marz 18S5. Preußen, Hessen und Schwarzburg-SonderShauien folgten noch in demielben Jahre, die meisten andern deutschen Bundesstaaten aber erst 18SS dem Beispiele Sachsen» nach. Ueber die Ersolge dieser Einrichtung bis Ende 1SV5, also während de» ersten Jahr zehnt« ihre» Bestehens, berichtet die „Leipziger Zeituna", daß während dieses Zeitraum» im Königreich Sachsen insgesamt 53S6 Personen bedingt begnadigt worden sind. In den ersten Jahren waren eS durchschnittlich nur 2l7 Bestrafte, die dieser Vergünstigung teilhaftig wurden, in den letzten drei Jahren aber 810, 934 und 1062. Berück sichtigt wurden dabei im Gegensatz zu Preußen nur solche, die wegen Vergehens oder Verbrechens eine Freiheitsstrafe noch nicht verbüßt haben. Meist waren eS junge Leute, aber im Jahre 1905 wurden auch 324 Erwachsene (d. h. etwa 31 Pro;, der Gesamtzahl) bedingt begnadigt gegen 193 und 195 in den beiden Vorjahren. Die ausgesetzten Frei heitsstrafen, die io Frage kamen, waren etwa zur Hälfte solche von nicht mehr als einer Woche und zu einem Drittel solche von mehr als einer Woche di» zu einem Monat. Bei Strafen von über 6 Monaten fand keine Berücksichtigung mehr statt. Die Bewährungsfrist betrug bei 92 Proz. aller Fälle zwei bis drei Jahre, nur in wenigen Fällen (3 Proz.) weniger als zwei Jahre und bei dem Rest von 5 Pro;, drei Jahre und darüber. Insgesamt sind in Sachsen innerhalb veS genannten Zeit raums 2083 Personen infolge der bedingten Begnadigung vor der ihnen zuerkannten Freiheitsstrafe bewahrt geblieben, während in 794 Fällen nachträglich die Strafvollstreckung eintreten mußte. Weitere 127 Falle fanden durch Todesfall, Flucht usw. ihre Erledigung. Ja den übrigen Fällen aber war die Bewährungsfrist noch nicht abgelaufen. Daß man auch in juristischen Kreisen mit den Erfolgen der bedingten Begnadigung durchaus zufrieden ist, beweist zur Genüge die Tatsache, daß diese Vergünstigung im Lause der Jahre auf eine stetig wachsende Zahl von Bestraften ausgedehnt ist. Dienstag Priuetti über Italien» Stellung im Dreibund. Dem früheren Minister des Aeußeren Prinetti wurde dem „Berl. Lok.-Anz." zufolge die Frage vorgelegt: „Ist es wahr, daß der von Visconti-Venosta abgeschloffene Mittel- meervertrag mehr platonisch war, so daß er Deutschland nicht beunruhigte, und daß Sie einen anderen, ein gehenderen Vertrag abgeschlossen habeu? Und verdankt man, wenn dies wahr ist, diesem -werten Vertrag die Haltung Italiens in Algeciras?" Pri- netti antwortete dem Interviewer: „Während meines Ministeriums hatte ich bei meinen Beziehungen -um französischen Botschafter öfters Gelegen- heit, den von ViSconti-Venosta zwischen Italien und Frankreich abgeschloffenen Mittelmeervertrag zu bestäti gen uÄ> zu wiederholen; aber andies« m Vertrage hatte ich nich 1 s zu ändern, weder an dem Inhalt, noch an der Form, weswegen er unberührt blieb, und die Haltung Italiens in Algeciras mußte sich nach diesem Vertrag, nicht nach meinen späteren Abmachungen, richten." Die Schlußwendung ist nicht ganz klar. WaS für spätere „Abmachungen" meint Prinetti? Es kann sich doch nur um solche mit Frankreich handeln. Das geht daraus hervor, daß Prinetti vorher betont, es sei in dem vonVisconti - Venosta mit Frankreich abgeschlossenen Vertrage von ihm nichts geändert worden und letzterer allein hätte zur Richt schnur für Italien in Algeciras dienen muffen. Er läßt demnach durchblicken, daß dies von Visconti-Venosta tn Algeciras nicht geschehen sei, daß dieser vielmehr sich nach PrinettiS späteren Abmachungen — mit Frankreich also — gerichtet habe. Damit wär« der geheim gehaltene „zweite Vertrag" mit Frankreich zugegeben, der neben dem älteren besteht und dessen Existenz erst in AlgeciraS be kannt geworden ist. Erst durch diese „Abmachungen" ist, wie es heißt, das Mißtrauen der deutschen Regierung wach ge worden. Ob wohl die angetündigten Interpellationen in den italienischen Parlamenten völlige Klarheit über diesen dunkeln Punkt verbreiten werden? Der Aufstand in Vemen und die Bagdad-Bahn. Aus Calcutta, 28. März, schreibt unS unser ^V-L.-Mit- arbeiter: Der Kan^f, den die türkischen Truppen in der Provinz Jemen in Sürwestarabien schon seit Monaten gegen die aufständischen Araber unter Mohammed Jahia zu fuhren haben, wirb auch hier von englischer Seite mit großem Inter esse verfolgt, und man kann der Art unv Weise, wie die Nachrichten ausgenommen werden, entnehmen, daß man sich im Stillen über Niederlagen der türkischen Truppen sreut. Der Grund hierfür ist nicht lauge zu suchen. Mil dem Augenblick, wo die süoarabischen Stämme ihre Unabhängig keit erlangen würden, wäre ohne Zweifel der richtige Mo ment für England gekommen, um durch Verträge mit den Stämmen den heirichenven Einfluß bis eiu,chließlich Mekka zu erlangen. Eine derartige Gestaltung der politischen Verhältnisse in Südarabien wurde aber ganz entschieden den deutschen Interessen in Kleinasien, die ja von Jahr zu Jahr wachsen, nicht dienlich sein, da die Engländer ohne Zweifel dann den in Arabien gewonnenen Einfluß benutzen würden, um auch von dort aus unsere wirtschaftliche Stellung in Kleinasien zu bedrohen. Ist und bleibt doch die Bagdavbahn — speziell jetzt, wo ein deutsches Syndikat den führenden Einfluß bei der Mersina-Adana Eisenbahn, die der Bagdad bahn den langgewünschten Zugang rum Mittelländischen Meere verschafft, erlangt hat — den Engländern ein Dorn im Auge, da sie ihre bevorzugte Stellung im Persischen Golf als gefährdet betrachten, und jede Gelegenheit dürste ihnen daher willkommen sein, um den deutschen Interessen entgegenzuarbeiteu. Mit der tatsächlichen Beherrschung MelkaS würde aber in der mohammedanischen Welt daS englilche Prestige bis aufs höchste gesteigert. Der Macht und dem Ansehen deS Sultans . April 1906. würde durch den Verlust Mekkas ein schwerer Schlag ver setzt weiden, und da man weiß, welche bedeutende Stellung Deutschland durch sein gutes Einvernehmen mit der Türkei in letzterem Reiche genießt, so hofft man, daß durck einen eventuellen Sturz der türkischen Herrschaft in Arabien auch den deutschen Interessen in Kleinasien ein Stoß versetzt wird. CS ist daher im deutschen Interesse nur zu wünschen, daß die Türken den Ausstand in Jemen bald unterdrücken, da aus den angeführten Gründen die Zukunft der Bagdadbahu andernfalls gefährdet erscheint, und ihr Wert dann für uns ein sehr fraglicher sein würde. Liegt ver doch hauptsächlich darin, daß die von der Bagdad bahn berührten Gebiete, die Kornkammer der Alten Welt, dann wieder in größerem Maßstabe ackerbaulich bearbeitet werden, und wir in Zukunft einen großen Teil unserer Nahrungsmittel von dort beziehen können. Dies aber ist nur möglich, wenn deutsche Interessenten nicht der Gefahr ausgesetzt sind, eines Tage- durch gewaltige Strömungen ihr Hab und Gut zu verlieren. Wir müssen bei unseren Unternehmungen in Kleinasien übrigens ebenso mit der russischen wie mit der englischen Mißgunst und Perfidie rechnen. Bereit sein heißt alles: aus Kleinasien dürsen wir uns nicht wieder hinauSdrängea lassen wie aus Marokko. Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn eS dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Die marokkauische Armee. Der Sultan von Marokko will die Reorganisation seiner Armee mit großem Eifer in die Hand nehmen. Ein spanischer Korrespondent schreibt uus, daß der Sul tan zwei Absichten dabei verfolge. Zunächst gilt es die wirksame Abwehr der ungeschulten Truppen des von Frankreich begünstigten Rhogi. Mehr noch aber legt der Sultan Wert auf die Neuformierung des Heeres, weil er in einer wirklich brauchbaren Truppe eine gute Handhabe gegen das U e b e r h a n d n e h m e n der spanisch französischen Aufsichtstruppe erhält. Bisher vollzog sich, wie uns weiter geschrieben wird, die Rekrutierung der scherifischen Truppe in recht willkürlicher und manchmal lächerlicher Weise, neben einem Knirps stand ein Hüne, ein Graubarl war der Nach bar eines Straßenjungen, ein Hinkefuß hatte das Kommando über ansehnliche KabylenI Eine Uniform von gleichem Schnitt, Stoff, derselben Farbe gab es nicht, der Phantasie war freier Raum gelassen. Ebenso waren die Waffen aus aller Herren Länder und Fabriken zusammengewürfelt, wenn auch das Modell Mauser vorwog. Es gab aber auch immer Leute, die keine Flinten hatten, dieselben waren näm lich versetzt, wie auch manche Uniformstücke, da die Löhnungen sowohl für die Chargierten wie für den Mann äußerst niedrig und unauskömmlich waren, auch nie rechtzeitig gezahlt wur den. Und das waren 10 000 Mann, während jetzt nur die Hälfte, aber wirklich geschulte Truppen vorhanden sein werden! Es gibt auch Leute, die behaupten, die alte Armee sei auch nicht größer gewesen, da die Hälfte der Soldaten stets desertiert und auf Urlaub gewesen sei. Viele flüchteten auch nach Algier hinüher, wo sie gut ausgenommen wurden. Diese Zustände werden jetzt schwinden, und eine europäisch geschulte Truppe wird sich bilden. Man braucht nicht allzu große Zweifel in die Ausführbarkeit des Planes zu setzen, der Muselmann ist einer der besten Soldaten, die es gibt. Ist aber die Herrschaft des Scherifs eine durch ein festgeglieder- tes kleines Heer gesicherte, dann wird sich in Marokko ganz von selbst mit der wachsenden Autorität des Sultans eine Hebung des Volkslebens, eine Beruhigung der Außenposten, ein« Sicherheit auf Landstraßen und im Innern als Re sultat ergeben. — Im Anschluß hieran sei eine Meldung eines Brüsseler Blattes erwähnt, wonach man in Tanger von einem Plan Kaiser Wilhelms rede, der seit Jahren beim Sultan von Marokko bestehenden Militär- mission von vier französischen Offizieren eine deutsche an die Seite zu setzen. Untersagen kann ihm das niemand, die Beschlüsse von Alge- ciraS haben nichts damit gemein, würden daS sogar zulaffen, da sie dem Sultan die Souoeränetät bestätigt haben und er als Inhaber derselben Militärgesandtjchaften empfangen IVO. ZabMNfl. darf. Das Blatt fragt, ob diese Meldung wohl in Berlin bekannt sei, und ob man sie wohl von dort aus dementieren werde, oder wolle Deutschland auf diese Weise der Reorgani sator der marokkanischen Armee werden, wie schon der türkischen? veutschrs Keich. Lei»,«,, 24. April. * Krankreich und der Rücktritt des Herrn v. Holstein. Der Rückiritt deS Herrn von Holstein wirv vom Pariser „TempS" in einem ausführlichen Leitartikel erörtert. DaS Organ der französtichen Regierung sieht m Herrn von Hol- stein das franzolenseinviiche Prinzip verkörpert und gelangt von hier aus zu folgendem Schluß: „Ohne die Wichtigkeit der kaiserlichen Entscheidung, dir Herrn von Holstein dem Privatleben zurückgiebt, zu übertreiben, glauben wir. daß nach Beseitigung seines Einflüsse», der Kaiser, Fürst Bülow und Tschirschky, die reichere und umfassende Geister sind at er, ein Hindernis weniger sür eine au Sw artige Politik der guten Laune und des Entgegenkommens („äs bonos bumeur ob äs boono ^rLoe") finden werden. Sie ist es gerad-. die wir im Interesse aller (!) in Berlin ausschlaggebend wünichen. Diese Fest stellung, die unS willkommen ist, hat nichis, woran die deutsche Empfindlichkeit Anstoß nebmen könnte, da sie nur eingegeben ist von der ausrichtigen Hoffnung auf bösliche und glatte Beziehungen zwischen unseren Nachbaren und uns." Ist die vorstehende Auslassung ein Schlagen auf den Bulch, so muß der „TempS" darauf aufmerksam gemacht werden, daß in Berlin eine auswärtige Politik der guten Laune und des Entgegenkommens Frankreich gegenüber so lange unmöglich ist, als in Paris in Ansehung Deutschland» eine IsolierungSpolitik Delcasssicher Prägung getrieben wird. Eine solche deutschfeindliche Politik kann und darf iu Berlin niemals eine andere Aufnahme finden, als die der euer- gifchsten Abwehr, mag Herr von Holstein im Amte sei« oder nicht. * Die Behandlung der Diätenvorlage. Der Reichstag wird noch in dieser Woche die Diätenvorlage auf die Tages ordnung setzen und voraussichtlich an eine Kommission zur Vorberatung überweisen, es sei denn, daß einer Verständigung von Partei zu Partei der Vorzug gegeben würde. Ohne Ab änderungen der Vorlage wird eS nicht abgehen, da» gebt auch au« den Preßstimmen der verschiedenen Parteilager hervor; insbesondere wird einmütig verlangt, daß in Berttu erkrankte Abgeordnete der Diäten für die Dauer ihrer Krankheit ia Berlin nicht verlustig gehen sollen. Aus dem Munde von Abgeordneten, die hereitS heute in Berlin eingetroffen sind, konnte man hören, daß auch über die anderen Fraget», die in der Vorlage nicht oder nicht zur Zufriedenheit de» Reichstag» gelöst sind, eine Verständigung zwischen den Parteien und mit dem BundcSrate leicht sich werde erzielen lassen. Nur dem Verlangen nach Gewährung freier Fahrt auf allen StaatS- bahnen Deutschlands werde der Bundesrat nicht stattgedea. Dies stimmt mit unsern Informationen überein. Im Bundes rat steht man nämlich auf dem Standpunkte, daß wer Agitationsreisen unternehmen wolle — und dazu würde die Reisefreiheit durch ganz Deutschland in der Hauptsache doch nur benutzt werden, weniger zur eigenen Unterrichtung — der möge dies auf eigene Kosten tun. Die Erledigung der Vorlage im Reichstage wird auf alle mögliche Weise bv- ichleunigt werden, da die zweite Lesung der Steuervorlage vor der Tür steht, wozu die Anwesenheit einer beschlußfähigen Anzahl von Mitgliedern des Reichstags dringend erforder lich ist. * Der Preußische Mediztnalbeawten-Berein trat am Montag in Berlin zu seiner XXlll. Hauptversammlung zu- sammen. Der Vorsitzende, Geh. RegielUiigS- und Medizinal- rar Dr. Rapmuud-Minben wies auf das Inkrafttreten deS neuen SeuchengefetzeS hin,welches endlich den Medlzinalbeauneo die so wichtige Grundlage für hoffentlich noch größere Erfolge biete. Daß diese Ersolge möglich sind, habe man im ver gangenen Jahre an der Cholerabekämpfung geiehen. So dann fprach Geh. Ober-Medizinalrat Prof. Dr. Krrfchner- Berlin zur Frage: Was haben uns die Cbolera- erkrankungen des Jahres 1905 gelehrt? Er wies auf die Feuilleton. lllücknufjauchreuck vor Lntrücken, Schleuckr' ich mitten io den Lischt Dell mein Schwert wie Lleockskrücüeo, vap ckie Llelle spritzt und lischt. Uiae Oohe, sa cker Itelle, Lchlept, eia Lsrdeakord, empor Uack es rüst mich, rafft mich, relpt mich In ckes kllellmeers voaoerchor. bllleneron. Lll«« ««7. Sie will ia Leipzig über Patriotismus und Weltgefühl sprechen. Das macht stutzig. Dera ihre gewissenhafteste Biographin, die Frau Dr. Nvström-Hamilton aus Stock- Holm*), sagt ausdrücklich, sie bah: nur dreimal während ihrer VortragSjahre über Politik geredet. Selbst ein Thema wie die rechtliche Stellung der unverheirateten Frau lag schon auf der Linie d«S ErtremS „Große Persönlichkeiten, Kunst und andere die Bildung fördernde Gegenstände" hat sie bevorzugt. Man weiß ja auch, daß dann ihre werbende Beredsamkeit am hellsten leuchtet. Jetzt wünscht sie als weiblicher Björnson au» Smaland genommen zu werden. Es ist fraglich, ob ihr da» gelingt. Eie wird, gleich allen skandinavischen Wortführern, pro 6«oo, für da« eigene Hau», für eine der abhängigen Nebennationen, die Stimme *) Ellen Kev. Ein Lebensbild von L. Nyström-Hamilton. Biographien bedeutender Frauen. Band HI. Leipzig- Reuonitz, E. HaLerlaud. Geh. S -Ä zu erheben scheinen. Zu befürchten ist, daß sie, die von ihren Landsgenossen verketzerte, ohne das deutsche Echo gleich Ibsen hilflose Schwedin, die deutschen Verhältnisse kaum übersieht. Nicht arrogant wie einstmals Georg Brandes, sondern als eia liebeS, reifes Pendant zum Onkel Björnson in Aulestad wird sie über den „falschen, oberflächlichen Pa- triotismus" dozieren. Sie dürfte wiederholen, was schon in ihrer Schrift „Mißbrauchte Jrauenkraft" steht, Vaterlands liebe sei das Streben und Leben für die Kultur deS Landes. Sie wird sogar Lyrik dreingeben wie jenen schönen Satz: „Sein Auge wird glänzen, wenn er im ferne», fremden Lande den Laut seiner Muttersprache hört; auch für ihn wird das Heidekraut röter leuchten auf dem Hügel, wo er al» Kind gespielt, auch er wird in der Stunde der Gefahr freudig sein Blut vergießen für die heimatliche Erde." Sie bleibt doch wohl immer die philanthropische Parteigängerin, die, mit geringerer Wucht und aus dem Geiste der Ver söhnung, zehn Jahre nach Strindberg swelcher behaustet, sie fasele) Jungschwedens Intransigenz vertritt. Die «inen ONensivkieg »u jedem Falle für ein Verbrechen, nie für eine ethnische Notwendigkeit halten wird. Die Verfasserin deS „Schwedischen oder großschwedischen Patriotismus", die gegen die ivterskandinaoischen Grenzfestungen, die deutsche Politik in Schleswig, die russische in Finnland, und für den Kapitän Dreysu» geeifert hat. Sie lst von Entrüstungen, nicht von Tatsachen inspiriert, ähnelt, da sie ia daS „Re quiem" schrieb, der österreichischen Baronin Suttner und zeigt sich rm letzten End« al- die Tochter deS zur „Linken" gehörigen Abgeordneten Emil Key, für den sie Zeitungs artikel bergestellt hat. Aber diese Fragen interessieren unS nicht. Ihr Thema interessiert uns nur zur Hälfte. Man kann in ihren Büchern Dutzende von Seiten überschlagen, bis man dann wieder zu einer Stelle gerät, wo stark und rein die Grundnote ihre» wertvollen Wesens uns entgegen hallt. Will «an sie verstehen, so muß man sie nicht als Lehrerin der Uuslandliteratur begreifen. Sie hat ja auch das bv-, trieben, als sie in Stockholm die französischen Moralisten und Salons, di« russische Literatur, d«« italienisch« R«. naissaue« behandelte. Ti« hat auch gelegentlich, vi« »asrr« kleinen Hedda Gablers von heute, die nach dem Wort der Kevschülerin Elisabeth Nem^nyi laute, streberische, exzen trische Geschöpfe sind, die Formel „In Schönheit leben" ver wandt. Aber in Stille. Rübe und Herzlichkeit meinte sie etwa» ganz anderes. Nicht literarische Erkenntnis ist der Born, aus dem die Vielbelesene icköpft und schöpfen läßt, sondern nachdichtende Begeisterung. Darum ist ihr Irr- tum über den nach Goethe und Nietzsche dritten Deutschen, von dem diese Freundin der zarten Gabriele Reuter weiß, über Rilke, so liebenswert. Und darum find ihre schönen Essays über die Brownings und ihren Landsmann Alm- avift keine Studien, sondern Hymnen. Sie bat, als Enkel kind der Mac Keys, die keltischen Züge, die Per Hallström, der Dichter, mit den Worten bezeichnet: „Man hat von der schottischen Gemütsart behauptet, sie ziehe mehr Segel aus und geh« dabei tiefer als die englische. Sie hat nicht bloß WahlaffinitSt mit dem britischen Geiste, dem sie fast sämt liche Ideen entlehnt. Denn Ruskin, der Prophet, dem „alle Kunst Lobgesang'' war, und die Eliot, d,e Schriftstellerin, welche die Macht der Güte, „pbs millr os stuman lciocknsos" besasi, sind di« beiden Sterne, die über ihr schweben. Sie hat nicht bloß einen einzigen Tropfen, nein, viele Tropfen britischen Puritanerblutes. Sonst hatte sie sich niemals aus der Unsinnlichkeit loSgerungen, wäre sie nie das geworden, wa» Nietzsche den Menschen der „leidenschaft lichen Spannung" nennt, hätte sie nie sich befreit. Oft wird sie noch heute ganz britisch, wie in ihren Betrachtungen über die künftige Regelung und Erhöhung der Gesellschaft. Sie bat den generalisierenden Trieb der Landsleute Mills: „Vorwegnahmen", könnte, nach dem Bei spiel des Londoner Utilitariers H. G. Wells, der Titel manches ihrer Bücher sein. Sie ist, wie viele Persönlich keiten der britischen Ethik, durch die humanitäre Welle von Rousseau« ErFiehungSweisheit erfaßt worden: „Emil" hieß nach dem Romanknaben des Genfer Naturanhängers ihr Vater „Gleichzeitig hatte sie", erzählt di« Noström-tzauttl- ton, „auf der vraunrosiae» Tapete nebeu ihrem Bette ein R«,ch abaearenzt. ein kleines Utopien, ia welchem sie in weißem Kleid« auf einem weißen Pferd«, Symbol«» des Friedens» der dort herrsch«« sollte, umherritt und Steuer lasten erleichterte^ Handel und Gewerbe förderte. Schulen errichtete und alle Beamten gerecht, alle Krieger milde machte". Sie glaubt an das Bild von Guido Renis Stundentanz, der auf die Stundenbetze folgen muß, worin Walter Crane unsere Zeit personifizierte, hat an den neuen Mann geglaubt und glaubt an das neue Weib mit dem organisierten Heim. Sie wurde um ihres Mitleids willen die Schützerin von Bauern und Arbeiterinnen, wie sie nach her, aus Neigung für eine mit dem Verstand zu ahnende Zukunft, durch Herrn und Frau von Vollmar zu fried fertigem Sozialismus sich bekehren ließ. Sie wiederholt Stimmungen und Kombinationen, die unter den weiblichen Autoren und Dulderinnen Deutschlands am feinsten und wahrhaftigsten das Fräulein Malwida von Meysenburg ver gegenwärtigt hat. Sie birgt, wie diese, unter schwacher Heiterkeit, asketische Demut, ist eine bedürfnislose Gegnerin der Nichtigkeiten, hat, trotz ihrer freigeistigen Schroffheit, die religiösen Gefühle so in sich durchlebt, daß selbst der antichristliche Christ Kierkegaard nicht mit strengerem Ernst vom „Schwerte Jesu" zu reden vermöchte. Sie hat, nach einem großen Liebesschmerz, den sie, wie die Nyström an deutet, sechsunddreißig Jahre alt, als Lehrerin, erfuhr, die Sinn« gehaßt und war so heftig, wie sie vorher milde ge wesen war. In den Reihen der Feministen Schwedens hat sie be gonnen, die ibre besonderen Gaben, ihr Temperament für ihre Wochenschriften verwerteten. Sie empfand sich einmal als intellektuelle Genossin der Publizistin, nicht des WeibeS, George Sand, als Genossin der Beecher-Stow« und der ge samten Schule. Sie schrieb zuerst. 1874, über die Camille Collet, deren absolute Meinungen von Ebe und Liebe sie teilte. Bald jedoch veränderte sich ihre Art. Sie schrieb über die Ahlgren, die Selbstmörderin, die ,chcm Tode entgegenaing, wo sie auch ging , di« au» unerfülltem Lebens drang sich vernichtete. Dann schloß Fräulein Key sich an Frau Anne Charlotte Leffler, Herzogin von Cajanello. und Sonia Kowalewsky an. Was da» heißt, ist jedem bekannt, der das Buch der Laura Marholm oder da» Merkchen der Leffler über die russische Mathematikerin gelesen hat. über die Emanzipiert« mit den »gebrochen«« Flügeln", bi« nur
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