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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.04.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060428026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-04
- Tag1906-04-28
- Monat1906-04
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Tagesschau und HaudelSteil.) * Da- englische Geschwader in Malta hat mit Rücksicht auf den englisch-türkischen Konflikt Befehl erhalten, bereit zu sein, um in See zu geheu. komische Lagerrcha«. Leipzig, 28. April. Minister von vndve -h. Die schlimmen Nachrichten, die gestern über da- Befinden de- preußischen Eiseubahnministers von Budde einliefen, haben sich nur allzu schnell bestätigt: der Minister ist heute früh >/,7 Uhr in Berlin gestorben. Er stand erst im 55. Lebensjahre und schien noch eine lange, erfolgreiche Amtstätigkeit vor sich zu Haden. Statt dessen hat seine ministerielle Tätigkeit noch nicht ganz vier Jahre gewährt. Wie Podbielski ist Minister von Budde aus einer militäri schen Laufbahn in die der Verwaltung üdergegangen. Am 15. November 1851 in BenSberg geboren trat er 1889 in die Armee ein. Im deutsch-französischen Feldzug wurde er 1870 vor Metz verwundet. Dann wieder dienstfähig, beschäftigte er sich vorzugsweise mit dem mili- täri'chen Eisenbahnwesen. Dem entsprechend wurde er zumeist im Dienst de» Generalstabes verwandt, in dessen Eisenbahn abteilung er 14 Jahre lang Dienst tat. 1896 wurde er Chef dieser Abteilung, von 1897 mit dem Rang eines Obersten. Er hatte in dieser Stellung auch Gelegenheit, parlamemariscb tätig zu sein. Er verteidigte die von den Konservativen so stark bekämpfte Kanalvorlage vom strategischen Standpunkt auS im Abgeordnetenhaus. Bald nach seiner Beförderung zum Generalmajor nahm er 1901 seinen Abschied, um in die Stellung des Generaldirektor- einer deutschen Waffen- und Munitionsfabrik (Löwe) einzutreten. Aber schon im Jahre 1902 berief ibn das Vertrauen de- König- in das Ministe rium der öffentlichen Arbeiten. Er wurde als Nachfolger Thielens Eisenbahnminister, indem gleichzeitig die Bauverwal- tuug von dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten abge trennt und dem Ministerium des Handels zugewiesen wurde, so daß das vom Minister von Budde verwaltete Amt sonan nur noch die Eisenbahnen und die Wasserstraßen unter sich balle. Wie sich hier Minister von Budde während seiner nur knapp vierjährigen Tätigkeit zugunsten des Handel- und der Industrie betätigt bar, darüber gibt an anderer Stelle (HandelS- teil) ein Leitartikel Au-kunst. Aber seiner sozialpolitischen Tätigkeit und allgemein verkehr-politischen Wirksamkeit sei in diesem Zusammenhang gedacht. Es darfihm nachgerühmt werden, daß er eine weitgehende sozialresormeriscke Fürsorge sür die Arbeiter und unteren Beamten seines Ressort- entwickelte. Dafür legte der preußische Etat der letzten Jahre Zeugnis ab, indem immer neue Mittel eingestellt wurden für Auf besserung der Wohnung-Verhältnisse der Angestellten und es braucht nur an die mannigfachen Erlasse de- Minister« und der ihm unterstellten Elsenbahndirektionen erinnert zu werden, die den Zweck verfolgten, für bessere Beköstigung und bessere Unterkunsl der im Dienst beschäftigten Eisenbahner zu sorgen. Andererseits trat er scharf allen Bestrebungen entgegen, die darauf ausgingen, im Verdacht sozialdemokratischer Neigungen stehende Organisationen der Angestellten zu fordern. Was dem Ministerium Thielen nicht beschieden war — die Annahme der vielumstrittenen Kauabrorlage durch den preußischen Landtag war ihm Vorbehalten, freilich nachdem sie eine starke Beschneidung erfahren hatte unter dem Druck konservativ-agrarischer Wünsche, denen sich Buvde bis zu einem gewissen Grade aubequemte. — Mit seinem Namen wird dann aber auch für immer verquickt bleiben, waS in den letzten Jahren zur Förderuug einer deutschen Eisenbahn- tarisgemeinschaft und Vereinheitlichung der Betriebsmittel geschehen ist. Dankbar wird man seiner stets gedenken, wo man von dieser Förderung zu einer Einheit des Verkehrs- Wesens redet. Das schließt aber die Kritik nicht aus, die namentlich der jetzt so gut wie feststehenden Tarifgeinein schaft gilt, bei der die fiskalischen und verwaltungs technischen Gesichtspunkte stark zugunsten einer wirklichen Verbilligung der Personentarife überwogen haben, wodurch diese- Werk aus dem Nahmen einer Politik heraussiel, die unter dem Zeichen des Verkehrs stehend darauf bedacht sein sollte, das Reisen zu erleichtern und es darum auch zu ver billigen. Natürlich läßt sich schwer eruieren, wie weit hier Minister Budde eigenen Wünschen folgte, die vielleicht reform freundlicher waren Und wie weit die Interessen der Finanz minister sich als stärker erwiesen haben, die immer nur zu sehr geneigt sind, die Eisenbahnen in erster Linie als Ein nahmequellen des Staates einzuschätzen und weniger als Verkehrsmittel, die dem Interesse des Publikums dienen. — Ein schweres unheilbares Leiden, von dem der Tod eine Er lösung bedeutete, hat den Minister von Budde, der einer bürgerlichen Familie entstammte, vom König von Preußen aber geadelt wurde, frühzeitig aus einem Leben abgerufen, das reich an Erfahrung, Fleiß, Tatkraft unk Erfolg war. Sein Andenken wird in Ehren bleiben. Möge es ge- lingeu, ihn durch einen Mann zu ersetzen, der das Verkehrswesen des größten deutschen Bundesstaates, das einen so starken Einfluß auch auf die Verkehrsverhält- nisse der anderen Bundesstaaten ausübt — modernem An spruch entsprechend zu fördern weiß. DaS Fell de- abessinische» Löwe». Der Appetit kommt mit dem Essen. Das sieht man auch aus dem Gobiet de» Völkerleibens nur zu oft. Die „Entente für Nordafrikla" zwischen England und Frankreich und die wegen des Mittelmeeres, an der auch Italien teilgenommen hat, sind noch nicht genug: Eine neue Entente in bezug auf Abessinien ist -wischen den drei genannten Mäch ten so gut wie beschlossene Sache. Es handelt sich dabei um das „Erbe Delcassös", der, wie ein wohlunterrichtetes Pariser Blatt mitteilen kann, kurz vor seiner Demission in ähnlichem Sinne wie Marokko auch Messinien „verteilen" wollte: Die Mittelmeer-Entente wuchs sich dadurch aus zur Roten- meer-Entente. Herrn Delcassö wären ja sämtliche Meere recht gewesen, wenn er etwas unter Ausschluß der „Alle- mands" zu verteilen gehabt hätte. Es handelt sich — wie immer —! lediglich um rein wirtschaftliche Interessen der drei Länder in Abessinien, gerade wie in Marokko. Nachdem nun über dieses Land eine notdürftige Einigung zwischen Deutschland und Frankreich erfolgt ist, wird die äbesfinische Frage wieder aufgerollt, und hierbei, so sagt man in Paris, hat Rom keine Rücksichten auf Berlin zu nehmen. Eine Anfrage in Berlin soll ergeben haben, daß man dort nicht gegen diesen Plan ist. Die Vereinbarung tastet in keiner Weise die Souveränität Meneliks an, sie achtet die Inte grität seines Reiches wie die Interessen, welche, politischer oder kommerzieller Natur, -wischen diesen und andern Mäch ten bestehen. Die Absicht gehe lediglich auf den Bau und den Betrieb der Eisenbahnen Abessiniens. Frankreich verlangt, daß die Linie von Dschibuti nach Adis Abeba unter allen Umständen von Franzosen gebaut und betrieben -wird. Der Grund dieser Forderung soll in einer älteren Konzession gelegen sein, die an eine französische Gesellschaft von Menelik erteilt worden ist. England und Italien sind damit einverstanden. Britannien, welches bereits die abessinische Bank „geschnappt" hat und somit von jeder fremden Mitarbeit in dem Lande des Negus bare Profite ziehen wird, fordert das Recht, diese französische Linie Dschibuti-Adis Ababa fortzusetzen, verzichtet aber seinerseits auf den Bau einer Eisenbahn von Berber an der Küste ins Jnnre. Da kürzlich eine lange Bahnstrecke nach dem Blauen Nil von der «gyp- tischen Regierung eingeweiht ist, schöpft John Bull den Schaum ab, indem er seine Kap-Kairobahn einen Schritt weiter bringt und durch den Bau der Franzosen ein« Sei tenlinie gratis erhält. In Aegypten aber, d. h. „vor der abessinischen Haustür", vermehrt jetzt John Bull seine Be satzungsgruppen, ist also auch zulandc der Stärkste in diesem neuen „Dreibund". Wundern muß man sich über die immer wiederholte Be reitwilligkeit Italiens, mit den Franzosen zu paktieren, obgleich sie durch ihre Nachbarn aus Tunis, und aus Nord afrika überhaupt, verdrängt worden sind. Italien fordert — „nicht s". Nur wegen des Durchgangsrechtes auf den französischen und englischen Bahnen hat es Abmachungen in Paris und London getroffen — als ob die Unternehmer nicht froh wären, wenn sie italienische Reisende und Trans porte erhalten. Das schönste aber ist dabei, daß Italien selber eine der soeben erwähnten Konzessionen, die so billig wie Brombeeren gewesen sind, seit 1882 in der Tasche hat. Es läßt sich also bei dem Freundschaftsbund, wie auch bei der Nordafrika-Entente einfach „in die Ecke stellen". Aller dings spricht dabei mit, daß die Italiener seit dem Tage von Adua ein Haar in der abessinischen Suppe gefunden haben. Was nun Deutschland anbetrifft, so schreibt der „Matin", daß der vielgenannte Herr v. Rosen «ine Gesandt schaft nach Abessinien geführt und in Adis Abeba erklärt habe, Deutschland habe nichts gegen einen Bahnbetrieb durch Franzosen, da es ja seinen Handelsvertrag sicher habe. Falls aber ein wirt schaftlicher AKord zwischen mehr Mächten, also etwas Inter- nationales, geschaffen werde, dann würde es seinen Anteil fordern. Wenn aber der Pariser Politiker meint, es fei nichts Derartiges in der zu erwartenden Abmachung mit Abessinien enthalten und Deutschland werde ohne Zweifel Anstimmen, dann könnte er sich doch irren, denn erst muß eine Abschrift in Berlin vorgelegt sein, bevor man dort zustimmt, das hat Herr Delcassö erfahren. Also mit der Unterzeichnung des .Lstalienisch-franco-englischen Vertrages", die „biontöt" erfolgen soll, tun die drei Bundesbrüder vielleicht gut, noch etwas zu warten. „Reichsrcgcnt" Lieber. Professor Dr. Marlin Spahn hat zum kommenden 60. Geburtstage seines Vaters, des Reichstagsabgeordnelen Dr. Spahn, als literarisches Angebinde eine Schrift „Ernst Lieber al- Parlamentarier" (Gotha, F. A. PertheS) veröffentlicht. Aufgebaut auf den Parlamentsakteu sowie auf Mitteilungen Liebers und feiner Freunde, ist Spahns Schrift ein lesenswerter Beitrag zur Zeitgeschichte, obwohl Liebers Briefe darin noch nicht verwertet worven sind. Bon beson derem Interesse erscheint der Abschnitt, der de» „Reichs regenten" Lieber behandelt. Auch in seinen besten Jahren war Lieber, so führt Spahn aus, nicht der Leiter der Reichspolitik, nicht Regierer, fon- dein nur Parlamentarier ... In sedem Falle . . . blieb er sich bewußt, daß er in seiner Stellung als Abgeordneter der Regierung nur beistehen, nie Steuermann sein konnte. Die Mitarbeit freilich durfte ihm keiner unterschätzen. Er sah als ihre Ausgabe die fiele Vermittelung zwischen der Regierung und der Bevölkerung, zwischen den leitenden Organen und der öffentlichen Meinung der Nation an. Darin schis» ihm der deutsche Reichstag.. eia Parlament über alle Parlamente. Er galt ihm gleichsam als das Herz des Reiches und als „die sicherste Bürgschaft" für dessen Bestand. Die Hingabe an den Reichstag., wurde im letzten Jahrzehnt von Lieber- Tätigkeit so charakteristisch für sein äußeres parla mentarisches Auftreten, wie der Schlüssel für seine Partei führung darin zu suchen ist. Selbst seine äußere Erscheinung passte sich dem an . . . Der in den 80er Jahren durch den Gegensatz zu Bismarck mehrfach nah an die Linke herangedrängte Mann hat In der verantwortlichen Stellung an der Spitze der Fraktion un ablässig auf eine maß- und einsicht-volle Betätigung des Parlamentarismus hingewitkt. Er hielt darauf, daß der Reichstag von seine» Rechten Gebrauch machte und sie sich unversehrt wahrte. Aber er sollte sie weder überschreiten, noch unnatioual verwenden. Ju den auswärtigen Angelegenheiten übte Lieber deshalb nicht nur Zurückhaltung, nm die deutsche Diplomatie nicht zu schädigen, sondern machte es sich auch zur Gewissenssache, bis an die äußerste Grenz« der Möglichkeit zu gehen, um ohne alle Parteiunterschiede den Reichstag geflossen an der Seite der Rrichsregierung zu halten. Ein verwandtes Bemühen legte er in der inneren Politik an den Tag." Die Grundanschauuag, von der aus Lieber dabei seiner Partei ihre besondere Aufgabe zuwies, besteht nach Spahn in dem Bestreben, das richtige Verhältnis zwischen notwendiger Einheitlichkeit und schonender Erhaltung der einzelftaatlichen Besonderheiten zu finden. Gute Beziehungen zwischen Zentrum uud Bundesrat sowie unter den Reichs tagsfraktionen und Beseelung der Zeutrumöwähler mit dem Verständnis für nationale Bedürfnisse waren Bedingungen für den Erfolg dieser Bemühung. Beeinträch tigt aber wurde der Erfolg, wenigstens in der Richtung aus die Zentrumswähler, durch den vou Spahn hervorgehobenen Umstand, daß die Berührung mit der Masse in Volks versammlungen genügte, um Lieber in den Bann der Ge- danken zurückzuführen, mit denen die katholische Bewegung der Mitte des 19. Jahrhunderts ihn u»v seine Gesinnungs genossen erfüllt hatte. Deutsches Deich. Leipzig, 28. April. * Tcutsch-belgtschc Srrnzregulierung. Die „Neue poli tische Korrespondenz" bestätigt die Nachricht, daß das neutrale Gebiet von MoreSnet in absehbarer Zeit zwischen Preußen und Belgien aufgeieilt werden wird, da sich eine Teilung als allein praktisch herauSgestelll bat. Wann jedoch die Aus teilung vor sich geheu wird, steht entgegen der Nachricht, daß die Vertreter der beiden Regierungen schon in den nächsten Tagen Zusammentreffen w irden, »och nicht fest; die Verhand lungen sind vielmehr noch nicht abgeschlossen. * Ium Prozetz tztädke, der bekanntlich auch in zweiter Instanz zugunsten Gädkes au-begangen ist, bemerkt die „Neue polit. Korrespondenz": „dieser Spruch ist an sich ebenso bedeutungslos, wie der der ersten Instanz; die Entscheidung liegt beim Kammergericht, und so ist denn auch, wie wir vernehmen, die Revision bereit- angemeldet. * Zur Hcimarbettfrage. Der Staatssekretär des Innern wendet der baldigen Regelung der Heimarbeitfrage dauernd seine Aufmerksamkeit zu. Bereits im Frühjahr 1905 waren zur Vorbereitung für die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung-Pflicht der Hausgewerbetreibenden durch die Referenten des Reichsamts des Innern in einigen sür die HauSrndustrie besonders bemerkenswerten Be zirken in den Provinzen Rheinland, Westfalen uud Sachsen, im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken, im König reich Sachsen und im Herzogtum Sachsen-Meiningen Er hebungen veranstaltet worden. In Verfolg der Berliner Heimarbeitausstelluug bat Graf PosadowSky neuerdings Ver- anlafsuug genommen, nach Vereinbarung mit den beteiligten Bundesregierungen für weitere Gruppen der Hausindustrie örtliche Untersuchungen durch seine Referenten slattfinden zu lassen. Di« diesjährigen Erhebungen werden sich vorzugsweise auf hausindustrielle Betriebe in Mittel- und Süvdeuischland erstrecken und zwar namentlich auf solche Erwerbszweige, die sich in besonders gedrückter wirtschaftlicher Lage befinden. Bei diesen Erhebungen sollen — wie auch im Vorjahr — mit den Haus- Feuilleton. Mächtig rvcMen ckle Rbenckglocken Von ckem Lruncle cker Lrcke mich lochen. Selig rvialtte iveltvelte tzüh', Lacht ru Locken flockte mein llleh. klenctzell. Lrnft Freiherr von Fevchterslebe«. Von HanS Benzmann (Wilmersdorf). Weihe dich selbst ein, und verkünde: daß die Natur allein ehrwürdig und die Gesundheit allein liebenswürdig ist. Friedrich v. Schlegel Bewirkt es der aristokratische Klang des Namens Feuch- tersleben oder der exquisite, fast artistische des Titels: „Zur Diätetik der Seele (der Hauptschrift des Dich ters und Philosophen), — immer, wenn ich ihn mir vorstellte, schwebte mir dieser Zeitgenosse Lenaus, ÄrünS, Grillparzer» als eine fast ätherisch feine, zarte, unbestimmte, wenig indi viduelle Erscheinung vor. Wie ganz anders lebendig stehen die eben genannten Dichter vor uns. Selbst ein Grün, ein Bauernfeld sind unS noch Charaktere — in diesem Sinne. Der Freiherr v. FeuchterSleben (geboren am 29. April 1806) ist trotz der Popularität seiner Schrift und ihres ganz persönlichen Gepräges in unserer VorstellungSwelt verblaßt, chemenhast und wesenlos geworden. So sehr gestaltet ein dichterisches LebenSwerk den Charakter des Dichters selbst, lebendig, sichtbar für die Nachwelt; so wenig ae- stoltungSsähig in diesem Sinne ist jede- andere, rein aus der Reflexion hervoraegangen« LebenSwerk. Wer war der Frei herr v. Feuchterileben? WaS ist er uns beute noch? Er ist der Dichter Kes wundervollen Grablied^ „Ei ist be - tzi« »1 i» L»tt-» Ra t" —da» wisse» «ur sehr wenig« Leute und mit Recht, denn dieses Lied ist ein Volkslied! —, er ist der Verfasser der genannten Schrift, die wir nirgends wo, in keinem Fache der Wissenschaft, unterbringen können,— er war ein berühmter Arzt. Das ist es, was wir von ihm in der Erinnerung haben. Es ist das Schicksal der wahrhaften Menschenfreunde, der „geborenen Menschen'^, wie Hebbel sagt, daß sie ihre Zeit erfüllen, wohltuend während ihres Lebens befruchtend nach allen Richtungen hin wirken, deutlich und ganz Charakter, ganz Seele ihrer Zeit erscheinen, und dann — dahinsinken und verblassen. FeuchterÄeben gehörte zu diesen Stillen im Land«, die rastlos wirken, rastlos an sich und für die Mensch heit arbeiten. „Man wird zu allem geboren; warum nicht auch zum Reinmenjchlichen? Gewiß, es gibt geborene Menschen, wie es geborene Poeten gibt." Diesen Aphoris mus des Dichterphilosophen — der feingebildete Jeuchters- leben liebte diese Form — wendet Hebbel, der es sich nicht nehmen ließ, nach dem allzu frühen Tode des Freundes dessen Werke herauszugeben (Wien 1853), in seiner Bio graphie Feuchterslebens auf diesen selbst an. „Wer sich sein Wesen klar machen will, der muß ibn aus diesem Gesichts punkt betrachten. In dem reinen Menschen wiederholt die Natur gewissermaßen sich selbst, sie läßt den allgemeinen Grund über die Besonderheiten, die aus ihm erwachsen, her- vortreten und enthält sich des Individualisierens, soweit sie kann." Diese Bemerkung Hebbels ist ungemein sein und scharf durchdacht und beleuchtet das ganze Problem in bell- ster Weise. Es ist übrigens nicht- charakteristischer für den Menschen FeuchterSleben, als die Zuueigun- Hebbels, des mit allen Unzufriedenen, deS ewia Mißtrauischen. Inter- essant war der Freiherr dem Grübler und Seelenzerfaserer gewiß nicht' das wird auch durch die Schlechtigkeit der Bio graphie Hebbels — ein im ganzen langweiliges. unbesrelteS Gemisch von biographischen Daten, Brief- und Tagebuch stelle»! — zur Genüg« bewiesen' aber Hebbel hatte eine un geteilte Bewunderung für den Menschen FeuchterSleben: eS ist so, al» schweige such eine schamhaft« Zärtlichkeit in Hebbel dürren biographischen Blättern auS. Nur einmal, bei der Schilderung des einsamen Sterbens FeuchtcrSleoenS, da quillt und strömt olleS Empfinden des ebenfalls unverstande nen Hebbel über und findet die nackten, armen, ergreifenden Worte der Klage und Trauer. . . . Und noch rin anderer verkaunter, rin großer „Raunzer" und rücksichtslos Auf richtiger. war von einer bewundernden Liebe z» Feuchter»- leben erfüllt: Franz Grillparzer. In seinen Charakteristiken zur Literaturgeschichte (vergl. Sämtliche Werke, Max Hesses KlassikerouSgabe, Äd. 14, Seite 131 ff.) vertieft er sich in liebevollster Weise in den Charakter Kes dahingegangenen Freundes. Grillparzer hatte ihn spät kennen gelernt. „Ich war durch meine poetischen Arbeiten wenigstens unter meinen nächsten Landsleuten, zu Dichtung und Haltung gekommen, und doch fühlte FeuchterSleben, der sich so gerne anschloß, kein Bedürfnis, mir näher zu kommen. . . . Ja, als ein gemeinschaftlicher Freund uns zum ersten Male einander gegenüber brachte, waren Feuchterslebens Aeußerungen und Haltung nicht frei von einer gewissen oppositionellen Schärfe, die er sich fruchtlos Mühe gab, zu verhehlen. Aber ein erstes Gespräch reichte hin, unS in geistige Gemeinschaft zu bringen; obwohl er gewissermaßen in sich fertig, und ich nicht geneigt war, von meinen Ueberzeugungen, irgend jemand jUiliebe, auch nur ein Haarbreit nachzugeben. Wir waren Freunde, ehe wir es wußten; wobei der Unterschied der Jahre in keine Rechnung kam, da das Systematische seiner Bildung seinem Alter vorauseilte, mde» von meiner Seite die poetische Anschauung immer etwas Jugendliches mit sich führt. . . . Die Grundlagen feines Elxrrakters waren: Rechtschaffenheit, Wahrhaftigkeit, Wohlwollen und Bescheiden- heit. Er hat mit Recht von sich selbst gesagt: Ich habe mir alles erkämpfen müssen! Denn nie ist ivm ein Vorteil ge- worden den er durch Aufgeben ^incr Uebcrzeugung oder durch Abweichen von dey streng gezogenen Pfade der Recht- uchkelt sich erworben hatte. ... Er hat sich nie große Ideen awqeloaen, UcbErzeugungen erkünstelt oder Bedürfnisse eingebildet. Nicht nur sein Denken, auch seine Empfindung war einig mit sich und Wahl. Er kannte die Grenzen seiner Begabung, und nie ist «S ihm eingefallen, darüber hinaus- zugehen, wenn ilnn auch hundert Journale dafür eine pa- pierne Geltung angeboten hätten. . . . Beinahe kein Feld deS menschlichen Wissens blieb ihm fremd. In der Philo sophie war Kant sein Man». Diese Philosophie der Be- scheldenbeit, die das demütige „Ich weiß nicht" an die Spitze deS Systems stellt, daS Gegebene, als eine- Beweise- eben- sowenig fähig «IS bedürftig, zum Ausgangspunkte nimmt, völlig »umeben, wenn sie daS logisch Richtige, Würdige und allen Förderliche damit in Lebereinstimmung bringen kann; die gerade, weil sie dem Denken seine Grenzeit setzt, der Ahnung und Empfindung möglich macht, di« leergewordenen Raum« al» Religion uud Kunst au»»usillleu — Kant» Bhil». sophie war die seinige. . . . Das Ziel feines Strebens und der Mittelpunkt seines Wesens war übrigens die Bildung, insofern damit die möglichste Erweiterung und harmonische Durchdringung aller Fähigkeiten und Erkenntnisse gemeint ist. Die entgegengesetzte Ansicht, daß jedes Wirken und jedes Talent eine gewisse Einseitigkeit, ein liebergewicht nach einer Seite voraussetze, gab er -war zu, war aber nicht ge- neigt, die Uebereinstimmung seines Innern einer solchen, wenn auch geistreichen, Störung preiszugebcn. Daß unter diesen Umständen Goethe sein Ideal sein mußte, leuchtet von selbst ein. Nie ist vielleicht der Kultus sür diesen allerdings größten aller Deutschen weiter getrieben worden wie von ihm. . . ." Uebrrgens verband beide Männer noch ein besonderes Moment. Die optimistische Weltanschauung, die in der „Diätetik der Seele" zum Ausdruck kommt und in den Sätzen: Erkenne dich selbst. Beherrsche dich, Nütze dem Ganzen (einfachen Formeln uralten Werts, Leitsätzen aller menschlichen Ethik, ja Quintessenz des Menschlichen, Quelle und Ziel alles Fortschritts) wurzelt und gipfelt, be- ruht gewiß in erster Linie auf einer optimistischen Veran lagung, aber sie war auch das Erzeugnis eines gegen die eigene Hypochondrie sich energisch wendenden Wollens. FeuchterSleben war, wie das bei einem Kulturmenschen selbstverständlich ist, keine einseitig gestimmte Natur, sein ethiich gerichteter Wille, sein diszipliniertes Gemüt glich nur die Gegensätze harmonisch aus. Sein Buch „Zur Diätetik der Seele", das sich geradezu gegen den pessimistischen Zeit- geist wendet, gegen den Weltschmerz, gegen ine Koketterie mit Todessehnsucht und Lcbensflucht, ist somit nicht nur eine Moralpredigt lim besten Sinne), sondern auch Äekenntnis- schrift intimster, wenn auch rein geistiger Art. In dieser BezicLung gohört eS in die Reihe der „I»«n«5os" von Pascal und „dlLLimk«" von Larochesoucauld und ähnlicher. Es ist das Ergebnis eines Lebens. Schon al- Knabe hatte FeuchterSleben allen möglichen physischen und seelischen Uebeln zu widerstehen Er war ein kränkliche« und ein grüblerische« Kind. Hinzu kam die geist liche Erziehung im Theresianum zu Wie», die ihn zu früher Menschenverachtung gelangen ließ. Er schreibt hierüber in seinem Tagebuche, daS er vereitS al« Jüngling, wenn auch nicht regelmäßig, führte: „Ta? Erziehungsipslem in der Akademie war ganz verfehlt, wie es i» fast allen öffentlichen Er»l«^iug»«chüt-» V<st«rr«ich der -oll ijt. Pfaffe«,
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